Das Lager in den Felsenbergen
„Du hast vorher noch nie so etwas gemacht, einen Bogen bauen? Hab ich nicht Recht?", fragte Nemanja das Mädchen Gesa.
„Nein. Dies musste ich nie. Was Vater für uns brauchte, erhandelte er bei den Leuten."
„Du musst die Bogensehne fester spannen, damit der Pfeil mit kraft fliegen kann. Warte, ich zeige es Dir."
Nemanja nahm sich das Bogenholz und probierte mehrere Male. Dann schien sie das richtige Längenmaß der Sehne gefunden zu haben und spannte den Bogen erneut.
„Siehst Du? So ist es gut. Wir umwickeln die beiden Enden noch mehrere Male mit dem Flachs. Das spannt die Sehne zusätzlich noch einmal mehr. Schau her!"
Gesa beobachtete die Fertigkeiten von Nemanja sehr aufmerksam. Gesa bestaunte die junge Frau dabei fast. Gesa konnte sich nicht daran erinnern, solch geschickte Hände einer Frau an einer Waffe gesehen zu haben.
Nemanja bemerkte dies, musste lächeln.
„Du kennst dich gut aus damit, nicht wahr?", fragte Gesa.
„Mein Vater. Er hat es mich gelehrt. Er meinte immer: Nemanja, es kann Dir nicht schaden, wenn Du dies und das weist- hier draußen im Wald..." Ihre Stimme verstellte Nemanja. Sie versuchte, ein wenig wie der alte Stanielub zu klingen.
Gesa gefiel dies. Sie lächelte. Wohl ein wenig auch, weil auch Sie nur mit dem Vater zurch die lande gezogen war und ähnlich erzogen wurde. Vielleicht war Nemanja auch wie Sie selbst- nur eben erfahrener und vier Jahre älter.
„Warum kannst du den Larno nicht leiden? Ich denke, er will nur das Gute für die Anderen hier?"
Nemanja errötete. „Wieso fragst Du?"
„Immer, wenn Larno etwas sagt, redest Du gegen seine Worte. Naja, fast immer.", sprach Gesa offen. Nemanja setzte sich zu ihr in das Gras am Felsen.
„Ich weiß auch nicht. Vielleicht gefällt mir nicht, was er vorhat. Er wird uns alle damit in große Gefahren bringen. Sehr große Gefahren. Vielleicht will ich auch nur, dass Larno sich genauestens überlegt, was er mit Euch anfangen will. Ihr seid keine Kämpfer. Und jede Wunde oder Verletzung hier draußen kann Euer Ende sein."
„Dann willst Du ihn nicht ärgern?"
„Naja, vielleicht auch das. Ein wenig zumindest.", gab Nemanja zu. „Weist Du, ich kenne den Larno. Wir haben in der Kindheit viel Zeit verbracht. Zu viel Zeit sogar, wenn man den anderen Leuten in Slivor Glauben schenkt."
„Dann magst Du ihn?"
Nemanja beantwortete die Frage der Händlertochter nicht. Sie überlegte zwar, aber eine Antwort darauf schien ihr auf der Zunge zu brennen- wollte nicht ausgesprochen werden.
Sladko kam schweißnass und freudestrahlend an den beiden Mädchen vorbei und hatte mehrere rote Fleischbatzen auf dem Rücken. „Kommt zum Lager, ihr Mädchen. Heute können wir gut und viel essen- der gute Sladko hat eines der Schweine getötet und bringt mehr Fleisch, als in Eure Münder passt."
Die Mädchen staunten.
Sladko hatte das Tier- wohl aus Sicherheit- fernab vom Lager getötet. Man hatte hier nichts gehört. Erst als er schnaubend um die Ecke kam, da wurden die Mädchen auf ihn aufmerksam.
Nemanja war besorgt, denn wenn sich Sladko so polternd nähern konnte, dann war dies auch den Lutizischen Kriegern möglich. Sie blickte sorgenvoll in Richtung des nördlichen Waldes.
Gesa stand auf. Wie ihr aufgefallen war, versuchte Sladko nun schon die letzten Tage, immer wieder Nemanja zu beeindrucken. Gerade war es ihm wohl gelungen.
„Also der Sladko, dem scheinst Du zu gefallen. Glaube ich jedenfalls.", sprach sie aus, nachdem der Sladko um die Felsenecke in Richtung der Höhle entschwunden war.
„Was?", antwortete Nemanja fast irgendwie abwesend.
„Sladko! Ich sagte, der mag Dich?"
„Jaja. Kann sein." Nemanja schien diesen Hinweis zu ignorieren und erklomm derweil einen der höheren Felsen, um sich umzusehen.
Erst dort oben- nachdem sie mehrfach in den Wald gehört und gesehen hatte- kamen die Worte der kleinen Gesa bei ihr richtig an.
„Sladko? Wirklich?"
„Ja. Denke ich. Er sieht auch immer zu, dass er in deine Nähe kommt am Feuer in der Höhle. Ist dir das nie aufgefallen?"
„Nein. Nie. - Ja doch, aber ich fand das immer zu aufdringlich irgendwie."
„Ich gehe schon einmal zum Lager. Die anderen müssten auch langsam zurück sein."
Nemanja hörte dies, war aber immer noch wachsam- dort oben auf dem Felsgrad.
Im Lager jedoch beobachtete nunmehr Nemanja das Verhalten Sladko's näher. Sollte Gesa wirklich Recht haben? Aber Sladko war nicht derjenige, dem Nemanja eigentlich zu gefallen suchte. Doch dies konnte sie niemandem hier im Lager erzählen.
Nicht jetzt- jetzt war das Überleben wichtig.
Premyslaw und Milorad saßen nahe beim Feuer dort und lobten Sladko- so, wie er es sich erhofft hatte.
Die anderen waren noch nicht zurück. Sie waren schon zu lang fort- seit dem Morgen. Larno wollte Andra und der Dobrawa das Bogenschießen lehren- abseits im Wald. Wo blieben sie nur.
Spät kamen die zwei Kinder mit Larno zurück.
„Wir waren nahe der Burg- haben uns aber nur vorsichtig umgesehen.", sagte der junge Andra.
„Und? Nun sprich doch endlich!", merkte Milorad ungeduldig an. „Konntet ihr etwas erkennen? Was gibt es dort zu bestaunen? Neues?"
„Die Leute vom Lutizenbund sind noch in der Burg. Wir haben ihre Wachen am Torturm gesehen und auch einem am Wall. Aber irgendwas geht in der Burg vor sich." sprach Larno und legte drei kleinere, zugebundene Säcke nahe ans Feuer.
„Wie meinst du das? Irgendetwas geht da vor sich?", fragte Sladko und hielt den Rückkehrenden mehrere Streifen Fleisch zum Verzehr hin.
„Die Hütten an der Straße sind allesamt durchwühlt worden. Leute sind dort keine mehr. Die Handwerker, so scheint es, haben entweder das Weite gesucht oder sind in die Burg hinein geholt worden."
Andra fiel Larno ins Wort: „Ja. Man hört sie dort etwas schmieden in der Burg. Als wenn sie dort etwas bauen. Dafür hatten wir Zeit, uns in den Hütten umzusehen. Haben einiges Brauchbares gefunden."
„Sie bauen etwas? Schmieden?"
„Ja. Den ganzen Tag lang."- Larno stärkte sich am Fleisch.
„Vitko's Hütte, also die Hütte vom Larno hat man auch durchwühlt. Alles lag durcheinander.", ergänzte Dobrawa die Jungen.
Premyslaw schüttete einen der Beutel aus, der metallenen Inhalt hatte- Nägel und einige Pfeilspitzen. Der zweite Beutel wurde in der Hand begutachtet. Das Rascheln verriet, dass hier wohl grob gemahlenes Korn drinnen war. Der größte Beutel von allen war mit Fellstücken, einem Seilstück und einem Holzhammer befüllt. Alles wirklich nützliche Dinge.
„In den Schmiedehütten habe ich noch etwas gefunden. Aber wir waren uns einig, das soll es dann erst nach dem ersten Kampf geben, oder wenn jemand Wundbrand haben sollte."
Larno zeigte eine braune, dickbäuchige Tonkaraffe in die Runde, die von vielen der Kinder bestaunt wurde.
„Gebrannter?", fragte Milorad.
Dobrawa nickte. Andra's Augen funkelten.
„Dann wollen wir denen morgen also ein erstes Zeichen geben, dass wir noch da sind und sie mit uns rechnen können?", fragte Sladko in die Runde und baute sich dabei in einer sehr deutlichen, entschlossenen Pose auf.
Gesa zupfte Nemanja am Arm der Weste. „Siehst Du?"
Nemanja rollte die Augen. Ja. Dies war wohl überdeutlich, denn Sladko schaute mehrfach - wie beiläufig- zu Nemanja. Sie nickte Gesa zu, hatte verstanden.
„Gut. Wir haben Harzöl, Wollstücken, die Schweinedecken, die vorbreiteten Fackeln, Pfeile, Holzkohlestücken. Hoffentlich reicht es, um den Damm ausreichend zu beschädigen. Wenn nicht, wäre das schlecht, es würde sie wachsamer machen." sprach Larno zu allen.
„Dann morgen! In der Nacht?" Milorad stellte sich neben Sladko.
Die Meisten nickten.
„Und ich bitte Euch: keine unachtsamen Bewegungen. Bleibt gedeckt. Und erkennt man uns zu früh, dann verschwinden wir in den Wald wie besprochen!"
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