Kapitel 20
Zaghaft streifte ich mir die Schuhe von den Füßen und spürte das leicht nachgebende Material aus dem die Matten gemacht waren. Mein Blick lag noch immer zweifelnd auf Mo. Ich hätte nicht gedacht, dass er eine solche Idee vorschlagen würde. Nicht, dass ich sie für besonders gut halten würde.
"Hey, entspann dich! Mach dich locker!" Pah! Leichter gesagt als getan!
Ich versuchte meine Aufregung zu bekämpfen, doch es klappte nicht. Er würde sich wahrscheinlich gar nicht mal anstrengen müssen, die Chancen standen gut, dass ich mich durch irgendwas selbst ausknocken würde.
Als wenn er erst aufgestanden wäre, streckte sich Mo in aller Ruhe. "Hast du sowas schonmal gemacht?", wollte er nun von mir wissen.
"Nicht wirklich." Außer einen Selbstverteidigungskurs für Kinder als ich sechs war, hatte ich keinerlei Selbstverteidigungskenntnisse vorzuweisen. Ich hatte es zuvor aber auch nie wirklich gebraucht, zumal ich mehr der Typ Mensch war, der versuchte Probleme durch reden anstelle von Gewalt zu lösen.
"Okay, dann hier ein paar Grundregeln: Das hier ist ein normaler Trainingsraum, das heißt, dass wir unsere Kräfte hier nicht benutzen. Während unserem kleinen Kräftemessen könnte es aber doch passieren, dass du deine Kraft nicht unter Kontrolle halten kannst. Das ist ganz normal, wichtig ist nur, dass du mir sobald du die ersten Anzeichen spürst bescheid sagst." Prüfend sah er mich an und ich nickte. Die Tatsache, dass er so auf mich Rücksicht nahm, machte ihn mir noch ein Stückchen sympathischer.
"Gut. Dann werde ich dir jetzt erstmal ein paar Grundtechniken zeigen und danach werden wir ja sehen wer stärker ist." Seine Stimme war von Vorfreude durchzogen und auch wenn mir jetzt schon klar war, dass ich verlieren würde, steckte mich seine Vorfreude an.
"Okay. Aber sei nicht zu enttäuscht, wenn du am Ende verlierst!", forderte ich ihn nun meinerseits heraus und ich konnte sehen wie meine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. Mo wirkte jetzt fest entschlossen.
"Ganz schön große Klappe", spottete er zurück und behielt mich genau im Auge. Unschuldig sah ich ihn an und entlockte ihm damit ein dunkles Lachen.
Dann begann er mit seiner Einweisung. "Als erstes üben wir das Abrollen." Gekonnt machte er es mir vor und sah mich dann erwartend an.
Eigentlich sah das gar nicht so schwer aus. Ich stellte mich an die Stelle an der er gestanden hatte und versuchte es. Jedoch machte ich irgendwas entscheidend anders als er, denn keine Sekunde später lag ich auf der Seite und sah zu Mo hoch, der schräg über mich gebeugt stand.
Ein fettes Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er versuchte sich das Lachen zu verkneifen.
"Ha ha", kommentierte ich seinen Gesichtsausdruck, schlug die Hand die er mir anbot weg und kam alleine wieder auf die Beine.
"Was denn? Ich sag doch gar nichts!", verteidigte er sich.
"Das brauchst du auch nicht." Mein Ehrgeiz regte sich in mir und übernahm die Überhand. Ohne einen weiteren Kommentar von Mo abzuwarten, versuchte ich es nochmal, wobei ich mich genau an seinen Bewegungsablauf versuchte zu erinnern.
Diesmal schaffte ich es. Ich verlagerte mein Gewicht und rollte mich über die Schulter ab. Triumphierend blickte ich Mo entgegen.
"Schon besser! Gleich nochmal", forderte er mich auf und ich tat es. Etliche Male forderte er mich dazu auf es nochmal zu machen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war er dann zufrieden. So langsam wurde mir ein wenig schwindelig und ich war dankbar, dass er es nicht nochmal sehen wollte. Ich verstand jetzt, wie sich ein Rad fühlen musste.
Diesmal ließ ich mir von ihm hoch helfen und rieb mir über die Schulter. "Was jetzt?"
"Jetzt beginnt der eigentliche Spaß."
Misstrauisch zog ich die Augenbrauen zusammen. Na das konnte ja was heißen.
Sein Unterricht ging weiter mit verschiedenen Tritten und Schlägen, wobei er immer wieder betonte, dass sie besonders leicht für Anfänger seien. Ich schwor, wenn er noch einmal Anfänger aussprechen würde, würde ich ihm den Hals umdrehen.
Ähnlich wie das Abrollen, ließ er mich jede Bewegung etliche Male wiederholen. Jedoch war er diesmal nicht so schnell zufrieden. Immer wieder fielen ihm Kleinigkeiten auf, die ihm nicht gefielen und mich mit der Zeit immer weiter frustrierten.
Nach dem wahrscheinlich hundertsten Versuch der richtigen Ausführung eines Trittes spürte ich, wie die Frustration in mir begann die Kraft aufzuwecken. Anstatt weiter zu machen stand ich nur da und versuchte mich wieder zu beruhigen. Auch wenn es mich frustrierte, dass nichts gut genug zu sein schien, durfte ich das nicht zulassen.
"Hey, alles okay?" Mo, von dem ich mich halb weggedreht hatte, tauchte wieder in meinem Blickfeld auf. Mit seinem Blick scannte er besorgt mein Gesicht und blieb an meinen Augen hängen.
"Wow!", rief er überrascht aus und drehte mich an den Schultern zu sich. Seine Reaktion irritierte mich und ließ mich mein Frustration vergessen.
"Was?", fragte ich, da ich nicht verstand was er meinte. Was sollte dieses wow bedeuten?!
"Deine Kraft rebelliert gerade in dir, nicht wahr? Deine Augen leuchten nämlich!", fasziniert sah er mich an.
"Wie bitte?!" Das war doch vollkommen bescheuert! Wieso sollten meine Augen leuchten? Das war rein biologisch doch schon gar nicht möglich!
"Nein ernsthaft. Manchmal kann es passieren, dass wenn die Kraft besonders stark ist, sie aber versucht wird zu unterdrücken, die Augen der Erben leuchten. Wobei leuchten hierbei der falsche Ausdruck ist. Es ist mehr so, dass die Farbe deiner Augen mit einem Mal um ein tausendfaches intensiver ist als normal."
Ungläubig befreite ich mich aus seinem Griff und drehte den Kopf weg. Na toll, wenn ich mich also nur noch schwer unter Kontrolle halten konnte, mutierte ich zum menschlichen Glühwürmchen! Na ganz klasse!
"Hey", überraschend drehte er meinen Kopf wieder vorsichtig zu sich, "Es ist wunderschön."
Perplex sah ich ihn an. Ohne mein Zutun hatte sich die Kraft beruhigt und eine seltsame Mischung aus Freude, Verwirrung und Glück zog ihre Bahnen um mein Herz.
Während er meinen Blick mit seinem gefangen hielt, trat er einen Schritt zurück und das herausfordernde Lächeln erschien erneut auf seinem Gesicht.
"Lasst die Spiele beginnen!"
Noch bevor ich realisieren konnte, was er gesagt hatte, war er auch schon wieder bei mir, verhakte eins seiner Beine um meins, brachte mich aus dem Gleichgewicht und warf mich somit auf die Matte.
Der Aufprall ließ mich nach Luft japsen und ich sah ihn geschockt an. "Was sollte das denn? Ich dachte du wolltest dich zurückhalten!"
Böse funkelte ich ihn an, während er neben mir kniete und mich frech angrinste.
"Mann! Ich bin gestern erst entführt worden! Glaubst du nicht ein solcher Angriff könnte Flashbacks oder so auslösen?", fuhr ich ihn an. Ich glaubte zwar nicht wirklich, dass die Gefahr von Flashbacks bestand da ich jetzt über den Grund dafür bescheid wusste, doch er wusste davon nichts. Also nutzte ich es gegen ihn.
"Oh shit, entschuldige." Schuldbewusstsein zeichnete sein Gesicht und er half mir auf, wobei er fast schon beschämt meinem Blick auswich.
Diesen kurzen Moment nutzte ich um seine helfende Hand wegzuschlagen, in die Ausgangsposition zu gehen und ihm einen Tritt in die Seite zu verpassen. Überrumpelt keuchte er auf und stolperte zur Seite. Seine Hand lag an der Stelle an der ich ihn getroffen hatte und er sah erst entgeistert auf seine Hand und dann zu mir.
Diesmal war ich diejenige, die ihn herausfordernd ansah. "Machst du das mit allen Mädchen so? Ihnen erst ein Kompliment machen und sie dann auf die Matte schicken?"
Elegant ging auch Mo in die Ausgangsposition. "Nein. Nur mit denen die es provozieren."
"Gut zu wissen." Geübt bewegte sich Mo auf mich zu und schien jede noch so kleine Regung von mir zu bemerken. Ich bemühte mich vorauszuahnen wann der erste Angriff kommen würde, doch Mo ließ sich nichts anmerken. Dafür war er einfach schon zu geübt.
In mir wuchs die Anspannung so sehr, dass ich zum ersten Schlag ausholte. Er schien es aber bereits erwartet zu haben und tauchte unter meinem Schlag hindurch. Wie eben versuchte er sein Bein mit meinem zu verhaken und mir das Gleichgewicht zu nehmen, doch ich fiel nicht zweimal auf den gleichen Trick rein. Also schnappte ich mir seinen Arm, zog ihn vor mich und stieß ihn von mir.
Ein gelöstes Lachen drang aus seiner Kehle. "Nicht schlecht Kelya. Nicht schlecht."
"Ich weiß", sagte ich und tat so als wüsste ich wovon ich redete.
Mit zwei schnellen Schritten war er wieder bei mir, ging dabei auf ein Knie runter, packte mich an der Taille und riss mich nach hinten. Jedoch fing er meinen Sturz ein wenig ab, sodass ich nicht ganz so hart auf die Matte knallte wie gerade. Nahezu sanft legte er mich ab.
"Na warte!" Durch eine Drehung wand ich mich aus seinem Griff und rollte mich aus seiner Reichweite. Eilig stand ich wieder auf und fixierte meinen Gegner, der genauso schnell wieder auf den Beinen war wie ich.
Nun versuchte ich seine Taktik von eben zu kopieren, indem ich blitzschnell auf ihn zulief und versuchte einen Schlag in seine Seite zu erzielen. Damit schien er bereits gerechnet zu haben, denn er nutzte meinen Schwung um mich auf seine andere Seite zu ziehen und erneut auf die Matte zu stoßen. Rasch fixierte er meine Beine indem er sich auf sie draufsetzte und hielt meine Arme mit den Händen fest auf der Matte. Ich war komplett bewegungsunfähig.
"Ich sag doch, ganz schön große Klappe. Hättest-" Plötzlich wurde Mo von mir runtergerissen und landete einen Meter von mir entfernt hart auf dem Boden.
Zwischen uns stand wie aus dem Nichts ein ziemlich wütender Asiate.
"Was sollte das werden?!", fuhr Chou mit gereiztem Ton Mo an.
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