Die Bergung des Königs
erzählt von Rosalie
Nach einer kurzen Absprache, was, wann zu tun war, waren wir uns alle einig, dass wir zuerst den König retten mussten. Tot oder lebendig, wobei ich lebendig definitiv bevorzugen würde. Falls er bereits tot sein sollte, hatte das nicht nur negative Konsequenzen für Lakaria und die Bewohner, sondern dadurch auch für die Erde. Für meinen Vater. Ja, ich weiß, es war nicht unbedingt tugendhaft, aber ich konnte nicht abstreiten, dass mein Vater meine größte Motivation war, Lakaria zu retten. Denn ich wusste, ging es Lakaria gut, ging es dem Paralleluniversum gut und somit auch der Erde und meinem Vater.
Im Hauptraum/Gebetsraum der Soldaten befanden sich keine Spuren des Königs und wir schritten weiter, tiefer in die verstrickten Gänge des Hauptquartiers. Ich hoffte inständig, dass wir jemals wieder hinaus finden würden. Außerdem schien auch ich die Einzige zu sein, die sich Sorgen darüber machte, wie wir den König überhaupt nach Hause befördern sollten, falls wir ihn fanden. Doch ich war viel zu sehr damit beschäftigt, nach Hinweisen über den Verbleib des Königs zu suchen, dass ich nicht näher darüber nachdenken wollte und es unter „Das ist später erst wichtig" abstempelte und mich wieder der Suche nach dem König widmete.
Die Zwillinge waren das Einzige, das mich immer noch beunruhigte. Mir war klar, dass mich das so lange beunruhigen würde, bis ich sie wieder sicher an meiner Seite wusste. Auch war mir klar, dass ich ihnen schon lange nicht mehr böse war, dass sie mir die Existenz meiner Mutter in Lakaria verschwiegen hatten. Irgendwie erschien mir das nach allem, was heute und in den letzten Tagen geschehen war, nicht mehr wichtig. Sie waren schließlich auch nicht für die Entscheidungen verantwortlich, die meine Mutter in der Vergangenheit getroffen hatte. Also konnte ich sie nicht dafür hassen, dass ich eigentlich meine Mutter hasste.
Seitdem ich mit Nyco darüber gesprochen und er mir sogar zugestimmt hatte, kam es mir vor, als könne ich nun emotional distanzierter an die Sache heran gehen. Es machte mir schlichtweg weniger aus. Und das war gut. Der König und Lakaria waren jetzt wichtiger. Diese Frau würde nie von Bedeutung für mich sein. Basta.
Langsam machte mir diese ständige Dunkelheit in den engen Gassen und Wegen des Hauptquartiers Angst, ebenso wie die ständige Befürchtung, angegriffen zu werden. Ich begann zu frösteln. Warum hatte ich keine Jacke mitgenommen, bevor wir in die Wüste gereist waren? Hm, weil ich Doofnuss glaubte, in einer Wüste nie zu frieren. Denkste.
Durch die ewige Suche hatte es sich irgendwann ergeben, dass Ruben, Nyco und Gwyneth in ihrer jeweiligen Tierform herum strichen. Ruben, um den König besser riechen zu können; Nyco, weil er in der Dunkelheit als Katze hervorragend sehen konnte und als Mischwesen eher weniger und Gwyneth, um die hintersten Ecken durchsuchen zu können.
Charlotte und ich waren die Einzigen, die gezwungen waren, ganz normal nach dem König zu suchen. Die Elemente würden mir auch nicht helfen, ihn zu finden. Ich hatte zwar bereits darüber nachgedacht, das Element Erde zu bitten, ihn zu suchen und mir Auskünfte zu geben, wie ich es bei Gwyneth getan hatte. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es so weiträumig, wie das Quartier der Soldaten eben war, nicht klappen würde. Auch, weil das einfach viel zu leicht wäre.
Mit jeder Minute, die verstrich, hoffte ich, dass es den Zwillingen gut ging.
Ruben ließ die meiste Zeit über, seine Hundeschnauze auf den Boden streichen. Lediglich, wenn er dachte, eine Fährte gefunden zu haben, hob er den wuchtigen Bernerdinerkopf, merkte, dass er falsch lag und schnüffelte wieder den Boden ab.
Bei Nyco war es ähnlich, nur, dass er den Kopf so hoch oben hielt, dass er leicht arrogant wirkte. Immer wieder, wenn kurz niemand auf ihn achtete, war er verschwunden. Weg geschlichen auf leisen Katzenpfoten. Doch dann, wenn man sich erneut umwandte, war er wieder da, als wäre er nie fort gewesen.
Gwyneth konnte ich vom Boden aus gar nicht sehen. Nicht nur, weil es teilweise viel zu dunkel dafür war, sondern auch, weil sie schlichtweg zu klein war. Vielleicht brauchte ich ja auch eine Brille. Ab und zu setzte sie sich auf meine Schulter, um kurz zu rasten. Eigentlich fand ich es auch beruhigend, sie sicher auf meiner Schulter zu wissen. Ich wollte nicht, dass sie noch mal in solche Schwierigkeiten geriet, wie neulich. Doch diese Angst hatten wir wohl alle. Vielleicht auch Charlotte.
Mittlerweile hatten wir den Kerker des Quartiers erreicht, der erstaunlich klein war und nicht mehr als fünf Zellen zu haben schien. Wachen gab es scheinbar auch keine. Im Übrigen, war es mir sowieso recht seltsam erschienen, dass uns noch kein einziger Soldat begegnet war. Sollten alle den Zwillingen nachgelaufen sein? Das wäre nicht besonders intelligent von ihnen gewesen, ihr Hauptquartier völlig unbewacht zu lassen.
Oder sie waren geflüchtet, weil ich den Durchgang zerstört hatte. Dies wäre allerdings ziemlich feige und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Soldaten feige waren.
Plötzlich blieb Ruben stehen, starrte in die Luft, doch dieses Mal schien er sich sicher zu sein, den König gefunden zu haben. Charlotte seufzte genervt auf. Vermutlich erwartete sie, dass er wieder einen Fehler bemerkte. Doch nein. Er schritt bis zu einer Tür hin, blieb stehen, überlegte und sah uns dann an. Nyco blieb ebenfalls neben ihn stehen und Gwyneth flog sofort von der Neugierde getrieben von meiner Schulter zu Rubens Kopf und blieb dort sitzen.
Ruben kratzte mit seinen riesigen Hundepfoten gegen die Tür und sah Charlotte erwartungsvoll an. Diese erwiderte seinen Hundeblick mit einem Blick, der noch genervter war, als der Letzte, seufzte auf und murmelte etwas von wegen „Du könntest dich ja auch zurückverwandeln und selber die Tür öffnen, Idiot". Dennoch tat sie, wie ihr befohlen und öffnete vorsichtig die Tür, sah in den Raum, der dahinter lag und ließ Ruben, Nyco und Gwyneth den Vortritt. Ruben und Nyco trotteten durch den Spalt der Tür, Gwyneth blieb vorsichtshalber auf Rubens Kopf und schließlich folgten Charlotte und ich. Gespannt, was Ruben wohl gerochen hatte.
Die Tür führte zu einem kurzen Gang, der wieder um zu einem kleinen Zimmer führte. Es wirkte wie ein Geheimraum, den niemand finden durfte.
Völlig furchtlos betraten die drei Tiere unserer Gruppe den Raum und Charlotte und ich folgten ihnen.
Doch wir erschraken beide nicht schlecht, als Ruben und Nyco neben einem bewusstlosen, großen und unfassbar muskulösen Mann stehen blieben und ihn beschnüffelten. Gwyneth flog von Rubens Kopf und verwandelte sich zurück in ihre Mischform. Nyco tat dasselbe, während Ruben weiterhin den Mann von oben bis unten beschnüffelte. Anschließend kniete sich Nyco neben Ruben und dem Mann und prüfte den Puls des Mannes.
„Er scheint noch am Leben zu sein", sagte Nyco.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass jemand etwas gesagt hatte.
„Allerdings ist sein Puls kaum spürbar. Er muss schon sehr lange hier liegen"
„Ist das der König?"
Ich weiß, meine Frage war im Grunde ziemlich dämlich, doch zu meiner Verteidigung konnte ich nur sagen, dass ich ihn ja noch nie gesehen hatte. Noch nicht mal ein Foto. Außerdem hatte ich ihn mir in meinem Kopf nie richtig vorstellen können. Und wenn ich's versucht hatte, war nur immer eine Mischung aus Prinz Charles und seinen Söhnen heraus gekommen (und das war kein unbedingt schöner Anblick gewesen).
„Ja, das ist der König. König Theorus von Lakaria", antwortete mir Gwyneth, die sichtlich mit den Tränen kämpfte.
Nyco schluckte wehmütig und sah uns der Reihe nach an, während er sagte: „Es sieht so aus, als wäre er eine ziemlich lange Zeit gefoltert worden" Gwyneth und ich sogen erschrocken die Luft ein und Gwyneth wollte etwas sagen, stotterte aber nur unbeholfen vor sich hin. „Jedenfalls soweit das ein Lakai, wie ich es bin, feststellen kann. Vermutlich wurde es dem Mann auf dem Gemälde eines Tages zu langweilig, den König zu foltern, er wurde ihm überdrüssig und ließ ihn hierher bringen, wo er verrotten sollte"
Es dauerte einige Sekunden, bis mein Mund es schaffte, meine Frage an Nyco zu äußern. Meine Lippen zitterten vor Entsetzen, vor Trauer, aber auch teils vor Erleichterung, weil der König einigermaßen lebendig vor meinen Augen lag.
„Wie kommst du darauf?", fragte ich schließlich.
Nyco stand auf, sah mich an und seufzte: „Nun ja, er wäre bestimmt schon tot, wenn es nicht so wäre"
Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um zu verhindern, dass ich mich neben den König erbrach. Mein Gehirn wollte partout nicht verstehen, wie Soldaten so grausam sein konnten. Wie sie zulassen konnten, dass sie selbst jemanden so lange, so einem Schmerz aussetzten, wo sie doch womöglich das Gleiche oder zumindest etwas Ähnliches hinter sich hatten. Wie konnte man nur so wahnsinnig werden, dass man seinen kompletten, gesunden Menschenverstand vergaß? Sich selbst und seine Prinzipien? Wieso konnten Menschen so grausam sein?
„Rosalie, du siehst schon wieder so aus, als wärst du seelisch abgedriftet", bemerkte Charlotte nur ein bisschen biestig.
Ich zuckte zusammen, da ich so sehr in meine düsteren Gedanken versunken war.
„Ich... entschuldige"
Ich senkte den Kopf, so war ich einfach nicht mehr in der Lage, den König noch länger anzusehen. Da fiel mir plötzlich wieder mein Gedankengang von vorhin ein, denn ich bis vor einer Stunde noch unter „Das ist später erst wichtig" abgestempelt hatte. Nun, das später war gekommen.
„Langsam sollten wir uns wirklich Gedanken darüber machen, wie wir den König hier heraus bringen", sagte ich.
Gwyneth warf einen haschen Blick auf den bewusstlosen König und seufzte: „Das stimmt. Es wird alles andere als einfach. Immerhin ist er ziemlich groß und wuchtig" Sie sah kurz auf ihre Schmetterlingsflügel. „Ich glaube nicht, dass ich genügend Kraft dazu haben werde"
„Bei mir könnte es eventuell klappen", bemerkte Charlotte.
Da verwandelte sich Ruben auch endlich zurück in seine Mischform und sagte: „Wenn er dir allerdings doch zu schwer sein sollte und er abstürzt, hilft das auch niemanden" Er krallte sich verbissen in seine eigenen roten, langen Haare. „Verdammt! Was sollen wir nur tun? Nyco und ich könnten ihn allerhöchstens durch das komplette Hauptquartier bis hin zum Ausgang schleifen, aber das bringt auch nichts, weil wir diesen zerstört haben"
„Na ja, vielleicht sind eure Flügel allein zu schwach, aber gemeinsam nicht" Ich versuchte in die Runde zu lächeln. Es fühlte sich fehl am Platz an, immerhin lag der König von Lakaria bewusstlos und gefoltert unter unseren Füßen.
„Das klingt wie immer total abenteuerlich", murmelte Charlotte, ließ dann aber ein kurzes und kaum sichtbares Grinsen hervor blitzen, bevor es wieder unter ihrer Arroganz verschwand. „es könnte allerdings durchaus funktionieren"
„Hey, bevor wir nichts tun, lasst es uns versuchen", freute sich Gwyneth und schien sich wenigstens ein bisschen von ihrem Schock erholt zu haben. Auch schien es ihr nicht viel auszumachen, mit Charlotte zusammen arbeiten zu müssen.
Ich nickte ihr dankbar zu und erklärte: „Zuerst mal muss ich die Decke öffnen, sonst kommen wir nicht durch"
„Das wäre durchaus von Vorteil", stimmte mir Charlotte zu.
Ich war überrascht, wie nett sie sein konnte. Wenn sie denn nur wollte.
„Denkst du, du schaffst du das?", fragte Ruben.
„Ich muss", gab ich verbissen zurück.
Nicht nur wegen des Königs, musste es klappen, sondern auch um die Zwillinge endlich in Sicherheit zu bringen. Wer weiß, wie es ihnen ging.
„Erde, bitte komm zu mir", sagte ich, das Element hörte und schon steckte ich wieder in diesem furchtbaren, rosa Kleidchen. Der Boden unter meinen nackten Füßen fühlte sich feucht und unangenehm kühl an. Ich streckte beide Arme hoch in die Luft und sprach weiter: „Bitte öffne für uns die Decke dieses grausamen Ortes"
Das Element folgte natürlich bis aufs Wort und als wäre es das einfachste auf der Welt, erhob sich plötzlich mit einem lauten Tosen und Rumpeln die Decke über uns. Vereinzelte Steine und kleine Erdstückchen fielen auf uns herab und Charlotte versuchte sie anschließend aus ihren schönen, langen Haaren zu bringen. Schon bald konnten wir den dunklen Himmel und die strahlenden Sterne über der Oase sehen und frische, reine Luft drang hinein. Erleichtert atmete ich sie ein. Es fühlte sich an, als hätte ich seit Jahren keine Frischluft mehr bekommen. Sofort kam mein Kreislauf wieder in Schwung und ich wurde fitter. Offenbar war es mittlerweile Nacht geworden. Kein Wunder eigentlich. Immerhin waren wir bestimmt schon einige Stunden an diesem schlimmen Ort.
Doch ich wusste, der schwierige Teil kam erst noch.
„Danke, Erde, du darfst gehen"
Das furchtbare rosa Kleidchen verschwand und ich stand endlich wieder in meinen normalen Klamotten da.
„Zuerst sollten Nyco und ich nach draußen", bemerkte Ruben. „Falls draußen noch Soldaten herum laufen sollten- und das ist leider sehr wahrscheinlich-, müssen wir euch verteidigen"
„Was ist, wenn ihr sie alleine nicht in Schach halten könnt?", fragte ich vorsichtig, damit sich Ruben nicht auf den Schlips getreten fühlte.
Doch trotz alle dem, sah er mich viel sagend an, verschränkte die Arme und stellte klar: „Ich bitte dich. So schwach, wie du tust, sind Nyco und ich auch wieder nicht. Wir haben zwar nicht so krasse Fähigkeiten wie du, aber wir sollten das hinkriegen"
Ich lächelte und nickte schließlich. „Okay, dann hebe ich euch hoch, ja?"
Ruben seufzte. „Ich fürchte, ich muss dieses Desaster ein zweites Mal erleben"
„Der Vorteil ist, dadurch trocknen deine Klamotten", scherzte Gwyneth.
„Los jetzt!", schrie Charlotte.
Gesagt, getan. Ich rief das Element Luft und natürlich tauchten wieder das unangenehm kurze hellblau-goldene Kleidchen, sowie die Schrift auf meinem linken Arm auf und meine Haare verlängerten sich.
„Verwandelt euch nun", bat ich meine beiden Opfer. „Als Hund und Katze seid ihr leichter und es geht schneller"
Ruben warf mir einen Blick zu, der mir eindeutig sagen sollte, dass er nicht so fett ist, wie ich denke, ich kicherte kurz, doch die beiden nickten und verwandelten sich in einen wuchtigen Bernerdiner und einen niedlichen dunkelbraun-grauen Kater.
Ich streckte ihnen meine Arme entgegen und sprach: „Luft, bitte lass die Beiden fliegen. Flieg sie hinaus und lass sie sicher landen"
Prompt erhoben sich der Hund und die Katze in die Höhe und sahen beide nicht besonders begeistert davon aus. Ruben sah man seine Panik an (immerhin war sein letzter Flug bei mir nicht so glimpflich abgelaufen), doch Nyco schien nur ein bisschen beunruhigt zu sein. Wenigstens einer.
Ich konzentrierte mich so sehr ich nur konnte, darauf, sie sicher und wohlbehalten auf den Boden abzusetzen. Ich wollte mir danach nicht erneut, Rubens Gemecker anhören, wie schlimm das war. Ja okay, Hunde waren einfach keine Tiere der Luft.
Als sie dann schließlich aus meiner Sichtweite waren, bat ich das Element, mich selbst ebenfalls fliegen zu lassen, ich flog bis an die Decke und sah Ruben und Nyco heil am Boden angekommen. Ich flog zurück zu Charlotte und Gwyneth.
„Sie habens geschafft"
„Gut, dann hoffentlich wir auch", kam es von Charlotte.
Um sie zu motivieren, zeigte ich ihnen meinen Daumen nach oben und grinste, doch Charlotte verdrehte nur die Augen und sagte zu Gwyneth: „Los, ich will endlich hier raus"
Sie spannten die Flügel und nach einigen verunsicherten Versuchen, den König hoch zu bringen, gelang es ihnen schließlich und sie erhoben sich vom Boden. Während sie mit sichtlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, flogen sie immer höher und kamen der Decke immer näher und schon bald hatten auch sie den rettenden Boden erreicht.
Doch scheinbar hatten uns einige Soldaten entdeckt, denn als ich plötzlich Kampflärm von draußen hörte, flog ich in die Luft und sah, dass sich Ruben und Nyco zurück verwandelt hatten und gegen sie kämpften. Sie hatten wohl Probleme, sie ihm Zaum zu halten, denn ich hörte, wie Charlotte Gwyneth etwas zu rief, sie ihre Schwerter zückte und sich ebenfalls ins Getümmel stürzte.
Gwyneth blieb beim König, sah immer wieder zwischen ihm und den drei kämpfenden Kriegern hin und her. Sie schien verunsichert zu sein, ob es richtig war, sie alleine zu lassen.
Da rief ich: „Gwyneth!" Sie sah zu mir hoch. „Geh schon, ich bewache den König"
Sie nickte und freute sich, helfen zu können. Auch sie griff augenblicklich einen Soldaten an, der wohl Ruben heimtückisch von hinten hatte erschlagen wollen.
Ruben drehte sich um und Gwyneth grinste.
„Danke", sagte er.
„Kein Problem", erwiderte sie.
Ich flog währenddessen zum König auf den Boden, stieß immer wieder mit meinem Element Soldaten weg, die sich einbildeten, an mir vorbei kommen zu können. Insgesamt betrachtet, war meine Position äußerst praktisch. Alle vier Krieger von Lakaria hatten mir den Rücken zugewandt, das hieß, wenn jemand sie von hinten angreifen wollte, konnte ich sofort etwas dagegen tun. Ich gab ihnen Rückendeckung.
„Charlotte, Vorsicht!", schrie ich, als ich sah, dass ein Soldat genau dies bei ihr tun wollte, sie drehte sich um, schaffte es gerade noch, sich so von ihm abzuwenden, dass er sie nicht mehr traf.
„Luft, du darfst gehen und Feuer, komm zu mir", rief ich und im nächsten Moment ließ ich die Klamotten des Soldaten schweren Herzens anbrennen.
„Uh, wie dramatisch", kommentierte Charlotte das Ganze, doch angenehm war es mir nicht.
So rief ich das Wasser und überschüttete ihn damit. Seine Klamotten, sowie er selber, qualmten und er brach in sich zusammen. Vermutlich hatte er sich doch einige Brandwunden zugezogen, doch wenigstens hatte ich ihn nicht sterben lassen. Ich konnte nicht. Ich wollte nicht. Trotz allem war er immer noch ein Mensch, der es nicht verdient hatte zu sterben, der tief in seinem wahnsinnig gewordenen Herzen Frieden wollte. Das konnte ich spüren.
Erneut hatte es tatsächlich einer geschafft, an Nyco und den Anderen vorbei zu mir und dem König zu gelangen, doch ich sah ihn sofort, rief das Feuer und warf ihn einen schmerzhaften Feuerball entgegen.
Wir alle taten unser bestens, doch die Soldaten schienen nicht aufgeben zu wollen und es schien, als würden sie immer mehr werden. Umso öfter ich die Elemente weg schickte und ein anderes kommen ließ, desto schwacher wurde ich. Ich war es nicht gewohnt, sie ständig zu wechseln. Bei der nächsten Gelegenheit würde ich Ruben bitten, auch das mit mir zu üben.
Als kurz Zeit war, sah ich auf meine Hände und Arme und sah, wie blass sie mittlerweile waren. Meine weiße Haut grenzte sich viel zu stark von der düsteren Dunkelheit um mich herum ab. Es war beängstigend, doch ich wollte nicht aufgeben. Ich wollte sie nicht im Stich lassen. Ich wollte stark sein.
Die Feuerbälle, die ich den Soldaten entgegen warf, wurden immer schwächer und kleiner. Es war peinlich, zu zusehen, wie ich immer weniger tun konnte und die Rückendeckung der Anderen nachließ.
Ich rieb mir den Kopf und atmete schwer. Mir war total schlecht. Fast so sehr, wie neulich, als ich Gwyneth aus dem Felsen gerettet hatte. Meine Knie gaben unter mir nach und so saß ich schwach und gebrechlich neben dem König und konnte kaum mehr auf meine Deckung achten. Geschweige denn auf die meiner Freunde.
Nyco warf mir permanent kurze, aber besorgte Blicke über die Schulter hinweg, zu, bis er schließlich rief: „Rückzug, Leute!"
„Was?", fragte Charlotte entsetzt.
„Komm Ruben, wir nehmen den König", schrie er diesen zu, er kam und beide hoben neben mir den schweren König von Lakaria hoch. „Und los!" Dann sah er mich fürsorglich an. „Geht's bei dir? Kommst du alleine klar?"
Ich nickte knapp und Nyco und Ruben gingen voraus. Dieses Mal waren es Gwyneth und Charlotte, die ihnen Rückendeckung gaben. Da streckte mir Gwyneth ihre Hand entgegen und sagte: „Komm, kannst du aufstehen?"
„Ja", kam es kaum hörbar aus mir heraus.
Ich trottete hinter den Jungs her und Charlotte und Gwyneth werten die Angriffe der Soldaten ab, bis Gwyneth stehen blieb, sich an Charlotte wandte und sagte: „Geht schon mal voraus! Ich beende das hier"
„Sei bloß vorsichtig", brummte Nyco.
„Ja, das werde ich", erwiderte Gwyneth ungewohnt ernst.
Charlotte ging immer noch rückwärts, um mögliche Angriffe abwehren zu können, doch dies war glücklicherweise nicht mehr nötig, da Gwyneth erneut eine Riesenattacke, in Form einer gewaltigen, sehr stacheligen Rose los ließ. Die Attacke explodierte und wild umher schreiende Soldaten flogen durch die Luft und blieben am Boden liegen. Schnell kam Gwyneth wieder zu uns gerannt und ich musste beeindruckt feststellen: Der letzte Schlag hatte gesessen. Wow.
Charlotte steckte ihre Schwerter ein. „Erstaunlich gut gemacht"
„Danke", zwitscherte Gwyneth und freute sich sichtlich darüber.
„Jetzt schnell weg hier", trieb uns Nyco vorne immer weiter an. „Hinein in das Gestrüpp!"
„Was?", kam es schockiert von Charlotte.
„Ja, doch", erwiderte er schwach.
Ruben und er robbten sich mit dem muskulösen, schlaffen Körper des Königs in das wilde Gestrüpp. Während Gwyneth und ich dankbar um eine Pause und das Versteck waren, war Charlotte noch skeptisch und starrte uns entgeistert an.
„Nicht euer Ernst, oder?"
„Doch"
Charlotte ließ ein langes, genervtes Stöhnen ertönen und kletterte ebenfalls zu uns. Die Sträucher waren zwar weiträumig, dennoch auch dicht bewachsen, so dass sie uns nicht ganz so viel Platz boten. Doch durch diese Tatsache sah man uns vom herkömmlichen Weg nicht mehr.
Nyco und Ruben lehnten den König an die Wand und sahen nach ihm.
„Jetzt heißt es: Still sein", flüsterte Nyco.
„Schon wieder Verstecken?", fragte Charlotte und als er sie viel sagend ansah, verdrehte sie die Augen. „Na toll. Schöne Fünf Krieger sind wir. Permanent verstecken wir uns wie feige Hühner"
„Nenn es strategischer Rückzug", flüsterte auch Ruben. „Was es im Grunde auch war. Wir mussten uns zurückziehen, weil unsere beste und stärkste Kämpferin" Dabei sah er mich an. „all ihre Kräfte aufgebraucht hat. Ich weiß, du hörst das nicht gern, aber Rosalie ist nun mal unsere effektivste Waffe"
„Ja, ja, schon gut", winkte Charlotte ab.
„Alles klar mit dem König?", fragte Gwyneth.
„Er ist immer noch bewusstlos", seufzte Ruben. „Das bereitet uns ein bisschen Sorgen. Sobald es Tag ist, die Soldaten bestimmt schlafen, wir unser Versteck verlassen können und die Zwillinge aufgegabelt haben, müssen wir zurück zum Schlafplatz und seine Wunden verarzten"
„Und dann nichts wie weg hier", murmelte Nyco.
„So ist es" Ruben setzte sich bequemer hin und sah uns ernst an. „Dass die Soldaten nun von unserer Existenz hier wissen, ist sehr gefährlich. Am besten reisen wir schon morgen ab"
„Ruben" Leider war es mir nicht möglich, seinen Namen ohne Husten herauszubringen. Alle sahen zu mir. „Wenn wir wieder zurück in Lakaria sind, musst du mit mir an meinem Durchhaltevermögen üben"
Er lächelte. „Klar, aber erst mal eins nach dem anderen. Stress dich nicht zu sehr"
„Ja, Rosalie, es ist erstmal wichtig, dass du dich erholst, wir die Zwillinge finden und diesen Ort verlassen", sagte Gwyneth und umarmte mich. „Du machst das ganz super. Ich war am Anfang nicht so gut wie du. Ich habe lange gebraucht, um mit meinen Blütenkräften klar zu kommen. Manchmal war ich so verzweifelt, dass ich dachte, ich lerne das nie und aus mir wird nie ne anständige Kriegerin"
„Sollen wir jetzt was dazu sagen?", brummte Charlotte und grinste frech.
Wie es aussah, meinte sie das nur teilweise böse, sondern viel mehr neckisch und freundlich, weshalb Gwyneth dies auch gekonnt ignorierte.
„Ruh dich erstmal aus", meinte sie.
„Denkst du wirklich, dass die Soldaten den Tag damit verschwenden werden, zu schlafen?", wandte ich mich an Ruben. „Ich denke eher, dass sie das Tageslicht nutzen werden, um uns zu suchen" Ich hustete erneut.
„Egal, was auftreten wird", begann er ernst. „wir müssen morgen so bald wie möglich das Versteck verlassen. Wir können keine Rücksicht darauf nehmen, ob sie schlafen oder nicht. So leid mir das tut" Er seufzte und warf dem bewusstlosen König einen kurzen, aber besorgten Blick zu. „Sonst stirbt uns der König noch weg, bevor wir seine Wunden säubern konnten. Außerdem brauchen wir was zu Essen"
Oh ja, wie Recht er damit hatte. Durch das ganze Adrenalin, das durch meinen Körper pulsiert war, war mir gar nicht klar gewesen, wie viel Hunger ich eigentlich hatte und wie lang unsere letzte Mahlzeit schon her war.
Trotz unseres Hungers, schliefen wir alle bald ein und Ruben hatte uns versichert, er würde es hören, wenn Soldaten auf uns zu kommen sollten. Und während ich einschlief, betete ich, dass er Recht behalten sollte.
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