Renas Hilfe
erzählt von Rosalie
„Gut, dann kannst du auch wieder gehen", motzte ich sie an.
„Hallo, Rosalie" Ihr ernstes Gesicht wich tiefer Traurigkeit.
Ich verdrehte die Augen und verschränkte die Arme. „Was willst du?"
„Es wäre schön, wenn du mich nicht immer so unhöflich begrüßen würdest"
„Und ich fände es schön, wenn du uns in Ruhe lassen würdest", konterte ich böse. „Aber man bekommt nie das, was man will. Eine liebende Mutter zum Beispiel"
Ich konnte hören, wie die Zwillinge, Charlotte, Gwyneth und sogar Ruben erstaunt die Luft ein sogen. Nyco hingegen sah mich traurig an und versuchte, mich zurück zu halten. Doch ich hatte sie nicht mehr gesehen, seitdem Gwyneth verschüttet worden war und mir Nyco vom Juwel der Ewigkeit erzählt hatte. Ich wollte, dass sie spürte, wie sehr mein Hass ihr gegenüber gewachsen war.
„Was willst du?", wiederholte ich bitterböse.
„Ich hab eure missliche Lage mitbekommen und wollte euch erneut meine Hilfe anbieten"
„Die kannst du dir sonst wo hinein schieben"
„Bitte, lass mich ausreden...", versuchte sie es versöhnlich.
„Nein! Wir wollen und brauchen deine Hilfe nicht! Das haben wir neulich in der Gruppe bereits näher erläutert"
„Rose, möchtest du ihr nicht wenigstens kurz zu hören?"
Delilah wagte es tatsächlich, meine Wut Rena gegenüber zu unterbrechen. Natürlich handelte sie sich dadurch einen finsteren Blick meinerseits ein.
„Rosalie, ich weiß nicht, warum du mich so sehr hasst" Sie räusperte sich, um sich zu korrigieren. „nun, ich kann mir natürlich denken, warum, aber es scheint, als sei dein Hass noch größer geworden...
„... was auch stimmt", unterbrach ich.
Die Zwillinge sahen mich überrascht an. Sie schienen wohl festzustellen, dass es etwas gab, das sie nicht mitbekommen hatten. Nyco senkte gequält und voller Reue den Kopf.
„Sagen wirs so, jemand war so freundlich, mir das letzte bisschen zu erzählen, dass ich von Lakaria noch nicht weiß"
„Du hast ihr vom Juwel der Ewigkeit erzählt, nicht wahr?", murmelte Ruben Nyco zu, der hinter uns getreten war. Nyco nickte schuldbewusst. „Hm, hab ich's mir doch gedacht" Er klopfte ihm auf die Schulter. „Es war gut so. Besser, sie erfährts von dir, als von jemanden anderem. Du bist da wohl irgendwie..." Ruben ring mit seinen Worten. „na ja, irgendwie ruhiger. Jeder Andere wäre vermutlich zu parteiisch"
„Aber es fühlt sich nicht so an, als sei es das Richtige gewesen", kam es von Nyco.
Für einen kurzen Augenblick verließ mich meine Wut auf die Hexe, ich sah Nyco an und umarmte ihn instinktiv. Er erschrak und auch die Zwillinge und Gwyneth waren irritiert, was sie davon zu halten hatten.
Während ich ihn umarmte, flüsterte ich so, dass nur er es hörte: „Manchmal muss einem das Herz von demjenigen, den man am meisten liebt, gebrochen werden, damit man stärker wird, als je zuvor. Außerdem hast nicht wirklich du mir das Herz gebrochen, sondern immer noch sie" Ich löste mich von ihm und lächelte ihn an. Er blinzelte verwirrt und seine Wangen nahmen eine süße, rosa Farbe an.
Weniger wütend als noch vor einigen Minuten, wandte ich mich wieder an die Hexe, atmete tief ein und aus und wiederholte bereits zum dritten Mal: „Also, was willst du? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, da uns wahnsinnig gewordene Soldaten im Nacken sitzen. Wir haben schon viel zu viel Zeit für dich vergeudet"
Okay, so ganz unbiestig konnte ich gegenüber dieser Hexe nicht sein. Egal, wie sehr mich Nyco auch beruhigte. Der Hass und die Enttäuschung, die ich für sie empfand, saßen zu tief, als dass ich sie verdrängen konnte.
„Nun, ich wollte euch meine Hilfe anbieten, den König für euch zurück nach Lakaria zu bringen", erklärte sie endlich. „Der König ist ziemlich schwer, zu dem noch bewusstlos, das erschwert die Reise mit ihm noch mehr. Wenn ich ihn für euch mithilfe meiner Fähigkeiten mitnehme, seid ihr viel schneller und vor allem, sicherer unterwegs"
„Touchè", sagte Charlotte.
„Gutes Argument", pflichtete ihr Ruben bei.
„Und nun?", fragte hingegen Gwyneth und alle sahen mich an.
„Das bekommst du hin?", fragte ich Rena.
„Selbstverständlich" Da lächelte sie. „Natürlich würdest du das mit Element Luft auch hinbekommen, dennoch wird mich niemand angreifen, weil die Soldaten nicht verstehen werden, dass der Sturm über ihnen, kein echter ist"
Sie war so überheblich. Mir kam fast das Kotzen.
Ich sah sie finster an und sie wieder um erwiderte meinen Blick fast flehend. Man sah, sie wollte mir helfen. Sie wollte irgendetwas für mich tun, um ihre Abwesenheit mein ganzes Leben lang, wieder einigermaßen gut zu machen. Immerhin etwas. Als Mutter hatte sie mehr versagt, als man versagen konnte, doch sie schien wenigstens ein Herz zu haben. Dennoch wollte ich nicht, dass das ihre Beweggründe waren, uns zu helfen.
„Warum sollten wir dir vertrauen?", fragte ich sie.
„Weil ich auch mal eine der Fünf Krieger war" Ihr Blick wurde noch flehender. „Und, weil ich deine Mutter bin. Ich würde dir nie schaden" Ich wollte gerade Luft nehmen, um ihr zu widersprechen, da korrigierte sie sich erneut selbst: „Oder besser gesagt, ich habe nicht mehr vor, dir zu schaden"
Mit grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht wandte ich mich an alle anderen: „Leute, was meint ihr? Wir müssen uns so schnell wie möglich entscheiden. Die Zeit läuft uns davon"
„Ich bin dafür", sagte Delilah kleinlaut, um nicht erneut meinen Zorn auf sich zu ziehen.
„Ich auch", bestätigte ihre Schwester.
„Ich auch", sagte auch Gwyneth.
„Mir gefällt es, wenn du so fies bist, Rosalie. Ehrlich. Du entwickelst endlich Biss", grinste Charlotte. „Ich bin auch dafür. Das ist das Klügste"
„Charlotte hat Recht", sagte Ruben. „das Argument, dass wir ohne den bewusstlosen König schneller und leichter vom Fleck kommen, dürfen wir nicht außer Betracht lassen. Auch, dass die Soldaten sie gar nicht bemerken werden. Uns schon. Darum bin ich auch dafür, auch, wenn du Differenzen mit ihr hast"
Ich seufzte und sah Nyco an. Dieser sah mich genauso schweren Herzens an, wie ich ihn und sprach: „Wir können alle verstehen, dass du ihr nicht vertraust. Das musst du auch nicht. Wir vertrauen ihr und du solltest uns vertrauen, dass wir die richtige Entscheidung treffen. Außerdem müssen wir zum Wohle Lakarias handeln"
Ich schluckte und erkannte die Wahrheit hinter seinen Worten. Wir waren die Fünf Krieger Lakarias und mussten zu ihrem Wohl handeln. Wir durften nicht dafür sorgen, dass persönliche Differenzen, Probleme untereinander, Hass, Missgunst oder sonst irgendwas uns daran hinderten, unseren Job zu machen. Unsere Aufgabe zu erfüllen. Und diese bestand derzeitig darin, den König sicher und heil und so einigermaßen lebendig zurück nach Lakaria, in sein Reich, zu bringen. Auf welche Weise war nicht so wichtig. Hauptsache, er war wieder da, bei vollem Bewusstsein.
Ich seufzte erneut, wandte mich an Rena und sagte immer noch wenig freundlich: „Gut, ich werde dir nie vertrauen, aber ich vertraue auf die Anderen und hoffe, dass wir das Richtige tun. Wenn wir allerdings in Lakaria feststellen sollten, dass du uns verarscht hast und der König nicht da sein sollte, brech ich dir deine Beine und dein Genick und nimm dir alles, was dir lieb ist. Und es ist mir egal, ob du mich geboren hast. Mehr als das, wirst du für mich nie sein"
Renas anfängliches Lächeln wurde sehr schnell traurig. Das war nicht das, was sie hören wollte, doch das, würde sie nie von mir zu hören bekommen. Warum auch? Ich liebte sie nicht. Sie hatte diese Worte nicht verdient.
Es widerstrebte mir, mich selbst ihre Tochter und sie meine Mutter zu nennen. Denn ich war nicht ihre Tochter und sie erst recht nicht meine Mutter. Das war wie bei Menschen, die ihren Vater hassten. Diese nannten ihn auch nicht Papa, sondern Erzeuger und so war das bei mir auch. Die Hexe, die mich geboren hat. So sehr ich das auch gerne leugnen würde, sie hatte mich schließlich vor zwanzig Jahren zur Welt gebracht. Nicht mehr, nicht weniger.
„Du hältst dich an die Abmachung"
„Selbstverständlich"
Ich musste tief einatmen, um das zu äußern, was mir noch auf dem Herzen lag: „Außerdem möchte ich, dass du uns nicht hilfst, um dein Gewissen zu erleichtern, in der Hoffnung, dass ich dir irgendwann verzeihe, weil das nicht passieren wird. Ich möchte, dass du uns hilfst, weil wir die Fünf Krieger sind- ungeachtet davon, in welchem Verhältnis wir zueinander stehen" Ich machte eine kurze Pause. „Ich vertraue dir nur der Mission Willen", fügte ich hinzu. Rena nickte schuldbewusst und traurig. „Gut, da wir das jetzt geklärt haben, sollten wir losziehen. Deinetwegen haben wir bestimmt eine halbe Stunde verloren. Nimm den König und verzieh dich"
Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie dicht uns die Soldaten womöglich schon auf den Fersen waren. Nur wegen ihr. Weil sie urplötzlich auftauchen musste. Vermutlich hatte ihr übertriebener Auftritt auch sämtliche Soldaten in der Oase auf uns aufmerksam gemacht.
„Können wir gehen?", fragte ich in die Runde.
Ich wollte so schnell wie möglich weg von der Hexe.
„Wir sind startklar", bestätigte Ophelia.
„Also gut, Ruben, bitte zeig uns den Weg", bat ich ihn.
Vor Übermut bellte er kurz auf und verkündete: „Klar! Ich hab uns hierher geführt, also sollte es ein Kinderspiel sein, uns nachhause zu bringen"
Das hoffte ich doch sehr.
Als wir gerade losgehen wollten, ertönte noch ein letztes Mal Renas Stimme, die meinen Namen rief. Im Gegensatz zu den Anderen, drehte ich mich nicht zu ihr um. Es interessierte mich nicht, was sie mir noch zu sagen hatte. Die Zeit rannte uns davon.
Sie schritt zu mir, packte meinen Arm, ließ ihn aber glücklicherweise sofort wieder los und flüsterte kleinlaut: „Bitte sei vorsichtig. Ihr alle. Viel Glück"
Ich war ganz kurz gewillt, etwas zu erwidern, doch... nein. Ich hatte ihr nichts mehr zu sagen. Zumindest nicht mehr heute. Ich hatte genug Zeit für sie geopfert.
Ignorant ging ich weiter und verunsicherte selbst Ruben, der nicht wusste, ob er anfangen sollte, die Route zu erschnüffeln. Dann schien er sich doch dazu entschlossen zu haben, denn er verwandelte sich in den riesigen Bernerdinerhund, lief an uns vorbei und übernahm die Spitze.
Ich konnte förmlich spüren, wie die Soldaten immer näher rückten. Es war merkwürdig, dass sie uns nicht schon längst aufgespürt hatten.
Kurz sah ich den kleinen Tornado nach, den Rena um sich und den König gebildet hatte und damit hinfort flog, als mir etwas klar wurde. Vielleicht hatten uns die Soldaten noch nicht aufgespürt, weil Rena sie zur Strecke gebracht hatte. Aber... nein. Das war unmöglich. Sie wäre sicherlich nicht in der Lage, so viele Soldaten auf einmal nieder zu strecken. Und erst recht wäre sie nicht so hilfsbereit. Oder vielleicht doch? Aber ich verdrängte diesen Gedanken sofort. Ich wollte nicht, dass die Hexe eine nette, hilfsbereite Seite hatte. Das passte nicht in mein Bild, das ich von ihr hatte.
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Kleine Randinfo für euch: Cover wird wahrscheinlich noch mindestens ein Monat dauern, da meine beste Freundin, die so nett ist, es mir zu zeichnen, wegen ihrem Studium noch nicht dazu kam, überhaupt anzufangen. Ich weiß, das ist doof, vor allem weil der 1. Band fast zu Ende ist. Aber ich bin dankbar, dass sie das überhaupt für mich macht.
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