Ein kleines Interview
Stell dir einen kleinen, gemütlichen Raum vor. An den Wänden hängen Bilder und einige Bücherregale. Durch ein mit Gardinen beschmücktes Fenster strömt Sonnenlicht herein und erleuchtet den ganzen Raum auf eine angenehme Weise. An der rechten Wand steht eine kleine Küche mit einem längeren Bartisch. In der Mitte des Zimmers gibt es eine gemütliche Sofaecke mit ein paar Sesseln, einigen Sitzsäcken und zwei weichen Couchen. Auf einem kleinen Abstelltisch liegt aufgeschlagen ein dickes Buch.
Du wirst neugierig und trittst näher. Jetzt erst, als deine Füße den flauschigen Teppich berühren, merkst du, dass du nur Socken trägst. Verwundert überlegst du, wann du deine Schuhe ausgezogen und diesen Raum überhaupt entdeckt hast. Doch bevor du weiter darüber nachdenken kannst, geht die Tür auf und ein Mädchen kommt herein. Sie lächelt dich freundlich an und bittet dich, Platz zu nehmen. Nachdem du dich für eines der Sofas entscheidest, setzt sie sich auf das andere dir gegenüber.
Sie stellt sich dir als Emsen08 vor und bedankt sich für dein Kommen. Verwirrt runzelst du die Stirn und fragst, wie und wieso du überhaupt hierher gekommen bist. Dann erklärt sie dir, dass du gerade an einem Interview teilnimmst, jedoch jederzeit gehen kannst, sollte dich das heutige Thema nicht interessiert. Bevor du fragen kannst, worum es denn gehe, spricht das Mädchen schon weiter.
Heute gehe es um den christlichen Glauben und, wortwörtlich gemeint, Gott und die Welt. Doch bevor du schnell aufstehst und eilig aus dem Raum rennst, um nicht von fanatischen Christen geprüft und belagert zu werden, hebt sie beschwichtigend die Arme. Nicht du wirst hier interviewt, sondern sie selbst. Du brauchst also nur die Fragen stellen. (Oder dir das Kapitel nur durchlesen) Wenn etwas noch unklar ist oder du weitere Fragen hast, kannst du die natürlich danach (in den Kommentaren) noch stellen.
"Wollen wir dann gleich beginnen?", fragt Emsen08, nachdem du halbherzig mit dem Kopf genickt hast.
"Okay..."
Du weißt immer noch nicht, was du von der ganzen Sache halten sollst, willst es dennoch versuchen. Also stellst du, etwas zögerlich deine erste Frage.
silent_nothing
Bist du katholisch oder evangelisch?
Ich bin evangelisch, genauer gesagt baptistisch, auch freikirchlich genannt. Aber da es so viele und unterschiedliche Verzweigungen der evangelischen Kirche gibt, reicht das glaube ich erstmal. Wie gesagt, wenn du das noch genauer erklärt haben möchtest, frag mich einfach.
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Wie bist du dazu gekommen?
Warum glaubst du daran?
Meine Eltern sind beide christlich und somit habe ich eigentlich schon mein ganzes Leben damit zu tun. Wir gehen oft in den Gottesdienst und seit dem letzten Jahr gehe ich jeden Freitag in eine christliche Jugend, was viel cooler ist als es klingt.
Warum ich daran glaube? Das ist ein bisschen komplizierter. Es geht nicht nur darum, einfach zu denken 'ja, da gibt es einen Gott'. Es geht um eine persönliche Beziehung zwischen Gott und mir, die ich selbst erlebt habe. Und wenn man wirklich selbst erlebt, dass es da jemanden gibt, dann kann man gar nicht anders, als diese Beziehung oder Freundschaft anzunehmen, denke ich.
Du sprichst von einer Beziehung oder Freundschaft. Aber wer oder was ist Gott dann genau, wenn man mit ihm befreundet sein kann? Und ist das nicht total schwer mit ihm irgendwie befreundet zu sein, wenn man ihn nicht sehen kann?
Ich glaube, Gott ist derjenige, der die Welt und einfach alles gemacht hat. Also auch dich und mich. Und ich glaube, er will mit uns Menschen richtig gut befreundet sein, weil es ihm sehr viel Spaß macht, mit uns Zeit zu verbringen.
Und ja, das ist manchmal schwierig, das gebe ich zu. Du kannst das nicht mit der Art von Freundschaft vergleichen, die du und deine Freunde in der Klasse oder hier auf Wattpad hast. Ich kann ihn nicht sehen, kriege manchmal nicht sofort eine Antwort, weshalb unsere Gespräche sich manchmal ziemlich einseitig anfühlen, und auch sonst ist sie komplett anders.
Dafür ist er aber jemand, der mich so kennt, wie ich eben bin. Ich kann und will mich nicht vor ihm verstellen. Denn er kennt mich und will trotzdem etwas mit mir zu tun haben. Deswegen kann ich mit ihm auch über alles reden und auch sonst ist diese Freundschaft einfach nur richtig cool.
Was schätzt du an Gott? Hat er besondere Eigenschaften, weshalb man mit ihm zu tun haben will?
Zum einen, wie ich gerade gesagt habe, dass er mich so gut kennt und trotzdem annimmt und mit mir befreundet sein will. Er kennt mich und nimmt mich so an wie ich bin. Ich muss mich für ihn nicht verändern, er findet mich perfekt. Und diese bedingungslose Liebe ist einfach so krass, das kann ich nicht beschreiben. Und dann noch, dass er so riesig groß ist. Ich meine, er kennt das ganze Universum einfach, und interessiert und kümmert sich trotzdem für uns Menschen. Und das für jeden einzelnen. Das ist so krass. Und beides habe ich selbst erlebt, also ist das für mich mehr als nur Gerede.
Champ_ions
Wie stehst du also zum Glauben?
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Und was bedeutet der Glaube und Jesus für dich?
Wenn viele Gott oder Christentum hören, denken sie gleich an Einschränkungen und Regeln. Du vielleicht auch. Und sie haben dazu auch einen Grund. Meistens wird Glaube wirklich nur in Verbindung mit diesen Regeln und für viele etwas eher schlechten Dingen weiterverbreitet. Aber für mich ist mein Glaube einfach diese Freundschaft mit jemandem, bei dem ich einfach ich sein kann. Ohne groß Regeln befolgen oder etwas besonders gut können zu müssen. Und da Jesus und Gott sozusagen derselbe ist, ist Jesus eben dieser krass gute Freund für mich.
Nach dieser Antwort steht Emsen08 auf und geht zur kleinen Küche herüber.
"Willst du auch etwas trinken?", fragt sie dich, während sie sich einen Tee kocht. Du nickst und sagst, was du gerne hättest. Mit den zwei Tassen und einer Schüssel Keksen kommt sie wieder zu dir herüber. Dankbar trinkst du einen Schluck und nimmst dir ein Gebäck, ehe du deine nächste Frage stellst, die dir schon auf der Zunge brennt. So langsam beginnt dieses Interview, dir Spaß zu machen.
hxdurin
W
ürdest du dann gerne mal mit Jesus abhängen?
Ganz klar, ja. Auf jeden Fall! Ich freue mich schon richtig darauf, ihn im Himmel richtig zu sehen und mit ihm etwas machen zu können. Das wird bestimmt richtig gut. Und emotional. Aber dann kann er mir meine ganzen Fragen beantworten und ich denke, das wird das krasseste Gespräch, das ich je hatte. Um ehrlich zu sein, stelle ich mir oft vor, wie es wäre, wenn er jetzt einfach hier auf der Erde wäre und ich etwas mit ihm unternehmen könnte. In meinen Vorstellungen ist das schon immer richtig cool, dann kann es im Himmel nur noch besser werden. Und ich will ihn dann endlich einfach mal umarmen, darauf freue ich mich jetzt schon.
Das Ganze gut und schön, wenn man jemanden zum Reden hat. Aber warum kann man glauben, dass es einen Gott gibt? Am Ende führt man dann nur Selbstgespräche und belügt sich selbst, wenn man an einen Gott glaubt.
Zum einen habe ich das Argument, dass es überhaupt irgendetwas gibt. Schau dich um, es gibt Städte, die Natur, das ganze Universum. Und alles besteht aus Atomen, die nicht einfach so aus dem Nichts kommen können. Da muss es jemanden geben, der größer und mächtiger ist, der das alles erschaffen hat. Dann ist alles so genau aufeinander abgestimmt, dass überhaupt Leben entstehen kann. Wenn da auch nur ein kleines Proton nicht mehr an seinem Platz ist, ist biologisches Leben überhaupt nicht mehr möglich. Und selbst die Wissenschaftler glauben mittlerweile, dass es da eine sogenannte 'höhere Intelligenz' geben muss.
Du nickst und gehst das Gesagte noch einmal in deinem Kopf durch. Dann nimmst du dir noch eine Keks, wobei dein Blick auf das aufgeschlagene Buch auf dem Stehtischchen fällt. Gerade als du danach fragen willst, kommt Emsen08 dir zuvor.
Das ist meine Bibel. Ich habe vorhin vergessen, sie wegzuräumen.
Du nickst als Zeichen, dass du verstanden hast. Trotzdem wirft die Erklärung mehr Fragen auf als Antworten.
Liest eigentlich jeder Christ die Bibel?
Bestimmt nicht. Die Bibel zu lesen ist bei uns keine Pflicht. Viele tun das aber, weil sie wollen. Dazu gibt es sogar richtige Pläne, auch extra für Einsteiger, damit man jeden Tag, Stück für Stück, weiter im Glauben bestärkt wird oder Tipps kriegt. Aber es ist, wie gesagt, kein Muss.
Liest du auch jeden Tag in der Bibel?
Also ich versuche es zumindest. Aber nicht, um dann ein besserer Christ zu sein oder sowas. Ich habe gemerkt, dass wenn ich morgens in der Bibel lese, ich gleich ganz entspannter in den Tag gehe, weil ich mir früh Zeit zum Lesen nehme. Und das Coole an der Bibel ist, dass da so viele gute Sachen drin stehen, die einem im Leben auch echt weiterhelfen oder die Freundschaft zu Gott unterstützen. Oft ist es auch so, dass ich in der Bibel lese und das direkt in meine Situation reinspricht, ohne dass ich nach einem Schlüsselwort oder einer bestimmten Stelle gesucht habe.
Also kennst du dich inzwischen gut in der Bibel aus?
Besser als manche Christen bestimmt, aber noch lange nicht so gut, wie ich es gerne hätte. Aber es geht nicht darum, wie gut man sich in der Bibel auskennt oder wie viele Verse, also Sätze oder Teile von Sätzen in der Bibel, man zitieren kann. Es ist schön, wenn man mehr wissen möchte, aber es geht nicht darum wie gut man sich auskennt. Nur um diese Freundschaft. Und deswegen muss sich auch kein Christ rechtfertigen, nur weil er eine Bibelstelle nicht kennt oder falsch zitiert hat oder so.
Was bedeutet die Bibel dann für dich?
Sie ist eine Möglichkeit, wie Gott zu mir reden kann. Das klingt jetzt vielleicht etwas nach 'typisch Christ', aber es stimmt wirklich. Ich denke, sowas muss man selbst ausprobieren und erleben, um es ganz verstehen zu können. Außerdem gibt sie einfach gute Tipps fürs Leben mit Gott und durch die Bibel wissen wir, wie Gott ist. Ein Beispiel wäre: Jesus hat sich für die Außenseiter eingesetzt und war für sie da. Und da Jesus und Gott eigentlich derselbe ist, ist Gott auch so. Auch heute noch. Ich muss also nicht der Beste oder Beliebteste sein, um von ihm geliebt zu werden.
Ist die Bibel heute überhaupt noch wahr? Schließlich ist sie teilweise schon über 2000 Jahre alt.
Man muss genau diesen Punkt bedenken, wenn man in der Bibel liest. Jesus hat zum Beispiel einige Geschichten erzählt, die etwas aussagen sollten. Und in den Geschichten ging es oft um Hirten, Schafe und Fischer. So haben die Leute das früher verstanden. Heute sind das Berufe, die nicht mehr so alltäglich sind. Oder auch im ersten Teil, dem sogenannten Alten Testament, geht es oft darum, dass Menschen um einen Sieg im Krieg beten oder so. Damals konnten Völker nur so überleben und es war normal. Das sollte man heute nicht mehr so übernehmen und für siegreiche Kriege zum Beispiel beten. Manches war damals einfach komplett anders und man muss überlegen, wie das gemeint war und ist. Aber dennoch zählt das, was in der Bibel steht, immer noch. Auch wenn man nicht alles wortwörtlich nehmen sollte.
Champ_ions
Findest du, dass alles, was in der Bibel steht, richtig ist? Und wenn nicht, was sollte deiner Meinung nach vielleicht ein wenig anders sein, oder sollte es überhaupt anders sein?
Grundsätzlich denke ich, dass die Bibel uns Gott näher erklärt und von den Erlebnissen von Menschen mit Gott erzählt, um uns da Tipps zu geben und uns auch ein paar Fragen zu beantworten. Also ja, ich denke, dass das schon richtig ist. Es kommt jedoch immer darauf an, wie man das versteht und was man in manche Stellen reininterpretiert. Das ist dann aber nicht die Bibel, sondern die Menschen, die auch nur versuchen, die Bibel zu verstehen. Und mit manchen Überlegungen bin ich eher weniger einverstanden und mit manchen mehr.
Ich finde, es kommt nochmal darauf an, was man sich aus der Bibel anguckt. Vieles sind Geschichtsbücher. Da kann ich nicht einfach sagen, das ist richtig oder falsch. Sondern ich glaube, es ist passiert. Was aber nicht heißt, dass ich das unterstütze, was manche Menschen in der Bibel getan haben. Den Mord von Brüdern (gibt einige Stellen, wo das passiert) finde ich alles andere als richtig. Aber es waren Menschen, die das getan haben und davon berichtet die Bibel.
Was ich mir manchmal wünsche, wäre mehr Klarheit in der Bibel und dass es nicht so kompliziert geschrieben ist. Bei vielen Stellen gibt es kein richtig oder falsch, wenn man diese verstehen und erklären will. Das führt dann zu unnötigen Streit und Diskussionen, obwohl es eigentlich um viel mehr als solche Kleinigkeiten gibt.
silent_nothing
Man kann gewisse Stellen in der Bibel ja anders interpretieren und dementsprechend andere Schlüsse daraus ziehen. Hast du sowas, wo du denkst, dass es eine seltene oder seltsame 'Ansichtsweise' ist?
Da muss ich tatsächlich länger überlegen, weil ich bis jetzt leider nicht so viel Kontakt mit anderen Christen als die aus meiner Gemeinde hatte. Und sie haben größtenteils auch dieselbe 'Bibelansichtsweise' wie ich. Aber es gibt zum Beispiel auch Christengruppen, wo die Frauen auch Kopftücher tragen wie jüdische Frauen. Das finde ich etwas, naja seltsam ist das falsche Wort. Ich bin nicht der Meinung, dass Frauen im Christentum ein Kopftuch tragen müssen, aber wenn man das glaubt, ist das auch voll okay. Ob das selten ist, kann ich nicht sagen. Was ich schon irgendwie seltsam finde (wobei auch hier 'seltsam' das falsche Wort ist), ist, dass manche Christen glauben, nur durch Regeln und die Einhaltung von Geboten können sie in den Himmel kommen. Weil das aus meiner Sicht einfach komplett das Gegenteil von dem ist, was Gott will. Er will keine (bisschen übertrieben) willenlose Untertanen, die seinen Gesetzen folgen, sondern er will Freundschaft und eine Beziehung zu den Menschen. Sonst fällt mir gerade nichts wirklich ein, was ich als seltsam bezeichnen würde. Eher nur so, dass ich das ein bisschen anders sehe.
Zum Schluss stellst du noch eine Frage, die dir wichtig ist.
_himmelszelt_
Wie ist es mit Menschen, die Suizid begehen? Kommen sie in den Himmel?
Ich denke, wie schon oft heute gesagt, man kommt nicht durch Regeln und Gebote in den Himmel. Sondern nur, wenn man sich hier auf der Erde wirklich dazu entscheidet, mit Gott leben zu wollen und ihn kennenzulernen. Und das nicht nach außen zum Schein, sondern ganz für sich. Der Himmel ist für mich keine Belohnung dafür, dass man auf der Erde ganz vielen Regeln befolgt hat und ganz brav war. Sondern einfach nur ein weiteres, nun endloses Leben mit Gott. Und wenn Menschen sich dazu entscheiden, nicht mit Gott leben zu wollen, dann akzeptiert er das und lässt sie nicht in den Himmel, weil sie ja nicht mit ihm leben wollen. Ich hoffe, das ist jetzt ein bisschen verständlich.
Für Suizid gibt es immer einen Grund. Weil derjenige einfach nicht mehr weitermachen will, weil das Leben einfach nur scheiße läuft. Und Gott bestraft das nicht extra, weil es einem einfach richtig scheiße geht und man da nicht mehr rauskommt. Er leidet mit den (von Depressionen) betroffenen Personen mit und wünscht sich so sehr, dass sie sich von ihm helfen lassen wollen. Er wünscht sich so sehr, dass sie zu ihm kommen und ihn helfen lassen. Und wenn derjenige in seinem Leben an ihn glaubt und mit ihm lebt, dann habe ich keinen Zweifel, dass die Person in den Himmel kommt.
Du nickst langsam. Obwohl ihr beide wisst, dass euer Interview ein Ende gefunden hat, bleibt ihr sitzen. Euch geht zu den Fragen und Antworten viel durch den Kopf, was ihr erst einmal verarbeiten müsst. Die nächsten Minuten sind in ein nachdenkliches Schweigen gehüllt. Schließlich trinkst du deine Tasse aus, bedankst dich für das Gespräch und die Kekse und verlässt immer noch gedankenverloren den Raum.
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