Albträume
Nach dem Turnier schmiss Leona seine Sporttasche in die Ecke und ließ sich selbst auf das Bett fallen. Einer seiner Teamkameraden hatte ihn gebeten auf die Krankenstation zu gehen und sich verarzten zu lassen, da die Diasomia Spieler nicht gerade zimperlich waren, doch die Blöße würde er sich nicht auch noch geben. Die paar Schürfwunden und Prellungen waren weniger schlimm als die Blamage, die dieses Spiel mit sich gebracht hatte, so in der letzten Runde dem Erdboden gleichgemacht zu werden.
Der blaue Stein an Hades Ring funkelte ihn von seinem Nachttisch an, als ob er ihn auslachen würde. Als würde er ihm sagen wollen, dass er eine der Chancen, in denen er Malleus besiegen könnte, verspielt hatte. „Das weiß ich auch selbst“, knurrte er, den Drang unterdrückend den Ring einfach gegen die nächste Wand zu werfen. Das Zerstören eines griechischen Artefakts würde ihm auch nicht weiter helfen.
Dann klingelte auch noch sein Handy und auf dem Sperrbildschirm sah er den Kontakt seiner Schwägerin. Das hatte ihm wirklich gerade noch gefehlt.
Sie hatte ihm ein Bild von Farena und Cheka arm in arm auf Chekas Spielteppich, umgeben von bunten Bauklötzen geschickt und natürlich auch was dazu geschrieben:
"Hallo Leona👋
Wir hoffen dir geht es gut und du genießt die Zeit mit deinen Freunden👀
Ich hab hier zwei Quatschköpfe sitzen, die dich sehr vermissen🙈
Wenn du es einrichten könntest, würden wir uns sehr freuen, wenn du das Wochenende über mal vorbeikommen könntest, denn ich glaube hier hält es keiner mehr bis zu den Ferien aus😝😳
Sag mir dann einfach bescheid und wir sehen uns!
Hab noch einen schönen Tag😘"
Erwachsene und ihre Emojis. Leona verdrehte die Augen und legte sein Handy weg, ohne zu antworten. Die Schüler am NRC waren, bis auf wenige Ausnahmen, dazu verpflichtet über die Ferien nachhause zu fahren, doch am Wochenende konnten sie darüber frei entscheiden. Natürlich blieb Leona jedes Mal am NRC, kuschelte sich in sein Bett und schlief den ganzen Tag.
Leona entdeckte eine kreative Seite an sich, die er so noch nicht kannte, denn seine Träume wurden immer aufregender und abwechslungsreicher. Sorgenlos und frei sammelte er im Schlaf mehr Erfahrungen als im echten Leben und deswegen würde er sein warmes Bett nur ungerne für seine laute Familie verlassen. Obwohl süß war Cheka ja schon irgendwie geworden, nicht mehr wie eine verschrumpelte Rosine, dafür aber mit fluffigen, rotgelben Haar und großen Kulleraugen. "Reiß dich zusammen, Leona. Dieses Kind hat dir deine ganze Zukunft verbaut!", dachte er zu sich selbst, bevor er sich von einem Großteil seiner Sportklamotten befreite, sich bis unter die Nase zudeckte und schnell in einen tiefen Schlaf verfiel, um die Erinnerungen an seine Blamage besser verarbeiten zu können.
Leona erwachte in einem kühlen und feuchten, modrig stinkenden Raum, bestehen aus steinernen Wänden und Gitterstäben. Er versuchte aufzustehen, doch eine Kette fesselte seine Handgelenke und fixierte sie an die Wand hinter ihm und auch jeder Versuch sich mit Magie zu befreien scheiterte. Er war gefangen, ironischerweise, wie ein Löwe im Käfig. „Onkel!“, hallte eine Stimme über dem Flur vor der Zelle hinweg. Die Stimme war jung, gehörte vielleicht zu einem Mann von Anfang zwanzig, doch sie hatte etwas gebrochenes an sich, als habe dieser Mann viel miterleben müssen.
Schwere Schritte näherten sich und schon bald sah er im Licht der Öllampen einen ausgewachsenen Löwen Hybriden, mit langen, Orangegelben Haaren und zu Schlitzen verformten, Haselnuss braunen Augen. Im ersten Augenblick dachte er bei dem Mann handle es sich um Farena, doch dieser Kerl hatte nicht die berühmt-berüchtigten Lachfalten and Mund und Augen, für die man Farena immer bewunderte.
Dieser Mann hatte straffe, junge Haut, doch er sah auch so aus, als habe er seit langen nicht mehr gelacht. Er stand in einer festen, selbstbewussten Haltung, mit erhobenen, ernsten Blick und einer Hand in der Nähe der Messerschneide, die sich an seinem Gürtel befand. „Ich wollte mir dir reden, Onkel. Nicht, dass du es nicht verdient hättest an der Isolierung verrückt zu werden, doch das Gesetz verbietet es mir Geisteskranke hinrichten zu lassen. Das wäre doch wirklich eine Schande“, sagte der Mann, ohne sich nur eine Miene zu verziehen. Selbst Ironie wirkte bei ihm nicht wie eine neckende Demütigung, sondern wie eine kalte Drohung. „Du bist nicht mein Neffe“, rief er, verwundert wie gealtert seine Stimme klang, „Cheka ist mein Neffe.“
„Verlierst du etwas schon den Verstand? Was glaubst du wenn du hier vor dir stehen hast, alter Mann?“
Leona kniff die Augen zusammen, um den Kerl besser begutachten zu können und erschrak sich fast zu Tode, als die Erkenntnis ihn endlich traf. „Cheka, was zur Hölle ist passiert?“, fragte er, nach wie vor überfordert damit, dass er in einer Zelle festsaß und von seinem eigentlich 2 Jahre alten Neffen, das Todesurteil angedroht bekam.
Das erste mal wandelte der Ausdruck auf Chekas Gesicht - Von ernst zu verblüfft, dann zu blanken Zorn. „Du hast sie getötet“, sagte er, seine Stimme nicht mehr als ein blasser Hauch, „du hast sie getötet und mir die Schuld eingeflüstert und natürlich habe ich dir geglaubt, ich war immerhin nur ein Kind. Sie sind-“
„Moment mal, hold up! Ich habe niemanden getötet. Wovon sprichst du?!“
Leona sah fassungslos zu wie sein Neffe sich vor die Zelle kniete, tief genug, dass der Angeklagte ihm auf sein rotgelbes Haupt schauen konnte. Die Krone bemerkte Leona erst jetzt, doch sie war Teil der Kronjuwelen, die sich seit Generationen im Besitz seiner Familie befand und nur das Königspaar trug das Privileg diese zu tragen. Cheka war König und das bedeutet, dass Farena entweder zu alt, zu krank oder-
"Du hast sie getötet."
„D-Deine Eltern“, stammelte Leona, ein wenig Hoffnung falsch zu liegen, doch Chekas Miene sprach Bände. „Nein... Nein, Nein, Nein, Nein, das ist unmöglich! Sie sind manchmal vielleicht etwas nervig, aber ich würde doch niemals... Nein!“
„Du machst es mir nicht einfach, Onkel. Ohne Geständnis können wir niemanden töten. Justizirrtum und so... Gib es doch einfach zu und erlass uns Beiden den Schmerz. Wenn du hier drinnen wahnsinnig wirst, wirst du den Rest deines Lebens in einer Gummizelle abfristen und ich weiß nicht, ob das besser ist.“
Leona wurde schwarz vor Augen, doch als er wieder etwas erkennen konnte, war er an einem Holzstuhl festgeschnallt mit zwei vermummte Männer jeweils zu seiner Linken und seiner Rechten. Chekas saß ihm mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck gegenüber und spielte an einer Metallzange herum, an der noch getrocknetes Blut klebte. Er dachte Foltermethoden wären schon vor Jahrzehnten aus dem Justizsystem genommen worden. „Euer Majestät, dürfte ich-“, fragte einer der Folterknechte und griff nach der Zange in der Hand des Königs, doch Cheka schüttelte den Kopf. „Ich möchte es selbst tun. Ich selbst werde die Krallen ziehen, die meinen Vater in seinen Tod stürzten und die Eckzähne ausreißen, die den Hals meiner Mutter durchbaßen. Schließ die Augen, Oji-tan. Bist du erst mal im Kreislauf des Lebens, spürst du sowieso nichts mehr.“
Das erste mal umspielte ein Lächeln die Lippen des Erwachsenen Chekas, doch es hatte nichts mit dem unschuldigen Lächeln zu tun, das Leona von seinem Neffen gewohnt war. Es war teuflisch und dürstete nach Rache und Blut. „Bitte“, versuchte er sein Glück, sich selbst dafür hassend wie schwach und zitternd seine Stimme klang. „Cheka, bitte!“
„Haben sie dich auch so angefleht, als du ihnen das Leben ausgetrieben hast wie einer unbedeutenden Kerze die Flamme? Es ist zu spät Gnade zu erhoffen.“
Mit Entsetzen sah der Brünette dabei zu wie Cheka seinen Daumen Nagel in der Zange ein klemmte und noch bevor er ihn rausreißen konnte, erwachte Leona schweißgebadet mit eine fürchterlichen Schrei in seinem Bett in Savannaclaw.
Nun, er hatte nie behauptet, dass schlafen nur Vorteile hat. Diese Albträume konnten eine unangenehme Nebenwirkungen sein.
Sein Blick schweifte zu seinem Handy und er überlegte, ja vielleicht wäre es wirklich besser so, die Einladung seiner Schwägerin anzunehmen, einfach nur um sicher zu gehen, dass sein Neffe sich nicht in einen herzlosen, gebrochenen Erwachsenen verwandelt hatte.
Leona: *Schläft ruhig*
Grown up Cheka: Imma end this bitch' whole career
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