Herr Hermann
Endlich gute Nachricht für die Herrin Reglindis.
Ihr Anverlobter, Herr Hermann von Meißen, hatte einen Boten an die Burg Genea gesandt, um sein nahendes Erscheinen an der Burg bekannt zu machen. Zudem gab der Bote die Nachricht, dass Herr Hermann die Absicht habe, in Begleitung seiner Anverlobten an einer wichtigen Zusammenkunft der Leute des im Lande verbliebenen Hochadels nach Merseburg zum Bischofsitz zu reisen.
Die Nachrichten sorgen ebenso für Freude und Ausgelassenheit bei Frau Reglindis und den hohen Frauen, wie es für Unruhe sorgte. Frau Reglindis benötigte einige Kleinigkeiten, welche auf Burg Genea schlecht zu erlangen waren, so auch einige Paare neuen Schuhwerks.
Voigt Manfred hatte ein Einsehen, da durch die Unbillen langer Reise die Habe der Damen nicht ausreichend erschien und er Abhilfe wusste. Im nahen Freyburg sei hierzu eine weit bekannte und hoch gelobte Schusterwerkstatt.
Larno oblag es, den Schustermeister an die Burg Genea zu bitten. Frau Nerin wurde für diesen kurzen Ausflug durch Herrin Reglindis gestattet, die Burg zu verlassen, um dort beim Schuster in ihrem Namen Leder und Sohlen zu besehen und auszuwählen und bei Gelegenheit auch Bänder und Kordeln zu beschaffen. Auch Herr Radomir, der sich die letzten Tage nach Zeitz zum Bischofsitz begeben hatte, war nun wieder zurück in Genea und wollte die Gelegenheit für Geschäfte in der Fremde nutzen. Biallo oblag der Schutz der drei Damen auf der Burg für den Tag.
Zur neunten Stunde in der Früh und nach einem Gebet der Damen machten sich diese Drei mit einem Fußmann der Burg Genea nun auf zu jenem nahen Ort mit Namen Freyburg.
Langsam ritt man dem Geneaer Mann, der die Gegend und die Wege kannte, hinterher.
So ergab sich auch seit langem die Gelegenheit, dass Nerin mit Larno Worte wechseln konnte. Bislang war sie stets nahe bei Fräulein Reglindis und abgesehen von kurzen Worten bei Mahlzeiten und zufälligen Begegnungen in der Burg, war kaum die Möglichkeit, ungezwungen und offen zu reden.
„Ich bedaure es sehr, dass Ihr, Herr Larno, Eure Kammer räumen müsst für die Gefolgsleute Hermanns.", begann Fräulein Nerin das Gespräch, nachdem sie sich mit ihrem Pferd hatte zu Larno zurückfallen lassen.
„Ja, ich auch. Es ist ungemein angenehmer in der Kammer gewesen, als im neuen Lager auf dem langen Schlafraum des Wirtschaftsbaues. Dort ist am Abend kaum Licht und die Strohschütten lassen einem Mann die Knochen am Morgen wehtun. Ihr würdet es nicht glauben, aber selbst in unserem Lager in den Felsen- Bergen bei Slivor war es auf dem Lager angenehmer als hier.", gestand Larno ein und lächelte.
„Ich fand neulich Nacht Euer Betragen sehr ehrenhaft, als ihr den betrunkenen Rittern entgegen tratet. Offen gestanden waren wie allesamt froh in unseren Kammern, als der Unfriede beendet war."
„Hat Eure Herrin Reglindis etwas von dem Gesagten mitbekommen? Ich fand es schändlich, was dieser Ritter Athulf so lautstark von der Zunge ging."
„Nein. Ich denke, sie hat es nicht angehört- zumindest ließ sie es sich nicht anmerken, sollte Sie die Worte verstanden haben."
„Gut so."
Auch wenn Nerin fordernde Blicke gab, sich weiter zu unterhalten und da sie auch nicht wieder zu Radomir und dem Wachsoldaten vorreiten wollte, so wusste Larno nicht genau, worüber er mit dem edlen Fräulein sprechen konnte und durfte. Nach kurzer Zeit des Schweigens brachte er daher das Gespräch auf den gemeinsamen Weg.
„Diese Flussaue wirkt sehr schön- hier im Tal der Unstrut. Ich frage mich nur, an welcher Stelle wir genau über den Fluss herüber sollen. Eine Furth wird es bei der Menge an mitgeführtem Wasser wohl hier nicht geben."
„Dann sicherlich eine Brücke nahe dem Ort.", antwortete Nerin. „Wusstet Ihr, Herr Larno, dass unweit von hier eines der größeren älteren Klöster des Landes ist? Im Orte Memleben, der wohl aufwärts am Strom liegen soll, ist dies Kloster und auch eine Königspfalz. Ein deutscher König liegt wohl sogar dort begraben, der vormals Kriege gegen die Slawen – auch uns Linonen- geführt haben soll."
Nerin's Bildung beeindruckte Larno. „Nein. Dies wusste ich nicht."
„Herr Radomir hat mir dies erst neulich erzählt. Auch dass es Neuigkeit aus Bojek für Euch gibt. Baumeister Svenislav ist es mit Euren Leuten gelungen einerseits Baugrund zu schaffen in der Burg, und darüber hinaus hat man an der Zuwegung- dort wo der Weg im Wald ist- ein großes Holzfällerlager angelegt und mit breitem Baumeinschlag begonnen. Auch die Wege sind nun wohl verbessert worden, die an die Burg gehen. Hat Euch Radomir nichts davon gesagt?"
„Nein. Bislang nicht- und ich danke Euch, dass ich davon erfahre. Gibt es weitere Kunde von daheim?"
„Nein, leider nicht. Doch muss ich Euch gestehen, dass wir in Euch den Schutz haben für die Prinzessin."
„Danke. Die Aufgabe ist ehrenvoll, jedoch soweit es mich betrifft muss wenig abgeleistet werden. So wirklich Gefahr für das Leben der Prinzessin bestand, so bin ich zuversichtlich, dass ihr hier in diesen Landen nichts droht. Falls es Verfolger gab, so scheinen die Böswilligen abgehängt und wir konnten den Gefahren entgehen."
Nerin kniff die Augen ein wenig zusammen, um ihre nächste Frage vorzubringen.
„Ihr habt mittlerweile erlebt, wie wichtig Herrin Reglindis und auch uns Frauen der christliche Glauben ist. Ich wollte Euch fragen, ob auch ihr Euch vorstellen könnt, zu Gottes Glauben hin zu finden. Ich frage nur, weil Herrin Reglindis mich darauf ansprach."
„Edle Nerin, ihr hat wohl gemerkt, dass ich am Christlichen großes Interesse habe, nicht wahr? Doch meine Leute daheim auf Bojek stehen zum alten Glauben und sprechen zu Svarosic, dem Altgott der Slawen. Ich wollte mich daher noch nicht zum Christenglauben erklären- wegen der Leute daheim."
„Ich verstehe. Doch gleichwohl sollte es Eure eigene Entscheidung sein, wenn ihr doch zum Glauben des Herrn bekennen wollt. Ihr seht jedoch, wie stark hierzulande dieser Glauben ist. Und solltet ihr Euch entscheiden wollen, so lasst es mich wissen."
Larno nickte.
„Auch habe ich erfahren, dass ihr Euch in der Sprache der Deutschen geübt habt. Es ist merklich besser geworden, seit wir an der Burg Genea sind."
„Voigt Manfred ist mir ein guter Lehrmeister. Selbst Euer Krieger, der Biallo- welcher mir wirklich ein guter Freund geworden ist- findet Gefallen an der Übung. Es ist sogar so, dass wir in der Kammer deutsch reden wollen, wenngleich es dort mehr ein lustiges Spiel zuweilen ist, die Worte auszusprechen wie die Sachsen."
„Ihr tut gut daran. Ich denke, es kann hierzulande nicht von Nachteil sein. Auch bei Uns im Linonenland kommen einige Deutsche durch. Und mit dem Reiten seid Ihr wohl nun auch weniger im Streit, wie ich bemerkt habe."
„Da kann ich Euch zustimmen, Fräulein Nerin. Es ist ungewohnt für einen Waldläufer, wie mich. Doch man kann sich die Kräfte sparen auf den Wegen, die ich mit Euch zu bewältigen habe."
Die offenen Komplimente der edlen Nerin gefielen Larno, denn gerade im Reiten fiel ihm die Umgewöhnung doch merklich schwer.
„Was denkt Ihr, Fräulein Nerin? Wenn nun doch die Ankunft von Herrn Hermann verkündet ist, wie lang wird es Dann noch andauern, bis Herrin Reglindis dem Hermann angetraut werden wird?", fragte Larno- nicht nur aus Neugier, sondern auch, weil es ihn langsam grämte, soweit weg von Bojek und den Freunden zu sein und nichts zum Aufbau zutun zu können.
Nerin schmunzelte.
„Ich habe gelernt, dass alles seine Zeit benötigt. Gerade bei den Hochgestellten, den Edlen von höherem Rang. Fräulein Reglindis ist voller innerer Unruhe, ob sie dem Anverlobten auch gefallen wird- und er auch ihren Erwartungen entspricht. Und selbst, wenn Beide einander zugetan sind, so bedeutet dies nicht, dass schnell mit einer Heirat zu rechnen ist, da der Vater von Herrn Hermann nahe beim Kaiser Otto III. ist und wohl sicherlich mit nach Italien ziehen wird- auch wenn sein Sohn zur Heirat kommen will und soll. Markgraf Ekkehard von Meißen gilt als sehr beschäftigter Mann in den politischen Dingen. Es kann damit noch andauern- und womöglich werden wir die gemeinsame Reise mit Fräulein Reglindis noch durch die Lande fortsetzen müssen, um vielleicht das kaiserliche Wohlwollen der Verbindung zu erhalten."
„Euer Verständnis der Obliegenheiten der Mächtigen spricht für Euch, Frau Nerin. Ihr habt auf Euren reisen viel erlebt und gelernt, wie die Mächtigen denken."
Nerin gefielen Larno's Worte, doch erinnerten die Worte Sie auch an ihre noch offenen, eigenen Verpflichtungen. Daher wurde Sie mit einem Mal stumm und kam von ihrer offenen und ungezwungenen Redseligkeit ab.
Larno fiel dies nicht gleich auf, doch beim Anblick der jungen Schönen bemerkte er eine gewisse Betrübnis. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb er sich entschloss, sein Geheimnis jetzt zu offenbaren- nun, da Herr Radomir und der Geneaer Fußknecht so weit voraus schienen und sie nicht belauschen konnten.
„Frau Nerin? Ich denke, es ist an der Zeit Euch meine Last zu schildern, welche ich seit Wulfesal mit mir trage."
Nerin horchte auf.
Larno blickte sich nochmals verschwörerisch um, bevor er sprach. „Ich habe erfahren, dass ein Sachse mein Vater vom Blute her ist. Dies ist gewiss. Ein sächsischer Adliger, der noch vor dem großen Krieg der Slawen auf Burg Wulfesal weilte, ist wohl mein Vater."
Nerin war überrascht von der Offenbarung- doch noch bevor Nerin fragen konnte, sprach Larno weiter.
„Doch war es Liebe, die zwischen meiner Mutter und dem Ritter war- keine Schändung oder Schuldtat vor Gott. Und ich muss gestehen- da ich um das große Zerwürfnis der Slawen mit den Sachsen weiß- dies ist ebenfalls eine Last, welche mich seelisch manchmal zu zerreißen droht."
„Ein sächsischer Adliger? Und wisst Ihr um seinen Namen oder Titel?"
„Ja. Der Name ist mir benannt worden. Ein Herr Arno von Draburg sei der Mann gewesen, ein Ritter aus dem Harzgebirge. Doch bitte behaltet dies für Euch. Und solltet ihr von einen Mann dieses Namens und Titels hören, so denkt bitte nicht schlecht von ihm."
„Aber Herr Larno: Habt ihr versucht, mehr über den Mann zu erfahren? In Magdeburg kennt man vielleicht einen Ritter dieses Titels? Und der Harz ist nicht sehr weit von hier?", wandte Nerin ein.
Larno schüttelte den Kopf. „Ich möchte kein unnötiges Aufheben darum machen. Sicher- ich habe versucht, meine Ohren offen zu halten. Doch habe ich bislang nichts weiter über den Mann erfahren können. Doch wo sich Gelegenheit gibt, auch für Euch, so sucht mir Neues zu berichten."
Narin nickte, wollte Larno's Bitten gern beachten.
Herr Radomir winkte erst, wendete dann sein Pferd, um näher zu Nerin und Larno zu gelangen. Darum schwiegen Beide.
„Die Siedlung kommt in Sicht, Frau Nerin. Wir können wohl dort über eine Brücke am Ort den Flusslauf der Unstrut queren, sagt unser Späher."
„Danke, Herr Radomir.", gab Frau Nerin zurück. Die Nachzügler beschleunigten ihren Ritt.
Freyburg lag unterhalb einer kleinen Festung, die der Siedlung und dem Flussübergang Schutz gab.
Larno gefiel der kleine Marktflecken. Doch war der Ort ein wenig verschlafen um diese Mittagzeit.
Der Waffenknecht leitete Frau Nerin zu der versteckten Werkstatt des angesehenen Schustermeisters. Hier konnte sie Lederwaren besehen und für Frau Reglindis gute Auswahl treffen. Der Meister sicherte zu, mit den Waren an die Burg Genea zu kommen, um der polnischen Prinzessin dort seinen Dienst anzubieten.
Radomir sprach ebenfalls mit verschiedenen Leuten am Ort- immer bemüht, neue Handelspartner für die linonischen Erzeugnisse zu gewinnen.
Beide fanden also, wonach gesucht wurde.
So kamen die Dinge, die erledigt werden sollten noch bis zur Ankunft von Herrn Hermann gut voran.
Sechs Tage später verkündete ein Mann vom Turm der Burg Genea, dass die Meißner Fähnchen nahen und zur Burg kommen.
Hermann von Meißen ritt der Truppe aus acht Rittern seiner Gefolgschaft und gut zwanzig Bewaffneten seines Geleites voran in die Burg.
Obgleich Herrin Reglindis sicherlich aufgeregt war- sie zeigte sich erst zum Gastmahl des Willkommens vor Herrn Hermann.
Der Markgrafensohn hatte sich für seine Anverlobte auch nochmals nach der Reise herrichten und herausputzen lassen.
Er hatte helles Haar, welches lang im Nacken war und gewellt, während es oben am Scheitel glatt anlag. Einundzwanzig Jahre alt war der Herr Hermann, sehr groß und dünn von Gestalt. Doch war er auch der kleinen polnischen Prinzessin beim ersten Treffen zugetan, wie es schien. Redselig saßen Beide nebeneinander.
Larno, der unter den Rittern einen Platz gefunden hatte, fiel dies auf- sehr zu seiner Zufriedenheit. Daher erhob er schweigend seinen Becher, um der edlen Frau Reglindis zuzuprosten auf deren Gesundheit und Wohlergehen.
Sodann erhob er auch den Becher zu den anderen edlen polnischen Damen und zu Frau Nerin hin.
Gute und gelassene Stimmung herrschte in der Runde.
Sittsam und in Begleitung eines kirchlichen Mannes suchten Hermann und Reglindis sodann bei einem langen Spaziergang zum Zusammenlauf der Flüsse Saale und Unstrut weiteren Gedankenaustausch.
Die edle Nerin und auch Larno folgten- zufrieden über diese erste Begegnung der Zwei hohen Edlen, welche einander versprochen waren.
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