Kapitel 12
Entgeistert sah ich sie an. Mein durch meine Seele gebundenes Erbe? Sie war doch verrückt! Ich wurde von Verrückten gekidnappt!
Ungläubig zog ich eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wovon reden Sie? Warum haben Sie mich entführt?!"
Neugierig beobachtete mich mein Gegenüber. Meine Wortwahl schien sie jedoch zu stören. "Nenn mich Sidera. Ich weiß, das alles ist gerade ein bisschen viel für dich, aber wenn Aron hier ist werden wir es dir erklären und dann wirst du verstehen."
Aufmunternd lächelte sie mich an. Sie wirkte nicht wirklich gefährlich, doch ihre Worte machten mich unruhig. Wer war dieser Aron und was wollten sie mir erklären? Etwa wie sie mich umbringen würden oder was?!
"Ich weiß wie du dich fühlst, aber bitte versuch dich zu entspannen. Keiner hier will dir etwas Böses", bat sie mich plötzlich aus heiterem Himmel.
Abfällig schnaubte ich. "Klar doch. Ihr habt mich entführt, aber hey, ich soll mich entspannen! Gibt es ein extra Kidnapper-Handbuch in dem solche Sprüche drin stehen oder denkt ihr die euch selbst aus? Sonderlich gut kommen die nämlich nicht an!"
Glockenhell lachte sie auf. "Du bist wahrlich die Sonne! Du hast den Kampfgeist den jede Sonne in sich trägt!"
In meinem Kopf stauten sich die Fragezeichen. Was meinte sie denn jetzt schon wieder? Was wollte sie denn jetzt mit der Sonne?!
"Glaub mir bitte einfach. Ich war selbst einmal in deiner Position und ich weiß noch immer recht gut wie es damals für mich war. Um ehrlich zu sein war ich nicht so schnell wieder im Angriffs- und Überlebensmodus wie du", sprach sie weiter und ich sah sie mit großen Augen an.
Sie war in meiner Position? Dann hieß das ja, dass sie ebenfalls entführt worden ist! Wie lange war sie schon hier? Hatte Chou sie entführt oder jemand anderes? Womöglich dieser Aron von dem sie gesprochen hatte? Aber warum schien sie Chou dann so mühelos Befehle geben zu können, wenn sie doch entführt worden war?
"Aber wenn du auch entführt wurdest, dann-"
"Ich wurde nicht entführt", unterbrach sie mich mitten im Satz. Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen. Litt sie vielleicht am Stockholmsyndrom und sah ihre Entführung dadurch nicht als Entführung an?
Plötzlich ging die Tür wieder auf und ein groß gewachsener Mann betrat den Raum. Seine Kleidung war schlicht und er trug auch keine Waffen. Seine Haut war sonnengebräunt und nun war ich mir ganz sicher es mir nicht einzubilden, denn auch seine Haut schien einen seltsamen Schimmer zu haben. Nur war er im Gegensatz zu dem von Sidera nicht silbern sondern golden. Seine Augen waren von einem interessanten grün-braun und sein Blick zuckte suchend durchs Zimmer.
Als er mich fand, verschlug es mir die Sprache. Da war etwas an ihm, das mir vertraut vorkam. So als wären wir auf eine Art miteinander verbunden, die ich nicht verstand. Er hatte etwas an sich, dass tief in mir drinnen auf einen Widerhall traf.
"Sie ist es", sagte er mit hörbarer Freude in der Stimme zu Sidera.
Diese nickte nur und erwiderte das Lächeln, welches er ihr schenkte. Dann sah er wieder zu mir und kam einen Schritt auf mich zu. Unwillkürlich löste ich meine Arme aus der Verschränkung und ballte die Hände zu Fäusten.
Ein deutliches Zeichen nicht näher zu kommen, welches er sofort bemerkte und akzeptierte. Anstatt weiter auf mich zu zu gehen, trat er neben Sidera und legte ihr fast schon liebevoll die Hand auf die Schulter.
"Ich bin Aron", stellte er sich vor.
"Kelya", stellte nun auch ich mich kurz angebunden vor. Wachsam ließ ich die beiden nicht aus den Augen.
"Es freut mich dich kennenzulernen. Du weißt gar nicht wie gespannt wir darauf waren die Sonnenerbin endlich zu sehen."
"Was wollt ihr von mir? Warum habt ihr mich entführt?", fragte ich nun erneut gerade heraus.
Tief seufzte Aron auf. "Ich hasse diese Prozedur", murmelte er und Sidera drückte ihm kurz bestärkend die Hand.
Was sollte das?!
"Du hattest einen Traum von Licht und Dunkelheit, nicht wahr?", fragte er nun an mich gewandt. Misstrauisch schwieg ich. Woher wusste er das?
Als wäre mein Schweigen die Antwort die er erwartet hatte, nickte er. "Ich weiß wie verrückt das alles hier wirken muss. Aber ich bitte dich, hör uns erst einmal zu bevor du voreilige Schlüsse ziehst."
"Dafür ist es ein bisschen spät", schnaubte ich. Doch aus irgendeinem mir unbegreiflichen Grund wollte ich hören was sie zu sagen hatten. Er hatte meine Neugierde geweckt und tief in mir drin ließ mir dieses Gefühl der Vertrautheit keine Ruhe.
Fast schon betreten sah er mich an. "Ich weiß, die Einführung der Erben ist nie wirklich schön. Du weißt gar nicht wie viel Sorge mir dieser Moment bereitet hat. Sidera und ich wissen genau wie es dir geht, denn seit hunderten Jahren verläuft die Prozedur schon so. Ich wünschte ich hätte etwas für dich daran ändern können."
Was zum Teufel!!? Seit hunderten Jahren wurden schon Leute entführt? War das hier so eine Art Sekte und sie hatten mich für die Erhaltung ihrer kranken Rituale ausgewählt? Womöglich hatten sie mir auch irgendwas verabreicht, sodass ich diesen seltsamen Traum bekam. Das würde zumindest erklären, warum Aron so genau darüber bescheid zu wissen schien.
"Was meinst du damit? Was, verfluchte Scheiße nochmal, wollt ihr von mir?", unwillkürlich wurde meine Stimme lauter und mein Blick lag fest auf den beiden.
"Ich bitte dich Kelya, du musst dich beruhigen", sagte Sidera mit einem Anflug von Mitleid in der Stimme. Doch dieses Mitleid schürte Wut in mir, denn ich war kein bemitleidenswertes Tier, das verschreckt in der Ecke kauerte. Wenn ich müsste, würde ich mir den Weg hier raus schon irgendwie freikämpfen, auch wenn meine Chancen noch so klein wären.
"Ich will nichts mit euch zutun haben! Lasst mich gehen!" Eine ungekannte Kraft baute sich in mir auf und sämtliche Angst hatte sich in Wut verwandelt. Ich verstand bei weitem nicht wo ich auf einmal diese Kraft hernahm oder was in diesem Moment mit mir passierte, doch in meinem Kopf setzte sich die Gewissheit fest, dass sie es bereuen würden, wenn sie mich nicht gehen ließen.
Arons Augen weiteten sich und seine Gesicht zeigte eine wilde Mischung aus Bestürzung und Erstaunen. Fast schon beschützerisch zog er Sidera hinter sich, als ob er fürchtete ich sei eine ernstzunehmende Bedrohung und könnte ihr schaden.
"Kontrolliere dich Kelya!", befahl er mir mit einem gefährlichen Blick.
Das reicht! Sein Ton und die Tatsache, dass ich noch immer hier war und sie versuchten mich zu manipulieren, brachte das Fass zum überlaufen.
Wie ein wilder Sturm brach etwas aus mir heraus. Pure, rohe, ungezügelte Energie entlud sich aus mir in Richtung der beiden. Von einer plötzlichen Druckwelle wurde ich nach hinten gegen die Wand gerissen. Das Zimmer wurde von grellem Orange erleuchtet und für ein paar Herzschläge schien alles in Flammen zu stehen. Ich sah, wie Aron vor meinen Augen eine grell leuchtende Kuppel aus flüssigem Feuer um Sidera und sich erbaute um sich vor dem was auch immer gerade aus mir herausbrach zu schützen.
Das ist nicht normal!, schrie eine Stimme in meinem Kopf und mit einem Schlag realisierte ich, dass ich Schuld an den Flammen war. Das sie aus mir herauskamen. Das ich nicht normal war.
Geschockt drängte sich ein verzweifelter Schrei aus meiner Kehle und ich rutschte an der Wand hinab. Von einer Sekunde auf die nächste erloschen die Flammen und der Raum sah aus wie vorher. Als wäre nichts gewesen. Als hätte ich mir das alles gerade nur eingebildet.
Einzig die Kuppel um Aron und Sidera bestand noch und zeugte davon, dass ich mir das nicht nur eingebildet hatte. Doch kurz darauf war auch sie wieder verschwunden und ich sah in die entgeisterten Gesichter der beiden.
"Wow", hauchte Sidera mit großen Augen fast schon tonlos.
"Sie ist unglaublich stark dafür, dass sie noch nicht einmal weiß was sie ist", sprach auch Aron. Seine Stimme war ruhig und hatte einen Hauch Faszination in sich.
"Sie ist zwar untrainiert, aber jetzt schon so stark wie Mo", entgegnete Sidera ihm.
Wer war Mo? Was bedeutete dieses, dass ich nicht wusste was ich war? Ich war ein Mensch, ein ganz normaler Mensch! Nichts besonderes!
Aus normalen Menschen bricht aber kein Feuer hervor!, zischte erneut diese Stimme in meinem Kopf und ließ mich panisch schneller atmen.
Nicht normal! Ich war nicht normal! Verfluchte Scheiße, was war ich?!!
Mein Herz klopfte wild gegen meine Rippen während sich die Gedanken in meinem Kopf überschlugen.
"Kelya atme!"
Sidera kniete vor mir und hielt mich an den Schultern fest. Erschrocken zuckte ich zusammen, denn ich hatte nicht bemerkt wie sie näher gekommen war.
"Du musst atmen. Konzentrier dich nur darauf!", redete sie weiter mit sanfter, aber bestimmter Stimme auf mich ein.
Meinen Blick hielt sie mit ihrem gefangen und langsam nahm sie einen tiefen Atemzug, wie um mir zu zeigen wie ich es machen sollte.
In meinem Kopf herrschte noch immer das absolute Chaos, also klammerte ich mich an den letzten verbliebenen Strohhalm und begann zusammen mit ihr zu atmen.
Ein.
Aus.
Immer wieder holte ich mit ihr Luft und langsam wurden meine Atmung und mein Herzschlag wieder normal und auch die Gedanken in meinem Kopf schienen diesen nicht mehr sprengen zu wollen.
Ich wusste nicht wie lange wir dort saßen und einfach nur atmeten. Es konnten Minuten sein, möglicherweise aber auch Stunden. Irgendwann fand ich dann endlich meine Stimme wieder und fragte: "Was bin ich?"
Aron, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, kniete sich nun ebenfalls vor mir hin, sodass wir ungefähr auf Augenhöhe waren. Sein Blick war warm als er mir antwortete.
"Du bist eine Erbin der Sonne."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro