08 - Wird schon (wieder)
LÄCHEL DOCH MAL
08 — Wird schon (wieder)
❝ Wir klär'n uns ein paar Bitches
und dann wird das schon. ❞
pov ⸻ nico
[Gegenwart; Februar, 2024]
»Bist du heute Abend dabei?«, fragte mich Maxim, den Rucksack lässig über die Schultern geschwungen, einen Fuß schon halb in der Tür.
»Ja, Dicker, komm mit, das wird bestimmt lustig«, stimmte Tarek zu, der ebenfalls startklar schien.
Ich drehte mich auf meinem Stuhl zu ihnen um und musterte sie abwechselnd.
Déjà-vu. Die gleiche Frage. Die gleiche Aufforderung. Und dieses gleiche unterschwellige Gefühl, dass ich nicht wirklich Nein sagen kann.
»Von wem ist die Party?«, fragte ich genervt, mehr zu mir selbst als zu ihnen. Lust auf Saufen hatte ich schon, aber nicht auf 'ne Riesenparty mit dröhnender Musik und belanglosem Smalltalk.
»Von 'nem Kollegen. Du kennst den auch«, sagte Tarek und sah mich auffordernd an. »Der freut sich unheimlich, wenn wir alle kommen«, drängte er weiter. Maxim nickte schnell zustimmend.
Ich seufzte. Resignation pur. Hatte ich überhaupt 'ne echte Wahl? Wahrscheinlich nicht.
»Würdest du uns fahren?«, fragte ich Tarek direkt. Er zögerte kurz, zuckte dann aber er mit den Schultern. »Klar, warum nicht.«
Perfekt. Es war schon praktisch, 'nen Freund zu haben, der immer nüchtern blieb.
»Ja, okay, aber—«, wollte ich anfangen, wurde aber von Maxim unterbrochen. »Wenn's Scheiße ist, hauen wir früher ab. Versprochen«, bot er an und lächelte kurz. Ich musste kurz grinsen.
Irgendwie süß, dass er sich das gemerkt hatte.
»Super, ich hol' euch gegen sieben ab, bis später!«, rief Tarek noch kurz, bevor die schwere Tür hinter ihm mit 'nem kräftigen Schlag ins Schloss fiel.
Maxim stand immer noch in der Tür, das Grinsen in seinem Gesicht so unschuldig, dass es fast schon verdächtig wirkte. »Ich komme zuerst zu dir, dann muss Tarek keinen Umweg machen«, schlug er vor. Der Blick in seinen Augen war viel zu hoffnungsvoll, fast schon übertrieben.
Ich nickte müde und zog die Mundwinkel zu 'nem halben Lächeln hoch. »Ja, okay«, murmelte ich und drehte mich zurück zu meinen Tonspuren.
Ich hörte ihn noch leise seufzen, dann fiel die Tür hinter ihm ebenfalls ins Schloss.
Was für 'ne Scheiße. Warum ließ ich mich immer wieder zu so etwas überreden? Hatte ich keinen eigenen Willen mehr? Es war echt zum Kotzen.
Wie versprochen stand Maxim pünktlich um halb Sieben vor meiner Tür. Sein Lächeln war breit, als er hereinkam. Er sah echt unverschämt gut aus.
Der lange Wintermantel stand ihm sehr gut, fand ich. Dazu trug er schwarze Stiefel – 'ne wirklich gelungene Kombination. Selten so gesehen.
»Na?«, begrüßte er mich lässig, während er seine Schuhe auszog. Auch der Mantel flog schnell auf die Garderobe. Drunter trug er 'nen schicken schwarzen dünnen Pullover und – Überraschung – 'ne helle Jeans. Gar nicht mal sein typischer Style, aber es stand ihm. Natürlich, was sonst.
Ich lächelte kurz und zog ihn in 'ne Umarmung. Irgendwie war das in letzter Zeit zu kurz gekommen. Zu meiner Überraschung drückte er mich so fest, als hätte er genau darauf gewartet.
»Hast du heute was Besonderes vor? Oder warum bist du so rausgeputzt?«, fragte ich, als wir uns lösten. Sein Grinsen wurde noch breiter, so breit, dass ich unwillkürlich schmunzeln musste.
»Naja, es werden viele Leute da sein – hoffentlich auch ein paar nette Damen«, sagte er betont locker, als wär's nichts Besonderes.
Ich blinzelte irritiert. Schon wieder?
Ich dachte, er hätte diese Sammelleidenschaft für neue Bekanntschaften langsam abgelegt.
Leise seufzte ich. Mit seinem Charme und dem Outfit würde er sicher Erfolg haben – ohne sich auch nur ansatzweise Mühe geben zu müssen. Der Kerl sah einfach immer unverschämt gut aus.
Auch ganz ohne Klamotten. Räusper.
»Ich muss mich noch umziehen...«, murmelte ich und warf 'nen Blick auf mein verwaschenes Iron-Maiden-Shirt und die Jogginghose, die längst eine Runde in der Waschmaschine verdient hätte.
Maxim nickte und ging ohne zu zögern in mein Schlafzimmer. »Na, dann schauen wir mal, was du im Schrank hast!«, rief er mir über die Schulter zu.
»Ey, warte mal!«, rief ich und folgte ihm leicht panisch. Klar, ich hatte grob aufgeräumt, aber ich wusste genau, was hinter der Schranktür lauerte – und 'ordentlich' war das sicher nicht.
Zu meinem Glück fand er nichts Auffälliges. Ein paar alte Klamotten lagen hier und da herum, aber mein Bett war – ausnahmsweise – sogar frisch bezogen und ordentlich gemacht.
Maxim hatte sich derweil schon mitten in meinem Kleiderschrank breitgemacht und wühlte wie 'n Profi darin herum, als ob er tatsächlich wüsste, was in Sachen Mode gerade angesagt war. Dabei war er eher der Typ, dem Klamotten egal waren, solange sie nicht stanken oder Löcher hatten.
»Wie wär's damit?«, fragte er plötzlich und hielt mir 'n viel zu enges Hemd entgegen. »Nee, das passt nicht«, antwortete ich und klopfte halb im Scherz, halb im Ernst auf mein Bäuchlein. Er lachte und warf das Hemd achtlos zur Seite.
Dann zog er mein rotes Karohemd hervor. »Karo? Alter, das ist doch sowas von 2015, oder?« Seine Stimme triefte vor gespielter Unschuld.
Ich musste schmunzeln. Früher war es mein absolutes Lieblingshemd gewesen, aber ja – er hatte Recht. Karo war irgendwie durch.
Er drehte sich um und zeigte mir 'n schlichtes weißes T-Shirt und ein beigefarbenes Hemd. »Das und eine dunkle Jeans«, schlug er vor. Er klang so überzeugt, dass ich mich echt überreden ließ.
Nach 'n bisschen Suchen fand ich tatsächlich 'ne dunkle Jeans, in die ich mich reinzwängte.
Er stand da und tat so, als wäre er beschäftigt, aber ich spürte genau, wie sein Blick immer wieder zu mir rüberhuschte. Kaum auffällig.
Schließlich schnappte ich mir das T-Shirt und das Hemd, zog beides an, drehte mich zu ihm um und nahm mit 'ner Mischung aus Unsicherheit und Ironie meine selbstgebastelte 'Tadaa'-Pose ein.
Er lachte laut auf. »Magnifique!«, rief er begeistert, »Das steht dir wirklich gut.«
Ich schmunzelte. Er war immer ehrlich – besonders mit Komplimenten.
»Danke, Bruder«, sagte ich und richtete meine Uhr, die sich beim Anziehen 'n bisschen verrutscht hatte. Dann sah ich in den Spiegel und musste zugeben, dass er nicht ganz Unrecht hatte – vielleicht sah ich ja doch gar nicht so übel aus.
»Heute Abend bin ich dein Wingman!«, verkündete er plötzlich. Ich starrte ihn nur an. »Hä? Warum ich?«, fragte ich verdutzt.
War ihm echt nicht klar, dass ich in seiner Gegenwart sowieso keine Chance hatte, jemanden kennenzulernen? Er war der Typ, den alle sofort anschauten, und ich... na ja, war halt einfach da.
»Ich dachte, du wolltest heute jemanden aufreißen?", entgegnete ich und zog dabei die Augenbrauen hoch, während ich hektisch nach 'nem halbwegs anständigen Parfüm suchte.
»Ja, schon«, grinste er verschmitzt, »Aber du brauchst es viel dringender«, klopfte er mir fest auf die Schulter. Ich verdrehte nur die Augen.
Da klingelte es auch schon. »Na, das wird er wohl schon sein«, meinte ich und ging zur Tür.
»Hast du Tarek eigentlich gesagt, dass du hier bist?«, fragte ich Maxim, während wir kurz stehenblieben und auf ihn warteten.
Er nickte völlig entspannt. »Klar doch, hab ihm 'ne Nachricht geschickt«, antwortete er lässig und war dabei schon halb in seinen Schuhen.
Ich schnappte mir noch schnell zwei Bier aus'm Kühlschrank – Wegbier, wie man so schön sagt. Irgendwie 'n Ritual, das sich nie geändert hatte.
»Hier«, sagte ich und drückte Maxim 'ne Flasche in die Hand, bevor ich meine eigene öffnete. »Auf den Abend!«, prostete ich ihm zu.
»Auf den Abend!«, erwiderte er lachend und setzte direkt zu 'nem großen Schluck an.
Tarek kam rein, zog 'ne Augenbraue hoch und grinste breit. »Ach, hier wird schon gesoffen, also wirklich. Ihr seid ja schnell am Start.«
»Klar, was sonst?«, entgegnete ich, prostete ihm zu und nahm 'nen weiteren Schluck.
»Ja, aber bitte – und das sage ich vor allem dir, Nico – kein Kotzen im Auto heute, okay?«, sagte er und zeigte mahnend mit'm Finger in die Runde, bevor er sich auf mich fixierte. »Und keine peinlichen Kiff-Aktionen mehr, okay? Ich hab' keine Lust, dich nachher irgendwo einzusammeln, weil du mit einem Türsteher darüber diskutierst, dass Musik 'ne tiefere Bedeutung hat oder so.«
Maxim prustete los und verschluckte sich beinahe an seinem nächsten Schluck. »Ey, komm! Das war doch nur einmal!«, rief ich gespielt entrüstet.
Tarek seufzte theatralisch und verdrehte die Augen. »Sag mal, hast du wenigstens 'n Red Bull? Ich muss bei euch Idioten wach bleiben.«
»Im Kühlschrank, oberes Fach«, antwortete ich knapp, während ich mir meine Schuhe anzog.
Tarek schnappte sich seinen Energy-Boost, und ich warf mir noch schnell 'ne Jacke über, dann ging's runter zum Auto. »Okay, Männer«, sagte er, als er das Auto aufschloss. »Benehmt euch. Und Nico – ich mein's ernst. Kein Bullshit heute, ja?«
Ich hob' abwehrend die Hände, die Bierflasche noch in der einen Hand. »Ganz brav, ich schwöre.« Maxim lachte laut auf, und Tarek verdrehte nur die Augen, bevor wir alle einstiegen.
Maxim ließ mir ausnahmsweise den Beifahrersitz. Normalerweise war der sein Stammplatz – wegen seiner 'langen Beine', wie er immer behauptete.
Aber Tareks Auto war so riesig, dass selbst er hinten noch massig Platz hatte. »Sag mal, willst du später 'ne ganze Fußballmannschaft an Kindern, oder warum so 'ne Familienkutsche?«, zog er ihn auf, während er sich anschnallte.
Ich konnte mir 'n Lachen nicht verkneifen – die Frage hatte ich mir auch schon gestellt.
Tarek schnaufte, während er sich anschnallte. »Ähm, nein. Aber falls doch, bin ich bestens vorbereitet, okay?« Sein Ton klang etwas zu defensiv, um überzeugend zu sein.
Maxim und ich sahen uns an und brachen gleichzeitig in schadenfrohes Gelächter aus.
Die Idee ließ uns nicht mehr los. Im Geiste waren wir schon die coolsten Onkel der Welt, die Tareks zukünftige Kids mit jeder Menge Blödsinn verwöhnten – von Bierdeckeltricks bis zur Einführung in die hohe Kunst des Unsinns.
»Schon klar, reißt euch zusammen, ehrlich«, brummte Tarek, halb genervt, halb amüsiert. »Ich fahr euch Idioten, nicht meine Zukunftspläne.«
Wir beließen es dabei und genossen die Fahrt, während Tarek uns sicher durch die Stadt chauffierte. Zum Glück blieb er uns auch diesmal treu und setzte uns nicht irgendwo in der Berliner Pampa ab – obwohl wir es wohl verdient hätten.
Eine gefühlte Ewigkeit später kamen wir endlich an. Auf'm riesigen Parkplatz vor der Location herrschte bereits 'n wildes Durcheinander.
»Von wem war die Party noch gleich?«, fragte ich noch einmal, als wir ausstiegen. Fast hoffte ich, dass sich Tarek mittlerweile was Besseres ausgedacht hatte. »Von einem Produzenten, der mir damals bei meinem Album geholfen hat«, meinte er cool, während er sein Auto abschloss.
Ich verdrehte nur die Augen. Als hätte ich das Album nicht selbst mitproduziert.
Wir folgten Tarek träge in die Location, die mit ihrer übertriebenen Eleganz völlig deplatziert wirkte. Drinnen drängte sich 'ne so große Menge an Menschen, dass man fast meinen konnte, hier würde 'ne Hochzeit gefeiert. Die stilvoll eingerichteten Räume passten nicht zu der lockeren Party-Stimmung, und der DJ auf der Bühne versuchte, mit dröhnenden Beats Leben in die Tanzfläche zu bringen. Wenigstens die Bar sah vielversprechend aus – 'n kleiner Trost.
Kaum hatte Tarek irgendeinen Typen erspäht, zog er los – mit einer Zielstrebigkeit, die mich sofort misstrauisch machte. Ich wusste es.
Natürlich hatte er uns was verschwiegen. Diese Party war viel zu groß und zu aufwendig für 'nen zufälligen 'Produzenten-Kumpel'.
»Hey Jungs, da seid ihr ja!«, grinste uns Staiger an, als hätten wir ihm den größten Gefallen getan. Eigentlich sollten wir ihm dankbar sein, aber seine Fresse ging mir tierisch auf die Nerven.
»Hallo, Marcus...«, murmelte ich und versuchte, so freundlich wie möglich zu klingen.
Bevor ich mich versehen konnte, zog er mich in eine viel zu überschwängliche Umarmung.
Echt jetzt?
Innerlich war ich kurz davor, Tarek zu erwürgen. Der stand daneben und tat so, als wäre alles super, während Maxim sich das breiteste, unehrlichste Grinsen ever aufgesetzt hatte. Ich hätte ihm am liebsten 'ne gescheuert.
Mit Staiger hatten wir mal echt 'ne coole Zeit gehabt. Damals. Vor der Sache mit der Royal-Bunker-Auflösung und dem Universal-Deal. Seitdem war es, na ja, 'kompliziert'.
Nach der mehr als unangenehmen Begrüßung und dem ganzen monotonen Smalltalk zog ich Maxim fast schon gewaltsam zur Bar. »Irgendwas Starkes muss her...«, murmelte ich, während wir uns durch die Menschenmenge kämpften.
Maxim nickte nur und murmelte etwas von »Tarek hätte wenigstens Bescheid sagen können...«
An der Bar angekommen, verschafften wir uns erstmal 'nen Überblick. »Kennst du hier jemanden?«, fragte ich und deutete auf die Menge, die sich zur Musik bewegte.
Er ließ den Blick schweifen, runzelte die Stirn und zuckte schließlich mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Du?«
»Nope«, murmelte ich, bevor ich dem Barkeeper 'n Zeichen gab. »Zwei Jäger, bitte.«
Maxim beobachtete mich skeptisch, doch er sagte nichts. Als die Gläser vor uns landeten, schob ich ihm eins zu, hob meines und prostete ihm zu.
»Oh nein, Nico, keinen Jägermeister!«, stöhnte er gespielt, verzog das Gesicht und nahm das Glas trotzdem. »Sind wir dafür nicht langsam zu alt?«
Ich hob' eine Augenbraue und grinste breit. »Wen nennst du hier alt? Alt ist, wer als Erster heute schlappmacht!« Ohne zu zögern, kippte ich das Glas in 'nem Zug runter, das vertraute Brennen in der Kehle 'n seltsam tröstliches Gefühl.
Maxim tat es mir nach, wenn auch mit 'nem resignierten Blick, als wüsste er schon, dass er die Wette verlieren würde. »Die Wette gilt!«, lachte er und knallte das leere Glas auf den Tresen.
Einige Shots und drei Cocktails später saß ich allein' an der Bar. Maxim hatte irgendwo in der Menge doch 'nen Bekannten ausgemacht und war direkt abgetaucht, um mit ihm zu quatschen.
Ich beobachtete die tanzende Menge und nippte an meinem Drink. Die Musik dröhnte in meinen Ohren und die Lichter blinkten nervig im Takt.
Es war laut, es war voll, und irgendwie war es genau das, was ich gerade nicht brauchte.
Seufzend kippte ich den Rest meines Cocktails runter und beschloss, dass es Zeit für 'ne Zigarette war. Leider war Rauchen in diesem Bumsladen verboten – absurd, wenn man bedenkt, dass früher bei Staigers Partys quasi der ganze Raum in dichten Rauch gehüllt war.
Vor dem Gebäude herrschte noch immer reges Treiben. Leute standen in Gruppen zusammen, rauchten, lachten, flirteten, und irgendwo in der Ferne hörte man jemanden lautstark streiten.
Ich entdeckte tatsächlich 'nen alten Bekannten und wechselte 'n paar Worte mit ihm, aber meine Social Battery war längst leer. Die Gespräche waren nett, aber oberflächlich, und ich war froh, mich bald wieder zurückziehen zu können.
Endlich hatte ich meine wohlverdiente Kippe zwischen den Fingern. Der erste Zug füllte meine Lungen, und der Rauch schien die chaotischen Gedanken in meinem Kopf langsam zu beruhigen.
Als die Zigarette ausgebrannt war, beschloss ich, wieder hineinzugehen. Es war kalt geworden, und plötzlich merkte ich, wie sehr mir Maxim fehlte.
Ich ließ meinen Blick durch die Menge schweifen, suchte nach seiner großen Gestalt, nach dem lässigen Lächeln, das ihn normalerweise aus der Menge hervorhob. Aber er war nirgends zu sehen.
Sogar Tarek fiel mir auf, der in 'ner kleinen Gruppe mit ein paar Rappern stand, wild gestikulierend und lachend. Ich winkte ihm kurz zu, hatte aber keine Energie für 'n Gespräch.
Alle schienen ihren Moment zu haben – feierten, lachten, lebten – und ich? Ich stand da, mit 'nem leeren Glas in der Hand und 'ner Leere in der Brust, die ich nicht wirklich greifen konnte.
Scheiße, ey. Wann war ich so geworden? So... distanziert, so teilnahmslos.
Nachdem ich mich am Buffet bedient hatte – was erstaunlich gut gewesen war – entdeckte ich endlich Maxim. Wie immer umringt von 'ner hübschen Dame. Diesmal 'ne zierliche Brünette, die ihm gerade mal bis zur Schulter reichte. Ich musste innerlich schmunzeln. Typisch.
Die Frau selbst konnte ich nicht so gut erkennen, da sie mit dem Rücken zu mir stand.
Aber ihr dunkles Haar, das ihr über die Schultern fiel, war schon 'n bisschen beeindruckend.
Offenbar hatte Maxim mich gesehen, denn er winkte mich plötzlich heran.
Reflexartig fuhr ich mir kurz durch die Haare, bevor ich selbstbewusst auf die beiden zuging.
»Nico, hey!«, begrüßte er mich gut gelaunt und legte der Frau eine Hand auf die Schulter, bevor er sie sanft in meine Richtung drehte.
Sie schien kurz irritiert, ihre großen, leuchtend grünen Augen wanderten von ihm zu mir.
Und mir stockte der Atem. Wortwörtlich.
Ich will nicht übertreiben, aber selten hatte ich eine Frau gesehen, die mich so faszinierte.
Ihre Haare waren schon beeindruckend, und in dem engen Kleid kam ihre Figur wunderbar zur Geltung. Aber ihr Gesicht... Wow. Die leuchtend grünen Augen, die so viel Tiefe zu haben schienen, und die einzigartigen Züge – ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte.
Der Moment zog sich unangenehm in die Länge, keiner von uns sagte etwas.
»Nico, das ist Josephine«, begann Maxim schließlich mit seinem typischen Grinsen, mit dem er immer versuchte, peinliche Situationen zu entschärfen. »Sie ist ein riesiger K.I.Z-Fan und wollte eigentlich nur ein Foto mit mir machen. Aber als sie hörte, dass du und Tarek auch hier seid, ist sie total ausgeflippt.«
Er lehnte sich zu mir, »Du bist ihr Liebling, hat sie mir gesagt«, flüsterte er augenzwinkernd.
Ich blinzelte verwirrt. Scheiße. Einerseits schmeichelhaft, klar – ausgerechnet diese Frau war mein Fan. Andererseits hatte ich mir immer geschworen, nichts mit Fans anzufangen.
Aber komm runter, Mann. Die wollte doch nur quatschen. Reiß dich zusammen.
Und du da unten – bleib entspannt, okay?
»Hi, freut mich«, sagte ich schließlich und schenkte ihr 'n Lächeln.
Sie blinzelte mich an, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, als ginge sie in Gedanken das perfekte Gespräch durch. »Ich–ich, hi!«, stammelte sie, bevor sie sich schnell die Hand vor den Mund hielt, als wäre ihr ihre eigene Aufregung peinlich.
»Josephine«, sagte sie schließlich, ihre Stimme leise, aber warm. »Also, Josie eigentlich.«
Sie streckte mir die Hand hin, ein unsicheres Lächeln auf den Lippen.
Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie leicht. Ihre Haut war unglaublich weich, fast zerbrechlich.
»Nico kann man auch umarmen«, grinste Maxim und verdrehte theatralisch die Augen. Josie schaute mich mit großen Augen an. »Kann man?«, fragte sie ungläubig. »Klar«, antwortete ich selbstbewusst und zog sie sanft in 'ne Umarmung.
Sie schmiegte sich vorsichtig an mich, als würde sie testen, ob das okay war. Der Duft ihrer Haare stieg mir in die Nase – süß, warm, fast wie 'ne Mischung aus Vanille und irgendetwas Blumigem.
Als sie sich schließlich wieder löste, fühlte ich 'nen seltsamen enttäuschenden Stich in mir.
»Ich war schon auf...«, begann sie, hielt kurz inne und schien im Kopf zu zählen, »auf so vielen Konzerten von euch«, sagte sie schließlich und schenkte mir 'n leicht angetrunkenes Lächeln.
»Aber ich hatte noch nie die Gelegenheit, euch persönlich zu treffen«, fügte sie hinzu und verzog ihren Mund zu 'nem süßen Schmollen. »Dabei lebe ich schon mein ganzes Leben in Berlin!«
Jackpot! Eine echte Berlinerin.
Mein Herz machte 'nen kleinen Sprung, obwohl ich mir selbst nicht eingestehen wollte, warum.
»Dann wird's ja höchste Zeit«, sagte ich grinsend, um den Moment etwas aufzulockern, auch wenn ich mich irgendwie 'n bisschen ertappt fühlte, weil ich sie wahrscheinlich zu intensiv anstarrte.
Josie ließ sich davon nicht beirren. Sie lehnte sich an die Bar, nahm 'nen kleinen Schluck aus ihrem Glas und begann zu erzählen, wie sehr sie unsere Musik liebt und wie wir ihre Jugend geprägt haben. Ihre Worte sprudelten so lebendig und ungefiltert aus ihr heraus, dass ich gar nicht anders konnte, als ihr völlig gebannt zuzuhören.
Ich schätzte sie auf ungefähr unser Alter, vielleicht zwei, drei Jahre jünger. Aber ist ja auch egal.
»Ich geh' immer mit meiner besten Freundin zu euren Konzerten«, erzählte sie weiter und warf mir dabei 'nen lieben Blick zu. »Und natürlich hab' ich alle eure Platten – sogar die alten Mixtapes!«
Es war nicht einfach nur Fan-Geschwärme, es war echte Wertschätzung. Und obwohl ich schon oft solche Geschichten gehört hatte, war es diesmal irgendwie anders. Besonders. Vielleicht lag's an Josie, an ihrer Art, oder einfach daran, dass sie mich mit jedem Satz mehr faszinierte.
»Warum bist du hier?«, fragte ich, als Maxim an der Bar mit neuen Drinks beschäftigt war.
Sie hielt kurz inne, als würde sie überlegen, wie viel sie erzählen wollte. »Es ist... ein bisschen kompliziert«, murmelte sie schließlich.
Ich lehnte mich leicht vor, neugierig geworden. Diese Unsicherheit stand ihr irgendwie.
»Mein Vater ist Polizeichef in diesem Revier«, sagte sie plötzlich und sah mich herausfordernd an, als wollte sie meine Reaktion testen.
Die Worte ließen mir 'nen kalten Schauer über den Rücken laufen. Bullen und ich? Keine gute Kombination. Noch nie gewesen.
Aber ich ließ mir nichts anmerken, behielt mein Gesicht so neutral wie möglich, auch wenn innerlich meine Alarmglocken schrillten.
»Ein paar von seinen Leuten passen heute auf«, fuhr sie fort und nickte unauffällig in Richtung der breitschultrigen Männer am Eingang.
Ich hatte sie vorher gar nicht bemerkt, aber jetzt wirkten sie plötzlich riesig.
»Staiger hat meinen Vater eingeladen – so als Dankeschön für irgendwas. Aber er ist unterwegs, also... bin ich stattdessen hier.« Sie zuckte mit den Schultern und sah mich an, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.
Obwohl ich normalerweise nicht der Typ für lange Erklärungen war, hing ich an jedem ihrer Worte. Vielleicht lag es an ihrer leisen Stimme. Vielleicht lag es aber auch an ihren roten Lippen, die ich kaum aus den Augen lassen konnte.
Maxim kehrte mit den Cocktails zurück, doch bevor er das Glas für sie abstellen konnte, griff sie zu und nahm einen großzügigen Schluck. Ihre ungezwungene Art entlockte mir 'n Lächeln.
Ich hob mein eigenes Glas und ließ meinen Blick kurz auf ihr ruhen. »Na dann – Glück im Unglück, dass dein Vater verhindert ist und du stattdessen hier gelandet bist«, sagte ich zwinkernd.
Sie lachte leise, fast wie 'n Geheimnis, und stieß mit mir an. Für 'nen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke, länger, als es nötig gewesen wäre.
»Auf uns.«
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