In Aufbruchsstimmung
erzählt von Rosalie
Am nächsten Morgen stand ich so auf, dass mir genügend Zeit blieb, mich anzuziehen und zum gemeinsamen Frühstück mit den Prinzessinnen zu gehen. Es gab immer noch keine feste Sitzordnung, weil es Prinzessin Sunshine so wollte. Allerdings bestand ihre Schwester darauf, dass die Stühle von ihren Eltern frei blieben, was für uns alle- selbst für Charlotte- selbstverständlich war. Auf den Essensstuhl der im Sterben liegenden Königin zu sitzen, wäre, als würde man ihr den Tod wünschen, um ihren Stellenwert in der Gesellschaft und ihre Position einnehmen zu können. Allerdings war der Tisch groß genug, dass wir alle locker Platz hatten und keine anderen Stühle benötigt wurden.
Als ich den Raum betrat, war ich wie jeden der letzten Tage erleichtert, dass Rena nicht mit uns essen würde. Allerdings stürzten sich augenblicklich die Zwillinge auf mich und überströmten mich mit Fragen, wo ich gestern war und wann ich nachhause gekommen war. Außerdem teilten sie mir millionenfach mit, welche Sorgen, sie sich gemacht hatten. Um diese Uhrzeit schon so einen Stress...
Als es mir zu bunt wurde, stöhnte ich fast genauso genervt, wie ich sie ansah und sagte: „Ich denke nicht, dass ich verpflichtet bin, euch immer meinen Standort mitzuteilen"
„Uuuuh, ist da jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden?", scherzte Charlotte boshaft.
„Halt die Klappe", entgegnete ich.
„Woooow", kommentierte Charlotte dies wieder um und setzte sich auf einen Stuhl.
Während Nyco an uns vorbei ging, lächelte er mir ganz leicht zu und ich erwiderte es. Seltsamerweise beruhigte mich seine Anwesenheit und ich beschloss, ein bisschen netter zu sein. Allerdings stellte sich mir auch die Frage, warum er sich in mich verliebt hatte. Er hatte es schon so oft erlebt, wie zickig und unfreundlich ich eigentlich war und trotzdem schien das alles nichts an seinen Gefühlen für mich zu ändern. Dieser Kerl war wirklich merkwürdig.
„Bist du immer noch wütend wegen gestern?", fragte Ophelia und gab sich sichtlich Mühe, mich nicht noch mehr zu verärgern. „Laetitia hat das doch nicht böse gemeint. Natürlich verstehen wir, warum du deine Probleme mit Rena hast"
„Könnten wir bitte aufhören, darüber zu sprechen?", fragte ich so nett, wie mir möglich war.
Ich wollte nicht nur deswegen nicht mehr über Rena reden, weil ich das Thema leid war, sondern auch, weil ich mich in diesem Moment auf etwas anderes konzentrieren musste. Und zwar Nyco.
Mir war klar, dass es verdächtig wirken würde, dennoch fand ich es schade, dass ich bis jetzt noch nie am Tisch im Schloss neben Nyco hatte sitzen können, weil immer jemand anderes neben ihm gesessen hatte. Doch dieses Mal ergriff ich meine Chance, ging seufzend an den Zwillingen vorbei und setzte mich neben Nyco. Ich lächelte ihn an und fragte ihn leise, ob das okay war. Er antwortete nicht, doch sein breites Grinsen reichte vollkommen aus. Dies ließ mein Grinsen wieder um ebenfalls breiter werden. Oooh, es war so offensichtlich, was wir füreinander empfanden. Die Zwillinge jedenfalls hatten bei der Wahl ihres Stuhls immer darauf geachtet, nicht neben Nyco zu sitzen. Sie hatten mir immer Blicke zugeworfen, die mir eindeutig sagten, dass ich mich neben ihn setzen sollte. Doch leider war ich immer zu langsam gewesen. Außer heute. Ich freute mich wie ein Honigkuchenpferd, dass es endlich geklappt hatte.
Ich wandte meinen Kopf zu den Zwillingen und versuchte, ein verstecktes Lächeln als Symbol meiner Freude darüber, kund zu tun. Es klappte und sie freuten sich ebenfalls. Geheimkommando Nycos Sitznachbar werden hatte endlich sein Ziel erreicht. Die Zwillinge setzten sich wie immer neben mich.
Charlotte warf mir einen wissenden und fiesen Seitenblick zu, doch ich ignorierte sie gekonnt arrogant.
Langsam nahm die heutige Sitzordnung Bestand an, neben Delilah setzte sich Gwyneth, neben Gwyneth Prinzessin Sunshine, neben dieser wieder um Ruben und als Letzte setzte sich Prinzessin Luna. Sie setzte sich stets so elegant hin, wie Laetitia elegant ging.
„Ich bin wirklich nicht mehr sauer auf sie", sagte ich, während die Diener der Prinzessinnen das Frühstück, die Heißgetränke, den Speck, die Eier und den ganzen Rest hineinbrachten. „Eigentlich war ich das nie. Ich mag es nur nicht, wenn man mich zu etwas zwingen will"
Ophelia seufzte. „Das versteh ich, aber das wollte sie wirklich nicht" Dann begann sie zu lächeln und sah mich erwartungsvoll an. „Und? Was sagst du zum Buch der Fünf Krieger?"
Freudestrahlend sah ich sie an. „Es war toll. Und die Zeichnungen sind super schön. Ich werde vermutlich öfter hingehen"
„Das ist schön", lächelte Ophelia süß und warf einen Blick auf den Teil des Frühstücks, das bereits auf dem Tisch stand. „Oh mann, ich hab so Hunger!"
„Oh ja, ich auch", sagte ich.
Da stand Prinzessin Sunshine plötzlich auf und strahlte uns alle an, als sie sagte: „Meine Schwester und ich möchten unsere tiefe Dankbarkeit, nicht nur durch dieses reichliche Frühstück, zum Ausdruck bringen, sondern auch, in dem ich euch sage, dass wir vor ein paar Tagen eine Nachricht vom Soldatenbeauftragten bekommen haben. In dieser stand, dass einige Soldaten, die vorher wahnsinnig geworden sind, tatsächlich zurückgekommen sind" Sunshine schüttelte glücklich den Kopf, fast so, als könne sie es nicht glauben. „Ich weiß nicht, wie ihr das geschafft habt, aber allein das bringt uns den Frieden zumindest wieder zu einem kleinen Teil wieder" Als sie in unsere gerührten Gesichter sah und man darauf einfach nichts mehr sagen brauchte, klatschte sie in die Hände und verkündete: „Na dann, guten Hunger und dass ihr mir auch genügend isst, bevor es losgeht!"
„Nicht so voreilig, Prinzessin", lachte Ruben. „Das Frühstück steht doch noch nicht mal komplett"
„Du klingst, als würdest du selbst unbedingt mitkommen wollen, Sunshine", scherzte Gwyneth.
Während einer der Diener nach und nach jedem von uns unsere Heißgetränke auf den Tisch stellte, richteten die anderen das Essen endlich fertig an, wünschten uns einen guten Appetit und verließen den Raum.
Da seufzte die Prinzessin traurig und antwortete: „Ja, das würde ich wirklich gerne. Es ist bestimmt total cool und aufregend, all diese Abenteuer gemeinsam zu erleben. Wie gerne würde ich mal die Stadt verlassen..."
Ihre Schwester warf ihr einen scharfen Blick zu und ebenso scharf war auch ihr Tonfall: „Du weißt, dass das nicht geht. Wir können von Glück reden und haben es nur den Fünf Kriegern zu verdanken, dass Vater wieder da ist. Du weißt, dass es viel zu gefährlich für dich ist, die Stadt zu verlassen. Onkel Jonasan trachtet uns scheinbar nach dem Leben. Jetzt dürfen wir erst recht nicht die Stadt verlassen"
„Aber sicher sind wir in der Stadt auch nicht, wie man bei Vater gesehen hat", motzte Prinzessin Sunshine.
„Wenn du nicht gleich still bist, scheuer ich dir eine!", schimpfte Luna. „Wie kannst du es wagen, mir vor den Fünf Kriegern zu widersprechen?"
Augenblicklich war die schöne Stimmung, die ihre Schwester durch ihre kleine Rede aufgebaut hatte, zerstört.
Ich sah die wütende Prinzessin mit großen Augen an. Ich hätte nie gedacht, dass Prinzessin Luna so wütend werden konnte. Vor allem gegenüber ihrer Schwester. Vor allem am Frühstückstisch, an dem sie mit den Fünf Kriegern saß. Ich kann gar nicht in Worte beschreiben, wie entsetzt ich war.
Ruben, der zwischen den streitenden Prinzessinnen saß, war dies sichtlich unangenehm, räusperte sich, berührte Luna beruhigend am Arm und sagte: „Aber Prinzessin, bitte beruhige dich. Es ist doch alles gut"
Diese schnaubte, wandte ihren Blick von ihrer Schwester, legte sich eine Serviette auf die Oberschenkel und verkündete verbissen: „Nun gut, lasst uns essen"
Ruben seufzte erleichtert aus und fragte peinlich berührt in die Runde: „Kann mir jemand den Speck geben?"
Gwyneth reichte sie ihm gütig und flüsterte etwas zu ihm, woraufhin er zu lachen begann.
Eigentlich war es schon traurig, dass immer überall gestritten wurde. Allerdings musste ich auch zugeben, wie beruhigend es war, dass nicht nur ich an Streitereien beteiligt war, sondern sogar die Prinzessinnen selbst. Sonst war ich immer mittendrin, wenn's heiß her ging. So war es auch mal in Ordnung. Dennoch frustrierte es mich. Ich dachte, dass die Wesen im Paralleluniversum vielleicht zufriedener waren als die Menschen auf der Erde und darum weniger stritten, doch dies erwies sich immer wieder als falsch.
So aß ich frustriert mein Spiegelei und spann meine Gedankengänge weiter.
„Schmeckt dein Spiegelei nicht?"
Sofort, als Nycos Stimme durch mein Ohr klang, beendete ich meine Gedanken und sah ihn freundlich an und schüttelte mit dem Kopf.
„Oh nein, nein, das ist so ausgezeichnet wie immer", sagte ich.
„Bist du aufgeregt?", fragte er weiter.
„Ja, ein bisschen. Warum fragst du?"
„Du siehst so besorgt aus", sagte er und sein Gesichtsausdruck war das Spiegelbild meiner sorgenschweren Gedanken.
„Nein, ich..." Ich dachte kurz darüber nach, ob ich ihm erzählt sollte, was los war. Doch dann musste ich wieder daran denken, dass er der Einzige gewesen war, der mir vom Juwel der Ewigkeit erzählt hatte. Er war bis jetzt immer aufrichtig zu mir gewesen. Wenn es jemand verdient hatte, zu erfahren, was ich dachte, dann er. „Ich finde es nur traurig, wie oft wir uns alle eigentlich immer streiten. Ich dachte, ihr seid glücklich und würdet kaum streiten"
„Oh, du meinst wegen Prinzessin Luna und Prinzessin Sunshine, richtig?" Ich nickte traurig und aß eine Scheibe Brot mit Frischkäse. „Hm, na ja, wir sind doch auch glücklich"
„Das sieht aber nicht so aus", murmelte ich in mein Brot hinein. „Wenn ihr euch streitet, schaut ihr dabei genauso unglücklich und unzufrieden aus, wie wir Menschen. Das deprimiert mich ein wenig. Ich dachte, hier wäre alles positiver"
„Ich kann leider nicht beurteilen, wie glücklich oder unglücklich ihr Menschen auf der Erde seid, allerdings kann ich dir vergewissern, dass wir vermutlich wirklich positiver sind, als ihr" Obwohl dies ein bisschen beleidigend war, was er sagte, wusste ich, dass er Recht hatte und hörte ihm weiterhin gespannt zu. Es war ungewohnt, wenn er viel sprach, doch immer wenn er es tat, war es wichtig, was er zu sagen hatte. „Vermutlich ist eure Unzufriedenheit der Grund, warum ihr so viel zerstört und dabei das Wesentliche überseht. Wärt ihr glücklicher, wärt ihr ausgeglichener und würdet nicht versuchen, alles herauszufinden und zu töten, was ihr nicht versteht"
„Woher weißt du das alles?", fragte ich beeindruckt.
Er zuckte die Schultern und lächelte verlegen. „Nur weil ich noch nie auf der Erde war, heißt das nicht, dass ich mich nicht für sie interessiere. Außerdem lernt man in der Katzenschule viel über euch"
„Na toll", lachte ich und er stieg in mein Lachen mit ein.
„So schlimm seid ihr nun auch wieder nicht", fuhr er fort. „Ich denke, ihr macht einfach nur sehr viel falsch"
„Das hast du jetzt echt nett ausgedrückt", sagte ich belustigt.
„Es ist aber auch Fakt, dass wir naturverbundener sind als ihr Menschen und allein das, macht uns schon glücklicher und ausgeglichener"
„Meinst du?"
„Ja, ich bin mir sicher" Seine Augen glitzerten, während er sprach. „Dennoch streiten wir uns auch. Das ist doch auch normal und absolut okay. Stell dir vor, wir alle hätten immer die gleiche Meinung und würden uns nie streiten. Würden nie diskutieren. Das wäre doch furchtbar"
Ich legte nachdenklich den Finger an die Lippen. „Hm, so hab ich das noch nie betrachtet"
„Ja, siehst du" Er schien sich sehr darüber zu freuen, mir geholfen zu haben. „Du bist erst seit ein paar Monaten im Paralleluniversum und doch hast du dich schon erheblich verändert"
Das gefiel mir dann doch wieder nicht.
Ich sah ihn schockiert an und hätte fast mein Besteck und meinen Teller auf den Boden geworfen. Glücklicherweise konnte ich das noch geschickt verhindern. Charlotte warf mir einen genervten Blick zu, weil ich durch den Lärm ihre angeregte Unterhaltung mit Prinzessin Luna gestört hatte. Im Übrigen stellte ich fest, dass die beiden fast nur ausschließlich miteinander sprachen an diesem Morgen. Luna ignorierte ihre Schwester und diese hatte auch keine Lust, es noch mal zu versuchen.
„Was willst du denn damit sagen?", fragte ich entsetzt.
Er winkte verlegen ab. „Hey, hör mal, so war das jetzt nicht gemeint"
Ich wollte nicht, dass er wollte, dass ich mich veränderte! Vielleicht hatte er sich nur deshalb in mich verliebt, weil ich mich zum Besseren geändert hatte und wäre ich die Alte geblieben, würde er mich bestimmt abstoßend finden. Oh nein!
Er lächelte mich sanftmütig und verständnisvoll (und nebenbei mega niedlich!!) an und sagte: „Was ich eigentlich meinte, ich weiß natürlich nicht, wie du vorher warst, aber ich hab ein ungefähres Bild davon. Außerdem hab ich gesehen, wie du am Anfang der Mission und beim Kennen lernen warst. Seitdem hast du dich sehr verändert. Aber auch sehr zum Positiven hin, verstehst du?" Er rieb sich nervös den Kopf. „Ich hatte am Anfang das Gefühl, du wolltest nicht hier sein und würdest auf eine Gelegenheit warten, wieder abhauen zu können"
„Was? Aber ich wusste von Anfang an, dass es keine Rückkehr mehr für mich gibt", verteidigte ich mich. „Vom Juwel der Ewigkeit wusste ich damals noch nichts"
„Ich weiß", nickte Nyco. „Ich sag ja nur, dass du damals so gewirkt hast" Dann begann er wieder so mega niedlich zu lächeln. „Aber schön, dass mich mein Gefühl da getäuscht hat und du nicht weg wolltest"
Während ich rot anlief, kicherten die Zwillinge neben mir und versuchten zu verbergen, dass sie alles belauscht hatten.
„Ja, also, du warst sehr in dich gekehrt, aber ich glaube, mittlerweile hast du dich gut eingelebt und redest auch mit jedem", erklärte Nyco peinlich berührt weiter.
War das so? Doch während sein Gedanke in meinem Kopf Gestalt annahm, wurde mir bewusst, wie Recht er damit hatte. Das war wohl das, was die Zwillinge und Laetitia immer meinten, wenn sie sagten, dass ich mich in eine gute Richtung verändert hatte. Allerdings war immer noch die Frage, warum dies so war. War es die saubere Luft oder die netten Leute, die mein Bewusstsein verändert haben? Oder einfach alles zusammen?
Das Folgende flüsterte Nyco so leise, dass selbst ich, die direkt neben ihm saß, es kaum hören konnte: „Ich fand dich damals schon interessant und jetzt noch viel mehr, falls du dir darüber Sorgen gemacht hast"
Ich stutzte. Auch, weil ich mir nicht sicher gewesen war, ob das auch wirklich für meine Ohren bestimmt war. Doch scheinbar war es so, denn immerhin hatte er „du" gesagt und anschließend mir wieder in die Augen gesehen. Wow, wie es aussah, hatte er vorhin verstanden, warum ich kurz ausgeflippt war.
„Oh, ähm... vielen Dank", stotterte ich.
Die Zwillinge legten sofort die Köpfe zusammen und trotz meines kleinen Schocks, der fast mein komplettes Gehirn lahm legte, bekam ich mit, was sie einander zu flüsterten.
„Er ist definitiv der Mann aus Laettys Vision!", bemerkte Ophelia aufgeregt.
„Sehe ich genauso, beim Heiligen Humus!"
Ich verzog irritiert das Gesicht, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, was ein Heiliger Humus sein konnte.
Anschließend verlief das Frühstück relativ normal. So normal es nach Nycos ultimativer Niedlichkeit noch sein konnte. Leider wussten wir beide darauf nicht, was man noch sagen hätte können und so schwiegen wir uns an. Nyco schien es peinlich zu sein und ich war wütend auf mich selbst, da mir nichts Intelligentes oder Beruhigendes einfiel. Vielleicht konnte ich, während wir nach dem Gegengift suchten, das Thema noch mal aufgreifen, denn ich wollte das Ganze nicht so offen zwischen uns stehen lassen. Ich musste endlich eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung, ob ich Nyco eine Chance gab oder nicht.
Ein wenig darauf zogen wir alle- die Fünf Krieger sowie die Zwillinge- sich noch mal kurz in ihre Zimmer zurück, um sich frisch zu machen und die letzten Utensilien für die Reise einzupacken. Ein paar Minuten, in denen man noch mal in sich gehen konnte.
Ich dachte an all diejenigen, die mich motivierten, das Gegengift zu finden. Ich dachte hierbei an Matthew und Chi Long, an das Gesicht der Königin, an den bewusstlosen und schwer zugerichteten König, wie schockiert ich gewesen war, ihn so zu sehen. Ich dachte an all die Bewohner Lakarias, die auf uns zählten, ja ich dachte sogar an Rena. Ich wollte ihr und vor allem mir selbst beweisen, dass ich der bessere, der stärkere menschliche Part der Fünf Krieger war als sie. Dass ich zu größerem fähig und berufen war als sie. Natürlich war mir klar, wie doof es war, mit seiner eigenen Mutter zu konkurrieren und sicherlich würde mich jeder auslachen, dem ich davon erzählen würde. So beschloss ich, es für mich zu behalten und es eine meiner Motivationsgründe sein zu lassen. Niemand musste erfahren, warum ich unter anderem dies alles durchziehen wollte. Es war schlichtweg egoistisch von mir. Dennoch wollte ich auch der Königin helfen. Ich wollte sie endlich kennen lernen, ein Wort mit ihr sprechen. Vielleicht sogar ihre Hand halten, als Zeichen, dass sie mir vertrauen konnte.
Und zu guter Letzt dachte ich an meinen Vater. Auch wenn ich ihn vermutlich nie wiedersehen würde, geschweige denn, dass er mitbekam, was ich vollbracht hatte, ging ich da hinaus, auch, um ihn stolz zu machen. Klar, er war immer stolz auf mich gewesen, aber vielleicht spürte er ja, dass ich an ihn dachte und mein Herz immer bei ihm sein würde. Vielleicht spürte er, dass ich innerlich gewachsen war, dabei war zu erblühen. Und vielleicht war es mir irgendwann möglich, zu ihm zurück zu kehren und ihm alles zu erzählen, was mir auf dem Herzen lag. Alles was passiert war. Wer die Zwillinge und Laetitia waren, wie nett die meisten in Lakaria waren und oh ja, ich würde ihm alles über Nyco berichten.
Doch noch war dies leider nicht möglich. Erstmal mussten wir das Gegengift finden, es brauen, es sicher zur Königin bringen und beten, dass es wirkte. Geschweige denn, mussten wir uns beeilen. Sie durfte einfach nicht sterben, bevor wir unsere Aufgabe erfüllt hatten! Und wenn all diese Dinge erledigt waren, musste ich das Juwel der Ewigkeit erlangen und so wie Nyco es mir geschildert hatte, war das alles andere als ein Zuckerschlecken. Es fühlte sich an, als würde dies Jahre dauern. Als könnte ich meinen Vater erst sehen, wenn ich alt und grau war. Ich hoffte so sehr, dass es ihm gut ging und dass er glücklich war. Idiotischerweise hoffte ich auch, er würde seine Socken nicht überall in der Wohnung herum liegen lassen.
Bevor es endlich losging, gab uns Laetitia letzte Anweisungen zum Brauen des Gegengifts und setzte hierbei fast vollständig auf die Zwillinge, denen man ansah, dass sie ihre Freundin unter keinen Umständen enttäuschen wollten. Außerdem gab sie uns Hinweise darauf, an welchem Ort es höchstwahrscheinlich war, dass wir dort ein Johanniskraut und Lavendel finden würden. Sie zeichnete es Ruben auf der Karte ein, die er immer in seinem Würfel dabei hatte und er verstand. Sie hielt ihn auch daran, die letzten Kilometer auf seinen Geruch zu achten, da Lavendel bekanntlich einen sehr starken Eigenduft hatte. Doch es war nicht nötig, Ruben darauf hin zu weisen, immerhin war er ein Hundemensch. Das Erschnüffeln von Dingen lag ihm im Blut. Man sah ihm an, dass er Feuer und Flamme für die Mission war.
Zu guter Letzt tadelte sie uns wie eine weise Mutter, dass wir immer achtvoll mit der Natur umgehen, auf unser Lagerfeuer achten sollten und so weiter. Auch dies war im Grunde unnötig. Ich glaube, nicht mal Charlotte wäre so bescheuert, einen Wald oder so etwas aus Unachtsamkeit anzuzünden. Nun, bei mir war es wohl wahrscheinlicher. Denn ich war mir sicher, dass die Jungs auch bei dieser Mission mit mir üben wollten. Da blieb mir wohl nichts Weiteres übrig, als zu beten, dass ich durch mein Feuer nichts in Brand steckte.
Nyco legte die rechte Hand an sein Herz und sagte ernst: „Zauberin, wir werden mit aller größter Sorgfalt darauf achten, dass wir der Natur nichts tun"
Scheinbar hatte Ruben einen ähnlichen Gedanken gehabt wie ich, denn er grinste mich doof an, sah zu mir und sagte: „Ja und wir werden nicht zulassen, dass Rosalie alles abfackelt"
„Ha ha!", meckerte ich neckisch und streckte ihm kurz die Zunge raus. „Bist du etwa immer noch sauer, weil ich fast deinen Schwanz abgebrannt hätte?"
Alle außer Charlotte begannen zu lachen und sogar Laetitia und Nyco lächelten ein bisschen.
„Nun, das möchte ich euch auch geraten haben", tadelte Laetitia weiter, tat es aber halbherziger als vorher. „Ich bin mir sicher, die Zwillinge würden jeden Verstoß mir hinterher verpetzen"
Es war schön mit an zusehen, wie wir bei unserer zweiten gemeinsamen Mission endlich ein Team waren, wie wir Spaß zusammen hatten, obwohl uns die Zeit davon lief. Zu Beginn der ersten Mission hatten wir uns nur gestritten und das hatte uns unnötig aufgehalten. Ich war erleichtert, dass es jetzt anders war.
Da klatschte sie in die Hände und verkündete: „So, meine Lieben, es wird Zeit für euch, los zu gehen. Gibt immer euer Bestes und habt keine Angst! Egal, was passiert, wir werden stolz auf euch sein!"
Sie und die Prinzessinnen umarmten noch jeden von uns, ja sogar Prinzessin Luna tat es, was mich ehrlich überraschte. Scheinbar hatte sie sich von ihrem Ausraster von vorhin erholt und war nicht mehr so wütend, was mich sehr freute. Immerhin war dies hier ein Abschied auf Zeit.
Sie wünschten uns viel Glück und so folgten wir Ruben mit der Karte in der Hand Richtung Süden.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro