Boran begrüßt "edle Gäste"
Fürst Neromir war mit 7 Kriegern an seinen redarischen Stammsitz abgereist. Jedoch hatte Neromir genaue Weisungen an Herrn Boran gegeben: Beste Bewirtung seiner "Gäste", ständige Bewachung und Unterbringung in der besten Hütte, die Burg Slivor hergab.
Damit war die Hütte von Wladim gemeint, der mit seinem Weib in eine kleinere Hütte umzuziehen hatte.
Diese Hütte hatte stets beheizt zu sein. Herr Boran hatte dafür Sorge zu tragen, dass die "Gäste" so wenig wie möglich mit den einfachen Slivorern in Gespräche kamen.
Zusätzlich zu drei Außenwachen für diese Hütte solle Boran eine Frau aus Slivor bestimmen, die für die erwarteten Gäste alle Arbeiten zu verrichten hatte.
Vielleicht war es nur ein Zufall- vielleicht auch Borans Wille, die Witwe des "Anstifters" zu bestrafen, denn der genarbte Herr Boran legte fest, dass Conia die Magd für die erwarteten "Gäste" sein soll.
Conia, die Witwe Wuko's, hatte noch am Abend der Rückkehr aus dem Kampf gegen die Waldrebellen von Herrn Boran den Auftrag erhalten, Herrn Wladim in die neue Unterkunft zu helfen und die Hütte dann herzurichten.
Wladim und seine Frau waren im ersten Moment erzürnt über die Anweisung von Fürst Neromir, aber aus unterwürfiger Angst vor dem Redarier taten sie, wie der Fürst befohlen hatte- und dies einen Tag nach dem Brand von Slepna. Wladim war also doch nicht in der Gunst gestiegen, wie er es sich erhofft hatte. Neromir hatte einmal mehr Ränke gesponnen und ihn- den Slivorer Fürstensohn- im Ansehen der Leute schlecht aussehen lassen. Nun sah er sich nicht nur unter den Leuten der Burg Slivor als Verräter an den Eigenen, sondern hatte auch die Leute aus Slepna gegen sich. Wladim blieb nun nur eine Möglichkeit: er musste sich an die neuen Herren von Slivor halten- Neromir und dessen Vasallen Boran.
Wortlos erledigte Conia die aufgetragenen Arbeiten. Die innere Abscheu gegen die Redarier und Wladim behielt sie für sich. Diese Herren waren zu allem fähig und auch zum Gemeinsten entschlossen.
Wie Recht Conia mit ihrer Einschätzung hatte, sollte sich schon alsbald erneut zeigen.
Kaum war Neromir still und leise mit seinen Wachen aus der Burg abgereist, da kam auch schon der große, geschlossene Kutschenkarren auf der Burg an.
Noch während der Karren auf den schlammigen Innenplatz der Burg Slivor rollte, ließ Herr Boran die Slivorer in ihre Hütten und Lager abdrängen. Vor dem geschlossenen Kastenkarren bahnten drei redarische Krieger den Weg. Herr Boran legte selbst mit Hand an, um mehrere Bretter auf den Schlamm vor dem Herrenhaus zu werfen.
Wer auch immer die "Gäste" waren und welche Absichten sie auch hatten- sie waren vermutlich von hoher Abstammung oder hohen Ranges.
Conia hatte sich im Festsaal des Herrenhauses bereit zu halten, um den "Gästen" vorgestellt zu werden. Durch die offene Tür sah sie, was draußen am Karren vor sich ging.
Der Karren war verriegelt- von außen verriegelt. Dies fiel Conia erst auf, als Herr Boran selbst den Riegel öffnete und einige Worte in den Kutschkarren gab.
Nach und nach kamen vier junge Frauen, drei davon fast noch Kinder, in sehr guten und edlen Gewändern aus dem Wagen geklettert. Jede für sich blinzelte ins Tageslicht. Waren diese Damen etwa Neromir's Gefangene? Fast schien es so! Keine der Damen sprach mit Boran, jede für sich gab Herrn Boran nur böse Blicke. Eine der feinen jungen Mädchen hatte ein stark besticktes Gewand in weiß- roter Farbe und eine gleichfarbige Kopfhaube, wie Conia es noch nie bei einer Frau oder einem Mädchen hierzulande gesehen hatte- auch nicht bei den brisanischen Fürstenfrauen.
Wer waren diese jungen Mädchen oder Frauen?
Der genarbte Redarier Boran gab sich selbst über die Maßen höflich und zuvorkommend gegenüber den Mädchen. Ja- Mädchen waren dies noch.
Die am feinsten bekleidete junge Dame, so schätzte es Conia ein, war vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt. Sie war klein und im Gesicht doch etwas ründlicher. Ihre Figur war unter dem dicken Stoffkleid nicht zu erkennen, jedoch war sie wohl zudem auch etwas wohlbeleibt. Ihre Finger jedoch waren sehr schlank. Conia hatte die Hände nur kurz sehen können, da das edle junge Fräulein sie zumeist in einem feinen Pelz-Muff vergraben hatte. Jedoch schienen die Hände klein zu sein und nie harte Arbeit gesehen zu haben.
Ein weiteres Mädchen war vielleicht vierzehn und ebenfalls klein. Jedoch sehr dünn und schwächlich gebaut. Auch sie trug ein edles, dickeres Kleid. Zusätzlich hatte sich das Mädchen ein dickes, hell aussehendes Fell- einem Kurzpelz ähnlich- über die Schultern gezogen. Das feine Fell war von hoher Güte, so wie Conia es hierzulande noch niemals zuvor gesehen hatte.
Die anderen zwei jungen Frauen waren älter als diese Beiden.
Eine sehr große, schlanke und sehr schöne junge Frau mit langen dunklen Haaren schien die zwei jüngeren Mädchen und die Vierte etwas zu behüten, wie es Conia erkannte. Die junge Frau war vielleicht achtzehn oder zwanzig Jahre alt und schien weniger unnahbar als ihre Gefährtinnen. Sie trug ein schlichtes, dickes Kleid in braun- roter Farbe. Dies war ein edles Kleid, ja- aber dennoch wirkte es einfacher. Diese junge slawische Schönheit hatte ihren Kopf mit einem dicken braunen Tuch umwickelt, wobei man am Hinterkopf das schöne Haar sehen konnte. Vorn am Gesicht kräuselten sich die Haare leicht- wohl von der Nässe.
Die Vierte- so schien es Conia- war vielleicht auch 18 Jahre. Sie wirkte fassungslos im Anblick der tristen und dreckigen Innenburg Slivor's. Stets war die junge und ebenfalls sehr hübsche Blondhaarige bemüht, ihr feines blau- Goldfarbenes Kleid nicht zu sehr durch den Schmutz ziehen zu müssen. Sehr edles Schuhwerk trug diese Dame, wie man erkennen konnte, wenn sie ihr Kleid hob, um beim Laufen nicht den Schneematsch sondern das Gehbrett zu treffen. Diese junge Dame war auch die Erste im Herrenhaus, denn hierher hatte Herr Boran den Damen mit Gesten den Weg gezeigt.
Die edlen Mädchen liefen dem Blondschopf ins Herrenhaus wortlos hinterher, gefolgt von der jungen Frau im braun- roten Kleid mit Kopftuch.
Conia verbeugte sich leicht vor allen vier Mädchen- kaum das sie sich getraute, den edlen Frauen ins Angesicht zu schauen. Wortlos und unbeeindruckt schlüpften die ersten Drei vorbei, die junge Frau mit dem Kopftuch blinzelte jedoch freundlich und warmherzig offen zurück.
Während sich die jungen Fräulein hilflos und enttäuscht von der Einfachheit dieses Herrenhauses umsahen und nicht wussten, was sie hier erwarten würde, folgte Herr Boran ins Herrenhaus nach.
Conia wurde angeherrscht von Boran. "Spute Dich und bring die Sachen der Damen von der Kutsche in die Hütte. Alles- verstehst Du? Alles! Und schau, dass es warm ist. Wenn du noch Holz brauchst, hol es heran oder lass dir von den Männern welches bringen. Los jetzt!"
Mit einer kurzen Verbeugung zog sich Conia aus dem Herrenhaus zurück. In Borans Nähe fühlte sich Conia zudem sehr unwohl. Schon sich vor diesem Mistkerl verbeugen zu müssen war eine Qual für Conia's Seele.
Sie sah sich den hohen geschlossenen Kutschkarren an- auch von innen war er mit vielen Fellen ausgelegt. Doch war es dunkel in dem Karren. Ohne Zweifel- finster, wie ein Gefängnis. Nur zwei schmale Sehschlitze erkannte Conia und eine kleine Klappe- dort, wo der Kutscher des Karrens saß.
Mehrere kleine Kisten lagen unter den Sitzbänken. Diese waren noch leicht zu tragen. Die drei großen Kisten jedoch mussten Borans Männer tragen, die sich dieses Mal sogar ohne Murren sofort fügten. Offenbar hatte Boran auch seinen Männern gesagt, wie sie sich zu geben hatten.
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