Kapitel 17
Nach einigem Suchen fanden wir Aron schließlich in der Bibliothek. In ein dickes Buch vertieft saß er an einem der Tische, welche alle mit kleinen goldenen und silbernen Lampen versehen waren.
Als wir die Bibliothek betraten, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sidera hatte echt nicht zu viel versprochen. Riesige Regale zogen sich vom Boden bis zur Decke und in jedem von ihnen befand sich eine eigene auf weißen Seiten niedergeschriebene Welt neben einer anderen. Ähnlich wie in der Küche führten zwei Treppen links und rechts auf eine zweite Ebene über uns und genau in der Mitte dieser Ebene befand sich ein gigantisches Emblem mit einer Sonne und einem Mond aus Buntglas. Es war als wäre der gesamte Raum nur auf dieses Buntglasemblem ausgerichtet.
Ehrfürchtig blieb ich stehen um mir jedes noch so kleine Detail genaustens einzuprägen. Ohne Frage war das die beeindruckendste Bibliothek in der ich je gewesen bin. Dieser Ort versprühte einen beinah magischen Charme, der still und leise in der Luft zu schweben schien. Nur schwer konnte ich den Drang bezwingen durch die Regale zu streifen und mir jedes Buch anzuschauen.
"Da seid ihr ja!" Mit einem leisen Knall ließ er das Buch, in dem er zuvor gelesen hatte, zuschnappen und riss mich somit aus meinem Staunen. Fast schon wehmütig wandte ich den Blick von den Büchern ab und zu ihm hin.
Jedoch bemerkte Sidera meinen Blick und flüsterte mir: "Du kannst später nochmal hier stöbern", zu während sie an mir vorbei auf Aron zu lief. Ihre Worte ließen ein Lächeln auf meinem Gesicht entstehen.
Als sie auf ihn zulief, stand Aron rasch auf und schloss sie kurz in die Arme. Erneut fragte ich mich bei ihrem Anblick, was für eine Beziehung die beiden zueinander hatten. Ob dieses Verhältnis einfach normal zwischen Erben war oder ob sie doch ein Paar waren. Waren sie nur gute Freunde oder mehr? Irgendwie erschien es mir komisch das jetzt als erstes zu fragen, deshalb beschloss ich die Frage für später aufzuheben und vielleicht auch nur Sidera danach zu fragen da ich zu ihr bis jetzt einen besseren Draht hatte.
"Setzt euch! Wir haben viel zu besprechen", sagte er zu uns nachdem er sich von Sidera gelöst hatte und deutete auf die Stühle ihm gegenüber.
Wir setzten uns um den Tisch und da ich dachte, dass einer von ihnen das Wort ergreifen würde, schwieg ich erstmal. Sidera und Aron sahen jedoch beide mich an und schienen darauf zu warten, dass ich etwas sagte. Eine fast schon peinliche Stille breitete sich zwischen uns aus, ehe ein Schmunzeln über Arons Gesicht huschte.
"Also gut. Dann fange ich an, bevor das hier noch seltsamer wird." Sein Blick zuckte noch einmal kurz zu Sidera, die ihm bestätigend zunickte. "Ich weiß, die Situation ist für dich total absurd und wahrscheinlich hast du das alles vorher für Sciencefiction gehalten. Zudem kennst du hier niemanden, was die Sache nochmal schwieriger macht. Deshalb lass mich mich vorstellen."
In einer theatralischen Geste legte er eine Hand über sein Herz und deutete eine Verbeugung vor mir an. "Mein Name ist, wie du schon weißt, Aron und ich bin der derzeitige Sonnenerbe. Dementsprechend bin ich zusammen mit Sidera so eine Art Mentor für dich und Mo. Ich weiß nicht, kennst du Mo schon?"
Verneinend schüttelte ich den Kopf. Auch wenn ich neugierig war, wer dieser Mo war, so hatte ich ihn bis jetzt noch nicht mal aus der Ferne gesehen.
"Naja macht nichts. Ich werde zusehen, dass ihr euch heute noch kennenlernt. Er ist wirklich ein netter Junge." Kurz hielt er inne um Sidera die Möglichkeit zu geben auch noch etwas zu sagen, doch sie blieb stumm.
Mit den Schultern zuckend wandte er sich dann wieder mir zu. "Du kannst mir gerne jede Frage stellen, die du willst. Außer vielleicht wo ich aufgewachsen bin. Den Ort würdest du wahrscheinlich sowieso nicht kennen."
Aron wirkte ganz anders als gestern. Gestern war er ernst und unfassbar gefasst, aber heute war er wie ausgewechselt. Seine schalkhafte Art machte ihn sympathisch und ich ertappte mich wie auch in mir der Schalk langsam aus seiner Deckung kommen wollte.
"Schade, dass wollte ich gerade als erstes fragen", stichelte ich wobei ein überraschtes Funkeln in Arons Blick auftauchte. Ganz offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ebenso eine Schalk behaftete Seite hatte wie er. Mein ironischer Tonfall ließ sogar um Sideras Mundwinkel ein Lächeln zucken.
Jedoch kam ich auch ganz schnell wieder zum eigentlichen ernst, den diese Situation haben sollte. "Also", begann ich nun, "die für mich wichtigste Frage ist eigentlich, ob ich dieses Erben-Ding auch von zu Hause aus machen kann und nur ab und zu hier sein muss?"
Ein gequälter Ausdruck trat auf das Gesicht meines Gegenübers, gefolgt von einem tiefen Seufzen, was für mich eigentlich schon Antwort genug war. Ich spürte die Hoffnung in mir langsam zerbrechen und um mein Herz breitete sich ein klammes Gefühl aus.
"Grundsätzlich ist es dir jederzeit, in Begleitung eines Leibwächters, erlaubt wieder auf die Erde zu gehen. Jedoch bedeutet es leider viel mehr ein Erbe zu sein, als nur einmal im Monat oder in der Woche hier aufzutauchen. Als Erbin hast du eine riesige Verantwortung zu tragen und ich weiß wie schlimm sich das gerade anhört. Bis jetzt war es nur selten der Fall, dass sich ein neuer Erbe über eine solche Aufgabe gefreut hat und ich kann auch verstehen, dass du diese Verantwortung sehr wahrscheinlich gerne abgeben würdest. Aber durch die Zeichnung deiner Seele ist die Sicherheit da, dass du diese Verantwortung ohne Probleme wirst tragen können."
Schon als Aron das erste Mal das Wort Verantwortung benutzt hatte, verspürte ich einen Wiederwillen in mir. Zumal mir bis jetzt noch schleierhaft war was das für eine Verantwortung sein sollte.
"Was meinst du mit Verantwortung? Für wen oder was? Und warum ist es sicher, dass ich die Verantwortung tragen kann? Ich meine, ich schaffe es noch nicht einmal die Verantwortung für meine Pflanze zu Hause wahrzunehmen!" Ich versuchte meine Stimme ruhig zu halten, doch man konnte trotzdem eine leise Spur an Panik heraushören.
"Als du als neue Erbin der Sonne ausgesucht wurdest, hat die Sonne in dein Herz gesehen und hätte sie nicht gesehen, dass du mit dieser Verantwortung umgehen könntest, wärst du jetzt nicht die neue Erbin", erklärte nun Sidera und sah mich aufmunternd an.
"Und auf deine Frage hin, was mit dieser Verantwortung gemeint ist: Die Erben haben die Verantwortung sich um die hohe Welt zu kümmern", ergänzte Aron Sideras Erklärung.
Vollkommen geschockt sah ich sie an. Das konnte nicht ihr Ernst sein! Wie sollte ich mich denn um eine ganze Welt kümmern?! Vollkommen unmöglich!
Wie mechanisch schüttelte ich den Kopf. "Das ist nicht euer Ernst!"
"Doch ist es. Aber vertrau mir. Du wirst in die Aufgabe hinein wachsen und zudem wirst du niemals alleine sein. In der Vorbereitungszeit und in der Anfangszeit deiner und Mos Erbschaft werden wir bei euch sein und euch so gut wir können helfen. Und danach haben Mo und du einander und bewältigt gemeinsam diese Aufgabe." Sideras Stimme klang so zutraulich und bestärkend, dass ich ihr fast glaubte. Doch eben nur fast.
"Aber was bedeutet das? Was meint ihr damit, dass wir uns um die hohe Welt kümmern sollen?" Ohne Frage ging es hier um bedeutend mehr als das am Leben erhalten einer Pflanze. Wie sollte gerade ich das denn bitte schaffen?
"Die hohe Welt ist wie die Erde. Es gibt verschiedene Städte in denen Menschen leben und die Aufgabe der Erben ist es, dafür zu sorgen, dass Frieden herrscht und es allen gut geht. So wie eine Art König und Königin. Jedoch sind die Menschen in der hohen Welt ein wenig anders als auf der Erde. Sie haben eine seelische Verbindung zu den Sternen und tragen, ähnlich wie du, eine besondere Kraft in sich. Diese Kraft ist je nach Mensch unterschiedlich stark. Der einzige Unterschied zwischen ihnen und uns Erben ist, dass sie hier in der hohen Welt geboren werden und ihre Kraft schon von Geburt an haben und wir auf der Erde geboren werden, die hohe Welt erst betreten müssen und unsere Kraft erst nach einiger Zeit zu Tage tritt", erklärte Aron.
"Aber wieso nehmen sie keinen Herrscher aus ihrer eigenen Mitte? Wieso jemand von der Erde?" Ich verstand es nicht. Wieso blieben sie nicht einfach unter sich und regierten sich selbst? Wieso brauchten sie jemanden wie mich um die Ordnung zu halten?
"Vor langer, langer Zeit war dem so. Jedoch brachen immer wieder Kriege zwischen den Menschen der hohen Welt aus. Zu der Zeit hatten sowohl Sonne als auch Mond noch nie einen Erben gehabt. Beiden reichte es aber mit den Kriegen und sie beschlossen gemeinsam zwei Erben von der Erde auszuwählen. Sie nahmen bewusst zwei Außenstehende, damit sie unparteilich und unvoreingenommen gegenüber den Menschen der hohen Welt waren. Zudem gaben Sonne und Mond den Erben die stärksten Kräfte der hohen Welt, damit sie sich verteidigen und im Ernstfall auch hart durchgreifen konnten", erklärte er mir weiter.
Ungläubig sah ich ihn an. Mein Gehirn versuchte krampfhaft die gehörten Informationen zu verarbeiten, doch es fühlte sich an als würde mein Kopf bald explodieren.
"Aber ich bin komplett ungeeignet! Die Sonne muss sich geirrt haben!" In mir erwuchs die Panik, dass ich dem bei weitem nicht gewachsen war. Ich hatte Angst davor bald mehr als mein eigenes Leben im Griff haben zu müssen. Verflucht, bis gestern bestand meine größte Sorge noch daraus ob Kilian mich mochte und heute sollte ich über Leben bestimmen!?
Ein samtiges Lachen zerschnitt meine Gedanken und mein Blick zuckte zurück zu Aron.
"Es tut mir wirklich leid dir das sagen zu müssen, aber die Sonne irrt sich niemals."
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