15 - Zu guter Letzt
Man erzählte sich, dass, als der Zug über eine besonders holprige Strecke fuhr, zuerst Marie aus dem Schlaf der Seligen erwachte und kurze Zeit später ihr Geliebter Amorio aufschreckte. Die beiden sahen sich tief in die Augen, Amorio schlang seine Arme um sein Mädchen und zog sie zu sich heran.
Er blickte ihr tief in die Augen. „Ich liebe dich, Marie", sagte er.
„Und ich liebe dich", antwortete Marie.
Noch immer lagen die beiden auf dem Boden des Zuges, vielleicht war es für sie auch der Boden der Tatsachen. Wer wusste das schon so genau – hätte das Wer-Kaninchen vermutlich kommentiert, aber es war just in diesem Augenblick in einem anderen Abteil mit Fahrkarten kontrollieren beschäftigt. Aber das war den beiden in ihrer Situation völlig einerlei, ob sie in einem Bett aus Rosen oder auf grauem Linoleumboden im Zug der Träume lagen. Wichtig war nur, dass sie ihm Arm des jeweils anderen befanden und sich endlich nahe sein konnten.
Langsam senkten sich Amorios Lippen auf die seines Mädchens und sie küssten sich lange und innig. Zum Glück bekam Johann nichts mehr davon mit, denn für ihn wäre das vermutlich zu viel des Guten gewesen. Aber keine Sorge, auch er wird eines Tages seinem Herzblatt begegnen und sich dem Sturm seiner Gefühle nicht erwehren können. Aber bis dahin bleibt ihm noch ein wenig Zeit für abfällige Bemerkungen.
Amorio und Marie jedenfalls waren im siebten Himmel, wo es allemal besser als im siebten Abteil war. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie inzwischen bestimmt glücklich verheiratet und ziehen eine ganze Bande kleiner blondzöpfiger Mädchen und dunkel gelockter Buben (oder dunkelgelockte Töchter und blondschöpfige Söhne) groß, denen Oma Hedwig jeden Abend zur Schlafenszeit eine sagenhafte Geschichte erzählt, denn von diesen hat sie einen unerschöpflichen Vorrat. Und wer weiß, die ein oder andere davon beruht vielleicht sogar auf mehr als nur einer Legende. Zumindest Johann und Henny können davon ein Lied singen. Vielleicht sogar eine ganze Ballade und falls Henriette die Zeit findet, schreibt sie irgendwann eine Kurznovelle darüber, um ihren eigenen Enkelkindern eines Tages von diesem unglaublichen Abenteuer zu berichten. (Spoiler: Sie findet die Zeit, sonst wär keiner von uns hier und könnte diese Zeilen lesen.)
Denn in jeder Geschichte steckt ein Körnchen Wahrheit und jede einzelne verdient es aufgeschrieben zu werden. Mindestens einmal.
Und wer sich fragt, wie die Geschichte von Lou Ziefer und Sera Finn, dem gemischten Doppel aus Himmel und Hölle, ausgegangen ist. Nun ja, das ist eine andere Geschichte, aber so viel sei gesagt: Auch diese beiden werden eine ganze Schar blondzöpfiger Dämonenmädchen und gehörnter Buben mit Engelsflügeln zeugen und einer von ihnen wird sich aufschwingen, die gespaltenen Völker des Himmels und der Hölle zu vereinen. Aber das ist nun wirklich eine andere Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden sollte, aber auch eine, die es definitiv verdienen würde, aufgeschrieben zu werden.
ENDE
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"Wer jetzt immer noch liest, der hat die Endstation verpasst."
"Husch, husch, jetzt aber raus. Die Zugfahrt ist aus."
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