02 - Schlechte-Laune-Fresse
LÄCHEL DOCH MAL
02 — Schlechte-Laune-Fresse
❝ Doch wenn du in der echten Welt
jeden Tag 'ne Fresse ziehst, lädt dich irgendwann keiner mehr auf seine Party ein. ❞
pov ⸻ nico
[Gegenwart; Januar, 2024]
Ich starrte ihn nur an. Was sollt' ich sagen? Eine Erklärung abgeben? Nein, noch nicht.
Mit 'ner schnellen Bewegung riss ich ihm die Verpackung aus der Hand und stopfte sie in meine Jackentasche, als ob sie da sicherer wäre.
»Lass mich in Ruhe!«, knurrte ich, während ich mich an ihm vorbeidrängte. Er rief mir noch irgendwas hinterher – wahrscheinlich mehr Vorwürfe –, aber ich ignorierte ihn einfach.
Genau wie Tarek, dem ich auf dem Flur fast in die Arme gelaufen wäre. »Ey, was ist denn mit dir los?«, rief er, aber ich schob ihn einfach beiseite.
Und Joe, der mich völlig verwirrt ansah, als hätte er gerade 'ne Erscheinung gesehen. Keine Lust, mich jetzt mit Irgendjemandem anzulegen.
Kaum war ich draußen, schlug mir der kalte Wind in die Fresse, vermischt mit dem beschissenen Schnee, der immer dichter wurde.
Meine Laune war sowieso schon am Arsch, aber als ich dann auch noch meinen Wagen aus'm Schnee buddeln musste, bevor ich überhaupt losfahren konnte, war's endgültig vorbei.
Natürlich war das feige. Ich wusste, dass es der falsche Weg war, einfach wegzulaufen.
Aber ich konnte nicht reden. Nicht jetzt. Ich musste erstmal allein mit meinem ganzen Scheiß klarkommen. Alles Andere war gerade zu viel.
Mit viel zu lauter Musik fuhr ich durch das verschneite Berlin. Die Scheiben waren ordentlich beschlagen, aber ehrlich gesagt wusste ich nicht, ob es nur am Schnee lag oder ob ich wirklich so am Heulen war. Ich wollte einfach nur schreien, alles rauslassen. Warum auch nicht?
Irgendwann bin ich dann auf irgendeinem verlassenen Parkplatz stehen geblieben – mitten im Nirgendwo, Scheiß drauf, wen interessiert's?
Ich schrie. Laut. Ohne nachzudenken. Alles musste raus. Die Wut, die Enttäuschung, dieses Gefühl, nicht mehr klarzukommen.
Ich hatte keinen Grund, so kaputt zu sein. Ich hatte doch alles erreicht, wovon ich immer geträumt hatte. Das teure Emblem vor mir war Beweis genug. Die Uhr an meinem Handgelenk auch. Die goldenen Platten an meiner Wand.
Und trotzdem fehlte da etwas. Etwas, das ich mir nicht wirklich eingestehen wollte.
Ich war allein'. Immer noch.
Während andere in meinem Alter schon längst Partner, Kinder und 'n Häuschen ihr Eigen nannten, hatte ich mich immer dagegen gewehrt.
Die Vorstellung, so gewöhnlich zu sein, ekelte mich an. Doch jetzt, wo ich älter wurde, sehne ich mich verzweifelt nach all dem, was ich einst abgelehnt hatte. Ich wollte nach Hause kommen, jemanden zum Lachen haben, jemanden zum Kochen, für andere Dinge. Nicht mehr allein' sein.
Die Tränen strömten unaufhörlich, kindisch fast, aber ich ließ sie zu. Es war, als ob sie alles mitnahmen – all die aufgestaute Sehnsucht, all die Einsamkeit, die ich so lange ignoriert hatte.
Scheiße. Nur noch eine. Schnell.
Ich kramte in meiner Tasche, die Verpackung war zerknittert. Mit zitternden Fingern löste ich 'ne Tablette heraus. Das Chaos in meinem Kopf wurde schlimmer. Ich musste es unterdrücken.
Schneller.
Ich fand noch 'ne Flasche Wasser unterm Sitz. Mein Herz hämmerte wie verrückt.
Ruhig jetzt, atme.
Eine Zigarette. Die wäre jetzt genau das Richtige. Ein bisschen Ruhe, 'n bisschen Ablenkung.
Aber nein, im-Auto-wird-nicht-mehr-geraucht, das hatte ich mir vor einiger Zeit geschworen.
Verdammt.
Mein Handy vibrierte wie bescheuert in seiner Halterung. Maxims Gesicht leuchtete mir entgegen, sein Lächeln direkt aus'm Display – genau das Letzte, was ich jetzt sehen wollte.
Und dann kamen noch die Nachrichten. Ping, Ping, Ping. Tarek und Joe, immer wieder.
Skinheadblack
Ey Nico, was ist los? Wo bist du?
Skinheadblack
Bitte meld dich, Mann. Ich mach' mir Sorgen.
Master Joe
Alles okay, Mann? Sag, wenn du was brauchst.
Skinheadblack
Antworte bitte. Sei nicht so Stur, Dicker.
Der Drüner
Tut mir leid, Mann. Das war unsensibel von mir. Bitte sprich mit mir. Vielleicht kann ich dir helfen?
Ein bitteres Lachen stieg in mir auf und erstickte sofort. Hilfe? Was für 'ne Hilfe sollte das sein?
Die hatten doch alle keine Ahnung, wie es in mir aussah, wie es sich anfühlte. Was konnten sie mir sagen, was ich nicht schon selbst wusste?
Ich nahm mein Handy und schaltete es einfach aus. Alle konnten mich mal. Ich wollte kein Mitleid mehr, keine gut gemeinten Ratschläge, keine Nachrichten. Nichts mehr. Nur Ruhe.
Ich holte tief Luft und drehte den Schlüssel um. Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob das mit meiner verschwommenen Sicht die beste Idee war, aber der Schneesturm ließ einfach nicht nach, die Flocken prasselten weiter gegen die Scheiben, und ich wollte nur noch nach Hause.
Zum Glück war es nicht mehr weit.
Als ich endlich in die Tiefgarage fuhr, konnte ich die Erleichterung förmlich spüren. Ich parkte, zog die Handbremse und lehnte mich mit geschlossenen Augen kurz zurück. Das war's.
Obwohl ich mir eigentlich einiges leisten konnte, lebte ich doch eher 'bescheiden'.
Klar, das Haus hat 'ne Tiefgarage – und das war auch 'n Grund, warum ich hierhergezogen bin. Keine Parkplatzsuche mehr, kein Eiskratzen in der Früh. Dafür gibt's keinen Aufzug im Altbau, aber ehrlich gesagt, stört mich das nicht.
Die Treppen sind zwar manchmal 'n bisschen anstrengend, aber so bekommt man wenigstens noch 'n bisschen Bewegung, also passt's.
Meine Wohnung war großzügig geschnitten. Eine riesige Küche, mit 'nem großen Kochblock und allem, was das Herz begehrt. Das war schon immer 'n Traum von mir gewesen.
Das Schlafzimmer war groß genug für ein Doppelbett und 'nen riesigen Kleiderschrank, obwohl ich nicht mal so viele Klamotten besaß.
Ein kleines Bad grenzte direkt an, das größere war vom Flur aus zu erreichen.
Das Wohnzimmer war in zwei Bereiche aufgeteilt: oben stand 'n großer Esstisch – leider saß ich meistens allein' daran – unten gab's eine gemütliche Wohnlandschaft mit einer tollen, großen Couch und einem Fernseher.
Natürlich durfte 'n Studio nicht fehlen – und das bekam prompt den größten Raum. Im Laufe der Jahre hatte sich viel Technik angesammelt, die irgendwo untergebracht werden musste.
Außerdem war es praktisch fürs 'Homeoffice' oder um einfach mal keinen Fuß vor die Tür setzen zu müssen. Oder, oder, oder... Ausreden gab's genug.
Oben angekommen, ließ ich Hab und Gut einfach liegen und machte mich direkt auf den Weg zur Terrasse. Eine Zigarette musste sein.
Die Terrasse war auch so 'n kleines Highlight dieser Bude. Riesig, schön abgelegen – einfach perfekt für die eine oder andere Party.
Dann zündete ich mir eine an. Meine Finger zitterten immer noch, keine Ahnung, ob vom Ausrasten oder von der eiskalten Luft draußen.
Der erste Zug war wie ein kleiner Segen. Irgendwie beruhigte ich mich 'n bisschen.
Gut, dass Nikotin immer noch irgendwie half. Zumindest manchmal.
Meistens waren's jetzt die Pillen.
Alter, was war nur aus mir geworden?
Ich hab' mir immer eingeredet, dass das alles der richtige Weg ist. Der Erfolg, die Anerkennung, all das – das war es, was wirklich zählte.
Aber jetzt, wo ich da stand, die kalte Luft im Gesicht und 'ne Zigarette zwischen den Fingern, fragte ich mich wirklich: Lohnt sich das alles?
Was hatte ich wirklich davon, außer endlosen Überstunden im Studio und 'nem Leben, das von Deadline zu Deadline gehängt war? Hatte ich wirklich das erreicht, was ich mir erträumt hatte?
Und dann war da diese verdammte Frage, die mir immer wieder durch'n Kopf schoss:
Warum war ich immer noch allein'?
Ich hatte alles, was man sich wünschen konnte, abgesehen von 'ner echten Verbindung. Ich hatte mich nie wirklich auf jemanden eingelassen.
Warum? Vielleicht, weil ich nie wusste, wie es ist, wirklich zu vertrauen. Oder weil ich immer dachte, dass ich im Leben mehr erreichen kann, wenn ich mich nicht ablenken lasse.
Und dann war da noch Maxim.
Warum konnte ich diese beschissenen Gefühle für ihn nicht einfach abschalten? Warum musste er immer wieder in meinem Kopf auftauchen?
Wir waren beste Freunde seit über zwanzig Jahren, und trotzdem – trotzdem gab es da mehr.
Da war diese eine Nacht.
Wir hatten nie wieder darüber gesprochen.
Warum war es nicht einfach vorbei, wie bei den anderen, an denen ich nie mehr als 'n flüchtiges Interesse hatte? Aber mit ihm? Warum er?
Verdammte Scheiße, ey.
Zwei Zigaretten später, mit 'nem Kopf voller Scheiße und nassen Augen, ging's dann wieder rein. Meine Hände waren fast schon taub.
Total ungeschickt wäre ich fast mit voller Wucht gegen meinen Kochblock gelaufen. Als hätte er sich extra in den Weg gestellt, nur um mich zu ärgern. »Nutz mich doch!«, oder so ungefähr.
Kochen war neben der Musik so richtig mein Ding geworden. Das wussten auch alle. Meine neuesten Kreationen teilte ich immer mit den Jungs oder lud sie gleich zum Essen ein. Und die waren immer begeistert. Das freute mich voll.
Aber heute? Heute war alles anders. Heute hatte ich keinen Bock auf gar nichts. Keinen Bock zu kochen, keinen Bock zu essen. Das alles interessierte mich nicht. Nichts interessierte mich.
Na gut, dann ab ins Bett. Ein bisschen Schlaf konnte jetzt echt nicht schaden.
Keine Ahnung, wie lange ich gepennt hab', da riss mich 'n ohrenbetäubendes Klingeln aus'm Schlaf. Erst 16 Uhr! Vier Stunden verpennt? Unfassbar.
Völlig gerädert schleppte ich mich zur Tür, drückte auf und hoffte inständig, dass es einfach nur 'n vergessenes Paket war.
Es dauerte 'n Ewigkeit, bis ich Schritte auf der Treppe hörte. Zwei Stimmen, wenn ich mich nicht täuschte. Toll. Schon malte ich mir das Schlimmste aus: Maxim mit 'nem Versöhnungs-Döner oder Tarek mit einer seiner Moralpredigten.
Oder auch noch beide zusammen. Bitte nicht.
Ich lehnte mich an die Wand, schloss die Augen und überlegte kurz, ob ich einfach wieder ins Bett gehen sollte. Einfach den ganzen Kram ignorieren und hoffen, dass sie wieder verschwinden.
Aber die Schritte kamen immer näher, immer lauter. Zu spät, ich hatte wohl keine andere Wahl.
Und dann stand sie plötzlich vor mir, ein Wirbelwind aus Locken und überschäumender Freude: Laura, Tareks bessere Hälfte.
»Nico, Maus!«, rief sie und stürmte herein, als wäre sie bei sich zu Hause.
Ich blinzelte verdutzt. Tarek folgte ihr mit 'nem breiten Grinsen auf'm Gesicht. »Hey, Bruder«, grüßte er lässig und schloss die Tür hinter sich.
Laura hatte bereits ihre Jacke ausgezogen und kam direkt auf mich zu. »Darf man dich umarmen?«, fragte sie und breitete die Arme aus. Etwas widerwillig ließ ich mich umarmen.
Hoffentlich roch ich nicht nach'm ganzen Chaos der letzten Stunden, nach schalem Kaffee, Kippen und diesem unangenehmen 'Ich-hab-gerade-geschlafen'- Geruch. Und meine Haare... Ich wagte es kaum zu denken. Bitte, keine Vogelnest-Frisur.
Seit Tarek uns Laura vor ein paar Jahren vorgestellt hatte, mochte ich sie total.
Sie war klug, offen, fürsorglich und total lieb – auch wenn sie 'n bisschen quirliger war als andere. Aber das machte sie nur sympathischer.
Und 'ne Augenweide war sie sowieso. Leicht dunkelhäutig, wirklich hübsch, mit diesen krausen Haaren, die sie irgendwie immer so hinbekam, dass es nicht aussah, als hätte sie beim Frisieren 'nen Nervenzusammenbruch gehabt.
Sie gab Tarek definitiv die Energie, die ihm manchmal fehlte – und das war nicht wenig.
»Du siehst furchtbar aus«, schmollte sie dann und fing an, an meinen Haaren rumzuzupfen.
Kann sie auch bleiben lassen. Vielleicht rasier' ich sie mir bald wieder komplett ab, mal sehen.
Ich seufzte nur und ließ sie machen, während Tarek meine Küche auseinandernahm. »Was hast du denn vor?«, fragte ich und folgte ihm zum Vorratsschrank. »Wir kochen jetzt zusammen«, murmelte er, ohne den Blick abzuwenden.
»Wir? Was meinst du?«, fragte ich verwirrt.
Laura nickte nur eifrig und zog plötzlich 'ne Weinflasche aus ihrer Tasche. »Gegen den Kummer«, lächelte sie und machte sich auf die Suche nach passenden Gläsern.
Moment mal... Hallo?
Was bilden die sich hier ein, einfach so bei mir zu Hause rumzuwühlen und Wein aufzumachen?
»Ich hab' kennen Kummer...«, murmelte ich und inspizierte den Wein. Nicht schlecht. Klingt teuer.
»Dann deine schlechte-Laune-Fresse«, konterte Tarek und knallte Gemüse auf die Theke. »Ist doch eigentlich mein Job«, sagte er und grinste dämlich. Tatsächlich zuckte auch bei mir kurz 'n Mundwinkel, bevor ich wieder daran erinnert wurde, warum ich mich eigentlich hingelegt hatte.
Laura schien die Weingläser gefunden zu haben. Jedenfalls schenkte sie sich und mir 'n Glas ein.
Tarek hatte sich an 'ner Cola-Dose bedient. Der war ja seit einigen Jahren trocken – worauf ich sehr stolz war – und er offensichtlich auch.
Eigentlich mega inspirierend, wenn ich darüber nachdenke, wie oft ich mir die Kante gab.
»Lässt sich daraus was machen?«, fragte Tarek und deutete auf sein Gemüse-Sammelsurium. »Frag den Sternekoch, nicht mich!«, lachte Laura und schob mich demonstrativ vor. Mir brummte der Kopf, Mann. Keine Ahnung, was man aus diesem botanischen Garten zaubern sollte.
»Boah, keine Ahnung, ey«, brummte ich und hielt 'ne schon leicht vergammelte Möhre hoch. »Vielleicht 'ne Hühnersuppe, bei so viel Gemüse? Hab' noch was Hühnchen da...«, schlug ich vor und kramte direkt in meiner Tiefkühltruhe.
»Ja, perfekt, passt auch zum Wetter!«, rief Laura begeistert und warf das Gemüse in die Spüle.
Etwas unbeholfen schlich ich auf Tarek zu und warf ihm 'nen Blick zu, der hoffentlich alles sagte, was ich nicht in Worte fassen konnte.
»Ich hab' mir nur Sorgen gemacht, Bruder«, seufzte er kleinlaut und sah mich fast verzweifelt an. »Maxim und Joe auch, wirklich!«, fügte er noch hinzu, als müsste er das unbedingt klarstellen. Dachte ich mir schon.
Dann holte er tief Luft. »Joe wollte uns eigentlich zu einer Party mitnehmen, wo er mit den Drunken Masters auflegt. Aber du hast so 'ne Fresse gezogen, dass er dachte, du hättest sowieso keinen Bock«, erzählte er einfach weiter, als ob ich ihn danach gefragt hätte.
Eigentlich war mir im Moment auch nicht nach Party zumute. Ich war schon froh, dass wir erst im März wieder selbst spielen würden, und dann auch nur zum Frauenkonzert. Reichte mir.
»Jedenfalls hat er Maxim jetzt mitgenommen, und ich hab' gesagt, ich pass' auf dich auf«, fuhr er fort, wurde aber im Hintergrund von seiner Frau unterbrochen, »Und ich auch!«, warf sie lachend ein. Tarek senkte die Stimme. »Ich hatte keine Wahl...«, murmelte er und zwinkerte mir zu. Ich mochte die Dynamik zwischen den beiden.
Schnell zog ich mir noch 'nen neuen Pullover an und setzte meine Brille auf – die Kontaktlinsen waren wohl den Tränen zum Opfer gefallen.
Mir blieb jetzt eh nichts anderes übrig, als mich zu den beiden in die Küche zu stellen.
Laura und ich schnippelten das Gemüse, während wir genüsslich an unserem Wein nippten und uns über die kleinsten, absurdesten Dinge amüsierten.
Tarek kümmerte sich derweil um das Huhn und ließ die Brühe köcheln.
Das Essen selbst war schnell gemacht, nichts Kompliziertes. Aber die gemeinsame Zubereitung hat mich zumindest etwas abgelenkt.
Während die Suppe vor sich hin köchelte, standen wir dick eingemummelt auf meiner dunklen Terrasse und gönnten uns 'ne kleine Pause.
Na gut, ich gönnte mir 'ne Zigarette. Laura rauchte nicht, und Tarek? Der hatte seine entweder vergessen oder war einfach zu stolz, sich eine von mir zu schnorren. Keine Ahnung.
Stattdessen kuschelte er sich an Laura und sah dabei total entspannt und zufrieden aus.
Ich gönnte es ihm wirklich. Mich hat schon lange keiner mehr so fühlen lassen. Nicht mal meine Ex. Mit ihr hab' ich viel zu lange durchgehalten.
Wir hatten einfach zu unterschiedliche Vorstellungen. Sie wollte heiraten, aber keine Kinder haben. Ich war offen für beides, aber das kam für sie nicht infrage.
Von Eifersucht ganz zu schweigen. Kaum war ich auf Tour, traute sie mir nicht mehr.
Der Clou an der ganzen Sache? Mittlerweile hat sie 'nen neuen Freund, mit dem sie – wie ich gehört habe – sogar 'n Kind bekommen hat.
Und das ist es, was mich am meisten nervte. Nicht der Freund an sich, sondern die Tatsache, dass sie anscheinend genau das bekommen hatte, was sie sich mit mir nie hätte vorstellen können.
Das bestätigte nur, was ich tief in mir schon immer geahnt hatte: Sie wollte mich einfach nicht, und schon gar nicht für immer.
Tarek lernte Laura kurz vor der Pandemie kennen und heiratete sie zwei Jahre später, mitten in der Krise. Es hat einfach gepasst zwischen den beiden – und warum auch nicht so schnell in ihrem Alter?
Manchmal weiß man einfach, dass man die richtige Person gefunden hat, und muss nicht jahrelang warten, bis sich das bestätigt.
»Willst du mir sagen, warum du gerade so schnell aus dem Studio geflüchtet bist?«, fragte Tarek nach 'ner Weile, als wir schweigend in den viel zu hellen Berliner Nachthimmel gestarrt hatten.
Irgendwie war es hier nie richtig dunkel – als würde die Stadt nie schlafen, nie richtig zur Ruhe kommen. Genau wie ich. Wie ironisch.
Ich räusperte mich und überlegte kurz, ob ich ihm jetzt noch 'ne Lügengeschichte auftischen sollte. Aber nachdem die beiden mich so tapfer und lieb aus meinem emotionalen Tief geholt hatten, erschien mir das doch irgendwie unfair.
Ich seufzte tief und drückte meine Zigarette aus. »Ich bin total am Ende«, gestand ich und spürte, wie befreiend es war, es endlich auszusprechen. »Ich bin gestresst, schlafe kaum und bin ständig überfordert. Das geht mir an die Substanz.«
Es fühlte sich gut an, das zu sagen, aber auch seltsam. Zum ersten Mal seit langem hab' ich es laut ausgesprochen. Und irgendwie tat es mehr weh, als ich erwartet hatte.
Laura sah mich so mitfühlend an, dass ich fast dachte, sie würde mich gleich umarmen. Es war 'n Blick, den ich von ihr kannte. Mitfühlend, aber auch irgendwie enttäuscht, dass ich nicht besser war. Tarek schien es nicht ganz so dramatisch zu sehen, aber er musterte mich 'ne Weile, als wäge er jedes Wort ab, bevor er antwortete.
»Geht's um's Album?«, fragte er schließlich.
Vielleicht war das tatsächlich 'n Teil des Problems, ja. Aber war das wirklich alles?
Trotzdem nickte ich langsam, nur um ihm das Gefühl zu geben, dass er Recht hatte. »Du weißt, dass das Album großartig wird, Nico«, sagte er mit 'nem mitfühlenden Blick und so ernst, dass ich fast das Gefühl hatte, von 'nem Elternteil belehrt zu werden. »Vor allem, weil du es produzierst.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, das irgendwie alles in diesem Moment richtig machte.
»Danke, Tarek«, sagte ich mit 'nem schwachen Lächeln und versuchte, die Unsicherheit zu verbergen, die sich in mir breitgemacht hatte.
Ich war ihm wirklich dankbar für seine Worte, auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, dass er mehr an mich glaubte als ich selbst.
Dieses andere Feedback war manchmal genau das, was ich brauchte, um mich aus'm Nebel meiner eigenen Zweifel zu befreien – und gleichzeitig daran erinnert zu werden, wie sehr ich mich für mein eigenes Talent hasse.
Was wirklich hinter meinem Stress steckte, erzählte ich natürlich niemandem.
Die Tabletten, die Maxim gefunden hatte, und die ganze innere Zerrissenheit, die damit einherging, waren Themen, die ich lieber für mich behielt. Es war einfacher, so zu tun, als ginge es mir gut, als all das auszusprechen, was mich eigentlich zerriss.
Aber das war etwas, womit ich allein' zurechtkommen musste – zumindest vorerst.
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