Der erste Wandel
erzählt von Rosalie
Es grenzte an ein Wunder, dass ich mich in all meiner Wut nicht im Schloss verlief. Aber so war es gut.
So war ich in der Lage, augenblicklich zum Bahnhof von Schloss-Marktplatz zu gehen, den ich glücklicherweise auch sofort wieder fand. Scheinbar war meine geografische Orientierung wesentlich besser, wenn ich wütend war. Oder ich hatte mir Lakaria besser eingeprägt, als mir bewusst war.
Mit Tränen getränkten Augen, schaffte ich es, allein die richtige Fahrkarte zu lösen, ja sogar in die richtige Bahn zu steigen, die zuerst nach La Fleur und anschließend nach Wufflia fuhr, was ebenfalls ein kleines Wunder war. Immerhin konnte ich kaum das Display lesen und musste mir immer wieder die Tränen weg wischen. Die Leute sahen mich merkwürdig an, doch das war mir egal. Auch, dass es womöglich einen falschen Eindruck machen würde, wenn eine von den Fünf Kriegern heulend mit der Straßenbahn herum fuhr. Doch die Leute schienen ein wenig eingeschüchtert von mir zu sein, denn niemand sprach mich an, was sehr freundlich von ihnen war. Wenn ich so wütend war, wie in diesem Moment, war es besser, wenn ich mit niemanden sprechen musste. Ich war leider eine dieser Menschen, die zu jedem pampig waren, wenn ich einen miesen Tag hatte. Und den hatte ich dank Laetitia.
Natürlich war mir trotz all meiner Wut klar, dass Laetitia nichts für meine Enttäuschung konnte, dennoch mochte ich es nicht, wenn Leute mir weiß machen wollten, was für ein toller Mensch Rena war. Ich vertraute der Zauberin und verehrte sie sogar ein bisschen, doch trotzdem konnte sie sich nicht alles rausnehmen, was ihr in den Kopf kam. Sie hatte nicht das Recht, mich diesbezüglich zu überreden. Dieses Recht hatte niemand und egal, wie oft mir das jemand sagen würde, ich würde meinen Standpunkt und meine Meinung gegenüber Rena nicht ändern. Laetitia konnte ja schon von Glück sprechen, dass ich meine ursprünglichen Pläne geändert hatte, um mit ihr das Buch der Fünf Krieger besichtigen zu gehen. Das hätte ich für kaum jemanden getan. So nett war ich eigentlich nicht.
Es dauerte nicht mal eine halbe Stunde, bis ich in Wufflia ankam. Natürlich hätte ich auch das Element Luft rufen und einfach in die Straße der Gefallenen fliegen können, aber das hätte bestimmt Ärger gegeben. Immerhin gab es Hundemenschen, die das Viertel der Soldaten bewachten und von denen musste man sich durch checken lassen. Auch, wenn man der menschliche Part der Fünf Krieger war. Außerdem brauchte ich diese Fahrt irgendwie, um runter zu kommen. Ich wollte bei Matthew und Chi Long ja nicht total angepisst sein, sondern erst mal Zeit gewinnen, um wieder einigermaßen ich selbst zu werden. Hm, vielleicht hatte ich auch wieder ein bisschen überreagiert, aber nun ja... beim Thema Rena war ich halt meeeeega empfindlich. Das konnte man mir einfach nicht verübeln.
Tatsächlich hatte ich heute –zumindest was Geografie betraf- einen guten Tag und fand sogar zum Tor, hinter dem sich die Straße der Gefallenen befand. Ich ließ mich trotz meiner Stellung von den Hundemenschen durch checken, die heute dort Dienst hatten und beantwortete ihnen sogar die Frage, warum ich alleine in das Viertel wollte. Meine Güte, war ich froh, dass ich zu Zeiten der Mauer in Deutschland noch nicht gelebt hatte. Das musste doch alles unfassbar kompliziert gewesen sein.
Relativ freundlich sagte ich ihnen, dass ich privat hier war, um Freunde zu treffen. Da sahen sie mich verwirrt an. Wow, war es für Hundemenschen wirklich so unvorstellbar, dass Soldaten Freunde sein konnten? Scheinbar hatten sie vergessen, dass Soldaten – genau wie ich- Menschen waren. Menschen, in einem Paralleluniversum, in dem es eigentlich nur Mischwesen, Engel oder Riesen gab.
Jedenfalls ließen sie mich durch. Allerdings war ihnen vermutlich bewusst, wenn sie es nicht getan hätten, hätten ich ihren Ärschen wortwörtlich Feuer unterm Hintern gemacht.
Endlich stand ich also im Viertel der Soldaten und fühlte mich gleich viel besser. Nicht nur, weil ich mein Ziel von heute morgen erreicht hatte - nein, irgendwas war anders. Die Stimmung im Viertel, die Umgebung und alles wirkte entspannter und fast so, als wären wieder mehr Menschen auf den Straßen.
Meine Glückssträhne meinem geografischen Vermögens betreffend, war jedenfalls vorbei, denn leider hatte ich keine Erinnerung mehr daran, welches Haus das von Matthew und Chi Long war. Als ich das erste Mal hier gewesen war, hatte ich nicht aufgepasst und mich nur auf die Umgebung und die einschüchternde Atmosphäre konzentriert. Tja, das wurde mir jetzt zum Verhängnis. Zum Glück waren wie gesagt, wesentlich mehr Menschen auf den Straßen, als beim letzten Mal. Da musste ich ja auch zugeben, dass es so gut wie niemand gewesen war. Das Viertel hatte damals eher gewirkt, als sei der zweite Weltkrieg dort ausgebrochen und dies wäre die Ruhe nach dem Sturm gewesen.
Heute war nichts mehr davon zu sehen und so fragte ich ein paar Leute und hoffte, dass sie die Beiden kannten. Auch hier hatte ich Glück. In der Straße der Gefallenen schienen sich alle untereinander zu kennen, wie in einem kleinen Dorf in Bayern. So war ich in der Lage, das Haus von Matthew und Chi Long sofort wieder zu finden. Nur dieses Mal merkte ich mir den Weg dahin und wie das Gebäude aussah. Nicht, dass ich beim nächsten Mal schon wieder Fremde fragen musste.
Ich seufzte erleichtert aus, als ich klingelte. Freudestrahlend, wie ein richtiger Casanova, öffnete mir Matthew die Tür und schloss mich augenblicklich in seine muskulösen und trainierten Arme.
„Ja, schau mal, wer da ist!" Er löste die Umarmung und sah mich gespielt beleidigt an und zog einen Schmollmund. „Wir dachten schon, du hättest uns vergessen Jetzt, wo du so mächtig bist"
Peinlich berührt kratzte ich mich am Hinterkopf. „Na ja, so mächtig bin ich nun auch wieder nicht. Und ich muss euch beichten, dass mich Laetitia, also die Zauberin aus La Fleur, aufgegabelt und mitgenommen hat"
„Das klingt, als hätte sie dich entführt", lachte Matthew und bat mich ins Haus.
Während ich ihm erzählte, wohin mich Laetitia geführt hatte, folgte ich dem großen Soldaten ins Wohnzimmer, in dem wir beim letzten Mal alle zusammen gesessen hatten.
„Das Buch der Fünf Krieger ist schon was Cooles", sagte Matthew anschließend.
„Hast du es auch schon gesehen?", fragte ich ihn und setzte mich auf die Couch.
„Ja, wir beide und ein paar andere Soldaten wollten es unbedingt mal anschauen und so sind wir zu sechs oder so ins Schloss" Dabei grinste er breit wie ein Schuljunge.
Ich sah ihn mit großen Augen an. „Darf man das denn so einfach?"
„Nun, man muss vorher den Wachen am Eingang schon sagen, was man will" Dann zwinkerte er mir verschwörerisch zu. „Wobei du das wahrscheinlich nicht machen musst"
Ich lachte. „Nein, wohl eher nicht" Ich räusperte mich und sah mich suchend um. „Wo ist eigentlich Chi Long? Ich hoffe, er ist mich nicht suchen gegangen" Ich seufzte. „Es tut mir total Leid, dass ich euch den halben Tag warten hab lassen"
Matthew winkte schnell ab. „Ach, das ist kein Problem. Als Soldaten mussten wir noch viel länger auf Dinge warten"
Augenblicklich verzog ich mein Gesicht und mir wurde unbehaglich und schlecht. Ich konnte mir vorstellen, dass Soldaten lange auf Gegner warten mussten, um sie dann zu erschießen. Oh Gott.
Da lachte Matthew laut auf und klopfte mir aufmunternd und ziemlich fest mit seinen Händen auf meinen Rücken, woraufhin ich heftig anfing zu husten.
„Hey, kein Grund, gleich so blass zu werden. Entspann dich"
Ich hustete ein letztes Mal, sah ihn an und hielt mir panisch die Hände an die Wangen.
„Tatsächlich? So ein Mist"
Er lachte weiter und versicherte mir, dass alles gut sei. Dass er nie wieder jemanden töten musste. Ich hoffte es so sehr- für ihn, für Chi Long und für jeden Soldaten im Viertel. Ja, für jeden Soldaten auf der ganzen Welt.
Endlich trat Chi Long ins Wohnzimmer- bepackt mit einem Tablett voller Tassen, Milch und Zucker. Wie beim letzten Mal hatte er es sich nicht nehmen lassen, die Getränke vor zu bereiten. Wobei sich mir an diesem Tag die Frage stellte, woher er wusste, dass ich einen Tee trinken wollte. Und auch noch welchen Tee genau.
Als er mir diese Frage beantwortete, tat er dies in gewohnter Emotionslosigkeit: „Ich bin davon ausgegangen, dass du einen Tee trinken möchtest. Außerdem beruhigt er und das kannst du bestimmt brauchen"
„Super, Chi Long, gleich unseren Gast zu beleidigen", lachte Matthew und ich begann ebenfalls sofort zu lachen an.
„Oh nein, das ist schon okay", prustete ich. „Ein bisschen Beruhigung brauche ich wohl immer und wenn nicht, dann bin ich krank"
„Genau das war mein Gedankengang", bestätigte Chi Long sachlich und schien nicht zu verstehen, warum Matthew und ich lachten.
Irgendwann hatten wir beide uns beruhigt und Chi Long hatte mir währenddessen heißes Wasser in meine Tasse, sowie sich selbst Milch in den Kaffee geschüttet. Um genau zu sein, beendete Chi Long das Ganze mit seiner ernsten Frage, ob Matthew wieder drei Schütter Zucker und Milch in seinen Kaffee wolle. Wow, es war erstaunlich, wie gut er seinen Freund kannte. In diesem Moment hatte ich die Hoffnung, dass wir Fünf Krieger uns auch eines Tages so gut verstehen würden, damit wir solche Kleinigkeiten voneinander wussten. Doch bis dies geschehen war, waren wir vermutlich alt und gebrechlich.
Resigniert seufzte ich, als Matthew sich bei Chi Long für seine Zuvorkommenheit bedankte. Anschließend sah er mich an und fragte: „Also, schieß los, was liegt dir auf dem Herzen?"
„Warum sollte mir was auf dem Herzen liegen?", gegenfragte ich.
„Na, es wird doch einen Grund geben, warum du uns besuchen kommst" Zur Unterstützung seiner Aussage, sah er Chi Long an, der an seinem Kaffee schlürfend in meine Richtung nickte und ihm so beipflichtete.
„Ich wollte euch einfach sehen", gab ich wahrheitsgemäß zu.
„Aha, mag schon sein, aber so ganz glaube ich dir das nicht", piesackte mich Matthew belustigt weiter.
Ich senkte verlegen den Kopf, seufzte und gab endlich den wahren Grund an: „Nun, dass ich euch sehen wollte, stimmt natürlich trotzdem. Doch der Grund dafür ist der, dass ich mich irgendwie in letzter Zeit nicht so gut gefühlt habe"
„Meinst du gesundheitlich?", fragte Matthew sichtlich besorgt.
Doch ich winkte sofort energisch ab. „Nein, nein, das ist es nicht. Eher so seelisch, versteht ihr. Während der Mission habe ich ziemlich heftige Dinge erfahren und irgendwie komme ich nicht so gut damit klar, wie ich es gerne tun würde"
„Hm, es hat in Lakaria schon die Runde gemacht, dass du in der Wüste deiner leiblichen Mutter begegnet bist", murmelte Chi Long in seinen Kaffee. „Es war vorauszusehen, dass es bald passieren wird. Immerhin lebt ihr beide in derselben Stadt, die noch dazu nicht sonderlich groß ist"
„Als wir davon gehört hatten, haben Chi Long und ich uns schon gedacht, dass dich das komplett aus der Bahn werfen wird", sagte Matthew beunruhigt.
„Aber nicht nur das", fuhr ich fort. „Außerdem habe ich von Nyco kurz darauf erfahren, dass es ein Juwel der Ewigkeit gibt"
„Oh weh, ich ahne, worauf du hinaus willst" Matthew sah mich mit zusammen gebissenen Zähnen gequält an.
„Richtig" Ich seufzte traurig aus. „das macht mein Verhältnis zu Rena noch schwerer. Dennoch bin ich dankbar, dass es mir Nyco gesagt hat" Bei dem Gedanken an ihn wurde mir ganz warm ums Herz und dummerweise fing ich trotz des traurigen Themas, an zu lächeln. „Er hat es mir gesagt, weil er sich nicht wohl dabei gefühlt hat, mir dieses wichtige Detail zu verschweigen. Er war der Ansicht, ich sollte es wissen"
Da begannen auch Matthew- ja, sogar Chi Long- an zu lächeln und Matthew sagte spitzbübisch: „Aha, da mag wohl jemand den Katzenmenschen"
Ich brachte nicht mehr heraus, als nur belanglose Wörter. Widerstand war zwecklos.
„Wow, das ist ja toll!", freute sich Matthew sichtlich.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich in einen Katzenmenschen verliebst", überlegte Chi Long und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Du fühlst dich so zu den Soldaten hingezogen, dass ich der festen Überzeugung war, du würdest dich in einen von uns verlieben. Nicht, dass ich arrogant oder narzisstisch sein möchte"
Matthew begann erneut zu lachen an, während ich dunkelrot anlief.
„Woher weißt du, dass ich mich zu euch hingezogen fühle?", fragte ich und kam mir vor wie ein dummes Schulmädchen, das keine Ahnung vom Leben hatte.
Chi Long sah an der Seite seiner Tasse allwissend vorbei zu mir, stellte anschließend seine Tasse ab und sagte: „Nun, das ist deutlich zu sehen. Hätte ich unrecht, wärst du heute nicht hier" Ich starrte ihn verdutzt an. Das stimmte wohl. „Die wenigsten betreten unser Viertel freiwillig. Das liegt wohl daran, dass die meisten Angst vor uns haben. Warum auch immer. Noch dazu kommt, dass Soldaten – genau wie du- Menschen sind. Und im Paralleluniversum gibt es nicht viele Menschen. Da ist es nur verständlich, dass du dich bei uns wohl und zugehörig fühlst"
„Und ich hätte nicht erwartet, dass du so viel reden- geschweige denn- kombinieren kannst, Chi Long", lachte Matthew beeindruckt.
„Tja, ich schätze, du hast mich erwischt" Ich verzog ertappt das Gesicht und kratzte mich erneut am Hinterkopf.
Matthew lehnte sich auf seinem Sessel zurück, ging in die typische Denkerpose und murmelte, mehr zu sich selbst, als zu Chi Long und mir: „Ein Katzenmensch. Sehr interessant. Mhm, mhm" Anschließend wandte er sich wieder an mich. „Als ihr bei uns wart, ist er mir kaum aufgefallen. Er scheint ein genauso schweigsamer Weggefährte zu sein wie Chi Long" Er warf einen netten Seitenblick auf seinen Freund zu.
Ich lächelte. „Ja, das ist er. Er redet unfassbar wenig, aber genau das finde ich irgendwie faszinierend an ihm"
„Mag er dich denn auch?", fragte Matthew unverblümt.
Bevor ich antworten konnte, murmelte Chi Long böse in die Richtung seines Mitbewohners. „Also bitte, Matthew, das kannst du doch nicht einfach fragen"
„Warum nicht? Wenn er sie nicht mag, dann gibt es noch etwas, worüber sie sich Sorgen machen sollte"
„Was meinst du denn damit? Worüber sollte ich mir denn Sorgen machen?", unterbrach ich den Disput der Beiden.
Beide sahen mich an und Matthew antwortete: „Ich meine, das mit deiner Mutter und dem Juwel der Ewigkeit"
„Sie ist nicht meine Mutter", erwiderte ich böse.
„Oh, ähm... siehst du, genau das"
„Darüber gibt es nichts mehr nachzudenken. Das ist für mich Schnee von gestern", motzte ich und verschränkte bockig meine Arme voreinander. „Laetitia hat mir bereits vorhin gesagt, dass ich meine Hassgefühle hinter mir lassen sollte. Dass dies auch der Wunsch von Rena wäre. So werde ich es nicht nur ihr, sondern auch euch sagen, dass ich mich nicht umstimmen lasse"
„Wow, bei dem Thema bist du echt empfindlich, was?", kam es unbeeindruckt von Matthew.
„Ich habe keine Mutter. Basta"
„Es ist verständlich, dass sie das so sieht, Matthew", murmelte Chi Long und trank an seinem Kaffee. „Aus ihrer Sicht war ihr Rena wirklich nie eine Mutter. Es ist zwar traurig, es so auszusprechen, dennoch ist es die Wahrheit"
„Danke", sagte ich gereizt. „endlich mal einer, der meine Lage versteht"
„Ich bin mir sicher, die Zauberin hat sie auch verstanden", entgegnete Chi Long.
„Könnten wir das Thema bitte sein lassen?", meckerte ich weiter, gab mir allerdings die größte Mühe, nicht erneut so auszuflippen, wie vorhin bei Laetitia. Wutausbrüche hatte ich heute genügend gehabt.
„Na gut" Matthew schien nicht erfreut darüber zu sein, dennoch akzeptierte er es und wiederholte seine vorherige Frage: „Also, mag dich Nyco auch?"
Ich atmete kurz ein und aus, bevor ich ihm antwortete: „Ich schätze ja. Zumindest hat mir in der Wüste mehr oder weniger seine Liebe gestanden"
„Mehr oder weniger? Meine Güte!" Matthew schüttelte den Kopf. „Also manchmal versteh ich die Bewohner von Lakaria einfach nicht"
Ich seufzte tief ein und aus und begann, die beiden darüber aufzuklären, wie genau es möglich war, jemanden mehr oder weniger die Liebe zu gestehen. Als ich fertig war, lachte Matthew laut auf: „Der Typ hat es wirklich nicht mit Worten, oder? Wow, und ich dachte, Chi Long wäre schon ein Dummkopf, was das betrifft"
Chi Long räusperte sich und warf seinem Freund einen bösen Blick zu, der diesem eindeutig vermitteln sollte, dass er wohl besser die Klappe halten sollte. Ich begann zu lachen. Eigentlich war die Lebenslage mit Nyco schon komisch und echt seltsam. So kam es, dass ich den beiden Soldaten auch von den vielen anderen Situationen berichtete, in denen das Verhalten von Nyco mich sehr verwirrt hatte. Seine Rettungsaktionen, warum er gern und scheinbar besser bei mir schlief, warum er nach meinem Ausraster in der Wüste wegen Rena zu mir ins Zelt gekommen war und vieles mehr. Nyco war ein einziges Rätsel. Doch so wie Matthew und Chi Long da saßen, war er dies scheinbar nur für mich.
„Der Typ hat dich wirklich gern" Matthew nickte sich selbst zustimmend zu. „Das ist nur all zu offensichtlich"
„Sein Name ist Nyco", murmelte Chi Long mürrisch. „Ihren Schwarm ständig als der Typ zu bezeichnen, ist sehr unhöflich"
Ich winkte belustigt ab. „Ach, so schlimm ist das nun wirklich nicht"
„Siehst du?", sagte Matthew und streckte seinem Freund die Zunge raus. „Rosalie versteht meinen Humor"
„Welchen Humor? Ich sehe keinen", erwiderte Chi Long hingegen trocken.
„Ihr seid wie ein altes Ehepaar", lachte ich.
„Wir kennen uns ja auch schon ewig. Da ist das wohl normal" Matthew kratzte sich am Hinterkopf.
Das mochte wohl stimmen, allerdings hatte eine Außenseiterin wie ich, mit der noch nie jemand etwas zu tun haben wollte, keine Ahnung davon. Ich war froh, dass mir die Zwillinge geblieben waren, obwohl ihnen ihr Ziel, mich nach Lakaria zu locken, gelungen war. Doch diesen traurigen Gedanken schob ich sofort wieder aus dem Weg. Ich wollte heute nicht mehr wütend oder traurig sein. Ich wollte fröhlich sein. Ich konnte einfach nicht aufhören, über die Beiden zu lachen. Sie kabelten sich immer weiter, bis ich sagte: „Danke. Ich wusste, ihr würdet mir für die nächste Mission wieder Kraft geben"
Sofort beendeten sie ihre kleine Auseinandersetzung, starrten mich zuerst verwundert an und lächelten dann schließlich (ja, auch Chi Long).
„Das ist also der wahre-wahre Grund, warum du hier bist", grinste Matthew.
Ich zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, es gab mehrere Gründe, aber das ist wohl der größte davon"
„Du bist wirklich eigenartig", murmelte Chi Long in seinen Kaffee und fing sich einen bösen Blick von Matthew ein.
„Ach, und das ist jetzt nicht beleidigend, oder wie?"
Und damit startete er eine erneute Diskussion, die ich augenblicklich wieder mit meinem Lachen beendete.
„Hört mal, es ist schon okay, ich bin froh bei euch sein zu können und freue mich euch zu sehen. Für heute war ich traurig genug", winkte ich ab.
„Wegen Laetitia?", fragte Matthew ernst.
Ich nickte. „Ja, ich mag es nicht, wenn man mir etwas einreden will"
„Das ist nachvollziehbar", kommentierte Chi Long.
Anschließend gaben sie mir Tipps wegen Nyco (was mir reichlich seltsam vorkam), wir redeten über die anderen vier Krieger, dass sie Charlotte auch nicht leiden konnten (gut, wer konnte das schon?) und sie machen mir Mut, mich nicht so fertig zu machen. Sie waren sich sicher, dass ich die zweite Mission locker schaffen würde, immerhin hatte ich meine erste auch super überstanden. Nun, da mochten sie womöglich recht haben. Denn die erste Mission war nicht unbedingt optimal verlaufen, was zum Teil auch meine eigene Schuld war. Mein Bedürfnis, etwas tun zu wollen und zu zeigen, was ich konnte, hatte mich mehrfach in Gefahr gebracht, allerdings auch Gwyneth gerettet. Man konnte es wohl sehen, wie man wollte.
Auch, dass uns Rena scheinbar gefolgt war, und mir ständig auf die Nerven gegangen war, hatte uns eher behindert, wie geholfen. Natürlich musste ich zugeben, dass es hilfreich gewesen war, dass sie den König mit nach Lakaria genommen hatte. Wer wusste, was uns sonst auf der Heimreise geschehen wäre?
Ich erzählte den Beiden, dass es mir immer noch seltsam vorkam, dass uns die Soldaten nicht bis hierher gefolgt waren und dass ich den Eindruck hatte, ob nicht Rena etwas damit zu tun haben könnte. Matthew wollte mich beruhigen, mir sagen, dass ich mir dies sicherlich nur einbildete, doch Chi Long zog meine Überlegung in Betracht, weil Rena uns in die Wüste gefolgt war und sie scheinbar meine Nähe suchte. Daraufhin motzte ich, dass ich sie gar nicht in meiner Nähe haben wollte.
„Du solltest froh sein, eine Familie zu haben, Rosalie", tadelte mich Chi Long und sah mich lehrerhaft an.
Ich seufzte lange aus und murrte: „Ich weiß. Du hast ja Recht, aber... ich kann sie einfach nicht leiden. Auch, wenn ich weiß, dass es einiges erleichtern würde"
Matthew berührte mich aufmunternd an der Schulter und sagte: „Darüber brauchst du dir echt keine Gedanken zu machen. Manche Menschen werden einen einfach nicht sympathischer. Es fühlt sich einfach falsch an und daran kann und sollte man auch nichts ändern. Wenn dir dein Gefühl sagt, irgendwas stimmt nicht, dann ist das auch meistens so"
„Na ja, aber sie hat mich geboren", murmelte ich und vermied penetrant das Wort Mutter.
„Trotzdem ist sie für dich eine Frau, die du erst kennen gelernt hast", überlegte Matthew. „Und scheinbar bist du jemand, der nur schwer Vertrauen zu jemanden aufbauen kann, auch wenn es die Frau ist, die dich geboren hat. Die meisten Menschen, die adoptiert wurden, erkennen ihre leibliche Mutter und fühlen sich zu ihr hingezogen. Vielleicht passiert das bei dir auch noch, vielleicht auch nicht" Er begann mich aufbauend anzulächeln. „Aber meiner Meinung nach, ist das nicht wichtig. Du solltest es akzeptieren, Rena sollte das und wir alle anderen auch"
Ich sah ihn mit voller Dankbarkeit an. „Das ist wirklich lieb von dir. Vielen Dank"
„Nichts zu danken", grinste er. „Wir Soldaten haben doch auch ein Problem mit der Intoleranz der Leute. Klar, Lakaria ist toleranter als viele Stadtstätte, aber dennoch gibt es viele, die uns als Feind ansehen"
„Das ist wirklich schade", seufzte ich.
„Und nicht zu ändern" Matthews Grinsen wurde breiter. „Manche Leute sind einfach dämlich. Auch wenn es Mischwesen, Engel oder sonst was sind"
Erneut warf ihm Chi Long einen bösen Seitenblick zu. „Tolle Lebenstipps gibst du da"
„Was denn? Ich hab doch Recht!"
„Du bist ein Idiot und Idioten sollten keine Ratschläge geben"
„Und du nicht, oder was?"
Ich begann erneut zu lachen.
Ich blieb noch ungefähr eine Stunde, da mir die Jungs ein Abendessen, das Chi Long gekocht hatte, anboten. So blieb ich, bis es zu dämmern begann. Erst dann trat ich den Nachhauseweg an, obwohl ich nun wirklich nicht wollte. Am liebsten hätte ich bei den Jungs übernachtet. Ich hatte trotz ihrer Worte und Ratschläge Bedenken und Ängste, ob alles gut werden würde. Ob wir ein Gegengift für die Königin finden würden. Ob Laetitia überhaupt Recht gehabt hatte, dass Gift, das zusammen gemischt wurde, der Auslöser für ihre Symptome gewesen waren. Natürlich hatte ich mit ihnen auch darüber gesprochen und beide hielten es für möglich. Chi Long erzählte, dass die Pflanzen hier eine stärkere Wirkung hätten, als auf der Erde. Dass zum Beispiel die Besenheide (was war dass denn jetzt schon wieder??)', die hier wuchs bereits in kleinen Dosierungen bei Nierenproblemen half. Wenn man eine Besenheide von der Erde verwendete, bräuchte man mehr, sagte Chi Long. Allerdings fiel Matthew ihm ins Wort, da die Besenheide ein schlechtes Beispiel war, weil sie immer in kleinen Dosierungen half.
„Nun, ich denke, du hast verstanden, was ich dir erklären wollte", sagte Chi Long und ich nickte: „Ja, das ist interessant zu wissen"
„Also, wenn ihr das Gegenmittel findet, braucht ihr kaum etwas. Verstanden?", beharrte Chi Long.
Ich nickte so eifrig ich nur konnte.
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