Auf dem Schafott
Die Diener hatten das Gefühl an einer Puppe zu handwerken, als sie Leona fertig machten. Er saß auf einem Stuhl in einen der Gefängniszellen im Keller des Palastes in dem er aufgewachsen war und lies sich still die Haare machen.
Also, falls man das grobe abschneiden der überflüssigen Strähnen als "machen" bezeichnen konnte.
Lange Haare sind inakzeptabel bei einer Hinrichtung, denn sie stellen ein Hindernis für den Henker da und können den Tod im schlimmsten Fall unnötig qualvoll machen, so dass Strähne für Strähne auf den Kellerboden fiel, doch Leona machte sich nichts draus. Allerdings machte er sich etwas daraus, als einer der Diener begann an dem Verschluss von Farenas Kette zu fummeln. „Die bleibt dran“, sagte er fest, die ersten Worte die er seit Tagen sprach und die Bediensteten zusammen zucken lies. „A-Aber Euer Majestät, Euer Hals muss frei sein. Strengste Anordnung vom Scharfrichter“, stammelte die Dienerin irritiert, doch Leona gab nicht nach. Er klammerte sich an die Kette wie andere an ihr Leben, so dass sie es aufgab und dem Prinzen seine Kette lies. War ja seine Entscheidung, wenn er ein qualvolles Ende auf dem Schafott finden wollte.
In einem Armenviertel, nicht weit vom Palast entfernt, gab es einen Tumult in einer gut besuchten Bar. Am selben Abend würde Prinz Leona hingerichtet werden und das Schafott wurde zur öffentlichen Betrachtung freigegeben. „Was hat der Bengel denn angestellt? Muss ja drastisch sein, wenn der Richter gleich seinen Kopf fordert“, gröllte eine Hyäne in den Raum.
„Ist doch egal. Hauptsache die liefern eine gute Show. Passiert ja sonst nichts hier“, rief ein anderer. Die Männer in der Bar amüsierten sich gut, doch unter ihnen befand sich auch ein Mann, keine Hyäne, der einen besonderen Platz inne hielt - Den des Scharfrichters.
Trinken vor einer Hinrichtung war ein No-go im inoffiziellen Henker Kodex, doch niemand sagte etwas gegen alkoholfreies Bier und zwei Zigaretten für die Nerven. Dem armen Prinzen war ja auch nicht geholfen, wenn er durch vor Aufregung zitternden Händen den Hals verfehlte würde und das Messer woanders stecken blieb.
„Junges Alter“, rief er in den Raum, „wird dieses Jahr 21, aber dazu kommt es wohl nicht mehr. Etwas reue spüre ich ja schon, wenn ich so junge Dinger auf dem Schafott stehen habe.“
„Ach jetzt hab dich doch nicht so. Ein feiner Schnitt und der Junge ist weg. Der spürt nix“, versuchte ein anderer ihn zu beruhigen. Doch der Schafrichter wusste trotzdem nicht so ganz, was er davon halten sollte. Er hatte einen Sohn, nur wenige Jahre jünger als sein heutiges Opfer, weshalb ihm das doch nahe ging. "Rook hat meine Arbeit nie verurteilt", dachte er, "doch aus irgendeinen Grund war er immer ganz vernarrt in Prinz Leona. Ob er es mir dieses Mal auch verzeiht?"
Immerhin wusste Rook von alle dem nichts, so wie der Rest Schüler am NRC. Sie sollten sich aufs lernen konzentrieren und würden hiervon schon irgendwann erfahren. „Oh ein alkoholfreies Weizen bitte noch“, rief er dem Bar Keeper zu, als ihm plötzlich jemand von hinten auf die Schulter packte und den Bar Keeper aufhielt. „Vergiss das Weizen. Mach zwei Shots draus. So stark wie es geht“, sagte die Person hinter ihm und bevor er Einspruch einlegen konnte, saß eine einarmige Hyäne neben ihn, der zufrieden grinste. „Ihr habt einen langen Tag vor euch, Mr. Hunt. Gönnt euch das Gläschen, ich zahle auch“, sagte der Unbekannte mit einen freundlichen Ton, der allerdings keine Widerrede duldete. Übel und gefährlich sah er aus mit dem abgetrennten Arm.
„Nun, ein Glas wird schon keinen Schaden anrichten“, murmelte er, ohne zu merken, dass es nicht bei einem Glas bleiben sollte.
Der Weg zum Schafott verlief so reibungslos, dass selbst die Wachen nicht wussten, ob sie es noch mit einen Menschen oder einer leblosen Hülle zu tun hatten. Leona ging so zielstrebig darauf zu, dass selbst die Handschellen überflüssig waren. War er so erpicht darauf zu sterben, dass der Anblick der Todesstätte zum ersten Mal seit Wochen ein Funkeln in seine grünen Augen brachte?
Er stellte sich ohne Aufforderung auf das Holzpodest und lies seinen Blick über die Menge schweifen, die sich dort versammelt hatten, um seinem Tod beizuwohnen. Löwen, aber auch Hyänen. Welch Ironie, dass sein Tod ausgerechnet die Rassen vereinte, die er als König vereinen wollte.
Sein Bruder war anwesend, doch er hob den Blick nicht ein einziges Mal.
Seine Eltern, Cheka und Chekas Mutter würden nicht erscheinen. Um ehrlich zu sein hatte man ihm gesagt, dass es um seine Mutter so schlecht stand, dass sie kaum aufnahmefähig ist und gar nicht verstand was man ihr da sagte. Sie begriff nicht, dass ihr Sohn sterben würde und irgendwie war Leona dankbar dafür.
„Euer Majestät, eure letzten Worte... Ihr müsst sie nun sprechen“, murmelte einer der Wachen, woraufhin Leona die Augen verdrehte. Die letzen Worte, heuchlerische, nichts sagende Reden, die dem Angeklagten die Chance geben sollten zumindestens Reue zu zeigen. Was für ein Schwachsinn. „Vor einer Woche kam der Priester zu mir und drückte mir Karteikarten in die Hand“, rief Leona, als er vor sein Volk trat, und wedelte dabei mit besagten Karten in der Luft herum, „meine letzten Worte sollten mir von einem anderen in den Mund gelegt werden. Auswendig lernen, den Text brav aufsagen und ansonsten die Klappe halten. "Ihr guten Leute, ich bin hergekommen, um zu sterben, doch möchte ich euch noch eines sagen" blablabla.“ Der Prinz zerriss die Karten zu kleinen Schnipsel und lies sie wie Konfetti auf das Schafott hinunter rieseln. Eine Wache trat hervor, um Leonas Launen ein Ende zu setzen, doch Farena gab ihn ein Zeichen seinen Bruder sprechen zu lassen. „Ihr erwartet, dass ich mich hier hinstelle und mich für den versuchten Mord an euren König entschuldige, doch das Einzige was ich wirklich bereue ist, dass ich gescheitert bin. Diese Welt ist grausam und ermüdent, Versuche sein Schicksal zu ändern werden im Keim erstickt, was einige von euch am Besten wissen sollten...“
Die Hyänen aus dem Armenviertel wandten den Blick ab, verstanden sie doch zu gut was er damit meinte. „Mein Leben hatte nie einen Sinn den ich hätte erfüllen können, so dass die einzige Reue, die ich in meinem Herzen spüre die ist, dass ich meinen Bruder nicht mit in den Tod nehmen kann, so wie ursprünglich geplant. Ihr nennt es Hochverrat, ich nenne es Liebe. Ich liebe meinen Bruder und ich liebe mein Volk, doch ich verachte mein Leben, so dass ich es beruhigt in die Hände des Todes legen kann.“
Leona Kingscholar hatte seine letzten Worte gesprochen und kniete sich nun vor dem Schafrichter nieder, ohne dass man ihn dazu auffordern musste. „Äh... d-die Augen. Sie müssen noch verbunden werden“, murmelte Hunt, während er sich den Schweiß von der Stirn tupfte. Augenbinden waren essenziell für die meisten Hinrichtungen, da der Angeklagte nicht wüsste, wann das Messer ihn treffen würde und ruckartige Bewegungen vorbeugt wurden. Der weiße Stoff der Augenbinde war das letzte was Leona sah, bevor es stramm um seinen Kopf gebunden wurde und alles schwarz wurde.
„Sag mal bilde ich mir das nur ein oder ist Hunt ein wenig neben der Spur?“, fragte Farena seinen Leibwächter nervös. Dieser zuckte nur mit den Schultern, während der König angespannt das Schauspiel auf dem Schafott beobachtete. Leona krallte sich an den Anhänger seiner Kette, was Farena an den Rand des Wahnsinns trieb. Leona rieft nach seinen großen Bruder, doch der konnte nichts mehr tun.
Hunt taumelte.
Später würde Farena sich dafür verfluchen, dass er die Anzeichen nicht sofort richtig gedeutet und den Scharfrichter ausgetauscht hatte.
Hunt war als sehe er das Schwert in seiner Hand doppelt und es fühlte sich auch so furchtbar schwer an. Verdammt, was war nur los? Egal, er musste seinen Job zufriedenstellend durchführen und Leona so sanft wie möglich ins Jenseits befördern.
Ein scharfer Schnitt.
Hunt holte aus und schlug zu.
Ein bestialischer Schrei lies den Leuten das Blut in den Adern gefrieren, Farena sprang von seinem Platz auf, das Blut spritze und Leona, der war immer noch am Leben. Doch die Klinge des Schwertes hatte sich tief in sein Schulterblatt gebohrt. Zu benebelt um klar zu denken zog Hunt das Schwert heraus und schlug erneut zu, dieses mal traf er nur wenige Zentimeter unter der anderen Schnittstelle. Leonas Schmerzensschrei war mittlerweile so laut, dass einige im Publikum sich die Ohren zu hielten. War der Henker etwa... betrunken?
Leona sackte auf dem Schafott zusammen, was alles andere als gut war. In dieser Position wäre es unmöglich ihn hinzurichten und er würde langsam und leidend am Blutverlust sterben.
Noch bevor seine Leibwache ihn aufhalten konnte, stürmte Farena auf das Schafott und entriss Hunt das Schwert, der erneut versucht hatte dem Prinzen, trotz seiner Position, hinzurichten. „Hauch mich mal an, Hunt- HAUCH MICH MAL AN, HAB ICH GESAGT!“, schrie der König und als der Henker dem Befehl nach kam, traf ihn der Gestank nach Alkohol so hart im Gesicht, dass er ihn am liebsten an Leonas Stelle gerichtet hätte. „Runter vom Schafott, bevor ich mich hier gleich vergesse. Den Rest erledige ich selbst!“
"Den Rest erledige ich selbst" aus dem Mund eines Königs im Bezug auf eine Hinrichtung war für die Menschen ungewohnt. Der Beruf eines Henkers war geachtet, weshalb die Vorstellung eines ausführenden Königs befremdlich war, besonders wenn der Angeklagte dessen eigener Bruder war.
Gebannt sahen die Leute zu, wie Hunt vom Schafott taumelte und Farena sich vor Leona kniete. „Rena“, murmelte Leona. Der König nickte und versuchte die Tränen zu unterdrücken. „Ja, Leona. Rena ist hier. Es tut mir leid, dass ich dich in Stich gelassen habe.“
Behutsam strich er ihm eine blutgetränkte Strähne aus dem Gesicht. „Ich bin gekommen um dich schnell zu erlösen, aber dafür musst du die Zähne zusammenbeißen und dich noch einmal aufrichtigen.“
„Ich habe Angst, okay? Das ist der wahre Grund dafür, dass ich dich mitnehmen wollte. Ich will sterben, aber ich hab Angst vor dem was danach kommt. Ich will nicht alleine gehen!“ Das Blut an Leonas Wange mischte sich mit salzigen Tränen, was Farena das Gefühl gab sein Herz würde zerquetscht werden. „Nein, hör mir zu, du trägst meine Kette, nicht wahr? Sie bleibt bis zum Schluss an deinem Hals und wird dich begleiten. Wir werden nie wirklich getrennt sein. Ich liebe dich, kleiner Bruder.“
'Und jetzt setz' dich bitte auf. Ich ertrage diesen Anblick nicht länger."
Zitternd und mit Farenas Unterstützung schaffte Leona es sich aufzurichten. Farena richtete die Augenbinde, die verrutscht war und griff erneut nach Hunts Schwert. „Euer Majestät, soll das nicht doch lieber einer von uns machen? Ein König hat sich nicht die Hände schmutzig zu machen!“, rief einer der Wachen, doch kaum hatte er das ausgesprochen, schnellte die Klinge bereits auf Leonas Hals zu und wie jemand wie Farena, der keine Ahnung vom henkern hatte, einen so sauberen Schnitt hinlegen konnte, sollte noch über Jahre hinweg der Knackpunkt in diesem Armenmärchen sein.
Das Schwert fiel klirrend auf das blutige Schafott und während die Diener den abgetrennten Kopf ihres Prinzen in Leinentücher wickelten, hörten sie das Schluchzen und Würgen ihres Königs hinter einen der Gebüsche, die den Schlosshof säumten.
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