Blutiger Schnee
Der Hof der Gorcini- Bauernfamilie lag abseits der Ereignisse. Larno kam erst am Tag nach dem Angriff auf das Lager dort an. Die Dunkelheit zog schon herauf.
Der Gorcini- Hof lag westlich in der Pregynitza. Redarier, ja selbst viele Slivorer kannten den Hof kaum. Nur wenige Händler verirrten sich hierher. Der Gorcini- Bauer war schon älter, er und seine Frau kinderlos- vielleicht war dies auch seinerzeit ein Grund dafür, weshalb die Beiden Hilfe anboten. Im Gegenzug hatte Larno's Gruppe mehrere Stücken Slivorer Vieh bei den Bauern untergebracht. Man war sich verbunden, auch weil man mit den einfachen Leuten offen redete und seine Sorgen teilen konnte. Die Gorcini's waren freundliche Leute.
Larno kam vom südlichen Rand an die kleine Lichtung heran und blickte sich vorsichtig um. Es war die gleiche Vorsicht, welche er über die Zeit der Flucht nicht vernachlässigt hatte. Anfangs waren noch Krieger auf seiner Spur gefolgt. Doch Larno schlug mehrere Haken- einem Hasen gleich- und querte zweimal die Spuren der Verfolger. Dies verwirrte die Männer Neromirs dann letztlich am gestrigen Abend. Sie brachen das Nachstellen ab. Gleichwohl blieb Larno vorsichtig. Hockend hatte er in einem ausgehöhlten Baum geschlafen- mehr schlecht als recht. Und heute? Heute galt es unerkannt hierher zu gelangen ohne Spuren zu hinterlassen.
Larno beobachtete das kleine Gehöft lange. Alles schien ruhig- dennoch hielt er noch inne.
Fragen bewegten ihn und machten ihn unruhig. Wie konnten die Redarier auf die Spur des Lagers gelangen? War dies wirklich die Folge des Slepnaer Gastes? Konnte man diesem Wibor trauen? Was, wenn es niemand der Anderen bis hierher geschafft hatte? Wenn er jetzt der Einzige war?
Große Sorge hatte Larno auch um Sladko und Wencel. Diese Zwei hatten die anrückenden redarischen Krieger und die Krieger der Lutizen abgelenkt- und dies sicherlich so gut es ihnen möglich war. Doch war für die Zwei ein entkommen dann noch möglich? Allein gegen gut dreißig oder mehr Krieger? Ihr Mut vom gestrigen Tag war mehr als beachtlich. Larno erkannte, dass Wencel seine Frau und die Kinder zu schützen und zu behüten suchte. Das Sladko aus freien Stücken hinzutrat- in Anbetracht der großen Gefahr- dies hatte Larno überrascht. Auch wenn es Sladko keineswegs an Mut mangelte und er auch zu kämpfen wusste- hier überwog wohl der Wunsch, die Freunde in der Gruppe beschützen zu wollen. Dies war über die Maßen ehrenhaft in Larno's Augen. Und dies würde er auch den beiden Männern sagen müssen.
Doch dazu- und Larno hoffte dies von Herzen- müssten sie der Falle entkommen sein.
Und die Frauen? Hoffentlich war auch ihnen gemeinsam mit Premyslaw und Andra eine glückliche Fluch hierher gegeben.
Larno huschte- einem Schatten gleich- aus dem Wald. Zu einem nahen Gebüsch hin, in dessen Schutz er sich erneut umsah. Sein Magen knurrte laut.
Ein schwacher Lichtschein aus der Bauernhütte war zu erkennen- dort, wo das Vieh in das Gatter heraus gelassen wurde. Die Tür schien nicht gut geschlossen. Und feiner Rauch stieg aus der kleinen Öffnung im Giebel auf. Also war jemand in der Hütte.
Die kleine Tür für das Vieh würde sein Zugang in die Hütte der Gorcini's werden. Gehockt und leise pirschte Larno weiter- bis nahe zum Bauernhaus.
Obwohl sein Blick auf die Hütte gerichtet war, entging ihm nicht die seltsame Spur im Schnee. Blutstropfen! Blutstropfen die sich mit einer Schleifspur auf dem Gatterboden zeigte, obwohl der Boden schlammig und aufgewühlt von den Tierhufen, ja fast schneefrei war.
Hatte sich hier ein Verletzter entlang gezogen?
Larno- müde von der Flucht- hatte nun nur noch einen Wunsch: Gewissheit zu erhalten. Gewissheit darüber, wie es den Anderen erging. Die Blutspur im Schnee war ein Zeichen von Kämpfen und Verwundung- doch diesen Gedanken wollte er nun nicht mehr zum Ende denken. Er wollte nur noch in die Hütte und nachsehen, wo die anderen seiner Mitstreiter waren.
Vorsichtig öffnete er die angelehnte Tür und huschte zwischen Zwei Kühe, deren große dunkle Augen den Besucher im Verschlag der Hütte verwundert ansahen.
"Lieg ruhig Mädchen!", hörte Larno die Stimme der Gorcini- Bäuerin.
"Ah!", jammerte eine Stimme angestrengt und fast hauchend.
Nemanja?
Larno stellte sich nun aufrecht- um zu sehen und sich zu erkennen zu geben. Aus der Sorge nach Nemanja's Wehklagen gab er jedwede Vorsicht und Deckung auf.
Bogna, die die traurig und verweint aussehende Dobrawa unter einer Decke im Arm hielt, erblickte Larno zuerst. Ohne Worte- nur mit einem Blick ihrer Augen- wies Frau Bogna auf die Ecke hinter dem Tierverschlag- dorthin, wo auch die Gorcini- Bäuerin bei einer Wehklagenden hockte.
Larno sprang hinzu.
"Nemanja!"
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