Kämpfe im Personal
erzählt von Rosalie
Die Zwillinge und ich fuhren am frühen Abend zurück zu Laetitias Wohnabteil in La Fleur. Ein wenig erschöpft von den Erkenntnissen und dem neuen Wissen, dass ich erlangt hatte. Leider war Laetitia von ihrem Kongress noch nicht zurückgekehrt. Delilah hatte bereits erwähnt, dass wir sie womöglich nicht mehr antreffen würden, was schade war. Ich hätte sehr gerne mit ihr die heutigen Ergebnisse besprochen und noch einmal ihre mütterliche Stimme gehört, wie sie mir Mut zu spricht. Erneut wurde mir bewusst, wie sehr mir immer eine Mutter in meinem Leben gefehlt hatte, auch wenn mein Vater sich alle Mühe gegeben hatte, beide Elternteile für mich zu sein. Eine Mutter konnte auch er nicht ersetzen.
Mit diesen Gedanken schlief ich ein und dieses Mal ohne, dass ich die Zwillinge und Laetitia im Nebenraum hören konnte. Ich hörte lediglich die leisen Atemzüge meiner Freundinnen.
Am frühen Morgen, viel zu früh, ehrlich, gings dann wieder zurück ins Schloss. Dieses Mal erschien mir der Hügel nicht mehr ganz so schlimm wie am gestrigen Tag zuvor, was vermutlich daran lag, dass ich heute null aufgeregt war. Ich hatte zwar noch nie mit Prinzessinnen zusammen gefrühstückt und war mir echt nicht sicher, ob es eine gute Idee war, Delilah und Charlotte gemeinsam an einen Tisch zu setzen, aber irgendwie freute ich mich auch darauf. Das hatte was, als würde ich mit der Queen von England frühstücken. Okay, nein, eigentlich nicht. Ophelia und ich hatten im Stillen, ohne dass Delilah es mitbekam, ausgemacht, dafür zu sorgen, dass sie möglichst weit weg von Charlotte saß. Wahrscheinlich würde das die Zwei auch nicht zu besten Freundinnen machen oder dafür sorgen, dass keiner von beiden die andere anstänkerte, aber ein Versuch war es wert. Uns war es natürlich auch leider nicht möglich, die anderen Krieger davon in Kenntnis zu setzen. Es würde schon funktionieren. Hoffte ich.
Das Frühstück war das üppigste, was ich je gesehen hatte. Es übertraf alles, was ich mir vorstellen hätte können. Es war schier unbeschreiblich und ich war erleichtert, dass ich mit Absicht nichts gegessen hatte, damit ich mehr bei den Prinzessinnen essen konnte. Die Zwillinge hatten wenigstens ein paar Rosenblätter verspeist (ob die wohl schmecken?).
Es gab Vollkornbrot, Fisch, Wurst, Gemüse, Obst, Milch, ja sogar laktosefreie Milch und Sojamilch, was wirklich heftig war. Wie ich erfuhr trank man in Lakaria nur laktosefreie Milch oder Sojamilch, weil es Wesen gab, die diese bevorzugten und nicht, weil sie laktoseintolerant oder Veganer waren. Prinzessin Luna war eine dieser Wesen. Bei Nyco stellte ich belustigt fest, dass es ihm egal war. Das Einzige, das er nicht mochte, war Sojamilch. Verständlich.
Allerdings konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass es in der Parallelwelt überhaupt Veganer gab (außer die Hasenmensch und die meisten der Pflanzenmenschen natürlich). Auch durfte ich feststellen, dass sich die Leute hier sogar eher darüber lustig machten, was für komische Gestalten wir Menschen doch seien (Zitat von Charlotte).
Ophelias und mein Plan ging soweit auf, nur, dass sich Delilah etwas wunderte, warum wir darauf bestanden, neben Charlotte zu sitzen. Zwischen ihr und Charlotte. Ich behauptete hierbei, ich wolle unbedingt Charlotte näher kennen lernen und das war wirklich hochgradig eine Lüge.
Nach dem Frühstück erlaubten uns die Prinzessinnen zwei ihrer vielen Bäder zu benutzen, um uns frisch zu machen. Ruben und Nyco natürlich getrennt von uns Mädchen. Was mich total überraschte war, dass Charlotte vor dem Schloss auf uns wartete, da sie sich nicht mehr frisch machen musste. Wortwörtlich sagte sie: „Ich bin schon schön genug. Meint ihr, ich hab so was nötig? Neben meiner Schönheit" Da sah sie eindeutig mich und die Zwillinge an. „geht ihr sowieso schon unter. Das will ich nicht noch auf die Spitze treiben"
Delilah hatte sie daraufhin angemotzt, was für eine arrogante Bitch sie sei und was sie sich einbildete. Ophelia und ich hatten die schimpfende Delilah daraufhin mitgezogen und waren Gwyneth ins Bad gefolgt, das für uns Mädchen vorbereitet war. Während Gwyneth das ganze irgendwie lustig fand, waren die Jungs –zumindest Ruben- ziemlich genervt von uns gewesen. Bei Nyco war wieder mal kaum eine Regung wahrzunehmen, weshalb ich nicht sagen konnte, ob er genervt, belustigt oder sonst was war.
Nachdem wir gestärkt und aufgehübscht waren, ging die Reise los.
Eigentlich war ich total motiviert, doch wenn ich daran dachte, dass wir in das Viertel der Soldaten mussten, hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Ich bekam das Gefühl nicht los, sie verurteilen zu müssen, für das, was einige von ihnen taten. Es kam mir nicht richtig vor, dann einfach ihr Viertel zu betreten.
Während wir am Bahnhof Schloss-Marktplatz auf die Straßenbahn warteten und sich Charlotte ein paar Meter von uns distanzierte (was niemanden störte), beobachtete ich Ruben von der Seite. Irgendwas verbarg er doch.
„Sags doch einfach", murmelte er nach einer Weile und ich zuckte zusammen.
„Was meinst du?"
Er sah mich nur aus den Augenwinkeln an und trotzdem war er nicht erfreut darüber, dass ich ihn anstarrte.
„Dir liegt doch was auf den Herzen, oder? Frag doch einfach"
„Darf ich denn?" Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf.
„Wenns nichts Dummes ist"
„Das weiß ich nicht"
Er seufzte. „Also, los"
„Du hast vorhin so geklungen, als hättest du schon einige sehr intensive Einblicke in die Gedankenwelt der wahnsinnig gewordenen Soldaten bekommen"
Jetzt hatte ich die Aufmerksamkeit aller. Sogar der von Charlotte.
„Ja, und?", murmelte er weiter.
„Da stellt sich mir die Frage, ob du selbst schon mit einen in Kontakt getreten bist oder mit einem befreundet warst, der..."
„HÖR AUF!", bellte er mich an. Und ja, ich meine bellen. Als er mich so wütend ansah und schrie, kam der Hundeteil seines Körpers hervor.
Ich erschrak und mir stockte der Atem. Ich erwiderte seinen zornigen Blick mit weit aufgerissenen Augen.
„Entschuldige, wenn ich dir..."
Er knurrte mich wie ein Hund an.
„Ruben", durchdrang Nycos ruhige Stimme die gefährliche Situation, doch auch ihm schenkte der Hundemensch nur einen grimmigen Blick. „bitte beruhige dich. Sie kann nicht wissen, was passiert ist"
Ruben knurrte erneut.
Was ist denn passiert??, wollte ich schreien, doch ich brachte schon wieder kein Wort heraus. Verunsichert wandte ich meinen Kopf zu den Zwillingen, die nur traurig auf den Boden sahen.
Mir wurde bewusst, dass ich im Laufe der Mission, unserer Reise, wohin auch immer sie uns führen sollte, auf wunde Punkte in der Vergangenheit der Fünf Krieger stoßen würde.
„Sie muss es auch nicht wissen", blaffte Ruben.
„Vergiss nicht, dass auch sie Teil der Fünf Krieger ist", mischte sich Delilah, mit missmutigem Ausdruck auf dem Gesicht, ein. „Sie hat genauso ein Anrecht, davon zu erfahren, wie alle anderen in Lakaria. Natürlich ist sie ein Mensch, trotzdem gehört sie jetzt zu uns, zu euch, zu Lakaria. Es wäre nicht fair, ihr so was vorzuhalten, obwohl alle es wissen. Alle in der gesamten Stadt. Der einzige Grund, warum sie es nicht weiß, ist, weil sie es gar nicht wissen kann, da sie bis vor kurzem noch auf der Erde gelebt hat!"
Ruben starrte Delilah wie fixiert an und hatte einen eiskalten Schimmer in seinen Augen.
Als ihr dies auffiel, seufzte sie und sagte, in mäßigeren Ton: „Und das sage ich nicht, weil ich ihre Freundin bin, sondern weil es der Wahrheit entspricht. Sie kann weder was dafür, dass sie es nicht weiß, noch dafür, dass es passiert ist"
Da senkten sich Rubens goldbraune Hundeohren traurig nach unten und auch er selbst sah zu Boden.
„Gut, ich erzähle es dir wann anders..."
Ich nickte nur, weil ich immer noch zu geschockt von seiner Reaktion war. War es so schlimm? Hatte er einen Soldaten töten müssen? Wenn ja, hegten die wahnsinnigen Soldaten bestimmt jetzt einen Groll gegen ihn.
Genau in diesem Moment, perfektes Timing sozusagen, kam unsere Straßenbahn.
Als wir einstiegen und uns setzten, sagte niemand ein Wort. Erst nachdem die Straßenbahn in La Fleur stehen geblieben und wieder weitergefahren war und Gwyneth sagte, bald sei unsere Station da, traute ich mich die Frage zu stellen, die mir eigentlich noch mehr auf dem Herzen gelegen hatte, als die von vorhin: „Sind Soldaten eigentlich von Grund auf böse oder gut? Also ich meine... wenn sie nicht..." Ich traute mich nicht, weiter zu sprechen und sah Ruben prüfend an, doch er reagierte nicht darauf und konzentrierte sich lieber auf die vorbeiziehende Landschaft.
Ich sollte dazu sagen, dass es pro Straßenbahnabteil zwei Fünfersitzgruppen gab. Wenn die eine in der linken, vorderen Ecke des Abteils war, befand sich die andere im rechten, hinteren, so dass sie diagonal zueinander waren.
Nyco, die Zwillinge, Gwyneth und ich saßen in der Fünferreihe, neben uns in einem Zweisitzer saß Ruben, ganz in seinen Gedanken versunken und Charlotte, wie immer, abgegrenzt hinter uns in einem Zweisitzer.
Also, ehrlich, sie gab sich nicht mal Mühe, mit uns ein Team zu werden. Nyco und Ruben versuchten es zumindest, mit mir auszukommen und Gwyneth mochte mich ja schon, bevor sie mich kannte.
Den Fünf Kriegern standen noch harte, personelle Schwierigkeiten bevor.
Alle, die mit mir in der Fünfersitzreihe saßen, schienen zu überlegen. Delilah, die neben mir am Gang saß, war die Erste, die wieder ihre Worte fand: „Na ja, das ist schwierig zu sagen. Man kann nicht alle in einen Topf schmeißen"
Gwyneth, mit ihrem Zeigefinger im Mund, erwiderte: „Also, ich finde, dass es besonders bei den Soldaten am besten geht. Immerhin sind Soldaten sehr edel" Den letzten Satz sagte sie mit schmachtenden Blick und verträumten Unterton.
Nyco, der zwischen der vor sich hin schmachtenden Gwyneth und der kichernden Ophelia saß (das war ein Anblick! Unbeschreiblich niedlich), räusperte sich: „Eigentlich muss ich auch Gwyneth zustimmen. Während es in jeder Rasse, in jeder Art gute und schlechte Wesen gibt, gibt es bei den Soldaten fast ausschließlich anständige, junge Männer, die zwar unfassbar brutale Dinge gesehen haben müssen, trotzdem aber noch das sind, was sie davor auch waren. Natürlich gibt es auch bei ihnen welche, die nicht" Hierbei warf er einen Seitenblick auf Gwyneth. „so edel sind. Wie du weißt, Rosalie, ist die Straße der Gefallenen das kleinste Viertel in Lakaria" Ich nickte. „Es wohnen nur ungefähr dreißig bis vierzig Soldaten dort"
„Was?? Wieso so wenig?", fragte ich verdutzt.
„Weil die große Kriegszeit von euch Menschen vorbei ist, die meisten Soldaten sind bereits in Lakaria verstorben. Die, die im ersten oder zweiten Weltkrieg waren"
Ich schluckte und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
Vielleicht war einer von ihnen ein Vorfahre von mir gewesen. Allein die Vorstellung...
„Von diesen dreißig bis vierzig Soldaten sind vielleicht" Er dachte kurz nach. „sechs oder sieben Idioten. Der Rest ist wirklich in Ordnung"
Außer natürlich, die, die wahnsinnig geworden sind schien über unseren Köpfen im Zugabteil herum zu schweben. Alle wussten, dass es so war, sogar ich. Doch Nyco nahm Rücksicht auf Ruben und ließ diesen Satz im fahrenden Raum stehen.
„Du könntest dich vor einen ausziehen und er würde sich nicht an dir vergreifen", lächelte Ophelia und es war klar, was sie Charlotte, die lachend hinter ihr saß, für eine perfekte Anspielung lieferte.
„Wer würde sich denn schon an der da vergreifen?", kam es boshaft von ihr.
Sofort war Ophelias niedliches, unschuldiges Lächeln einem entsetzten Blick gewichen, der mich dann entschuldigend ansah.
Und natürlich ging unser Plan, Streitereien zwischen Charlotte und Delilah möglichst zu vermeiden, relativ schnell in die Hose. Die arme Ophelia...
Ihre Schwester stand mit geballten Fäusten wütend von ihrem Sitz auf und warf dem Engel einen so bösen Blick zu, als würde sie sie am liebsten töten, was vermutlich auch der Fall war. Dann ging sie zu Charlotte rüber, packte diese am Kragen ihres schönen Kleides und versetzte das ganze Zugabteil in Angst.
„Was hast du grad gesagt??"
Auch Charlotte war nun aufgestanden.
„Du weißt doch ganz genau, was ich gesagt hab, Pflanzenbitch" Sie lachte boshaft auf und warf ihre langen Haare über die Schultern. „Oh, regst du dich jetzt auf? Das tut mir aber leid! Wenn du die Wahrheit nicht verträgst, ist das wirklich schade für dich" Sie zog eine Schnute, die irgendwie total dämlich aussah.
Nun stand Gwyneth neben den beiden im Gang der Straßenbahn und tätschelte sie an den Schulterblättern.
„Hey, hey, Leute, bitte beruhigt euch. Unsere Station kommt doch gleich"
Da wandte Ruben sich an die Drei und als er zu sprechen begann, drehten sie sich zu ihm um, da er hinter ihnen saß. „Die Mission hat noch nicht mal angefangen und schon legt ihr euch schon wieder in den Haaren. Ihr blamiert uns total vor all den Leuten, die Hoffnungen in uns setzen! Wenn das weiter so geht, erledige ich alles allein"
„Was??", erboste sich Gwyneth und zog das Wort in die Länge. „Das kannst du doch nicht! Allein ist das doch unmöglich! Wir müssen nur noch ein Team werden"
„Denkst du, ihr schafft das?" Dann sah er zwischen Delilah und Charlotte hin und her, die ihn beide böse ansahen. „Denkst du, die schaffen das?"
„Wenn sie nicht immer so gemein wäre, dann..."
„...dann würdest du dich trotzdem mit ihr streiten", unterbrach Ruben Delilah unsanft. „Langsam bereue ich, dass wir euch überhaupt mitgenommen haben"
„Del und ich sind hier, um Rosalie seelische Unterstützung zu geben, weil...", begann Ophelia, unterbrach dann aber, weil sie sich nicht traute zu sagen, was zu sagen war. Die Wahrheit.
Ich seufzte. „...weil ich überhaupt nicht mit anderen Leuten kann. Auch nicht, wenn es keine Menschen sind. Sozialer Kontakt ist einfach nicht mein Ding. Deshalb sind sie dabei, weil sie wissen, wie schwer das alles für mich ist" Charlotte stöhnte genervt auf und verdrehte die Augen. „Und wenn dir nicht Recht ist, dass beide dabei sind, Ruben, dann verschwinde ich zurück auf die Erde und ihr könnt eure Scheiße allein machen"
Alle, außer Nyco, der mit verschränkten Armen immer noch so da saß, wie vor der Auseinandersetzung, sahen mich mit weit aufgerissenen Augen an. Sogar Charlotte, die eine Sekunde vorher noch genervt gewesen war.
„Nein, nein, nein!!" Gwyneth wedelte hysterisch mit ihren Armen umher und setzte sich neben mich auf den Sitz, auf den Delilah gesessen hatte. „Das kannst du nicht... hört mal. Niemand geht einfach weg! Okay?"
„Außerdem, Dumpfbacke", motzte Charlotte. „kannst du nicht mehr zurück auf die Erde, nachdem du dich der Mission angeschlossen und somit deine Rolle als Menschlicher Part der Fünf Krieger angenommen und akzeptiert hast. Um zurückgehen zu können, brauchst du das Juwel der Ewigkeit. Das zu erhalten" Sie lachte kurz auf. „trau ich dir offen und ehrlich gesagt nicht zu"
Ich sah sie grimmig an, verschränkte bockig meine Arme und sah aus dem Fenster.
Egal, was ich sagte oder tat, ich wurde immer nieder oder angemacht. Entweder von der dummen Bitch Charlotte oder von Ruben, der seine eigene Vergangenheit verweigerte. Und das sollten die fantastischen Fünf Krieger sein? Wir alle waren erbärmlich. Wir würden niemals Lakaria retten können. Nicht mal, wenn wir es schaffen sollten, jemals als ein Team zu fungieren. Aber das Traurigste war, dass Charlotte Recht hatte. Selbst wenn ich mich vor einen Typen ausziehen würde, niemals würde es ihn... na ja... ich war nicht mal ansatzweise hübsch. Oder so hübsch wie Charlotte. Oder hatte erst recht nicht so coole Haare wie die Zwillinge. Wahrscheinlich würde ein Soldat, der im Krieg gewesen war, sogar sagen, dass ich schlimmer sei, als alles, was er dort gesehen hatte. Ja, ganz bestimmt.
Doch ich würde die Mission einfach durchziehen, das hatte ich nicht nur mir selbst, sondern auch den Zwillingen versprochen. Meinem Vater hatte ich gesagt, ich würde mein Bestes geben. Also tat ich das auch. Auch wenn es mit diesen Idioten total sinnlos war. Und was war überhaupt mit Nyco?? Warum sagte er nichts dazu?? Warum sagte er nicht „Hey, Rosalie ist doch wunderschön. Hör auf sie fertig zu machen"? Warum zum Teufel wollte ich das??
„Wir müssen raus", murmelte Nyco und stand auf.
Ich sah ihn böse an. Ach ja, jetzt konnte er was sagen? Warum vorher nicht?
„Was siehst du mich so böse an?", fragte er.
„Lass mich in Ruhe"
In meinen Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er mich für ein paar Sekunden fixierte und dann das Bahnabteil verließ. Die anderen folgten ihm schweigend, ich seufzte und tat es ihnen gleich. Auf in den Kampf.
Als wir alle ausgestiegen waren, nahm ich einen kräftigen Schluck von meinem Heilwasser aus La Fleur, das die Zwillinge mir eingesteckt hatten, weil es „gesünder und stärker" macht. Hm, mal sehen.
„Nachdem wir jetzt schon genügend Zeit und Energie verschwendet haben, sollten wir uns jetzt aufs Wesentliche konzentrieren", meinte Ruben, als sei nichts geschehen.
Die Zwillinge, Charlotte und ich sahen ihn biestig an und Gwyneth war einfach nur verunsichert.
„Ich habe in der Straße der Gefallenen zwei gute Kumpels, Matthew und Chi Long, die sich bereithalten, bis wir kommen. Sie können uns helfen"
Uns ist nicht mehr zu helfen war ich kurz davor, zu sagen, ließ es dann aber bleiben. Ich wollte nicht nach fünf Minuten meinen Vorsatz, still zu sein, brechen.
„Können wir denen vertrauen?", fragte Nyco ernst.
„Natürlich", nickte Ruben. „ich bin seit Jahren mit ihnen befreundet und kenne sie sehr gut"
„Gut, dann führ uns zu ihnen"
Es war irgendwie ätzend, wie die zwei Kerle unserer Gruppe alles für uns bestimmten. Doch wahrscheinlich störte mich das im Moment nur deshalb, weil ich angepisst und sauer auf jeden war.
Auf Charlotte war ich wütend, weil sie das gesagt hatte. Auch wenn es die Wahrheit war.
Auf Delilah, weil sie sich immer mit Charlotte streiten musste.
Auf Ruben, weil er ein Idiot war.
Auf Gwyneth, weil sie viel zu naiv war.
Die Einzige, auf die ich nicht sauer war, war Ophelia und das, obwohl sie alles ins Rollen gebracht hatte. Umso seltsamer war es, dass ausgerechnet sie an meine Seite rückte, während wir still Ruben folgten, und flüsterte: „Tut mir Leid, dass Charlotte dich meinetwegen beleidigt hat"
Verdattert sah ich sie an. „Sie hat mich wirklich nicht deinetwegen beleidigt. Ich bin mir sicher, den Spruch hätte sie so bald wie möglich raus gehauen, völlig egal, wer ihn gesagt hat. Ich weiß, dass du das nicht wolltest" Ich lächelte sie an.
Sie wischte sich die kleinen Tränentropfen weg, die aus ihren Augen traten. „Dann bin ich ja froh, ich dachte, du seiest sauer auf mich"
„Du bist die Einzige, auf die ich gerade nicht sauer bin"
„Oh", machte sie und nahm meine Hand. Ich drückte ganz fest zu.
Ich kann euch gar nicht sagen, wie viel Angst ich in diesem Moment hatte.
Angst, dass wir es nicht schafften.
Angst, dass man uns in der Straße der Gefallenen angreifen würde.
Aber vor allem hatte ich Angst, dass man mich nie akzeptieren würde.
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