Wölfe im Schafspelz
Fürst Wielzko grüßte freundlich die Leute seiner Burg.
Nachdem er sein Pferd einem Mann übergeben hatte ging er auf sein Weib Jarnila zu und umarmte sie, gab aus der Umarmung heraus seinen zwei Söhnen Milorad und Wladim die Hand und wurde dann samt Mutter von der kleinen fünfjährigen Tochter Bohdara umarmt. So wünscht man sich ein Willkommen nach langer Reise.
Cestibor, Slivor's ehrenvollster Krieger, klopfte seinem Herrn Wielzko auf die Schulter und ging in das Herrenhaus.
Larno erinnerte sich an Cestibor. Er lehrte die Jungen aus Slivor den Umgang mit Waffen. Sparsam mit Lob war er. Dennoch schien es damals, dass der Krieger Cestibor stolz auf Larno's Geschicklichkeit in den Übungen war. Cestibor begrüßte die Auswahl Larno's vor Jahren für die Kriegerschar Rethra's.
Immer mehr fremde Kämpfer des Lutizenbundes drängten in die Innenburg- auf den Platz, wo die zentrale Feuerstelle ist. Neugierig und aufmerksam sahen sich die Fremden in der Burg um.
Während sich Fürst Wielzko immer noch begrüßen ließ, schienen sich die Rethraer Hirsch- Krieger zu verteilen- fast so, als müssten sie sich und ihre zwei edlen Herren hier gegen Gefahren absichern.
Die Anführer der Lutizenkrieger waren zwei Redarier. Während der eine Edle der Redarier nahe bei Fürst Wielzko stand und auch den Leuten winkte, war der andere Mann mit genarbten Gesicht bemüht, seinen Leuten Anweisungen zu geben. So zeigte er nach hier und dort und befahl zwei Leute zur Seite des anderen hohen Edlen.
Dieser hochgestellte edle redarische Mann - neben Fürst Wielzko stehend- schien der höhergestellte Edle bei den Redariern zu sein, dem Fürsten Wielzko augenscheinlich gleichgestellt. Sein Gewand war von besonderer Güte und Feinheit.
Der "Genarbte" hingegen war auch vom Aussehen seiner Bekleidung eher ein kriegerischer Typus. Ledergurte und beste Waffen trug dieser Mann, auch einen ledernen Wams über dem Leinenhemd.
Die Art und Weise, wie dies Geschehen vor sich ging, die Krieger hier und dorthin verteilt wurden und die hohe Aufmerksamkeit der Hirsch- Krieger und der anderen Krieger des Lutizenbundes besorgten Larno. Sosehr, dass er mehr beschäftigt war, alles zu besehen, was sich abspielte, als mit dem Spaten die Erde an den maroden Pfosten des Walles zu lockern.
Suchten sie vielleicht doch nach ihm? Alles war so unwirklich für ihn- die vielen fremden Krieger und deren Verhalten.
Fast alle waren in der Burg, als Fürst Wielzko sich von den Begrüßenden löste und mit Handbewegungen zur Ruhe gemahnte. Der Herr von Slivor wollte das Wort an alle Zuhörer in der Runde richten.
Nach etwas Zeit kehrte die Ruhe dazu im Innenhof der Burg ein.
Larno bemerkte gegenüber auf dem Nordwall zwei Hirsch- Krieger. Er versuchte, sich etwas hinter dem Pfosten abzuducken, so dass er kaum gesehen werden konnte.
Nun hielt auch Wuko in seiner Arbeit mit dem Eisenhaken am Balken inne- um der Rede des Fürsten auch zuhören zu können. Er streckte sich hoch auf ins Hohlkreuz, dann verschränkte Wuko die Arme vor der Brust.
„Liebe Leute. Liebe Leute. Bitte. Lasst mich sprechen!", forderte Fürst Wielzko und deutete mit Handzeichen zur Ruhe.
Als nur noch Pferde schnaupten und hier und dort etwas klirrte- die Leute ruhig waren- erklärte er laut in die Runde:
„Ich bin zurück von der Zusammenkunft, zu der die Stämme der Lutizen, der Redarier, der Ukranen und deren Verbündete und Freunde an den Tolica- See gerufen worden sind. Die Priester Rethra's haben für den kommenden Sommer einen großen Kriegszug mit Erfolg von Svarosic vorhergesagt. Damit dies gelingen kann, werde ich entscheiden, wie wir unseren Freunden hier..." – Wielzko zeigte auf die beiden Anführer der Truppen der Lutizen – „... wie wir unseren Freunden und Nachbarn bei den Vorbereitungen hilfreich sein werden. Ich werde mich mit Fürst Neromir ..." – Der lachende, bärtige Edle der Lutizen trat einen Schritt vor und näher an Wielzko heran.- „ ... und Herrn Boran dort..." – der 'Genarbte'- „... dazu besprechen. Dies kann lang dauern. Wir hoffen Abgaben zu erbringen, die den Redariern und den anderen Freunden im Lutizenbund ausreichen werden, um..."
Noch während Fürst Wielzko seine Rede vor den Leuten Slivor's und seiner Familie anlässlich seiner Rückkehr gab und erklären wollte, wie er für Slivor gut zu verhandeln gedachte, da schlug die Stimmung in der Burg von einem zum anderen Moment um.
Fürst Neromir- eben noch als strahlender, lachender Gast vorgestellt- warf seinen Umhang zur Seite. Er zog sein Schwert- und stach es dem immer noch redenden Wielzko mit Wucht von Hinten in den Rücken hinein. Dabei verfinsterte sich der Gesichtsausdruck des Fürsten Neromir binnen eines kurzen Momentes: Aus Freundlichkeit wurde eine Fratze des Bösen!
Während die Menschen entsetzt aufschrien von diesem Unfassbaren, griffen auch die anderen Krieger des Lutizischen Bundes- egal welcher Herkunft- zu ihren Waffen.
Es schien, auf hatten alle anwesenden redarischen und lutizischen Krieger nur auf dieses Zeichen ihres Fürsten Neromir gewartet.
Männer wurden zu Boden geschlagen.
Ein Bauer, der es gewagt hatte eine Axt zu greifen und sich anschicken wollte, auf den Fürsten Neromir zuzustürmen, bekam einen Spieß tief in die Brust gerammt.
Eine Frau, die dem genarbten Herrn Boran zu nahe stand, wurde von dem Edlen so fest getreten, das sie unter einem Schmerzensschrei nach hinten stürzte und sogar noch ein kleines Kind hinter sich mitriss.
Cestibor- Slivor's bester Krieger- kam aus dem Herrenhaus mit gezogenem Schwert und streckte mit einem schnell geführten Hieb einen der nahestehenden Hirsch- Krieger nieder, bevor auch er mehrere Stiche von Speeren abbekam und blutend zu Boden ging.
Die Fürstin stürzte ebenfalls zu Boden- warum konnte Larno nicht erkennen.
Überall Blut und lautes Geschrei im Burginneren- das Blut des Fürsten Wielzko und der wenigen Leute, die Widerstand gaben. Es war das Geschrei von Fliehenden, von Entsetzten, von diesem genarbten Herren Boran der die Krieger der Lutizen antrieb und die Schreie von Kindern Slivor's.
Und noch ein sehr nahes Schreien hörte Larno, der das Gesehene- wie in einem Schock erstarrt- nicht wahrhaben wollte.
Es war die Stimme von Wuko: „Larno! Lauf! Schnell! Lauf! Flieh über den Sumpfpfad zu den Wäldern! Lauf Bruder! Lauf! Bring dein Leben in Sicherheit!"
Wie wachgerüttelt durch den Schrei von Wuko ließ Larno den Spaten aus der Hand fallen und rutschte über die Grasnabe des Walles hinab. Larno machte schnelle Schritte- dort hinüber, wo der alte Pfad durch den Sumpf hinweg zum Waldrand führte.
In seiner Hast rutschte er kurz in die Nässe der Niederung hinein. Larno kämpfte sich gegen den dicken Morast vorwärts. Der Pfad war erreicht.
Schnell nun. Schnell. Weg von diesem Schreckensort!
Larno war schon fast am Waldrand.
Immer noch waren Schreie aus Burg Slivor zu hören.
Auch Schwertklingen schienen sich noch in der Burg zu kreuzen, denn Metall und Metall schlugen aufeinander.
„Larno!", schrie Wuko's Stimme so laut hinter ihm her, dass Larno innehielt auf der Ebene- hier kurz vor dem sicheren Wald. Er drehte sich um.
Wuko hatte mehreren Leuten- fast Kinder noch, doch auch ein älterer Mann- über die Lücke in der Palisade nach außen gebracht.
Mädchen und Jungen erkannte Larno darunter.
Vier Leute, die wie Larno die Flucht suchten.
Wuko stand an der Palisade abgeduckt. Er zeigte hastig mehrmals auf diese vier Leute.
Larno sollte Ihnen helfen. daher rief er sie und fuchtelte energisch mit den Armen- zur Eile antreibend. "Los! Lauft hierher! Schneller!"
Während die drei Jüngeren sicher den Pfad fanden, so erging es dem Alten ebenso wie Larno zuvor- er war zu früh in den feuchten Morast geraten. Nun kämpfte er sich mit verbissenem Gesicht Schritt für Schritt seinen Weg zum Pfad voran.
Die drei Anderen – ein Junge und zwei Mädchen- hatten Larno erreicht und strebten schnell weiter zum Wald herüber. Eines der Mädchen wimmerte mit verheultem Gesicht.
„Lauft! Schnell in den Wald hinein- Rüber dort! Sucht Schutz!"
Noch ein weiterer Knabe floh durch die bei Wuko bestehende Palisadenlücke.
Wuko hieb ihn auf die Schulter- gemahnte wohl mit Worten zur Eile. Der junge Knabe rutschte gekonnter als der Alte über die Grasnabe und kam mit mehreren Schritten auf den Pfad.
Larno erkannt den Knaben- es war Milorad. Der Fürstensohn, der soeben seinen Vater, ja vielleicht auch die Mutter verloren hatte.
Doch Milorad blieb auf dem Pfad stehen, deutete dem festgetretenen Alten an, helfen zu wollen.
Der Alte jedoch schrie Milorad zu- zu laufen um sein Leben. Er werde schon folgen.
Unentschlossen blickte Milorad zu Larno, dann zu dem Alten.
Larno winkte Milorad hastig näher! „Komm schon! Zum Wald! Schnell!"
Nahe Wuko waren nun drei Hirsch- Krieger der verräterischen Lutizen zu sehen. Während zwei mit ihren Spießen auf den Wuko einschlugen, machte der Dritte seinen Bogen zum Schuss bereit.
„Lauf um Dein Leben! Folge mir!", rief Larno heraus. Dann rannte auch er weiter zum nahen Wald und kam schnell in dessen Schutz.
Hinter einem Baum dort ging Larno in die Hocke, um nach Milorad und dem Alten zu sehen- zu schauen, ob denen die Flucht glücklich gelingt.
Wuko wurde durch die zwei Kriegern vom Palisadenloch weggezerrt. Larno fragte sich, ob Wuko noch bei Sinnen oder am Leben war.
Der Bogenschütze nahm den Alten als Ziel und verfehlte mit geübten Schuss nicht.
Einen Pfeil des Bogenschützen im Bein schob sich der ältere, verletzte Mann immer weiter zum Pfad hin.
Ein zweiter Pfeil beendete kurz darauf den Kampf gegen die schlammige Erde für den Mann.
Reglos lag der Mann im Sumpf- gerade als auch Milorad den Waldrand abgehetzt erreichte.
„Komm! Schnell tiefer in den Wald hinein! Weg von hier!" sprach er zu Milorad.
Auch die anderen drei Kinder standen verunsichert beieinander und waren nahe genug, Larno's Ratschlag und Aufforderung zu folgen.
Larno winkte den Dreien hastig zu. „Zu der alten Eiche! Die mit dem Hohlstamm! Los jetzt!"
Die Schatten im Wald rannten einfach nur nebeneinander weiter- immer tiefer in den Wald.
In der Burg wurde es nach und nach ruhiger.
Rauch stieg an mehreren Stellen aus der Burg zum Himmel- einem Himmel, der Heute Abend sicher eine blutrote Sonne zeigen würde.
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