Slivorer Morgen
Auf Burg Slivor- einige Wegstunden vom Gorcini- Gehöft- ahnte niemand zu diesem Zeitpunkt, wie groß die Hoffnung dieser Tage für die Slivorer war.
Conia hatte ihren Tag damit begonnen, die Feuer in der Hütte der gefangenen Edlen anzuheizen, nachdem sie den kleinen Bohumil versorgt wusste. Leise war sie in die bewachte Hütte geschlichen. Die zwei Redarier- Krieger an der Tür ließen sie wortlos und ohne einen Gruß eintreten.
Die edlen Frauen schliefen fest, wie man im schummerigen Licht erkennen konnte. Conia erkannte die Fürstentochter Nerin, die sich zwischen den Fellen und dem Strohlager langhin ausgestreckt hatte. Mit ihren hochgesteckten Haaren und ihren dünnen Gliedern sah sie sehr entspannt aus- nicht wie eine Gefangene in Feindeshand Eine tiefschwarze Decke mit rotem Saum hatte sie über sich gezogen.
Die polnische Prinzessin Reglindis hatte sich unter ihrer dicken Wolldecke zusammengerollt, so dass nur das runde Gesicht und die rot-blonden Haare zu sehen waren.
Von den anderen zwei Damen bekam Conia nur einen Fuß oder einen Arm zu sehen, der aus dem Nachtlager hervorlugte.
'So beengt werden es die feinen Frauen sicherlich sonst nicht haben!', ging es Conia durch den Kopf.
Knistern von den aufgelegten Holz- Stücken erfüllte den Raum für einen kurzen Moment. Ein Holzstück schien etwas nass, was sogleich ein wenig Rauch in den Raum ziehen ließ, der zum Luftauslass im hinteren Giebel- Eck abzog. Wohlig war der Raum.
'Beschweren können Sie sich nicht, dass es kalt ist!', stellte Conia zufrieden fest. Im Lichtschein sammelte Conia dann die Holzschüsseln zusammen, die die Rester des Abendessen zeigten.
'Viel Hunger scheinen die Mädchen aber auch nicht zu haben.', stellte die Slawin fest.
Nerin reckelte sich erneut auf ihrem Lager, blinzelte jedoch. "Guten Morgen!", flüsterte Nerin leise in den Raum. Sie hatte wohl die fleißigen Hände doch wahrgenommen.
"Guten Morgen, Herrin Nerin.", flüsterte Conia ebenso leise zurück. "Wie war die erste Nacht auf Slivor für Euch?"
"Die Wachen haben sich lange lautstark unterhalten vor der Hütte. Denken wohl, wir hören sie nicht, wenn sie betrunken davon erzählen, wie es wäre, so eine Edle einmal zu besteigen."
"Ach, diese Schweine!", fuhr es aus Conia heraus. "Wir Slivorer Frauen kennen das von diesen Redariern auch. Die Lutizenkrieger sind da weniger laut, beschränken sich auf ihre Aufgaben. Aber Boran's Männer....", Conia winkte angewidert ab. "Aber Keine von Uns würde sich mit Denen einlassen."
Nerin lächelte schlaftrunken. "Habt ihr Christen in der Burg? Oder andere Gefangene? Welche aus der Fremde?"
"Nein, Herrin! Keine Fremden."
"Zuletzt- also dort, wo man uns vorher versteckt hatte, da war noch Einer. Ein polnischer Ritter, für den man sich wohl ein Lösegeld erhofft hatte. Er durfte unseren Mess- Raum nach uns benutzen zum Beten. Herrin Reglindis musste den älteren Ritter bei seiner Ehre die Verschwiegenheit abringen. Ach ja- und jemanden, der uns dort versorgte - wie Du es hier tust- so jemanden hatten wir dort nicht. Die edle Sania und ich hatten uns dort zu versorgen- Essen herbeischaffen, Holz schleppen und anheizen, Wasser schleppen."
"Ich war in meinem Leben noch nie weiter, als bis nach Slepna oder Braschnow. Mein Mann hatte dorthin einmal Holz auszuliefern, wisst ihr? Und für mich haben wir ein Gewand erhandelt- kurz bevor ich mit Bohumil schwanger wurde."
"Ja, wo ist dein Kind?", fragte Nerin nach.
"Versorgt! Bei einer Alten!", antwortete Conia. "Ich will aber nachher mal nach ihm sehen."
Die Wachen klapperten mit Waffengeräuschen hinter dem Haus entlang.
Conia hielt einen Finger vor die Lippen- Frau Nerin solle leise sein, damit niemanden Auffiel, dass Frau Nerin sich auf die polabische Slawensprache verstand, die hierzulande in der Pregynitza gesprochen wurde.
Die Wachen hatten sich wohl abgelöst oder kamen vom Torhaus vorbei. Jedenfalls verschwanden sie mit Gelächter am Herrenhaus der Burg- holten sich wohl dort noch einen Bissen vor dem Schlafen gehen ab.
"Habt Ihr ein Kind, Herrin Nerin?", flüsterte Conia.
Nerin schüttelte den Kopf. "Nein. Bis mich mein Vater zur Wallfahrt mit nach Polen schickte, habe ich nie an ein Kind gedacht. Oder einen Mann- ich konnte mir das nie so recht vorstellen. Und dann schickt mich der Vater an den polnischen Hof, damit ich dort einem Fremden versprochen werden soll? Das fand ich schrecklich. Als Fürst suchte mein Vater nach starken Bündnispartnern. Auch mit einem besser gestellten Sachsen- oder Abodriten- Herren hätte mich Vater verheiratet. Aber dann bat ein Geistlicher aus Magdeburg vom Erzbistum, mich mit einem Polen zu verheiraten. Die Polen- oder Piasten- sind ein erstarkendes Reich mit weitreichenden Verbindungen- auch nach Osten. Eine Verbindung dorthin sei dem Reich und seinen Bündnissen förderlich. Dies sei auch Gottes Wille, sagte man Vater. Schon auf der Wallfahrt mit dem kaiserlichen Tross hatte ich das polnische zu erlernen. Ich sollte einem Fürsten Urbancic vorgestellt werden, der in Ostpolen große Güter hat. Bin froh, dass ich diesen Edlen nie begegnen musste, zumal dieser Ritter wohl auch schon älter sein soll und wohl von seiner Gestalt her eher klein."
"Und was ist, wenn Ihr nun unvermählt nach Hause zurückkehrt?" Conia war neugierig. Man konnte sich nicht vorstellen, nicht aus Liebe und aus freien Stücken einen Mann zu heiraten.
Fräulein Nerin zuckte nur mit den Schultern. "Herrin Reglindis ist - wie ich finde- auch noch zu jung. Doch je höher man gestellt ist, desto weniger Wahl lässt man uns Töchtern. Ihr Anverlobter soll bereits 20 Jahre alt sein, erzählt man."
Ermutigt von der Offenheit, mit der die edle Nerin berichtete, sah sich auch Conia veranlasst, etwas aus ihrem Leben preiszugeben. "Bei uns war es einfacher. Der Wuko war hierher nach Slivor an die Burg gekommen, weil er gut mit Holz umgehen konnte. Er gefiel mir sofort, aber das konnte ich ihm ja nur schwerlich sagen. Aber auch er fand Gefallen an mir- seine Augen haben ihn verraten. Immer wieder suchten wir einander. Irgendwann war es uns bewusst, dass wir Zwei wohl füreinander bestimmt sind. Es war Liebe auf den ersten Blick. Von uns Beiden."
"Hmm. Schön, wenn das Herz solche Entscheidungen treffen darf." Nerin war ein wenig traurig, denn bei ihr als Tochter eines Fürsten lag es anders.
"So. Nun gut, Herrin. Wenn ihr erlaubt, werde ich Euch angewärmtes Wasser herschaffen, damit ihr Euch für den Tag frisch machen könnt."
"Und Conia? Die Herrin Reglindis wird dann ihre Morgenmesse halten. Dann benötigt Sie auch erst einmal deine Dienste nicht. Aber vielleicht kannst ..." -Fräulein Nerin wurde unterbrochen, weil erneut Wachen außen an der Hütte vorbeikamen. Sie tuschelte daher dann leise weiter: "...Vielleicht kannst Du erfragen, ob wir diese Hütte unter Bewachung verlassen könnten. Die Herrin möchte sich gern die Burg besehen."
Auch Conia antwortete leise. "Ich werde Herrn Boran fragen gehen."
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