Feuer an der Brücke
Die Dunkelheit der Nacht schützte die Gruppe.
Niemand auf Burg Slivor hatte Argwohn- keiner dort vermutete, was die Gruppe um Larno beabsichtigte.
Milorad selbst wollte das Feuer an den vorbereiteten Stellen legen- gedeckt durch die Bögen von Premyslaw und Larno im Norden des Weges und durch die Bögen von Nemanja und Sladko von Süden. Das Mädchen Dobrawa hielt sich am Westlich verlaufenden Weg in den Wald auf, um – falls es nötig wurde- die Gruppe zu warnen.
Andra und Gesa waren im Lager verblieben- man wollte nicht zu viele an der ersten Handlung gegen die lutizischen und redarischen Besetzer Slivor's beteiligen. Bald schon werden sich auch für diese Beiden gute Gelegenheiten ergeben, mitzumachen.
Fast bedauerten es Larno und alle anderen der Gruppe, soviel gutes und wertvolles Harz, Wollstoff, Holzstücken und Holzkohle für diese nächtliche Handlung genommen zu haben- aber man war sich einig, dass es nur um diesen Preis gelingen konnte, den Knüppeldamm zur Burg Slivor ausreichend zu zerstören.
Die Vorbereitungen an der hölzernen Brücke hatten in der Finsternis lange angedauert. Doch nun hatte ein Jeder seine Position bezogen.
Doch warum dauerte es nun so lang, bis Milorad mit den entzündeten Fackeln kam? Premyslaw war schon drauf und dran, nach Milorad zu sehen vor lauter Unruhe, als sich eine mit mehreren brennenden Fackeln bestückte Gestalt aus dem Wald am Weg löste.
Milorad rannte auf den Knüppeldamm. Er hielt die Fackeln in beiden Händen. Kurz zögerte er, lief weiter und brachte das Feuer bis zur Mitte der Brücke. Dort legte er es zuerst an- zu beiden Seiten- und wartete kurz, bis die Fackeln die brennbaren Materialien dort entflammten.
Jetzt war der gefährlichste Moment. Sollten die Krieger des Lutizenbundes wachsam sein, so konnten sie Milorad sicherlich sehen und es bestand Gefahr, dass man mit Pfeilen auf ihn schoss.
Doch erst einmal geschah nichts dergleichen. In der Burg reagierte niemand.
Die Flammen züngelten und wuchsen in der Mitte des langen Brückendammes zur Burg hin. Ungehindert wurden sie größer- heller- sichtbarer.
Milorad bewegte sich nun schon zur nächsten Stelle, um auch dort ein Flammennest zu entzünden.
Der Plan schien bis jetzt gut zu gelingen.
Rauchschwaden krochen über die Niederungsebene am hölzernen Knüppeldammweg- Flammen erwuchsen nun auch dort, wo Milorad eben noch gestanden hatte.
Im Lichtschein des Feuers konnte man Milorad nun weiter huschen sehen- weiter zum Wald hin, wo die letzten zwei Feuernester am Holzdamm zu entzünden waren.
„He! He da!", rief eine Stimme auf dem Torturm der Burg. Erst jetzt hatte eine Wache von dem Geschehen Kenntnis erlangt.
Jetzt würde sich Kopflosigkeit unter den Wachen zeigen- so wie Larno es geplant hatte. In dieser Zeit der Unentschlossenheit jedoch konnte sich das Feuer weiter ausbreiten und tiefer in das Holz des Knüppeldammes hinein fressen.
Auch die letzten zwei Brandnester waren nun entzündet und Milorad warf die Fackeln dort auf die Brücke. Doch lief er nicht sogleich zurück, verharrte kurz auf dem Dammweg zur Burg durch die Flammen blickend.
„Komm schon! Lauf in den Wald und bring Dich in Sicherheit, Milorad.", sprach Larno leise vor sich hin.
Schon sah man einen Pfeil aus Richtung der Burg fliegen, der jedoch wenig gut geschossen wirkte. Vermutlich hatte der Bogenschütze durch Feuer und Rauch behindert keine gute Sicht auf ein Ziel.
Milorad erkannte nun jedoch, dass es an der Zeit war, den schützenden Wald aufzusuchen. Der Pfeil war zu kurz und ging knapp neben den zweiten Feuernestern in den Untergrund neben dem Damm.
Das der Rauch immer heftiger wurde, verwunderte Larno nicht. Unterhalb des Dammweges war die Niederung feucht und sumpfig- die feuchten Gräser unter dem Dammweg erzeugten den Qualm, da die Hitze der Brücke sie nun auch entflammen lies.
Milorad verschwand im Wald. In diesem Moment waren sicherlich alle Augen der jungen Kämpfer auf das Flammenmeer der Brücke gerichtet.
Mehrere Gestalten näherten sich vom Torturm aus den Flammen, blieben aber alsbald in guter Entfernung zum Feuer stehen. Zu weit für die Bögen im Moment.
Larno bemerkte, wie der Junge Premyslaw dennoch seinen Bogen spannen wollte und schon hoch in Richtung der Leute zwischen Turm der Burg und Feuer der Brücke zielen tat.
„Premyslaw, mach's nicht. Lass uns den guten Pfeil aufsparen. Beobachte lieber weiter, bis die Anderen zu uns gelangen!", riet Larno.
Weitere Leute kamen aus der Burg.
Neromir- deutlich erkennbar war, dass er sich ein Leinenhemd noch anzog, während ihm böse Flüche aus dem Mund kamen. Was genau er sagte war nicht zu verstehen. Doch kurz darauf schlug Neromir mehrfach eine der lutizischen Wachen ins Gesicht- wohl seine Art zu zeigen, wie unzufrieden er mit der Aufmerksamkeit der Wache war.
Auch der großgewachsene Boran – der Genarbte- kam nun aus der Burg heraus, hielt sich jedoch nahe beim Turm und versuchte im Schein des Feuers der Brücke etwas im Umfeld oder am Waldrand zu erspähen. Ohne Erfolg jedoch, denn die Helligkeit des Feuers dort war zu blendend für ihn- auch wenn er die Augen zusammen kniff.
Immer noch schienen die überraschten Lutizen ratlos und das Feuer fand ungehinderte Nahrung am Holz des Knüppeldammes.
Neromir war es, der einen anderen Krieger in den Hintern trat- nun trieb Neromir wohl doch die Leute an, das Feuer abzulöschen.
Doch zu spät für den halben Damm aus Holz- die westliche Wegseite brannte auf gut dreißig Schrittlängen lichterloh und breitere sich dort auch noch weiterhin ungehindert aus.
Ja! Der Handstreich war gelungen.
„Psst!", zischte eine Stimme hinter Premyslaw und Larno im Wald.
„Hier! Hier sind wir.", sprach Premyslaw nach hinten- dorthin, wo nun Nemanja, Milorad, Dobrawa und Sladko schemenhaft zu sehen waren- im leichten Feuerschein von der Niederung.
„Wir kommen!", sprach Larno.
Gedeckt bewegten sich die beiden Bogenschützen vom Waldrand weg – hinein in den tieferen Wald.
„Ich würde mir das Schauspiel gern noch bis zum Morgen ansehen.", gestand Sladko offen ein.
„Das geht nicht. Dann haben wir die tiefstehende Morgensonne genau gegen uns. Sie könnten uns sehen.", erklärte Nemanja.
Die Gestalten verschwanden von der Waldkante.
Schon bald darauf umfing die Finsternis des Waldes die Gruppe und es wurde schwieriger, einen Weg zu finden.
Nach Süden ging es nun- zum Lager. Jeder in der Gruppe war von Stolz erfüllt über den Erfolg.
Erst im Morgengrauen kam man besser voran.
Im Lager wurde dann der Erfolg mit lebhaften Worten auch dem Andra und der Gesa geschildert.
Besonders Sladko war daran gelegen, alles Gesehene haarklein zu berichten- zumal es für ihn eine besondere Nacht war, da er Nemanja zugeteilt war auf der nördlichen Wegseite.
Nemanja hingegen war die Erste der Gruppe, die ihren Schlaf suchte.
Auch Larno war zufrieden- mit sich und dem Erfolg der Gruppe in der Nacht.
Aber er wusste auch, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Lutizen den Knüppeldamm wieder ausbessern würden. Und nun waren die Lutizen um ihren Anführer Neromir gewarnt. Ab dieser Nacht würden sie um ein mehrfaches aufmerksamer sein. An der Burg und in den Wäldern.
Ab dieser Nacht hatte man den flüchtigen Kindern Slivor's den Krieg erklärt.
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