Lammblut
* * *
»The violence of the crash, the noise, the small table overturning, helped bring her out of her shock. She came out slowly, feeling cold and surprised, and she stood for a while blinking at the body, still holding the ridiculous piece of meat right with both hands.
All right, she told herself. So I've killed him.«
Das war der Moment, wo ich meinen pinken Textmarker endgültig fallen ließ. Da er aber dabei eine fetten Strich auf meinen Aufsatz über die Kurzgeschichte »Lamb to the slaughter« von Ronald Dahl krakelte, fischte ich hektisch die Kappe des Stiftes unter meinem Block hervor und verschloss den Marker, um weiteres Unheil zu vermeiden. Schlimm genug, dass ich das beschmierte Blatt jetzt vermutlich neu schreiben konnte; denn meine Lehrerin duldete nur blütenreine Aufsätze mit gottesgleicher Schrift. Nicht selten hatte sie null Punkte gegeben, weil ihr die Buchstaben zu unordentlich oder das Papier nicht jungfräulich genug gewesen war.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass der ein oder andere das Blatt und dessen Wörter verunstaltete, dass Ms Hampton uns die unmöglichsten Texte zur Analyse, Interpretation oder Erörterung vorlegte. Erst letzte Woche hatten wir eine Kurzgeschichte analysieren müssen, in der es um einen gestörten, alten Mann ging, welcher darum wettete, dass ein Feuerzeug nicht anging, und als Gewinn dem Gegner einen Finger abhackte. Danach folgte eine stundenlange Interpretation der entscheidenden Textstelle, als seine Frau reinstürmte.
Ebenso abgedreht war die jetzige Kurzgeschichte. Eine Frau, die ihren eigenen Mann mit einer Lammkeule umbringt. Und dann ganz normal kocht und den Braten den Polizisten serviert. Mary Malone war damit bestimmt so gestört wie Ms Hampton, die uns solch verstörende Texte gab.
Ich meine, ich war ja nun schon genug genervt von all den Aufsätzen, die wir seit diesem Jahr schrieben - im Ernst, man konnte auch übertreiben: zwei bis drei in der Woche waren schon nicht mehr ganz normal - aber dass es dann geisteskranke Geschichten Grundlage dafür waren, hätte nun wirklich nicht sein müssen. Es war schließlich nicht so, dass wir in anderen Fächern keine Hausaufgaben bekämen. Aber vermutlich dachte diese Frau, dass wir den ganzen Tag nur Literatur machten und so etwas Luxuriöses wie Freizeit gar nicht kannten.
Seit fünf Wochen hatte ich nicht mehr zu meinen Kunstkurs gehen können, weil ich die Nachmittage zu Hause an meinem Schreibtisch verbrachte und einen kläglichen Versuch von Aufsatz nach dem nächsten verfasste. Denn oftmals brauchte ich mehrere Anläufe, bis meine geistigen Ergüsse geordnet waren und die Sätze sich sinnvoll aneinander reihten.
Sehnsüchtig warf ich einen Blick auf dem Fenster. Viel deutlicher als die in Dunkelheit getauchten Häuser und Bäume war mein verzerrtes Spiegelbild, so dunkel war es draußen - alleine ein paar spärliche Sterne spendeten kaum zu beachtendes Licht. Ein unscheinbares Mädchen starrte zurück, die Augen giftgrün wie saftiges Gras, umrahmt von langen, dichten Wimpern. Allerdings war das auch schon die einzige Besonderheit, die man an mir finden könnte. Meine schwarzen Haaren flossen komplett glatt ohne die winzigste Welle wie strömender Regen der Dunkelheit bis fast zu meiner Hüfte, jedoch hätte ich auch eine deutlich kürzere Länge ertragen, wenn zumindest etwas Volumen meine glänzenden Strähnen auflockerte. Doch die Götter waren mir nicht hold. Statt mir eine kräftige Hautfarbe zu geben, die mit meinen Haare harmonierte, hatte man mir eine der Marke Leichenblass vermacht, was durch meine schwarzen Strähnen leider nur noch mehr betont wurde. Und egal, wie sehr ich mich im Sommer in die Sonne legte, natürlich erst nachdem ich mir vorher literweise Sonnencreme auf die Haut gekippt hatte, da ich sonst viel zu schnell verbrannte, ich wurde einfach nicht braun. Etwas Farbe bekam ich, ja, aber diese Farbe war meinst das, was blasse Menschen als ihren Winterteint bezeichneten. Meine Stubsnase und die schmalen Lippen, gepaart mit der geradezu dürren Figur ohne große Kurven, rissen mein Erscheinungsbild auch nicht mehr raus.
Mit einem Seufzer wandte ich mich von meinen Ebenbild ab und nahm schweren Herzens das zerfledderte Buch, welches schon gefühlt hunderte Schüler in der Hand gehabt hatten, wieder auf und blätterte wieder zu der Stelle zurück, an welcher ich stehen geblieben war. Schließlich musste ich auch mal mit diesem Aufsatz fertig werden und ich hatte relativ wenig Lust, die ganze Nacht daran zu sitzen.
Doch statt Ronald Dahls Worten Aufmerksamkeit zu schenken, glitten meine Gedanken zu dem neuen Schüler ab, der seit drei Wochen durch die Gänge unsere Schule schlich und ein oder Kurse mit mir zusammen hatte. Und alleine schon beim Klang seines Namens bekam ich jedes Mal eine feine Gänsehaut: Venari Leonardo de Sarqués. Wer segnete sein Kind denn bitte mit so einem erhabenen Namen? Er hörte sich so unfassbar mächtig an, so wie der eines Prinzen.
Wenn man Venaris gottesgleiches Aussehen jedoch mit in die Gleichung einbezog, schien die ganze Situation gleich etwas logischer. Allein diese Augen ...
* * *
Die Tür flog auf und knallte gegen die Wand. »Warum seid ihr noch nicht umgezogen?«, herrschte unser Sportlehrer uns an.
Ich rollte mit den Augen. Vielleicht, weil Sie immer so unverfroren reinplatzen? Jedes einzelne Mal. Anfangs hatten wir uns noch umgezogen, doch nachdem Coach Slater immer wieder aufs Neue in die Umkleide gestürmt war, hatten auch wir die Lust verloren, unsere Sportsachen anzuziehen. Wir rührten daher immer erst einen Muskel, wenn genau das passierte, was jetzt geschah.
»Das ist ja unerhört! Sputet euch gefälligst!«, meckert er. »In zwei Minuten geht's hier los!« Damit schlug Coach Slater die Tür zu und eilte hörbar grummelnd zur Umkleidekabine der Jungen, bei denen er jetzt vermutlich das gleiche Theater veranstaltete.
Seufzend erhob ich mich und fuddelte meine Sportsachen aus dem Beutel. Mit spitzen Fingern ergriff ich das schwarze T-Shirt und hoffte plötzlich inständig, es am Wochenende zumindest gewaschen zu haben. Doch als ich daran vorsichtig schnüffelte, konnte ich beruhigt aufatmen: besagter Stoff roch frisch nach Waschmittel, nur ein Hauch von Fußgestank war zu erahnen, welcher allerdings aus den gemeinsamen Transport mit meinen Turnschuhen zurückzuführen war. Aber mit etwas Deo konnte ich dies getrost überdecken.
So zog ich mich aus und streifte das Sportshirt geschickt über. Anschließend ergriff ich meine Leggings und war die nächsten Sekunden damit beschäftigt, wortwörtlich in sie hineinzuspringen; wie eine Gollummissgeburt hüpfte ich ungelenk auf und ab, um den elastischen Stoff über meine schmalen Hüfte zu zerren. Zu guter Letzt steckte ich meine kleinen Füßchen in die Turnschuhe und schürte sie fest, um nicht rauszuschlappen.
Hastig sprang ich auf und folgte den anderen Mädchen aus der Umkleide, da viele einfach noch schneller umgezogen waren als ich. Zu meiner Verteidigung musste ich jedoch sagen, dass sie oftmals einfach viel besser in ihre Hosen reinkamen. Als Letzte verließ ich den kleinen, muffigen Raum, in welchem sich Schweißgestank mit unzähligen Deodorantdüften mischte, und schlug die Tür hinter mir zu. Die Jungs, deren Umkleidekabine gegenüber der unseren war, standen schon in Reih und Glied. Unsicher und auch ein wenig hektisch stellte ich mich neben die anderen Mädchen, wobei die drei neben mir gerade in eine tiefgründige Diskussion über Gelnägel vertieft waren.
Mein Blick schwenkte wieder nach vorn und glitt über die Kerle, welche sich an der Wand aufreihten - und blieben an Venari hängen. Der Mann schien mich schon vorher gemustert zu haben, denn wir sahen uns jetzt genau in die Augen. Getrieben von meinen Gefühlen und meinem verliebten Mädchenherz geriet ich unfreiwillig in schamloses Gaffen. Aber Venari war leider auch unverschämt attraktiv: seine dunklen Strähnen - an den Seiten etwas kürzer als oben - strubbelten sich geschwungen wie eine windige Nacht um seinen Kopf; der Mondesglanz ließ die tintenschwarzen Haare schimmern wie die Reflexionen der Sterne auf den zarten Wellen des Meeres. Wie gerne würde ich sie doch mit den Fingern berühren und hindurchwuscheln? Eine der zarten Strähnen war ihm über die Stirn gefallen und berührte fast die dicken, dunklen Wimpern, die seine eiskristallblauen Augen umrahmten, welche in Dunkelblau eingefasst waren und nach innen in die glasige Farbe von Gletschern verliefen. Zarte Musterungen der Iris in ebenso tieferem Blau ließen sie wie Sternenaugen wirken. Seine helle Haut schmiegte sich ebenmäßig und feinporig wie Seide über die Wangenknochen und den geraden Kiefer. Natürlich war seine Nase ebenso perfekt wie der allgemein angenehm kantige Schnitt seines Gesichtes; Venaris Lippen geschwungen und von einem blassen Rosa, die untere etwas voller als die obere. zu gern hätte ich sie gekostet. Die kleinen, schwarzen Tunnel, die seine Ohrläppchen schmückten, passten zu der dunklen Kette, deren Anhänger unter dem Shirt versteckt waren.
Schluckend glitten meine Augen etwas tiefer. Der Kerl war groß - fast um einen Kopf überragte er mich. Breite Schultern, schmalere Hüften, und trotzdem war er vom Körperbau nicht allzu breit, sondern eher schlanker. Venaris lockeres Tank Top legte genug von Schultern und den der oberen Brustpartie sowie den geraden Schlüsselbeinen frei, dass ich erahnen konnte, wie fein definiert seine Muskeln auch am Bauch und den Stellen, die man jetzt nicht unbedingt erhaschen konnte, sein musste. Der Kerl war zwar muskulös, aber keinesfalls ein Muskelprotz sondergleichen, somit passte er auch hervorragend in mein Beuteschema - nicht, dass ich schonmal einen Freund gehabt hätte, geschweige denn einen One-Night-Stand. Umso bildlicher konnte ich mir dafür vorstellen, wie es sich anfühlen musste, sich Haut an Haut an diesen Körper zu schmiegen.
Gott.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Venaris Lippen zu einem frechen Lächeln verzogen, und mein Blick zuckte rasch wieder nach oben. Anscheinend hatte er deutlich gemerkt, wie ich ihn mit meinen Musterungen förmlich ausgezogen hatte. Bei dieser Erkenntnis stieg mir die Röte in mein viel zu blasses Gesicht und ich sah schnell zu Boden.
Zu meiner Erleichterung kam in genau diesem Moment Coach Slater angestürmt. Dass er jedoch genau auf mich zulief, mischte sich Unbehagen in mein Gemüt. »Rose, gehen Sie doch schon einmal vor und schließen die Halle auf, ich muss noch schnell das Notenheft aus dem Lehrerzimmer holen.« Mit diesen Worten drückte der Lehrer mir die Schlüssel in die Hand, machte auf dem Absatz kehrt und eilte den Gang entlang davon.
Notenheft. Das bedeutete nichts Gutes. Es graute mir jetzt schon davor, eine Leistungskontrolle in Bockspringen zu absolvieren. Letztes Jahr hatte ich es vollbracht, den Absprung zu verpassen, und war mit vollem Schwung gegen den Bock gerannt. Diese Blöße wollte ich mir diesmal nicht wieder geben - besonders nicht in Venaris Gegenwart.
Einen Augenblick stand ich noch bedröppelt da, während die Augen meiner Mitschüler mich neugierig musterten - jedes Gespräch war verstummt - doch dann raffte ich mich auf und drängte mich an den anderen vorbei in Richtung Turnhalle. Ich konnte dabei Venaris Anwesenheit nah hinter mir spüren, sein Blick bohrte sich brennend in meinen Rücken. Doch ich tat, als würde ich nichts spüren.
Als ich kurz darauf vor besagter Tür stand, hielt ich inne und suchte den passenden Schlüssel aus dem klimpernden Bund heraus. Selbstverständlich war ich für einen Moment recht ratlos, welcher der Schlüssel der richtige war, so probierte ich einfach frei Schnauze aus.
»Nun mach schon«, grummelte Ethan hinter mir, doch ich ignorierte ihn. Der Kerl war ebenso reizbar wie muskulös; im Falle eines heftigen Streites wäre ich diejenige, die durch den Gang flog. Das konnte ich nun weiß Gott nicht gebrauchen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich den passenden Schlüssel gefunden. Mit einem Schnappen entriegelte sich das Schloss. So sperrte ich die Hallentür auf, drückte die Klinke hinunter und stieß das Holz nach innen. Die Augen nach unten auf die klirrenden Schlüssel zwischen meine Fingern gerichtet, trat ich ein und ging einige Schritte. Meine Mitschüler folgten mir.
Als ich jedoch gerade auf dem Weg zu den Bänken die moosgrüne Linie überquerte, ertönte ein greller Schrei hinter mir, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Schlagartig riss ich den Kopf nach oben.
Und erstarrte.
Inmitten der Halle hing ein junges Lamm an seinen kleinen Hinterbeinen, welche mit einen Strick an der Hallendecke befestigt waren. Der leblose, blutüberströmte Kopf baumelte nur einen guten Meter über dem Hallenboden - die rote Lebensessenz des Schäfchens tropfte von dem Mäulchen nach unten - sodass die auf widerlichste und brutalste Weise herausgerissenen Eingeweide des armen Tieres genau auf unserer Augenhöhe waren. Vermutlich hatte das hilflose Wesen heftig leiden müssen, als es so zugerichtet worden war: sein blütenweißes Fell war über und über mit hässlichen Blutflecken beschmiert, die an manchen Stellen schon schwarz wurden, und die Vorderbeine hatten mehr Knickte, als es gesunde Gelenke zulassen würden.
Mit schneeblassem Gesicht sah ich mich weiter um. Verschieden große Blutlachen und winzige Hufabdrücke sowie Spritzer und Schmierspuren zierten den Boden der fast ganzen Halle, vorbei es sich auf den Umkreis des Lämmchens besonders konzentrierte. Sogar an den Wänden befanden sich an der ein oder anderen Stelle hässliche Blutflecken.
Doch dann blieben meine Augen an der blütenweißen Wand gegenüber der Tür hängen. Mit derben und erstaunlich großen Buchstaben wurde - wahrscheinlich mit einem breiten Pinsel, der in Lammblut getaucht wurden war - einmal quer über die gesamte Breite der Halle geschrieben. Ich brauchte einen Moment, bis ich alle Wörter entziffert hatte, da das herunterlaufende Blut von dem oberen Teil der Schrift jedes Zeichen einzeln fast unleserlich machte.
LET THE GAME BEGIN.
Die Welt fing an, sich um mich zu drehen, und Galle stieg in meiner Kehle auf. Mein Herz pulsierte viel zu schnell und mir wurde heiß und kalt zugleich. Mit zitternden Händen strich ich mir meine Haare aus dem Gesicht. Was war hier nur geschehen? Wer hatte das getan?
Meine Mitschüler hinter mir murmelten wird durcheinander, einige Mädchen heulten. »Ach du Scheiße, das leckt ja keine Geis weg«, nuschelte Denise von rechts geschockt.
Sterne tanzten vor meinen Augen und ich nahm halb wahr, wie der Boden näher kam. Jäh fehlte mir gänzlich jede Kontrolle über meinen Körper. Mit ziemlicher Sicherheit wäre ich mit eben jenem kolossal kollidiert, doch zwei Hände packten mich an den Hüften und verhinderten, dass ich mir Nase oder mehr brach. »Vorsicht, Süße.« Ich kannte die raue Stimme, und ich wusste auch, dass sie dem Kerl mit den Sterneneisaugen gehörte. Doch mehr als die Tatsache, dass Venari mich sanft zu Boden gleiten ließ, nahm ich nicht wahr.
Viel interessanter waren die zerrissenen Papierschnipsel, die in blutbefleckten Fetzen hier und da auf dem Boden lagen. Bis jetzt waren sie mir noch nicht einmal aufgefallen. In meiner knienden Position griff ich nach so einem Schnipsel. Als ich las, welche Wörter zwischen Lammblut aufgedruckt waren, rutschte mein Herz noch tiefer und ein Wimmern entwich mir.
Denn ich kannte sie.
e violence of the crash, the noise, th
came out slowly, feeling cold an
ill holding the ridiculous piece of me
l right, she told herself. So I've killed h
* * *
Mit gesenktem Blick huschte ich durch die Gänge. Noch immer hatte ich ein mulmiges Gefühl, die Tragödie um das gefolterte Lämmchen Anfang der Woche war erst einige Tage her. Nachdem die Polizei den ganzen Tatort abgesucht hatten - jedoch ohne große Hinweise zu finden - hatte der Hausmeister sich um die Sauerrei gekümmert. Coach Slater war seitdem suspendiert, da außer ihm keiner einen Schlüssel zur Halle besaß. Zwar bestritt der Lehrer stur, er hätte nichts damit zu tun gehabt, doch leider sprachen die Tatsachen einfach gegen ihn.
Allerdings ging es mir seit Dienstag erstaunlicherweise viel besser, als es unter den Umständen hätte der Fall sein sollen, und immer öfter erwischte ich mich dabei, dass ich dümmlich wie ein Honigkuchenpferd vor mich hin grinste. Der Grund dafür war männlich mit gottesgleichem Aussehen: Venari. Nachdem ich mich geistig einigermaßen von meinem Schock erholt gehabt hatte, hatte der Mann immer noch hinter mir gekniet, bereit, mich erneut aufzufangen, sollte mein Kreislauf wieder kapitulieren. Zwar war er genauso entsetzt gewesen wie ich, trotzdem hatte Venari beruhigend auf mich eingesprochen, als ich angefangen hatte, zu hyperventilieren. Im Nachhinein stieg mir immer noch die Röte ins Gesicht, wenn ich an mein klägliches Verhalten dachte, doch wenn ich ehrlich war, musste ich mir eingestehen, dass ich wahrscheinlich sonst nie mit dem - in meinen Augen hübschesten - Typen unserer Schule ein Wort gewechselt hätte. Denn mit dem unscheinbaren Mädchen, welches keine Freunde hatte, wollte kein Schwein etwas zu tun haben. Weder die Nerds, für die ich wahrscheinlich einfach zu dumm war, noch die Freaks, für die ich doch noch zu viel in der Birne hatte.
Seit Montag lächelte Venari mich immer an, wenn wir uns auf dem Flur begegneten oder einen Kurs zusammen hatten, und scheuchte so die Flatterviecher in meinem Bauch auf. Gestern in Literatur hatte er mir sogar einen kleinen Zettel mit seiner Nummer zugesteckt. Allerdings hatte ich mich bis jetzt noch nicht getraut, ihn anzuschreiben. Und vielleicht konnte es auch nicht schaden, wenn ich mir da noch ein oder zwei Tage Zeit ließ, da ich es ihm auch nicht allzu leicht machen wollte. Denn ich hatte lernen müssen, dass das männliche Geschlecht so leider schnell das Interesse an Einem verlor.
Ich bog in den Gang ab, in welchem sich mein Schließfach befand. Erste Verwirrung machte sich in mir breit, als ich die Menschentraube erblickte, die sich um meinen Spind gebildet hatte. So beliebt war ich doch gar nicht; so viele Menschen würden nie und nimmer mit mir sprechen wollen, nicht mit jemandem wie mir. Unsicher trat sich näher, zwängte mich zwischen Ethan und Denise hindurch und bereute dies sogleich. Mein Herz rutschte Richtung Boden. Wäre ich doch zu Hause geblieben. Dann wäre mir das sicher erspart geblieben.
Das hellblaue Metall meines Spindes war mit roten Flecken beschmiert, der eine links unten ließ sogar den Abdruck einer Hand erahnen. Ebenso gefärbte Sprenkel klebten bis auf die benachbarten Schließfächer auf der Lackierung der Türen. Mein Zahlenschloss war so sehr mit der roten Flüssigkeit getränkt, dass sie in dicken Tropfen auf den Boden suppte. Leider verriet mir der metallische und salzige Geruch, dass es keineswegs nur Wasserfarbe war, sondern zu meinem Entsetzen Blut.
In selber Schrift wie Dienstag war mit Blut war etwas auf die Spindtür geschrieben. Ich strich mir eine meiner dunklen Strähnen aus dem Gesicht. Auch hier musste ich die Augen zusammenkneifen, um die Wörter besser lesen zu können.
THERE ARE NO RULES.
Ich sank zu Boden und begann zu wimmern. Was war nur los hier? Warum mein Spind? Warum der Tag in der Turnhalle, an welchem ich jene aufschloss?
Welcher kranke Psychopath wütete hier in dieser Schule? Wer schlachtete ein harmloses Lamm ab und schrieb Drohungen an Turnhallenwände und Schließfächer? Gott, ich wollte gar nicht wissen, von welchem Wesen das Blut auf dem hellblauen Metall vor mir stammte. Ein Kadaver war jedenfalls nirgends zu sehen. Doch alleine schon bei dem Gedanken daran, dass wieder eine unschuldige Kreatur ihre Existenz für die Lebensessenz an meinem Schließfach ihr Leben hatte lassen müssen, brannte mir die Magensäure in der Speiseröhre.
Was ging hier nur vor sich?
Welches Spiel wurde hier gespielt?
Und wer machte die Regeln?
Denise legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter. Doch auch sie wusste nicht, was sie sagen konnte, um mich aufzumuntern. Ich wusste es selbst nicht.
Warum ich? Was hatte ich verbrochen?
»Was ist denn hier los?«, ertönte die Stimme von Direktor Johnson und er zwängte sich ebenso wie ich vor einigen Augenblicken zwischen den anderen Schülern hindurch. »Heilige Mutter Gottes! Was ist denn hier passiert?«
* * *
»Hätte Mary Malone ihren Mann wirklich geliebt, hätte sie ihn nicht umgebracht«, beharrte Denise. Ihre blaugrauen Augen funkelten trotzig hinter der großen Brille und einer der dunkelblonden Strähnen fiel ihr ins Gesicht.
Das Mädchen diskutierte nun schon seit einigen Minuten mit Ms Hampton und sie war auch die einzige, die so etwas durchzog. Denn mit unserer Lehrerin eine Diskussion zu führen, war in der Tat keine einfache Sache: sie konnte Einem die Worte so im Mund umdrehen, dass man nach wenigen Sätzen entwaffnet mit seinen eigenen Argumenten gegen sich dastand und nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war.
Ich hätte schon lange ausgegeben. Besonders diese Woche. Jede Sekunde hatte ich Angst, dass wieder etwas Blutiges geschah; nachts hatte ich die schrecklichsten und grauenvollsten Albträume. Gestern zum Beispiel wurde ich von einem beilschwingenden Lamm verfolgt, das die ganze Zeit gekichert hatte. Wie das Vieh die Waffe allerdings halten konnte, war mir bis jetzt ein Rätsel. Aber Träume neigten im Allgemeinen sowieso dazu, nicht allzu realistisch zu sein.
Nach der Spindaktion gestern war ich für den restlichen Tag freigestellt worden, da der Direktor fürchtete, dass jemand mir etwas Böses wollte. Allerdings hatten sie dann nach der Mittagspause beim Durchsuchen der Spinde aller Schüler in Ethans ein blutverschmiertes Messer sowie zwei Malerpinsel mit getrocknetem Blut gefunden. Zwar leugnete auch er hartnäckig, nichts mit den Vorfällen zu tun gehabt zu haben, doch zum Einen sprachen die Beweise gegen ihn, zum Anderen hatte ich noch immer seinen ungeduldigen Kommentar von Montag im Ohr, als ich den richtigen Schlüssel für die Hallentür gesucht hatten.
Und da Ethan jetzt vorerst vom Unterricht ausgeschlossen war, durfte ich wieder zur Schule. Denn jede einzelne Unterrichtseinheit war essenziel für mich: die Abschlussprüfungen waren nicht mehr weit entfernt. Trotzdem waren meine Gedanken heute nicht bei Mary Malone und ihrem Mann. Der Grund dafür war der kleine Zettel, den Venari mir vor einigen Sekunden auf den Tisch geworfen hatte - natürlich so, dass es den Adleraugen unserer Lehrerin entging. Schnell hatte ich den Schnipsel entfaltet.
Was hältst du davon, wenn wir heute Abend ins Kino gehen? Dann können wir reden, wenn du schon meiner Aufforderung mit der Handynummer entsagst. Um acht hole ich dich ab. - V
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und etwas Warmes entfaltete sich glitzernd in meinem Inneren, als ich Venaris geschwungenen Buchstaben da auf dem zerknitterten Papier sah. Es fühlte sich so unfassbar schön an, wenn jemand an Einem Interesse hatte und das auch genauso zeigte. Schmunzelnd kramte ich meinem Kugelschreiber hervor, um ihm Auf der Rückseite des Papierfetzens eine Antwort zu schreiben. Morgen war Samstag und ich würde ausschlafen können. Hausaufgaben hatten außerdem noch Zeit bis Montag. Wieso also nicht?
»Hätten Sie ... hätten Sie zugelassen ...«, setzte Ms Hampton an, musste aber husten. Ihr strenger Pferdeschwanz wippte, was ich aus dem Augenwinkel gerade noch so sah, während ich den Stift ansetzte. »Hätten Sie zugelassen, dass .... dass Ihr Mann ...« Doch wieder durchschüttelte sie ein kräftiges Husten und meine Lehrerin schaffte es nicht, den Satz zu beenden.
Ein mulmiges Gefühl beschlich mich und ich hob den Kopf. Irgenwie wirkte es surreal, wie stak sie auf einmal husten musste. Ich meine, wenn man sich verschluckte, hörte sich das anders an. Weniger keuchend. Und krank war sie auch nicht.
Denise legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. »Ms Hampton, ist bei Ihnen alles okay?«, erkundigte sich Denise unsicher, auch war anscheinend die Situation nicht ganz geheuer.
Doch unsere Lehrerin bekam kein Wort mehr heraus. Panisch rang sie nach Luft und rieb sich mit den Händen über den Hals. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass sich ihre Finger jäh blau färbten, und die Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich saß stocksteif auf meinem Stuhl, den Werbekuli von irgendeiner Versicherungsfirma in der Hand. Erst da fielen mir die zwei kreisförmigen Wunden an ihrer Kehle auf, um welche sich auch schon ein fetter, dunkelvioletter Fleck gebildet hatte. Und dieser wurde mit jeder Sekunde immer größer.
»Jemand muss einen Arzt rufen«, kreischte ein Mädchen von hinten und plötzlich herrschte wildes Stimmengewirr in dem Raum. Alle schrien panisch durcheinander.
Nur ich saß zur Salzsäure erstarrt und vermutlich blasser denn je auf meinem Stuhl, während mir die lähmende Angst immer weiter die Kehle zuschnürte. Die Gedanken rasten, dennoch war ich unfähig, auch nur einen davon zu erhaschen und festzuhalten. Nur eine Frage hallte wieder und wieder in meinem Kopf.
Was, in Gottes Namen, ging hier vor sich?
Plötzlich stolperte Ms Hampton zur Seite, und versuchte, sich an der Tafel festzuhalten. Da wir aber in jeden Raum zwei Tafeln hatten, die voreinander in der Höhe verstellt werden konnten, sodass der Lehrer erst die eine vollschrieb, sie hoch schob, die andere beschrieb, diese jetzt mit der anderen tauschte und so weiter, erwischte unsere Lehrerin nur die vordere Tafel. Donnernd riss sie das dunkelgrün beschichtete Metall bei ihrem unverhofften Sturz mit nach unten zu Boden und blieb röchelnd liegen.
Jedoch galt meine Aufmerksamkeit nicht der Frau, die mit dem Leben kämpfte. Denn da Ms Hampton die vordere Tafel nach unten gestoßen hatte, kam die hintere jetzt zum Vorschein, welche bis jetzt verborgen gewesen war. Und zu meinem Entsetzen zogen sich ebenso wie am Montag und gestern mit Blut geschriebene Buchstaben über das dunkle Metall.
NOBODY IS SAFE.
»Hallo? Wir brauchen dringend einen Krankenwagen«, hörte ich Venari noch sagen, bevor bei mir alle Lichter ausgingen und mein Kopf mit einem dumpfen Knall auf die Tischplatte aufschlug.
* * *
Mein Kopf brummte. Und das, obwohl ich vorhin noch eine Schmerztablette genommen hatte. Aber die dummen Dinger waren auch nicht mehr das, was sie mal gewesen waren. Zu gern hätte ich einfach noch ein oder zwei genommen, einfach nur um meine Sinne zu benebeln und die Gedanken einfach auszuknipsen, doch dann würde ich wohl oder übel Venari neben mir nicht mehr spüren können.
Er hatte vor zwei Stunden pünktlich vor meiner Haustür gestanden. Mit einer Tüte voller Schokolade. Wie der Mann mir erklärt hatte, hätte er auch lieber ein paar Blumen mitgebracht, aber angesichts der Ereignisse wäre Schoki für mich und meinen Zustand förderlicher. Ich fand es süß, wie er sich um mich sorgte, und aß sowieso lieber, als mir Blumen anzusehen. Venari hatte es auch vollkommen verstehen können, als ich ihm unbeholfen erklärt hatte, dass ich heute ungern noch einmal einen Fuß vor die Haustüre setzen wollte. Dafür war meine Angst einach zu groß. Da ich aber sowieso alleine war - meine Eltern hatten Hochzeitstag und waren seit Mittwoch mit meinem vierjährigen Bruder im Urlaub; ich sei selbst dran schuld gewesen, dass ich Schule hatte, hatten sie argumentiert, sonst wäre ich mit von der Partie gewesen.
Somit hatten Venari und ich es uns bei mir auf dem Sofa mit Chips, Salzstangen und Nüsschen sowie seiner mitgebrachten Schokolade bequem gemacht und eine Film rausgesucht. Er hatte sich für einen alten Actionstreifen entschieden, da mir herzlich egal gewesen war, was wir schauen. Eigentlich war ich sowieso schon den ganzen Abend damit beschäftigt gewesen, den Mann unauffällig zu mustern und Stück für Stück näher an ihn zu rutschen, bis er von sich aus den Arm etwas angehoben hatte, sodass ich mich an ihn kuscheln konnte. Die Glücksgefühle waren in mir explodiert wie ein Feuerwerk.
Verträumt schmiegte ich mich enger an ihn. Venari roch verboten gut. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, wieso die meisten hübschen Kerle immer solch betörende Parfums trugen. Sie verdrehten mir immer den Kopf bis zum geht nicht mehr und mein Herz flatterte wie die zerbrechlichen Flügel eines Kolibris.
Gedankenverloren streichelte er meine Schulter, während ich zusammenhangslose Muster auf seinen Bauch malte und vor Freude hätte platzen können. Tief in mir keimte der Wunsch, dass dieser Moment nie endete. Wir hatten uns bis jetzt weder geküsst noch groß unterhalten, trotzdem war dieses Date besser als jedes andere, das ich bis heute gehabt hatte. Vielleicht war es seine Aura, die mich beruhigte, vielleicht einfach die Tatsache, dass jemand da war und mich wortlos tröstete.
»Danke«, flüsterte ich.
Venari drehte den Kopf zu mir und blickte mich mit seinen Sterneneisaugen an. »Wofür, Süße?«
»Dass du da bist.«
»Keine Ursache.« Zärtlich drückte er mir einen federleichten Kuss auf den Scheitel und strich mir über's Haar.
Am liebsten wäre ich noch weiter liegen geblieben, so an ihn gekuschelt wie jetzt, doch ich hatte schon seit einer halben Stunde Durst. Seufzend und sehr widerstrebend stand ich also auf. »Ich hole etwas zu Trinken. Magst du auch etwas?«
Venari nickte. »Gern.«
Müde tapste ich mit meinen Kuschelsocken durch das Wohnzimmer in den Flur und öffnete die Tür zu der kleinen Abstellkammer, in welcher wir die Getränke lagerten. Ich schaltete das Licht in dem kleinen Raum ein und lehnte die Türe hinter mir an. Als ich eine Fantaflasche aus der Verpackung quälte, hörte ich ein Schaben aus der Küche und erschreckte mich dabei so heftig, dass mein Kopf nach oben schnellte und ich gegen eines der Regale rummste. Fluchend ließ ich auch noch vor Schreck die Flache fallen, die mir natürlich als Krönung noch auf den Fuß knallte. Für eine kurzen Moment fürchtete ich, dass der kranke Psychopath aus der Schule mit einem Messer aus mich losging und mein Puls schoss schlagartig in die Höhe.
Du bist ein echtes Naturtalent, Rose. Super gemacht, dachte ich, während ich versuchte, mir gleichzeitig Schädel und Zehen zu halten.
Zwar hatte Ms Hampton ihren Anfall überlebt und der Direktor hatte auch gesagt, dass es keinen Zusammenhang mit den beiden anderen Vorfällen der letzten Woche gab, doch wollte ich seinen Worten nicht so recht Glauben schenken. Es waren die kleinen Wunden an der Kehle meiner Lehrerin gewesen, die mir nicht aus dem Kopf gingen. Irgendetwas stimmte damit nicht. Außerdem war ich aus einem unerfindlichen Grund der Meinung, dass weder Coach Slater noch Ethan etwas mit der Sache zu tun hatten. Sprich, der Psychopath war noch da draußen auf freiem Fuß.
»Was machst du denn da?« Venari stand plötzlich vor mir in der Kammer und zog die Tür hinter sich zu.
Schlagartig stieg die Röte in mein Gesicht. »Ich ... ähm ...« Schlagartig schämte ich mich für den Gedanken, dass etwas passieren könnte. Er war ja da und würde auf mich aufpassen. »Mir ist die Flasche aus der Hand gerutscht und auf den Fuß ...« Unbeholfen wies ich aus das Getränkechaos unter mir. Die Fanta hatte weitere Flaschen zu Boden gerissen und jetzt lagen sie alle kreuz und quer verteilt da.
Jäh brach ich ab.
Und alles Blut verabschiedete sich, wie schon so oft in dieser Woche aus meinem Gesicht.
Mein Herz schlug bis zum Hals. »Warum hast du ein Messer in der Hand?«, flüsterte ich mit brüchiger Stimme arlamiert. Mir schwandte Böses.
»Ist das eine erst gemeinte Frage, Süße?« Das Grinsen in Venaris Augen war hämisch.
Und das war der Moment, als der Groschen endlich bei mir fiel und ich Eins und eins zusammenzählte. »Du. Du warst das alles.« Panisch wich ich so weit zurück, wie es in der kleinen Abstellkammer nur ging. Gott, wie hatte ich das nur übersehen können? Wieso hatte ich geglaubt, dass so ein hübscher Typ nur unschuldige Absichten mir gegenüber hatte? Ich hätte merken müssen, dass etwas an der Sache faul gewesen war.
Aber wie hatte er das alles so geschickt einfädeln können?
»Das hat aber gedauert«, lachte er amüsiert, der Ausdruck in seinen Augen war geradezu irre. »Ich hätte dich schlauer eingeschätzt.«
Tränen stiegen mir in die Augen. »Aber warum? Warum das Lamm, warum der Spind? Und was hast du mit Ms Hampton gemacht? Was willst du?«
Der Mann warf das Messer hoch und fing es geschickt wieder auf. Wie hatte ich nur jemals Gefühle für ihn entwicken können? Und noch schlimmer, warum hatte ich sie noch immer? »Ich bin nur hier, um etwas Unfrieden zu stiften. In der Schule, in deinem Leben, ... und in deinem Herzchen. Wie ich sehe, hat es funktioniert.« Venari kicherte. »Bei dem Lamm war mir langweilig. Ich hatte Hungern und ja ... Es war eine Heindenarbeit, dem Coach den Schlüssel abzuluchsen und diese Sauerrei zu veranstalten. Ebenso wie mit dem Spind. Ich musste Ethan hypnotisieren, dass ich seinen blöden Code bekomme und er alles wieder vergisst. Aber was Ms Hampton angeht, muss ich sagen, da hab ich mich selbst übertroffen.«
»Was hast du mit ihr gemacht?« Meine Stimme brach. Fiebern dachte ich nach, wie ich hier wegkommen konnte. Doch da mein Handy noch im Wohnzimmer aus dem Couchtisch zwischen Chips und Schokolade lag, war es nahezu aussichtslos.
Venari zuckte mit den Schulter. »Von ihr getrunken. Nur leider tötet sie das ganz langsam, wenn ich ihr nicht von meinem Blut gebe und die Verwandlung vollende. Das Ersticken ist erst der Anfang. Hast du ihre Hände gesehen? Nach und nach beginnen auch ihre Beine, sich so zu verfärben. Dann die Arme. Bis sie komplett blau ist. Anschließend folgen Krämpfe und innere Blutungen. Faszinierend, nicht? Ich muss einen Menschen nur beißen und er erleidet schlimmere Foltern, als ein anderer ihm zufügen kann.« Seine Augen funkelten amüsiert.
Mit einem Schlag empfand ich Mitleid für die arme Frau. Zwar hatte sie nie zu meinen Lieblingslehrern gehört und ihre Texte waren wirklich grauenvoll gewesen - Lamb to the slaughter von Ronald Dahl würde ich wohl nie vergessen - aber trotzdem hatte sie definitiv nicht so einen qualvollen Tod verdient, wie der Psychopath ihn hier beschrieb. Doch vermutlich gab es hierfür kein Heilmittel und so für Ms Hampton keine Hoffnung.
Dann erst sickerten seine Worte so richtig zu mir durch. Ein Vampir. Geschockt zuckte ich zusammen, obgleich ich seine Worte nicht glauben konnte und ein Kichern unterdrücken musste. Verarschte der Kerl mich etwa gerade? Jedes Kind wusste, dass es sowas wie Vampire nicht gab.
Doch dann fielen mir die Wunden ein, die Ms Hampton an der Kehle gehabt hatte, und schlagartig blieb mir das Lachen in der Kehle stecken. Denn egal, wie ich die Tatsachen drehte und wendete, es schien keine andere Erklärung zu geben. Seine übernatürlichen Kräfte waren es vermutlich gewesen, die ihm bei diesen grausamen Ereignissen letzte Woche geholfen hatten, unentdeckt zu bleiben. Ich schluckte, als mir die Wahrheit in seinem Worten bewusst wurde. Die Angst schnürte mir die Kehle zu und ich versuchte, den Kloß in meinem Hals hinunterzuwürgen.
»Bitte«, flehte ich schluchzend. »Tu mir nichts.« Panisch suchte ich nach einem Ausweg. Aber hier war keiner. Ich saß fest. Nicht einmal zurückweichen konnte ich noch. Tränen rannen bitter über meine Wangen.
»Aber wo bleibt denn da der Spaß?«
Statt einer Antwort weinte ich nur und verflucht mein dummes Mädchenherz. Mit Verstand und Nachdenken hätte ich das hier verhindern können.
All right, I told myself. So he'll kill me.
Einen Moment lang musterte Venari Leonardo de Sarquès mich noch wie ein Löwe das Lamm, dann fiel er über mich her.
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