Der Sonnenschein findet seinen Weg zurück
erzählt von Nyco
„Das ist wundervoll", flüsterte Rosalie andächtig.
Während meiner gesamten Erzählung hatte sie kein einziges Wort gesprochen. Sie hatte mir nicht mal eine Zwischenfrage gestellt. Nichts. Sie hatte mich beeindruckt angesehen und war mir sprichwörtlich an den Lippen gehangen und so unehrenhaft das vielleicht klingen mochte, es fühlte sich fantastisch an, sie so in den Bann zu ziehen und beobachten zu können, wie süß sie war, ohne dass sie merkte, wie ich sie ansah. Es fühlte sich großartig an, dass es mir so vorkam, als würde sie nur mir allein diese niedliche, mädchenhafte Seite zeigen.
Ich lächelte glücklich.
„Woher kennst du die Geschichte, Nyco?", fragte sie schließlich doch. „Du erzählst sie, als wärst du live dabei gewesen"
Ich lachte kurz auf. „Ich kenne die Geschichte von meiner Mutter. Sie hat sie mir vor einigen Jahren so ausführlich und so lebendig erzählt, als wäre ich tatsächlich selbst dabei gewesen. Niemand kann so gut Geschichten erzählen wie sie"
„Moment" Rosalie überlegte eine kurze Sekunde. „inwiefern war deine Mutter dabei?"
„Erinnerst du dich an die Freundin von Königin Juilette?"
Es war bezaubernd und niedlich dabei zuzusehen, wie Rosalie erst nicht ganz verstand, was ich damit meinte, bis ihr schließlich doch ein Licht aufging und sie glücklich zu strahlen begann.
„Lyly ist deine Mutter?" Ich nickte. „Das ist ja cool! Sie ist tatsächlich die Freundin der Königin! Ist dann dieser Silan, den du kurz erwähnt hast, dein Vater?" Erneut nickte ich nur und freute mich über ihre Freude. „Das ist ja echt Wahnsinn! Aber hast du dann in deiner Kindheit auch viel Zeit mit den Prinzessinnen verbracht?"
Ich war sozial gesehen nicht der Hellste, weshalb ich mir in meiner Annahme nicht sicher war, doch ich hatte den Eindruck, als würde in ihrer Frage eine leichte Spur Eifersucht mitschwingen.
Ich überlegte einen Augenblick. „Na ja, als wir kleiner waren, sehr oft, dann immer weniger, weil ich natürlich zur Schule gehen musste und dadurch weniger Zeit hatte. Es ist leider ein dummer Zufall, dass ausgerechnet ich, der mit den Prinzessinnen seit Kindheitstagen an befreundet ist, einer der Fünf Krieger wird. Das Schicksal geht schon manchmal seltsame Wege, was?"
„Warum denn ein dummer Zufall?", fragte Rosalie.
„Die Leute dachten damals wohl, dass ich gar nicht von einem der Götter auserwählt wurde, sondern die Königin ihre Beziehungen spielen hat lassen"
„Oh, wie gemein...", flüsterte sie traurig.
„Na ja, so sind die Leute halt"
Ich zuckte nur mit den Schultern. Was andere von mir dachten, war mir glücklicherweise noch nie sonderlich wichtig gewesen und das war auch gut so.
erzählt von Rosalie
Ich fasste all meinen Mut zusammen, ihm die Frage zu stellen, die mich womöglich entlarven könnte. Dennoch hoffte ich, dass es nicht so war.
„Du Nyco, sicherlich wollen eure Mütter doch, dass du und Prinzessin Luna eines Tages heiratet, oder?"
Ich gab mir die größte Mühe, so zu wirken, als wäre seine Antwort total irrelevant für mich und als würde es mir nichts im Geringsten ausmachen, wenn er mit „Ja" antwortete.
„Immerhin kennt ihr euch, seitdem ihr klein seid und du bist mit dem Schloss und allem vertraut, noch dazu einer der Fünf Krieger..." Ich hörte erst auf zu sprechen, als mir klar wurde, wie uncool und auffällig ich im Moment war.
Er lächelte so undurchsichtig, dass ich nicht beurteilen konnte, ob er meine Hintergedanken herausgehört hatte oder nicht und sagte dann: „Das stimmt schon alles, aber keine unserer Elternteile würden uns je zu etwas zwingen. Außerdem wäre Prinzessin Luna gar nicht mein Typ. Ich mag sie wahnsinnig gern, auch wenn sie oft ihre Schwester total nieder macht. Aber eine Beziehung zwischen uns beiden würde wohl kaum funktionieren. Eben weil wir so gute Freunde sind" Er lachte kurz auf, als wäre der Gedanke für ihn total abwegig. Dann sah er mir tief in die Augen, so dass ich für ein paar Sekunden aufhörte zu atmen und flüsterte leise: „Noch dazu kommt, dass ich auf aufgeweckte, lebendige Frauen stehe"
Nachdem ich wieder angefangen hatte, zu atmen, lief ich dafür erstmal schön unschön rot an und stotterte: „Was... was meinst du denn mit lebendig?"
„Ohne, dass ich jetzt gemein sein möchte", betonte Nyco. „Prinzessin Luna ist meistens so unterkühlt in allem. Klar, ich bin auch nicht der Emotionalste und genau deshalb glaube ich, dass wir keine glückliche Ehe hätten. Sie ist manchmal ein bisschen zu cool. Verstehst du?"
Ich nickte nur und fragte ängstlich: „Und was ist dann mit Prinzessin Sunshine? Wenn sie nicht lebendig genug ist, dann weiß ich's auch nicht!"
Er lachte auf. „Das ist korrekt. Allerdings ist sie sieben Jahre jünger als ich"
„Na und?", sagte ich. „Das Alter ist doch gar nicht so wichtig"
„Das mag schon sein, aber mir ist sie zu jung" Nyco seufzte schwer aus. „Auch sie habe ich unfassbar gerne, aber ich denke, wenn mich ihr Alter in diesem Hinblick nicht stören würde, hätte ich mich wohl schon vor langer Zeit in sie verliebt. Und das habe ich nicht. Ich war noch nicht oft verliebt und eigentlich weiß ich auch gar nicht, wonach ich genau suche, allerdings bin ich mir absolut sicher, dass Prinzessin Sunshine nicht die Liebe meines Lebens ist"
„Woher weißt du das?"
„Weil ich dich getroffen habe, Rosalie"
Und erneut hörte ich auf zu atmen. Na toll. Wenn das weiter so ging, würde ich noch total unemanzipiert, wie eine dumme Lady aus der Renaissance, der Sturm und Drang Epoche oder sonst wann, vor dem Mann meiner Träume in Ohnmacht fallen. Oh Gott! Dann lieber atmen!
Nervös rieb ich mir den Hinterkopf und sagte: „Danke... das ist... wirklich lieb von dir"
Ich hoffte, ich könnte seine Gefühle eines Tages erwidern, doch noch war ich mir nicht sicher, ob es das Richtige für mich war. Liebe, Vertrauen, Beziehung...
Mir war klar, wie unfassbar egoistisch das von mir war.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht schon wieder in Verlegenheit bringen", sagte Nyco und schüttelte über sich selbst den Kopf. „Das war wohl ziemlich voreilig von mir. Eigentlich bin ich nicht so. Wirklich"
Ich winkte schnell ab. „Oh nein, nein, das ist schon okay. Ich danke dir für deine Aufrichtigkeit" Der Regen trommelte immer noch wie ein Bekloppter, der auf ein Schlagzeug ein prügelte, auf mein Zelt herab. Langsam machte ich mir Sorgen, wie lange es dem Dauerregen noch standhalten und ob es überhaupt jemals wieder trocknen würde. „Wenn wir schon mal darüber sprechen, denkst du, deine Mutter würde mich mögen? Und zwar nicht, weil ich der Menschliche Part der Fünf Krieger bin, sondern wegen mir. Wegen meiner Persönlichkeit"
„Davon gehe ich aus" Er legte leicht den Kopf schief. „Manchmal habe ich das Gefühl, sie hat einen Riecher für gute Wesen"
„Aber ich bin ein Mensch"
„Und?" Nycos Lächeln wurde tatsächlich ein bisschen neckisch. „Das macht doch keinen Unterschied. Vor allem nicht für meine Mutter. Denkst du, sie hasst euch Menschen?"
„Ähm, ja?", antwortete ich mit einer Gegenfrage. „Jeder hasst Menschen. Selbst wir Menschen hassen uns Menschen"
Da lachte er laut und dieses Mal länger auf. „Na, wenn du das sagst. Ich kann dir nur sagen, dass es meine Mutter bestimmt freuen würde, dich kennen zu lernen"
„Wirklich?"
„Ja, natürlich, du bist die Einzige von den Fünf Kriegern, die sie noch nicht kennt"
Aha, das war es also. Nicht, weil ihr ihr Sohn sooooo viel über mich erzählt hatte, dass sie mich unbedingt persönlich zu sich einladen musste, um mehr über mich zu erfahren. Warum auch? Wahrscheinlich hatte Nyco mit ihr nur sporadisch und oberflächlich über mich gesprochen.
Er legte nachdenklich den Finger an den Mund. „Es kann auch gut sein, dass ich vielleicht auch zu viel von dir gesprochen habe und sie darum neugierig sein könnte"
Er sagte dies in kompletter Unschuld, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er zum Einen, meine Gedanken und Sorgen gelesen und sie zum Anderen auch noch beseitigt hatte und was er dadurch in mir auslöste. Sollte dies wirklich so sein? Sprach er tatsächlich mit seiner Mutter über mich? So hätte ich ihn nicht eingeschätzt, aber es fühlte sich schön an.
„Entschuldige, wenn ich dich mit Fragen löchere, Nyco", begann ich, doch er unterbrach mich sofort: „Du kannst mich gerne alles fragen, ist schon gut"
Ich nahm ihn beim Wort und fragte das, was mir seit meinem Besuch bei Tai und Melissa auf dem Herzen lag.
Ich seufzte lange aus, bevor ich zu sprechen begann: „Ihr alle habt ja eine Zeichnung von mir im Buch der Fünf Krieger lange Zeit, bevor ich Lakaria betreten hatte, gesehen. Was waren so eure Gedanken, als ihr mein Gesicht das erste Mal gesehen habt?"
Ich verallgemeinerte die Frage mit voller Absicht, denn es wäre viel zu auffällig und unmöglich, ihn zu fragen, was er dachte. Es war leichter zu fragen, was alle dachten.
Er dachte kurz nach und schien meine Frage nur ein bisschen eigenartig zu finden und antwortete schließlich: „Nun ja, ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber Gwyneth war sehr entzückt, die Zeichnung von dir zu sehen. Sehr im Gegensatz zu Charlotte. Sie meinte damals, dass du sowieso nie deinen Hintern hier her bewegen würdest"
„Das hat sie so gesagt?", fragte ich schockiert.
Wobei ich von Charlotte im Grunde genau diese Reaktion auf mich erwarten hätte können, weshalb Schock nicht ganz das richtige Wort dafür war.
„Sie hat es so ziemlich mit denselben Worten gesagt, ja" Er seufzte aus und schien sich bei dem Gedanken an Charlottes Boshaftigkeit zu verspannen. „Ruben hielt daraufhin ein, dass wir nie die Hoffnung aufgeben dürfen und die Zwillinge dich bestimmt hierher bringen werden. Ich glaube, insgeheim wollte er dich kennen lernen" Ein kurzes Lächeln durchflackerte Nycos Gesicht. „Tja und ich... ich war da eher neutral"
Bei dieser Aussage entglitten mir dezent die Gesichtszüge und so erkannte Nyco, trotz seiner wenigen Ahnung im Umgang mit Anderen, dass das wohl nicht die Antwort gewesen war, die ich erhofft hatte. Dumm gelaufen. Für mich.
Er begann, nervös herum zu drucksen und rieb sich den Hinterkopf. „Also... ich hatte nicht konkret einen Gedanken, ich war einfach interessiert, wie du aussiehst, ob du deiner Mutter... Rena... wirklich so ähnelst, wie die Zwillinge und Laetitia behaupten"
Es war irgendwie niedlich, dass er sich gleich korrigiert hatte. Wahrscheinlich wusste niemand so gut wie er, wie sehr ich es hasste, akzeptieren zu müssen, dass diese Frau mich geboren hatte. Immerhin hatte ich live vor ihm einen Nervenzusammenbruch erlitten und ich konnte davon ausgehen, dass er dies so schnell nicht vergessen würde- obwohl das angenehmer für mich wäre.
„Ich fürchte, ich sehe ihr verdammt ähnlich", seufzte ich wenig begeistert. „Ich verstehe wirklich nicht, was du in mir siehst"
Nyco lächelte daraufhin süß. „Es ist egal, wer deine Mutter ist und ob du sie magst oder nicht. Ich mag dich, wegen dir. Weil du das bist, was du bist, verstehst du? Du verstellst dich nicht, bist ehrlich und temperamentvoll. Vielleicht mögen Leute wie Charlotte das nicht an dir, aber ich mag so was. Wesen, bei denen ich weiß, woran ich bin"
Am liebsten hätte ich ihn widersprochen, denn eigentlich war ich nicht so ehrlich zu ihm, wie er dachte, denn wenn ich wirklich, wirklich ehrlich war, wollte ich mit ihm zusammen sein, seine Freundin werden und so viel Zeit mit ihm verbringen, wie es uns möglich war. Ich wollte endlich die Dinge entdecken, von denen alle – und vor allem die Zwillinge- sprachen. Doch noch war ich nicht dazu bereit, ihm das zu sagen. Zum Teil auch deswegen, weil ich nicht wusste, ob eine Beziehung das Richtige für mich war, geschweige denn, ob eine Beziehung zwischen zwei der Fünf Kriegern klappen würde. Ich war schlichtweg viel zu ängstlich.
Unabhängig von meinen Gedanken, die Nyco glücklicherweise nicht hören konnte, redete er weiter: „Es wäre tausendmal schlimmer für mich, wenn du keine Persönlichkeit oder eigene Meinung hättest. Wenn du ein Mitläufer wärst, die nie etwas zu irgendetwas oder irgendjemanden äußert. So was finde ich schlimm. Ich weiß, ich bin selber eher der passive Typ, aber Wesen mit einem starken Willen faszinieren mich. So Wesen wie du"
Ich wollte gerade etwas darauf erwidern, als der Regen urplötzlich aufhörte, auf uns herab zu prasseln und augenblicklich Gwyneth's glückliche Stimme durch das gesamte Lager zu hören war.
„Es hat aufgehört! Leute, es scheint wieder die Sonne!", schrie sie.
Ich musste sie gar nicht sehen, um zu wissen, dass sie womöglich wie eine Irre auf der Stelle hüpfte und sich wie ein kleines Kind darüber freute. Da wurde es mir erst bewusst, dass ich gar keine Ahnung hatte, wie lange es überhaupt geregnet hatte. Das Gespräch mit Nyco, sowie seine Erzählung über König Theorus und Königin Juilette hatte mich so mitgenommen, so mitgerissen, dass ich die Außenwelt um uns herum komplett vergessen hatte.
An ihrer Seite konnten wir Ophelia und sogar Delilah fröhlich aufjubeln hören. Nyco und ich sahen uns an und begannen zu lachen.
„Komm, lass uns rausgehen", sagte ich und lächelte Nyco an, dieser nickte und verwandelte sich in seine Katzenform.
Ich öffnete den Zelteingang, hielt ihn für Nyco offen, so dass er hin durchschlüpfen konnte und ich folgte ihm.
Beiden blieben wir vor dem Eingang stehen und lächelten, als wir nach Stunden des strömenden Regens endlich wieder Sonne zu Gesicht bekamen. Dies wäre der perfekte Augenblick für einen Regenbogen gewesen, doch ich nahm an, dass es so was im Paralleluniversum nicht gab, sonst wäre schließlich einer aufgetaucht.
Es war, als wäre die Sonne nach dem Regen eine Metapher für die Liebe des Königspaares, die aus eher negativen Gründen- der Boshaftigkeit Jonasans- die dunkle Welt zum Leuchten brachte. Vielleicht wollte die Sonne mir allerdings auch Mut machen, zu meinen Gefühlen für Nyco zu stehen. Doch wahrscheinlich wollte sie einfach nur, dass wir die Königin retteten.
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