008 - Chaos
Ich weiß, ihr wartet noch auf die Fortsetzung von dem letzten OS... ich arbeite daran! Aber dieser hier ist auch sehr besonders. Ich freue mich schon auf eure Kommentare!
Louis war ein Idiot. So richtig laut und blöd und witzig und klug. Authentisch. Und das mochte Harry an ihm. Wenn er mit Louis sprach, machte die Welt normalerweise wieder Sinn. Er konnte manchmal einen Haufen an halben Sätzen aufbauen und Louis ordnete sie und machte sie überschaubar. Er hatte noch nie jemanden getroffen, der ihn so sehr verstand.
Genau das brauchte er heute von ihm.
Sie trafen sich mit Freunden in einem kleinen Pub in ihrer Stadt. Louis Harry waren immer zuerst da. Sie waren eben Louis und Harry. Und ihre Freundschaft kam in letzter Zeit viel zu kurz. Nach der Schule waren Harrys Freundschaften der Reihe nach kaputt gegangen. Der eine zog ans andere Ende des Landes, der andere war plötzlich in einer super wichtigen Beziehung, die seiner vollen Aufmerksamkeit bedarf, der nächste war einfach ein Arsch und suchte sich neue Freunde. Aber Louis war geblieben. Sein bester Freund.
Den er seit Wochen nicht mehr gesehen hatte.
Das Leben kam dazwischen. Aber sie schrieben und telefonierten, schickten sich Memes oder dumme Videos oder süße Tiere hin und her. Für Harry war das genug, um zu wissen, dass Louis immer da war. Immer mal wieder einen lachenden Emoji von ihm geschickt zu bekommen reichte, um die Freundschaft immer wieder aufs neue zu bestätigen, bis sie sich wiedersehen konnten.
Und so hatten sie sich abgesprochen, schon zwei Stunden vor dem Treffen mit der Freundesgruppe in den Pub zu gehen, um noch ein wenig Zeig miteinander zu haben.
Sie fielen sich schon am Eingang in die Arme. Louis, der etwas früher angekommen war, war extra aus der Sitzecke aufgesprungen und Harry entgegen gelaufen, als er seine Silhouette durch das Milchglas der Tür erkannt hatte. Harry hätte heulen können vor Glück. Er hatte seinen besten Freund vermisst.
Sie setzten sich an ihren Stammtisch und bestellten sich jeder ein Bier. Und dann begannen die Gesprächsthemen nur so aus ihnen herauszusprudeln. „Habe ich dir schon erzählt, dass..." Es war so früh, dass der Pub noch weitestgehend leer war. Und ihr Lachen füllte den Raum. Irgendwann lag Louis lachend neben ihm über der Bank gekrümmt, während Harry versuchte, endlich den letzten Schluck seines Bieres zu trinken. Er hatte sich so amüsiert, dass ihm fast entfallen war, worüber er mit Louis so dringend hatte reden wollen.
Als er einen Blick auf sein Handy warf, fiel es ihm siedend heiß wieder ein.
Louis hatte sich beruhigt und saß nun mehr neben ihm als gegenüber auf der Bank, die den Tisch von drei Seiten umrahmte. Es war eine kleine Nische mit Platz für 7 Leute und einem großen Fenster, gegen das sich Louis nun lehnte. Er nahm einen Schluck von seinem zweiten Bier. Harry hatte sein Glas endlich geleert und winkte der Kellnerin um ein neues.
„Hey.", sagte er und nickte zu der Uhr, die über der Bar hing, als er Louis' Aufmerksamkeit hatte. Dieser brauchte kurz, um sie zu lesen. „Schon halb acht.", stellte er dann fest. Harry nickte und zeigte ihm dann sein leeres Glas. „Ich habe vermutlich noch nie so lange für ein Bier gebraucht." Sie lachten leicht. Seufzend lehnte Louis sich zurück. „Naja. Im Prinzip lässt es sich ja so zusammenfassen: Studieren ist cool, aber nur solange man nicht in der Prüfungsphase ist.", beendete er das Thema. Harry nickte zustimmend. Er war auf sein Glas konzentriert.
Louis kniff die Augen zusammen. Dann rückte er ein Stück auf, um Harry mit dem Ellenbogen einen Knuff gegen den Oberarm zu verpassen. „Alles okay?" Harry grinste blöd. „Ja." Aber Louis hörte nicht auf, ihn anzusehen. Unter seinem intensiven Blick hatte Harry sich noch nie wohl gefühlt. Louis kannte ihn zu gut, hatte er beschlossen. Er konnte ihn lesen wie niemand sonst. Also gab Harry nach.
„Ich... ich weiß gar nicht wie ich das anfangen soll... also, ich wollte... muss... mit dir reden..."
Louis nickte und rückte wieder um das Eck herum, um Harry besser anschauen zu können. Harry konnte sein Gesicht nicht genau deuten, aber er versuchte auch, seinen Blick zu meiden. Er schnappte sich die laminierte Getränkekarte und spielte daran herum. „Ich... also, Olivia..."
„Oh Gott... Exfreundin..." Louis schüttelte den Kopf. Harry lachte ein bisschen über die Reaktion seines besten Freundes.
„Ja. Also, nein. Sie hat nichts getan. Und ich bin auch über sie hinweg." Sie hatten sich beinahe direkt nach dem Abschluss getrennt, das war bald ein Jahr her.
„Also, du weißt noch wie wir bei Liams Geburtstagsparty im August nochmal Sex hatten? Dieser... Ausrutscher im Gästeklo?" Louis verzog theatralisch das Gesicht. „Oh mein Gott, war der Sex so schlimm dass du ein halbes Jahr später immer noch darüber nachdenken musst?" Harry lachte. „Nein. Also, keine Ahnung. Olivia... das ist es ja gerade. Olivia ist nicht... was ich will. Also, sie steht für so ein bestimmtes... Leben. Und das... ich weiß nicht. Also, es geht um ein Leben. Aber da ist jemand... neues, und... also ich sage das nicht, weil ich sie persönlich nicht mag oder so, sondern... es könnte auch jede andere Frau sein, weißt du? Es ist aber so, dass sie mir..."
Harry unterbrach sich selbst. Bildete er sich das nur ein, oder war Louis näher bei ihm als davor? Er drehte sich zu ihm um. „Harry... ich denke ich weiß, was du sagen willst." Harry konnte sich das nicht vorstellen. Er war noch weit von dem entfernt, was er sagen wollte. „Olivia hat mir etwas gesagt, das mich... ich will einfach frei sein, und ich weiß nicht, ob es falsch ist, aber mit dir, wie heute Abend, da fühle ich mich frei. Und Olivia, sie ist-"
Louis küsste ihn.
Harrys Hirn brauchte mehrere Sekunden, um das zu verstehen. Louis hatte sich nach vorne gebeugt, seine Hand an Harrys Schulter gelegt und-
Harrys Herz setzte mehrere Schläge aus. Er erstarrte völlig und ließ sich von Louis küssen, ganz weich und sanft und vorsichtig, bis er seine Lippen freigab und Harry leise sagen konnte:
„- schwanger. Olivia ist schwanger."
Sie starrten sich an. Harrys Herz fing an, kräftig Blut durch seine Adern zu pumpen, während sein Gehirn seine letzten gestammelten Sätze nochmal durchging um herauszufinden, wie Louis auf die Idee gekommen war, ihn zu küssen.
Louis öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, aber brachte kein Wort über die Lippen. Harry beobachtete, wie er immer mehr in Panik verfiel, aber er konnte nur zuschauen. Er hätte ihn gerne beruhigt und gesagt, dass alles gut war, aber dafür rauschte zu viel Adrenalin durch seinen Körper. Er war überrascht. Das war die einzige Emotion, die er benennen konnte.
Beide konnten sich nicht aus ihrer erschrockenen Stille lösen. Deshalb war es eine Erleichterung, als die Kellnerin Harry sein Bier brachte. Ihm gelang es endlich, seinen Blick von Louis zu lösen und nahm lächelnd das Glas entgegen. „Kann ich dir auch noch was bringen?", fragte sie mit einem freundlichen Lächeln an Louis gewidmet. Er schüttelte kurz den Kopf. Dann verhakte sich sein Blick wieder mit Harrys.
Die Kellnerin verschwand mit einer gehobenen Augenbraue.
„Du... du wirst Vater?", fragte Louis schließlich leise. Die Kellnerin hatte den Augenblick zerrissen und ihm seine Stimme wiedergegeben. Harry nickte gerade so, dass Louis es mitbekam. Sein Körper war verkrampft. In seinem Kopf spielte sich immer wieder der Moment ab, in dem Louis seine Lippen auf seine gelegt hatte. Er konnte es noch fühlen. Es fiel ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen, aber das Thema machte es ihm möglich.
„Sie hat es mir erst vor zwei Wochen gesagt... eigentlich wollte sie es mir wohl gar nicht sagen, aber ihre Mutter hat sie dazu gedrängt... also... sie will es nicht behalten. Ihre Mutter meinte wohl, ich solle es wenigstens kennenlernen dürfen. Und jetzt... jetzt soll ich entscheiden. Wohin das Kind soll. Ob ich es will. Oder... ob jemand anderes es bekommt..." Harrys Stimme hörte sich dünn an. Er sprach leise und holprig, löste sich immer wieder für einen Moment aus Louis' Blick, um sich sammeln zu können. Als er zum Schluss wieder zu Louis sah, hatte der sich abgewendet.
„Ich... ich brauche dich... ich weiß nicht, ob... was ich...", sagte Harry leise. Er bemerkte, dass er zitterte. Das ist das Adrenalin, dachte er. Aber es war auch Angst. Er wusste, dass sich gerade etwas geändert hatte. Louis hatte noch nie etwas in diese Richtung angedeutet.
Harry war nicht vorbereitet gewesen.
Und wenn? Hätte es etwas verändert?
Hätte er... Louis zurück geküsst?
Dieser Gedanke löste den ultimativen Kurzschluss in seinem Gehirn aus. Für einen Moment glaubte er, mit dem gesamten Körper unter Wasser gedrückt worden zu sein; seine Umgebung wurde undeutlich und verschwommen, er hatte den Boden unter den Füßen verloren und keine Luft zu atmen. Er sah die Sonne über der Wasseroberfläche. Er sah Louis.
„Hey Jungs!"
Beide schreckten auf. Beinahe hätte Harry nach Luft geschnappt. Louis stand vor Schreck auf. Ihre Freunde waren angekommen, Liam zog bereits Louis in eine brüderliche Umarmung zur Begrüßung, und Niall ließ sich neben Harry auf die Bank fallen. Hinter ihnen tauchten die restlichen drei auf. Es war ein großes Durcheinander, doch ihre Blicke trafen sich. Dann verschwand Louis Richtung Theke.
Harry wurde begrüßt und umarmt. Jemand nahm einen Schluck von seinem Bier. Eine Jacke streifte seine Wange als sie an ihm vorbei ins Eck geworfen wurde.
„Tut mir leid, aber ich muss gehen.", sagte Louis dann. Harry war nicht sicher woher er aufgetaucht war, aber plötzlich stand er wieder vor dem Tisch. Die Gruppe gab ihre Empörung lautstark zu Kunde, aber Louis ließ sich nicht erweichen. Er sah nur Harry an. Und Harry wollte sagen: Ich komme mit. Lass uns reden. Lass uns... Aber dann war Louis schon weg. Und Harry nahm einen großen Schluck aus seinem Bier.
———————————————————————
Später in dieser Nacht saß Louis in seinem Zimmer im Wohnheim und konnte nicht schlafen. Er hatte seine Switch in seinen Händen, aber starrte nur auf den schwarzen Bildschirm, der schon vor einer halben Stunde in den Ruhestand gewechselt hatte. Sein Handy hatte er umgedreht und auf seinen Schreibtisch auf der anderen Seite des Zimmers gelegt. Seine Mum hatte versucht ihn zu erreichen. Eigentlich hatte er diese Nacht Zuhause verbringen wollen, nicht im Wohnheim, das eine Stunde entfernt von seiner Familie und dem Pub und Harry lag. Er sollte ihr sagen, dass er nicht mehr kommen würde.
Es klopfte an seiner Tür. Er sah nicht auf. „Louis, bist du da?" Natalie wohnte in dem Zimmer direkt neben ihm. „Ich will nur wissen ob wir zu laut sind." Er konnte den Film deutlich hören, den sie anschauten. Natalie und ihr Freund. Ihr dummer, attraktiver, kluger, witziger Freund. „Alles gut." sagte er. Es war halb 2 und völlig idiotisch von Natalie, noch bei ihm zu klopfen. Aber sie hatte ihn heimkommen hören und er hatte sie seither ignoriert und vielleicht war es seine eigene Schuld.
Vielleicht war überhaupt alles seine Schuld. Wie konnte er nur so dämlich sein? So leichtsinnig und naiv?
Es klopfte erneut. Louis stand auf, um Natalie möglichst freundlich wegzuschicken. Er mochte sie. Und ihren dummen, attraktiven, klugen, witzigen Freund. Seine Switch fiel vom Bett als er schon beinahe bei der Türe war. „Shit.", sagte er leise vor sich hin.
Er öffnete die Tür und Harry stand vor ihm.
„Bevor du irgendwas sagst- Ich... Mein Leben ist Chaos und ich will... ich will es noch chaotischer machen, und ich muss einfach wissen, ob ich-", und das war alles, was Harry aus sich heraus bekam bevor er auf Louis zu ging und ihn küsste. Louis klammerte sich überrascht in Harrys Jacke und schloss seine Augen. Er beschwor sich. Dieses mal aufzupassen. Sich alles genau einzuprägen. Aber der Moment war schnell verflossen. Harry ließ ihn los und machte schnell einen Schritt zurück. Sie sahen sich an. Louis' Herz schlug schnell. Harrys Wangen waren leicht gerötet. Louis fiel das auf. Harry räusperte sich.
„Okay. Danke."
Und dann drehte er sich um und ging. Louis rollte eine Träne die Wange herunter. Er war sich nicht sicher warum.
Harry zwang sich, zu atmen. Chaos traf es ziemlich gut.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro