Erstes Willkommen
Erschöpft- jedoch frohen Mutes- hatten die Flüchtlinge aus dem brisanischen Land nördlich der Siedlung ihr Lager aufgeschlagen.
Hoffnung war in den Gesichtern der Leute- eine Hoffnung, die Gefühle des Glückes bei Jedem zum Ausdruck brachte.
Ein kalter Ostwind ging über die Lande hinweg. Er brachte zwar klirrenden Frost mit, allerdings blieben Regen und Schnee aus.
Dieser Kälte trotzend, tanzte man an den Feuern. Mehrere ließen ein Flötenspiel hören.
Erst zum Abend hin hatten die hochgestellten, edlen Frauen unter dem Geleit zweier Linonenkrieger das Lager an dem kleinen Fluss verlassen und waren mit dem hochgeschlossenen Kutschkassen durch die Siedlung Lenzen zur Burg weitergezogen.
Die Unbeschwertheit der Leute wirkte sich auch auf Larno aus. Endlich, nach vier Tagen der Reise, gab auch er sich der Fröhlichkeit hin. So tanzte er zuerst mit seiner Schwägerin Conia am Feuer und wurde danach von einer alten Slepnaer Frau im Tanz gehalten.
Doch brannten ihm die Augen und die seine Füße schmerzten von der Kälte. Dennoch hatte er sich nicht geweigert, mit den Männern einige Holzstämme heran zu schaffen. Die Leute brauchten Gelegenheit, auch einmal zu sitzen und die kleineren Stämme und Äste machte man für die Feuer klein.
In den zurückliegenden Tagen der Wanderung hatte man gelernt, schnell ein brauchbares Lager anzulegen. So einfach es auch war, es genügte den meisten Leuten. Nur den alten Leuten und den Kindern waren die besseren Schlafplätze überlassen worden.
Für die Bewohner der großen Ansiedlung um die Burg Lenzen schienen die Neuankömmlinge ein seltsamer Anblick. Waren nicht Wenige irritiert über den Zustrom der Brisanen, so gab es auch freundliche Begegnungen. Nicht Alle waren mit Misstrauen erfüllt.
Larno beobachtete den brisanischen Krieger Luran und das Mädchen Dobrawa, Bogna's Tochter. Dobrawa hatte wohl einen Gefallen an Luran gefunden. Sie drehten einander zum Flötenspiel im Tanz und waren unbeschwert.
'So etwas brauchen wir!', dachte Larno für sich und schmunzelte.
Gut zwei Stunden, nachdem die edlen Damen das Lager verlassen hatten, erschien ein berittener Linonenkrieger, der bereits mit einer Fackel für sich und sein Pferd einen Weg zum Lager erleuchtete. Nicht wenige schauten, welche Kunde der Mann brachte.
Der Reiter hatte einige Säcke am Pferd festgeschürt. Diese übergab er freundlich und auch neugierig umhersehend in die Hände der neu Angekommenen. Es waren kleinere Fladenbrote darin, die zum Teil noch warm waren. Auch schrumpelige Äpfel, mehrere Schmalztöpfe, ein Fass Met waren dabei.
Als der Reiter dies übergeben hatte, stieg er vom Pferd. Dann suchte sein Blick unter den Gesichtern im Lager umher. So fiel sein Blick auf Wibor, der mit einigen Leuten im Gespräch war. Seine bedeutend aussehende Gestalt und Wibors Gestik schienen dem Reiter den Anführer der Gruppe der geflohenen Brisanen gefunden zu haben.
"Guter Herr? Auf ein Wort, bitte. Mein Fürst hat die Bitte, Euch und einige der Leute in der Burg morgen zum Mittagsmahl zu empfangen. Könnt ihr dafür acht oder zehn Leute auswählen? Er will mit Euch besprechen, wie man Euch am Besten helfen kann und will auch beratschlagen mit Euch, wohin ihr ziehen könnt."
"Was sagst Du mir das? Der dort- das ist der Mann, der für Uns spricht." Wibor zeigte zu Larno herüber.
Larno, der alles mit angehört hatte, war mehr über Wibor's Worte erstaunt, als über die Einladung zur Burg. Wenn selbst Wibor, der Slepnaer Älteste Ihn- Larno- als Anführer ansah, was sahen dann die anderen Leute in ihm?
"Wir werden zur Burg kommen! Sind dort, wenn die Sonne am Höchsten steht. Ich werde die richtigen Leute mitbringen."
"Dank. Ich danke Euch. - Und verzeiht, dass ich Euch nicht erkannte.", sprach der Reiter beschämt und ritt danach zurück nach Lenzen.
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Die Frauen im Lager fanden, dass sich nur die Männer in die Burg begeben sollten. So hatte man es besprochen.
Ausgewählt waren neben Larno auch Milorad, Stanielub und Wibor auch Krieger Luran, die Bauern Nepolki und Zwanko aus Slepna stammend und der Slivorer junge Schmiedegeselle Berschko als Slivor. Diese Männer sollten die Abordnung der Leute stellen.
Was die Frauen jedoch auch wollten, dass sich die Männer im besten Zustand vor dem hohen Fürsten der Linonenstämme zeigten.
Die Burg Lenzen und auch die große Siedlung zwischen den Flüssen- der Albia, auch Laba oder Elbe genannt wurde und dem kleineren Fluss, wo das Lager war- wirkte sehr beeindruckend auf die Neuankömmlinge und forderte einigen Respekt ab. Auch der Ruf des Fürsten stand der Größe der Stadt und Burg nicht nach.
So forderten die Frauen, dass den Männern die Haare geschnitten und die Bärte gestutzt werden sollten.
Während Wibor und auch Stanielub den Haarschnitt zuließen, verweigerten Sie sich dem Bart schneiden.
Berschko brauchte weder das eine noch das andere- seine Jugend lies keinen großen Bart zu.
Doch Luran bedurfte einer guten Pflege- Dobrawa nahm sich seiner an.
Ihre Mutter Bogna legte Hand an Larno's Haar und Bart. Sie griff zwar grob zu- war jedoch gerade beim Rasieren sehr genau, vorsichtig und geschickt. Keine Schnitte in die Haut wollte Bogna zulassen.
Soweit sich Larno zurück erinnern konnte- ein so glattes Gesicht hatte er wohl noch nie zuvor. Ungewohnt war dies. Und auch ein wenig brennend- dort wo die scharfe Klinge doch etwas zu fest gezogen wurde.
Insgeheim fühlte er sich jedoch etwas unwohl, denn nun schützte kein Barthaar mehr vor Kälte und beim kurzen Haar im Nacken fühlte es sich nun auch sonderlich kalt an.
Als die Männer nun Einer nach dem Anderen so vor die Zelte auf dem Platz zusammen kamen gab es gegenseitige Worte des Spottes- jedoch im Spaß. Gewitzelt wurde- und jeder Neuankömmling mit glattem Gesicht oder kurzem Haar musste dies über sich ergehen lassen. Man bewunderte einander.
Zufrieden mit ihrem Werk schickten die Frauen die Abordnung los.
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Burg Lenzen war erstaunlich groß und gut befestigt. Steingegründet waren das Torhaus und auch die Palisaden- nur im oberen Bereich mit Holz bewehrt. Ebenso selbst die vielen Hütten in der Vorburg, nur mit wenigen Ausnahmen.
Larno war beeindruckt davon. Er wusste nicht, wie es den Begleitern in diesem Moment erging oder was sie dachten, denn keiner fand verlor ein Wort darüber. Doch Larno war stark beeindruckt- von der Wehrhaftigkeit der Burg und auch von der steinernen Bauweise der Gebäude.
Beeindruckend war auch die große Halle- schon vom Äußeren. Ein umrahmender Steinsockel mit hohem Gebälk darüber. Hier hatte man nur gutes Holz verbaut- und dies wohl auch in mehreren Schichten.
Hierher wurde man von den Wachen am inneren Torhaus geschickt und auch von zwei Linonenkriegern begleitet.
Burg Lenzen wirkte wahrlich wie das Heim eines bedeutenden Herrschers- einem Fürsten würdig. Würdiger als es Burg Slivor war und auch in Gänze anders aufgebaut als andere Burgen, die Larno bislang auf seinen Reisen oder Kriegszügen für die Lutizen zu Gesicht bekommen hatte.
Ein fester Steinfußboden wurde in der großen Halle betreten. Viele Tische standen im Saal- angeordnet um den freien mittleren Gang, an dessen Ende etwas erhöht die Haupttafel mit guten Stühlen an der Stirnseite des Saals stand. Große farbige Teppiche schmückten die Wände ebenso, wie lange gelbe und blaue Stoffbanner. Und angenehm warm war es in dieser Halle.
Ratlos und verloren erschienen sich die brisanischen Männer.
Doch allzu lang war nicht zu warten, denn die hinter der großen, erhöhten Tafel liegenden zwei großen Türen gingen auf und viel Leute drängten sich mit einem Mal in den Saal.
Larno erkannte unter den Herren und Damen auch die polnische Prinzessin Reglindis und deren Hofdamen. Frau Sania von Dobschitz und Frau Nerin waren die letzten der edlen Frauen. Beide winkten der Abordnung der brisanischen Flüchtlinge freundlich zu.
Die Linonen und deren hohe Gäste nahmen Platz an der Tafel- nur der Herr des Hauses fehlte daran noch.
Doch dann kam er- Fürst Berogast. schnell wechselte er noch mit zwei Beratern einige kurze Worte an der Tür, dann ging er schnell zu seinem Platz an der Tafelmitte. Jedoch setzte sich Fürst Berogast nicht, er redete auch hier leise kurz mit einem Manne.
Dann jedoch blickte er zu Larno und den Anderen und winkte sie entschlossen näher. Freundlich blickend, bat er, am vorderen Tisch Platz zu suchen, der unterhalb der großen Haupttafel stand.
"Gute Leute. Ich heiße Euch willkommen und freue mich, dass ihr die Einladung angenommen habt. Ich bin Berogast, der Herr über die Stämme der Linonen hierzulande. Die größte Freude für mich selbst habt ihr bereitet, indem Ihr meine geliebte Tochter Nerin wohlbehalten in mein Haus zurück gebracht habt. Und das Ihr allen- sowohl meiner Tochter, als auch den polnischen Edelfrauen um die Prinzessin Reglindis von Polen- eine weitere Gefangenschaft erspart habt. Das sage ich nicht nur als Vater, sondern auch als Samtherrscher der Linonen. Zu wichtig- so scheint mir- ist die Reise der hohen Tochter des polnischen Königs, als dass Ihr Ziel nun alsbald doch wieder erreichbar erscheint."
Einige der hohen Linonen bestätigten die Worte des Fürsten Berogast durch Klopfen mit der Hand oder Faust auf den Tisch.
Fräulein Nerin's Klopfen hielt am Längsten an, da sie für Reglindis noch übersetzen musste. Reglindis nickte Larno und den Leuten freundlich zu- als Zeichen ihres Dankes.
"Ihr werdet sicherlich auch viele Fragen haben- so, wie ich auch. Bitte sagt mir, wer spricht für Euch?"
Die Brisanen blickten erst einander an- dann sahen Alle zu Larno.
Larno erhob sich. "Die Männer haben mich bestimmt, für Uns zu sprechen, edler Fürst. Mein Name ist Larno."
"Gut. Larno, dann sage mir bitte: Wie viele Leute habt ihr um Euch im Lager? Wie viele sind hierher gekommen?"
Larno brauchte nicht lang zu grübeln. An jedem Tag auf der Flucht hatte er die Leute mehrmals gezählt, da gerade in den ersten zwei Tagen auch immer noch welche zu den brisanischen Siedlungen oder Anverwandten aus dem Tross heraus gingen. Keinen wollte er zurücklassen. Und dennoch waren es weniger geworden.
"Hundertdreißig suchen Schutz bei Eurem Volk- und hier eine neue Heimat, Herr. Männer, Frauen, Alte und Kinder."
"Hundertdreißig also. Das sind viele Mäuler." - Fürst Berogast erhielt von dem stehenden Mann nahe ihm kurz einige Worte gesagt. Dann sprach er fort: "Und diese Leute sollen unsere Hilfe erhalten, darauf mein Wort."
Erst jetzt setzte sich auch der Fürst. "Wir brauchen Leute! Leute, die wie ihr bereit sind, sich eine neue Heimat bei uns Linonen aufzubauen. Wir haben uns auch heute morgen schon beraten darüber, wo sich schnell ein Auskommen schaffen lässt. Ihr wisst es vielleicht, oder habt es gehört- wir Linonen haben nicht immer friedliche Zeiten wie jetzt erlebt. Langer Zwist mit Dänen und Abodriten liegt zurück, auch mit den westelbischen Sachsen. Viele kleinere Siedlungen und auch Burgen wurden aufgegeben, die Leute flohen vor den Kämpfen. Auch Lenzen wurde heimgesucht. Und dann -vor Jahren- erhoben sich die vereinten Slawenstämme. Auch viele Linonen zogen damals mit in den Kampf. Seither haben wir - nun, sagen wir es frei heraus- ruhige und friedliche Tage. Bündnisse habe ich- mit den Dänen und Abodriten im Norden und den Sachsen auf der anderen Seite des Flusses- und einträglichen Handel mit allen. So stark wie jetzt, waren wir Linonen als Volk vorher noch nie."
Wieder klopften einige am Tisch der linonischen Herrschaft zustimmend.
Einige Frauen und Männer kamen durch eine dritte Tür in die große Halle. Sie brachten große Holzbretter mit heiß- dampfendem Fleisch und Geflügel zu den Tischen. Das Fleisch war so frisch gemacht worden, dass hier und dort noch die Bratbrühe von den Holzbrettern tropfte. Andere Bedienstete mit Krügen und Bechern folgten. In Windeseile waren die zwei Tafeln gut vollgestellt. Auch eine benachbarte Tafel wurde noch mit Essen und Krügen vollgestellt.
Fürst Berogast und auch alle Gäste waren unruhig- und auch hungrig.
"Dieses gute Mahl soll Euch bei Uns begrüßen. Lasst uns essen und berichtet von Eurem Erlebten. Wir Männer wollen dann alles weitere hier besprechen."
Mit diesen Worten eröffnete der Fürst das Gastmahl.
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