Kleider machen Leute (18)
Marie Brant lehnte an der Wand im Besprechungszimmer des 'Goldenen Palast' und starrte aus dem Fenster. Sie hatte das Kommunikationsgerät in ihrem Ohr wieder eingeschaltet. Es bestand kein Grund den Verbrechern zuzuhören. Das konnte ruhig Daniel Keuchner, der nervige Polizeikontakt, machen.
Sie gähnte.
Seit sie sich in das Syndikat eingeschleust hatte schlief sie schlecht. Die ständige Angst enttarnt zu werden ließ sie bei Nacht keine Ruhe finden und sorgte dafür, dass sie sich stundenlang in den Laken hin und her wälzte. Diese Leute, der 'Goldene Palast', waren bereit gewesen sich mit der Lady einzulassen. Mit Lady Laeta de Dolores, der brutalsten Mörderin von der Brant je gehört hatte.
Immer wenn sie kurz davor war einzuschlafen blitzten Bilder des Toten aus dem Dom vor ihrem inneren Auge auf und eine verräterische Stimme in ihrem Hinterkopf flüsterte: "Das bist du. Wenn sie rausbekommen, dass du Polizistin bist, dann bist das du."
Marie schüttelte den Kopf, bei dem vergeblichen Versuch die bedrückenden Gedanken mit abzuschütteln. "Frau Schmuck, meine Liebe, alles in Ordnung? Du wirkst bedrückt.", fragte John, sie nun direkt ansehend. Veronikas Augen bohrten sich in Marie Brants, als suchten sie darin nach dem geringsten Anzeichen von Verrat. Die Frau, die sich immer noch ausschließlich in schwarz kleidete, vertraute Marie absolut nicht. Die Polizistin nickte steif. "Ich habe nur schlecht geschlafen. Es ist noch ungewohnte wieder im Land zu sein. Der Jetlag, ihr wisst schon.", antwortete sie und kicherte gekünstelt.
Endlich wandten die Verbrecher ihre Aufmerksamkeit von Marie ab, und widmeten sich wieder ihrer Besprechung. Die Polizistin seufzte. Sie sehnte sich in ihr Bett in ihrer sicheren Wohnung. Verdammte Under-Cover Mission! Sie hatte von Anfang an gesagt, dass sie da nicht mitmachen wollte. "Hey, Kopf hoch, Brant. Sobald sie ihren Angriff gegen die Lady starten bis du da raus!", trällerte der Polizei Kontakt, den Marie schon seit ihrer Ausbildung kannte, mit nervig fröhlicher Stimme und biss geäuschvoll in etwas, das verdächtig nach einem Donut klang. Marie hätte am liebsten geschrien. Der Typ würde sie noch in den Wahnsinn treiben!
Um sich zu beruhigen ließ sie den Blick erneut aus dem Fenster wandern. Draußen wuselte ein in teure Kleidung gehülltes Pärchen vorbei, in Richtung des Kasinoeingangs. Sie schnatterten fröhlich miteinander. Der Mann sagte etwas, das die Frau dazu brachte in heftiges Gelächter auszubrechen. Marie lächelte. Sie hatte, seit sie vor vier Jahren ihren Freund verlassen hatte, keine Beziehung mehr gehabt, aber sie hätte gern wieder eine.
David Peterson war ja schon nett...
Marie spürte wie sie rot wurde und konzentrierte sich schnell wieder auf das Geschehen vor dem Fenster. Ein junger Mann in Anzug schlenderte aus dem Kasino und zählte ein Bündel Geldscheine. Eine Frau mittleren Alters, die einen Blazer trug eilte mit Tränen in den Augen vorbei. Die hatte also verloren.
Plötzliche fiel Maries Blick auf eine Person, die nicht zu den ganzen schick angezogen Kunden des Kasinos passten. Sie trug einen Braunen Mantel und verdreckte Stiefel, fast als wäre sie durch einen Wald gerannt. Ihre kurzen, schwarzen Haare klebeten an ihrer Stirn, sie trug eine schlichte Jeans und umklammerte eine Golftasche. Zwischen all den rausgeputzten Spielern wirkte sie fehl am Platz. Die kleine Frau mit der Tasche sah sich langsam um, als wolle sie sich mit der Umgebung vertraut machen.
Langsam streifte ihr Blick die ranzigen Gebäude vor dem Casino, dann sah sie genau in das Fenster. Die Polizistin erkannte die Andere sofort.
Auch wenn das Glas verspiegelt war hatte Brant das Gefühl, als würde Fifemiles ihr direkt in die Augen sehen. Sie stieß sich von der Wand ab. "Fifemiles ist hier!", rief sie, "Die Lady vermutet etwas! Fifemiles ist hier!"
In der Polizeistation Frankfurt verschluckte Daniel Keuchner sich an seinem Donut. "WAS?!"
David Peterson hatte beschlossen, dass er Köln hasste. Nicht dass die Stadt nicht schön wäre, nein das war es nicht. Er schien nur jedes Mal wenn er dort war, trotz seiner jahrelangen CAI Ausbildung, katastrophal zu scheitern. Es war, als würde der Junge, den Fifemiles erwähnt hatte, gar nicht existieren. Niemand hatte einen Jungen vermisst gemeldet und das verdächtigste, das in den letzten Tagen passiert war, waren mehrere Personen die behaupten von einem Geist bestohlen worden zu sein.
"Holy Cow!", schimpfte Peterson vor sich hin, während er sich einen Cafee machte. Seine Ermittlungen steckten fest. Er war so stolz gewesen, als man ihn zum Leiter des internationalen Ermittlungsteams ernannt hatte. Seine Regierung hatte ihm zugetraut, die brandgefährliche Daphne Cooper zu fangen, die New York schon seit Jahren terrorisierte, und jetzt? Jetzt brachte er es nicht einmal fertig einen kleinen Jungen zu finden. Einen, der anscheinend so nutzlos war, das Fifemiles ihn am liebsten erschossen hätte. David fuhr sich durch die kurzgeschorenen Haare und nippte an dem Cafee. Die Situation war einfach... Bullshit.
Plötzlich flog die Tür zu dem Büro in der Kölner Polizeistation auf, das man ihm für die Dauer seiner Ermittlungen überlassen hatte, und ein älterer Beamter folgte drei Kindern hindurch. Vor Schreck zuckte Peterson zusammen und schüttete ein paar Schlucke heißen Cafee über seine Hand. "Damn it! Können Sie nicht anklopften?", schimpfte er, und stellte vorsichtig seine Tasse auf den Schreibtisch. Möglichst unauffällig wischte er seine Hand an seiner Hose ab, und hoffte, das niemand dieses unprofessionelle Verhalten bemerkt hatte.
"Sorry, Mr Bulle, äh, ich meine Officer, Sir. Wir glauben nur, dass wir ein paar Infos haben, die sie mögen könnten.", verkündete ein Junge, der älter als die anderen Kinder erschien und grinste breit, wobei er zwei Zahnlücken offenbarte. Die anderen beiden, ein kleiner Junge mit schmutzigem, braunen Haar und ein Mädchen mit dunkler Haut und einem fröhlichen Grinsen, nickten begeistert. Peterson nickte ebenfalls.
"Und was für Informationen wären das?"
"Ich hab gehört Sie suchen den Langfinger. Wir hörn so Sachen, wissen Sie. Wir wollen auch mal Bullen... äh... Polizisten werden, wie Sie und deshalb ermitteln wir mit.", sagte der, der anscheinend der Anführer war stolz. Peterson sah von den Kindern zu den älteren Kollegen und zog die Augenbraue hoch.
"Das sind Paul, Martin und Ronja. Sie sind Straßenkinder und sie helfen uns manchmal, wenn wir Informationen aus dem Kölner Untergrund brauchen. Sie sagen sie kennen den Jungen, den die Lady aufgesammelt hat. Bis jetztwaren ihre Informationen immer zuverlässig."
Erneut betrachtete David die Kinder.
Auf den ersten Blick hätte er sie niemals für Straßenkinder gehalten. Ihre Kleidung war hochwertig und relativ sauber, nur die Kinder selbst waren es nicht. Ronja trug Zöpfe mit glitzernden Kettchen darin, Paul hatte eine Armbanduhr und Martins Schuhe erkannt der CIA-Agent als ein ziemlich neues Modell der Marke Nike. Peterson wusste, dass er eigentlich fragen sollte, wo die Kinder die ganzen Klamotten her hatten. Wenn sie wirklich auf der Straße lebten, war es sehr wahrscheinlich, dass sie geklaut waren.
Aber David hatte als Kind ein paar Freunde gehabt, die auch nicht viel Geld gehabt hatten und er erinnerte sich noch, dass diese sich oft an den Mülltonnen großer Geschäfte bedient hatten, in denen die Mangelware gelandet war. Vielleicht war es mit diesen Kindern ja genauso.
David Peterson entschied sich also dagegen ihnen diese Frage zu stellen und fragte stattdessen: "Also, was wisst ihr über den Langfinger?"
"Der Langfinger ist ein Dieb. Er kann so ziemlich alles klauen, einmal hat er einen halben Gucci-Store ausgeräumt, bevor er fliehen musste. Auf der Straße sagen wir: Der Langfinger will es, der Langfinger holt es sich. Wenn ich ein Verbrecherboss wäre, dann würde ich ihn auch in meinem Team wollen.", erklärte Paul.
"Der Langfinger wollte auch immer für ein Gangsterboss klaun. Hat Mist gelabert von wegen 'für was höheres bestimmt', und so...", fügte Martin hinzu.
"Und er ist an dem Tag, an dem die Leiche im Dom war, verschwunden. Wir sind uns ziemlich sicher, dass er in der Nähe vom Dom Touris abziehen wollte. Hat er oft gemacht. Er hätte diese Lady also echt treffen können. Und sie hätte sehen können, was der Langfinger so drauf hat.", schilderte Ronja.
David nickte. Das klang plausibel. "Vielen Dank.", sagte er, "Ich werde es in die Akten aufnehmen." Die Kinder strahlten ihn stolz an. "Gut, lassen wir Agent Peterson seine Arbeit machen. Wer hat Hunger auf McDonald's?", fragte der ältere Polizist. Freudig johlend rannten die Kinder aus dem Büro, der Beamte folgte ihnen. David Peterson setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und nahm einen Schluck Cafee. Er hatte eine Spur. Wollte er doch einmal sehen, was so über diesen Langfinger im Netzwerk war.
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