Reise in die Meißener Lande
Larno und die vier Sachsenkrieger aus Hermanns Reisegefolge beugten sich über die Leichen der drei Wegelagerer. Einer der Sachsen begann, sie nach wertvollem abzusuchen. Doch die einfache Kleidung der Wegelagerer deutete schon darauf hin, dass sie kaum etwas haben konnten.
Sicherlich hatte keiner der drei angetrunkenen Gesellen damit gerechnet, welch kriegerische Präsens hier und heute auf dem schmalen Pfad durch den Hohlweg wollte. Sie hatten mehrere Bäume gefällt und in den Hohlweg fallen lassen, wohl um fahrende Händler um Hab und Gut zu bringen.
Als die Vorhut des Geleites auf dem Waldweg hier um die letzte Ecke ritt, stand einer der Gesellen geduckt hinter den gefällten Bäumen und die beiden anderen Räuber hockten hinter Büschen oberhalb im Gehölz.
Das Entsetzen stand ihnen noch ins tote Gesicht geschrieben.
Larno war durch das Klirren der Schwerter und die Unruhe der Pferde der Vorhut gewarnt worden. Er gebot den edlen Damen, die Kutsche nicht zu verlassen, da ein Hinterhalt drohe. Dann war er mit seinem Pferd nach vorn geritten.
Doch hier war die Sache schon beendet- der letzte der Wegelagerer wurde gerade durch einen Schwerthieb in den Rücken zu Boden gestreckt und sank- mit lautem Schrei sein Leben aushauchend ins Moos des Waldes. Das Schicksal der Wegelagerer hatte sich bereits erfüllt.
Larno ritt noch in das angrenzende Waldstück hinein- dorthin, wo die Räuber die Flucht suchten. Aber niemand weiter war dort- oder auf der anderen Seite des Hohlweges.
So blieb es wohl bei den Dreien.
Schnell fanden sich Knechte und Kutscher, welche an den Baumstämmen anpackten, um den Hohlweg passierbar zu machen.
Herr Hermann schaute sich das Schauspiel selbst von seinem Pferd aus an und besah sich auch die Leichen.
„Gottloses Gesindel!", hatte Herr Hermann über die drei Blutverschmierten geurteilt, bevor er den Damen- allen voran Herrin Reglindis- vom Ausgang des Hinterhaltes berichtete.
Die Kutsche der Prinzessin passierte nun den Ort der Bluttat.
Wie Larno sehen konnte, machten die edlen Frauen Lieschna und Reglindis neugierige Blicke. Die hohen Damen wandten sich aber angesichts der blutenden Körper angewidert ab.
Auch Nerin war kurz zu sehen. Wenngleich sie auf der anderen Seite in der Kutsche saß, so war wohl auch Nerin von der Neugierde angesteckt und suchte mit Blicken etwas zu erkennen. Sie erkannte Larno, der abgesessen hatte und nun bei den Wachen stand- nahe bei den Leichen.
Nerin kniff ein Auge klein und verzog ebenfalls das Gesicht.
Einer der suchenden Waffenknechte wurde wohl doch fündig, denn gerade als Nerin noch zu Larno blickte, hob der Knecht einige geprägte Silberlinge in der Hand hoch und brüstete sich vor den anderen Knechten.
„Sieh an, sieh an, was wir hier gefunden haben. Seht nur, was dieser Lump dabei hatte.", sprach der Waffenknecht aus Herrn Hermanns Truppe.
Schnell und interessiert kam ein zweiter Waffenknecht hinzu und rüttelte den leblosen Körper zur Seite. Die Leiche lag sodann auf die Seite geworfen- reglos, wobei sich Arme und Beine seltsam verdrehten.
„Komm Raiko. Suchen wir ihn nochmal ab.", sprach der Waffenknecht zu dem Glücklichen, der den Fund gemacht hatte.
Larno hatte immer noch Nerin's Blick vor Augen.
Sie fand es wohl wenig angemessen, wie die Waffenknechte mit den Toten umgingen. Insgeheim hoffte Larno, Nerin hätte ihn nicht hier stehen sehen, denn er selbst hatte nicht die Absicht, die Halunken im Tode zu bestehlen.
„Der dort sieht aus, wie ein Köhlerbursche! Sieh nur!", rief ein anderer Wächter, der auch am Erfolg seinen Anteil hatte.
„Was machen wir jetzt mit denen?", erfragte der Vierte, ein junger Mann.
„Ach. Lass sie liegen. Die Raben und Krähen werden ein Festmahl haben, wenn wir erst einmal weiterziehen.", sprach der Knecht mit dem Silber.
Larno hatte kein Interesse am Plündern der Leichen, daher ging er zu seinem Pferd und saß auf.
Das Pferd ließ sich nur widerwillig in der Enge zwischen den Bäumen anreiten und wenden.
Was die anderen Männer jedoch nicht abhielt vom Tun. Sie suchten weiter.
Larno brachte sein Pferd zwischen zwei Wagen des Trosses, welche der Kutsche nachfolgte.
Nahe war man schon am Tagesziel, welches als Burg Strehla benannt wurde. Dort erwartete Hermann, gut empfangen zu werden und wollte den Fortgang des Ausbaues der recht neu gegründeten Burg besehen.
Der Handelsweg wurde hierzulande als der Hohe Weg bezeichnet, wenngleich er zumeist durch flaches Gelände zu verlaufen schien. Dieser Handelsweg war wohl für die Meißener Markgrafen eine bedeutende und zu schützende Verbindung zwischen ihrem Land bis zur Lausitz und dem Land der Polen hin in der einen Richtung und den westlichen Landen bis zum Fluss Rhein. Schutz gaben verschiedene kleinere Wachposten oder Burgen- so wie in Strehla.
Der Wachknecht Raiko ritt zu Larno näher heran. „Mehr war bei den Burschen dann doch nicht zu holen. Ich habe wohl heut doppeltes Glück."
„Zweifaches Glück? Wieso das?", fragte Larno nach.
„Na, erst dieser Fund bei dem Wegelagerer- ein schöner Batzen Silber und dann komme ich heute Abend noch bei meinem Weib zum Liegen. Wir haben eine Hütte in Strehla, nahe bei der Burg. Vielleicht gestattet man mir sogar, mal einige Tage an der Burg zu bleiben. Dieses ständige Umherreisen ermüdet die Liebe daheim." Wachknecht Raiko war augenscheinlich guter Zuversicht.
„Ihr seid ein Slawenritter, Herr? So erzählt man sich unter uns Knechten."
„Ja. So ist es."
„Davon haben wir einige Ritter, welche sich auch um Herrn Ekkehard und Herrn Hermann scharren. Von der anderen Seite der Elbe kommen sie- auch aus der Lausitz und von den Milzenern sind einige Ritter dabei. Gute Krieger allesamt."
„Ist das denn ungewöhnlich, das Slawen dabei sind?" Larno zeigte sich interessiert.
„Im Geleit des Markgrafen? Nein. Ich bin selber Slawischer Abstammung, wie einige im Heerbann des Thüringer Herzogs. Doch die wilden Slawenstämme waren uns bislang immer unterlegen. In der Lausitz leben die Lusitzii, gegen die der Markgraf vor Jahren ins Feld gezogen ist. Mit dem Speer sind sie ja vielleicht ebenbürtig, aber mit Schwertern nicht. Deren Bogenschützen mögen gute Jäger sein, bringen aber keine guten Entfernungen auf den Pfeil, wie die Deutschen. Und den Reitern haben sie kaum etwas entgegen zu setzen. Doch hätte uns damals in der Lausitz nicht das polnische Herr geholfen, wäre ich jetzt wohl nicht mehr."
„Wie lang bist Du schon im Geleit deines Herren?"
„Im siebten Jahr. Zumeist jedoch an der Burg in Strehla. Wir sind auch bald da und ich will mich jetzt mal sputen, nach vorn zu kommen. Vielleicht sehe ich die Hütten ja als erster- und mein Weib vielleicht auch."
So wie es der Berittene Knecht sagte, gab er schon dem Pferd Tritte in die Seite und ritt im leichten Trab schneller neben den Karren und Wagen vorbei.
Dann kam man auch wirklich aus dem Wald heraus, so wie es der Knecht beschrieben hatte und in der Ferne einige Hütten in Sicht. Da neben dem ausgefahrenen Weg nun fast unbewachsenes Land lag, ritt auch Larno wieder nach vorn- knapp hinter den Wagen der hohen polnischen Herrin ordnete er sich nun wieder ein.
Herr Radomir war ebenfalls dort.
„Ah. Ritter Larno. Ich hatte Euch schon vermisst- hier am Wagen der Frauen.", begrüßte Herr Radomir Larno zurück.
'Ritter Larno'- mit diesem Titel, den Larno hier in den Landen der deutschen Herren immer häufiger für seinen Stand hörte, galt es sich wohl abzufinden. Es war das Schlechteste nicht, da es dem Manne etwas von den Knechten hervorhob. Larno gefiel es, mit den anderen Herren in einer gewissen Weise ebenfalls besser behandelt zu werden.
„Und?", fragte Biello, der linonische Riese. „Wie viele waren es dort? Die Räuber meine ich!"
„Drei waren es- zumindest habe ich keine anderen gesehen nahe dem Hohlweg im Wald. Kämpfen musste ich dort nicht, die Bewaffneten Hermanns waren schnell mit denen fertig."
„Hmmm.", grübelte Biello enttäuscht.
Die Burg Strehla kam nun in Sicht. Sie lag auf einem leichten Hügel, welcher zum Fluss jedoch steil abfiel. Auf der Höhe lag die Burg und davor ein kahles Wiesenland mit kleinen und größeren Zelten. Abseits rechts davon an der Wiese waren die vielen kleinen Hütten der Siedlung und mehrere eingezäunte Flächen.
Aus dem Karren der hochgestellten Frauen hörte man Erstaunen und Scherzen. Reglindis und deren Damen waren wohl zufrieden, das dieser Reisetag kürzer war als die vier Reisetage zuvor.
Die Kutsche fuhr näher an die Burg heran, als die anderen Wagen dahinter, die bereits auf das Feld mit den Zelten einbogen. Herrin Lieschna und Frau Sania waren die Ersten, welche dem geschlossenen Wagen vor der Burg entstiegen, um sich zu strecken und umzuschauen.
Larno stieg ab und übergab die Zügel an Biello, der sich umsah, wohin er mit den Reittieren zu gehen hatte.
Schnell stellte sich Larno zu den edlen Frauen.
Besonders Frau Lieschna von Masowien schien von der Burg angetan. Heftig mit der Hand zum Wagen winkend und mit schneller Zunge redend, forderte sie die polnische Herrin Reglindis auf, dem Kutschwagen zu entsteigen und sich die Burg selbst zu besehen.
Dies tat Fräulein Reglindis dann auch. Zuerst sah sie, noch halb in der Kutsche und sich an der Tür festhaltend, um. Sie lächelte und nickte Fräulein Lieschna heftigst zu. Augenscheinlich genoss Herrin Reglindis auch die wärmende Nachmittags- Sonne, die Burg und die breite Wiesenfläche davor beschien. Sie betrat die Wiese und nickte einmal mehr zu Fräulein Lieschna. Angesteckt von all der Aufgeregtheit ihrer Herrin und deren engster Vertrauter Lieschna zeigte sich nun auch Fräulein Nerin an der Kutschtür. Auch sie blickte sich um und reckte die Nase zur Sonne hin.
Soweit Larno die hohen edlen Frauen verstand, ähnelte die Burg Strehla wohl einer der polnischen Burgen, die sowohl Fräulein Lieschna als auch die Prinzessin sehr gut kannten. Dies bereitete Beiden eine besondere Freude.
Larno half Nerin, der Kutsche zu entsteigen. Er hielt ihr die Hand hierzu zum Halt. Nerin lächelte ihm zu, bevor auch sie die satte Wiese betrat und die Burg bestaute.
Burg Strehla zeigte hier landseitig eine fast gerade lange Front einer hohen steingegründeten Palisadenwand hinter dem Graben. Einzig am mittigen Torhaus war der Graben durch eine neuaussehende Brücke aus hellem, frischen Holz überspannt. Die Palisaden oberhalb der massiven Steinmauer- Gründung waren hingegen dunkler. Zu beiden Seiten in Richtung der Wiese war jeweils ein hoher Turm gebaut am Ende der Palisadenfront links und auch rechts. Was dahinter lag an Gebäuden oder Wehranlagen, war für Larno wegen der Höhe der Mauern nicht zu sehen.
Herr Hermann, der Sohn des Markgrafen, hatte wohl die aufgeregten Damen um seine Anverlobte wohl bemerkt. Der große Mann mit dem hellen und oberhalb der Schulter gelockten Haar trat lächelnd hinzu. Auch wenn er kein Wort der Frauen verstand, so freute es ihn, dass Herrin Reglindis nach der beschwerlichen Reise so angetan war von einer seiner Burgen.
Fragend stand Herr Hermann anbei- ebenso ratlos, wie Larno, als Hermann ihn ansah und wohl auf Erklärungen hoffte.
Herrin Reglindis und die polnische Fürstentochter Lieschna zogen Nerin an den Armen näher zu dem Markgrafensohn Hermann und waren immer noch voller gemeinsamer Freude. Unentwegt redeten sie- nun auch zu Nerin, und erbaten schnell zu übersetzen.
„Meine Herrin, die edle Reglindis, und Fräulein Lieschna von Masowien sind sehr erfreut, hier sein zu dürfen. Die Burg gefällt den Damen, edler Herr Hermann. Sie erinnert Herrin Reglindis sehr stark an eine Burg ihres Vaters, auf welcher sie selbst die frühe Kindheit unbeschwert erleben durfte. Auch Fräulein Lieschna kennt die Burg sehr gut.", erklärte Nerin dem edlen Hermann. „Die Burg und die Wiesen gefallen den Damen sehr."- merkte sie noch an, wenngleich es keiner Erklärung bedurfte, angesichts der Freude, die sowohl Reglindis als auch Lieschna im Gesicht geschrieben stand.
Herr Hermann lächelte über diese Erklärung, zog sich nebenbei die gepanzerten festen Handschuhe aus. „Das freut mich, wenn es Frau Reglindis gefällt. Sie soll sich hier ganz wie zu Hause wohlfühlen. Ich werde Kund geben, dass wir hier mehrere Tage zubringen und erst in drei Tagen nach Meißen aufbrechen."
Als Fräulein Nerin dies übersetzte, zeigte sich die Tochter des Piasten- Herrschers erkennbar erfreut und Reglindis ließ dies durch einen freundlichen, fast unschicklichen Augenaufschlag auch Hermann spüren.
Der winkte sogleich einen anderen Mann zu sich heran, der einen edlen Hut trug und wie ein höfischer Schreiber aussah. Diesem flüsterte Hermann etwas ins Ohr, worauf der Mann mit dem Hut kurz mit dem Kopf wankte und zu zweifeln schien- jedoch dann nickte.
Herr Hermann erklärte sich dazu. „Edle Reglindis. Dieser Mann ist mein Berater- von meinem Vater bestimmt. Sollte mein Vater zustimmen, so möchte ich Euch hiermit wissen lassen, dass ich bei meinem Vater erbitten werde, Euch- edle Reglindis- die Burg und das Lehen Strehla als persönliches Allodium zu beurkunden, da Euch die Burg augenscheinlich so wohl gefällt. Dies sollte dann ein- mein- persönliches Brautgeschenk für Euch sein zu unserer Hochzeit. Ich hoffe, dies würde Eurem Wunsch entsprechen und Euch gefallen?"
Dies tat es wohl, denn Reglindis verfiel in große Entzückung, als ihr Nerin die Worte des Anverlobten im Polnisch sagte. Und wieder zeigte sie errötet, wie man es von Herrin Reglindis sonst selten sah, ein neuerliches Augenklimpern zu Herrn Hermann. Dem gefiel dies offenbar über die Maßen.
Nerin blickte an ihrer Herrin Reglindis vorbei zu Larno- so, dass sich die Blicke beider trafen. Nerin lächelte freundlich hierbei- wohl auch angesteckt von der Freude der anderen edlen Damen. Daher zwinkerte Larno- wenngleich dies bei all den umstehenden Leuten vielleicht unschicklich erschien, Nerin ebenso freundlich zurück. Nerin schien hieraufhin jedoch in Gedanken- besonn sich und lächelte ihrer Herrin Reglindis, welche sich nun- immer noch im Überschwang- mit Fräulein Lieschna bereits unterhielt, wobei sogar für Larno verständlich der Name Hermanns mehrfach genannt wurde.
Hermann zeigte mit einer höflichen Armdeutung an, Herrin Reglindis nun in die Burg geleiten zu wollen.
Zwei gute Ritter Hermanns traten hinzu.
Und hätte Herrin Reglindis sich nicht zu Larno umgeschaut und ihn zu sich heran gewunken, doch zu folgen, so hätte Larno wohl Arbeit von Knechten mit dem Gepäck der Damen verrichten müssen.
So jedoch duldeten Hermann und dessen edle Ritter den jungen Larno als Slawenherrn geringeren Standes so nahe bei Herrn Hermann und Reglindis.
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