Kapitel 3 - ,,Ich mag keine Leute, die andere aus Spaß ärgern."
Auf dem Weg zur Krankenschwester reden Jordan und ich nicht viel, wofür ich ihm sehr dankbar sind.
Aber die besorgten Blicke, die er mir ab und zu zuwirft, nerven dann doch ein wenig.
Seit wann können Walnüsse gucken?
Ich bin verwirrt.
,,Wie lange?", fragt er plötzlich in die Stille, sodass ich vor Schreck fast gegen die Decke gehüpft wäre und mir nochmal den Kopf angeschlagen hätte.
,,Was?", frage ich verwirrt und schaue zu ihm und unsere Blicke begegnen sich.
,,Wie lange ärgern die dich schon?"
Ich bekomme ein dumpfes Gefühl im Bauch und schaue schnell weg.
Das ist ein sehr sensibles Thema, worüber ich nicht gerne rede.
Und schon gar nicht mit einem Fremden.
Jordan wartet geduldig auf eine Antwort, aber anstelle einer Antwort bekommt er eine Gegenfrage.
,,Warum interessiert dich das?"
Nun schaut er weg, aber ich kann trotzdem sehen, wie er mit sich ringt.
Eine Weile schaut er sich die hässlichen, beigefarbenen Fliesen an und ich habe schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet, als er plötzlich etwas flüstert.
,,Ich mag keine Leute, die andere aus Spaß ärgern. Oder die sich generell über jemanden lustig machen."
Ich schaue Jordan ein wenig erleichtert an, antworte ihm aber nicht.
Vielleicht lässt er sich doch nicht von den anderen beeinflussen.
Vielleicht ist er ja doch ganz okay.
Als Jordan merkt, dass er keine Antwort mehr bekommt, wechselt er das Thema.
,,Du bist Elliot Goldman, stimmt's?"
Ich nicke, spüre aber im nächsten Moment einen stechenden Schmerz in meinen Kopf und schließe kurz die Augen.
,,Ja.", antworte ich ihm stattdessen.
,,Sieht so aus, als wären wir für das nächste halbe Jahr Partner in Chemie.", sagt er und lächelt mit aufrichtig an.
Ich kann nicht anders und starre auf seinen Mund, der ein wenig geöffnet ist, sodass ich gerade, weiße Zähne sehen kann.
Was hat er für Zaubertricks auf Lager, die ich nicht kenne?
Ich trage seit der Jahren Retainer und trotzdem habe ich noch einen leicht schiefen Schneidezahn, der einfach nicht an die richtige Stelle will.
,,Ja.", sage ich und zeige auf das Krankenzimmer, an welchen wir gerade ankommen.
Ich halte an und drehe mich leicht zu ihm.
,,Ich glaube, ab hier schaffe ich es alleine. Du kannst gerne wieder zurückgehen, damit du dich noch umziehen kannst, bevor die nächste Stunde beginnt."
,,Ja, wäre wohl besser.", sagt er, kratzt sich verlegen den Nacken und schaut in den Gang, von welchem wir soeben gekommen sind, ,,Wir sehen uns dann in Chemie."
,,Ja.", sage ich leise und öffne derweil die Tür, ,,Wir sehen uns in Chemie."
Sobald ich eingetreten bin und die schwere Tür hinter mir zugefallen ist, kommt die Ärztin auf mich zu.
,,Du schon wieder?"
Nachdem ich ihr so geduldig wie möglich erklärt habe, was passiert ist, muss ich mich auf sie Liege setzen und sie führt verschiedene Test durch, damit wir Klarheit haben, ob es wirklich eine Gehirnerschütterung ist.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist sie fertig und meint, dass es nicht allzu schlimm ist und drückt mir eine Schachtel Schmerztabletten in die Hand.
,,Morgen wird es dir schon besser gehen.", sagt sie noch, bevor sie mich wieder entlässt.
Langsam laufe ich durch die leeren Flure und mir wird immer schlechter, als ich die ganzen Zettel sehe, die über den Blden verteilt wurden.
Mit Tränen in den Augen knie ich mich auf die kalten Fließen und sammle jeden einzelnen meiner Zettel wieder ein, bevor ich mich weiter auf den Weg mache.
Mit jedem weiteren Schritt wächst meine Verzweiflung und als ich um die Ecke biege, liegt meine Kleidung aufgeweicht in einer Pfütze, von der ich nur hoffen kann, dass es Wasser ist.
Wer muss nun den restlichen Tag in seinen Sportsachen verbringen und wie ein kleines, schwitzendes Schweinchen stinken?
Richtig, natürlich ich.
Wer auch sonst?
Außerdem muss ich heute Nachmittag halb nach Hause rennen, denn für Herbst ist das Wetter schon ziemlich kalt und ich trage nichts weiter als eine kurze Sporthose und ein Shirt.
Unterwäsche, Socken und Schuhe natürlich auch, aber das ist ja selbstverständlich.
Traurig seufze ich und wringe meine Sachen aus, bevor ich schnell meine Bücher wechsel und mich in den nächsten Unterricht begebe.
***
Der Englischunterricht vergeht schneller als gedacht, vor allem, weil ich schon die Hälfte verpasst habe.
Kaum habe ich mich gesetzt, kann ich auch schon wieder mein Zeug einpacken und mit den anderen Schülern in Richtung Chemieraum strömen.
Als ich den Raum betrete, fällt mir sofort auf, dass etwas anders ist als sonst.
Jeder presst sich gegen die Wand, als ich an denjenigen vorbei laufe.
,,Okay, Leute.", verschafft sich die Lehrerin Gehör, ,,Ab heute sitzt warscheinlich jeder von euch woanders, denn ich habe euch und euren Partner schon mal die Plätze zugeteilt, damit es schneller geht. Bitte seid geduldig und wartet, bis ich euch aufrufe."
Ich schweife ein wenig mit den Gedanken ab, als Mrs. Dailey die verschiedenen Schüler zu ihren Plätzen weist. Nur, als die Lehrerin meinen Namen nennt und auf den dazugehörigen Stuhl zeigt, bin ich psysisch anwesend.
Jordan lässt sich auf den Stuhl neben mir fallen und legt sein Buch auf die Bank.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Jordan neugierig mein Outfit beäugt, bevor er mich sympatisch anlächelt.
Glücklicherweise sagt er nichts zu dem Gestank, der mich sehr wahrscheinlich umhüllt und dafür bin ich mehr sehr dankbar.
Als alle Schüler auf ihrem neuen Platz sitzen, kommt Mrs. Dailey wieder nach vorn und beginnt mit ihrem Unterricht über Standartabweichungen und was auch immer. Keine Ahnung, über was die redet, weil ich viel zu hastig mitschreibe und mir nebenbei Gedanken mache, was ich tun muss, falls mein Banknachbar wegen meines Gestanks tot vom Stuhl fällt.
Ob meine Versicherung Schadensersatz zahlt, wenn er wegen mir seinen Geruchssinn verliert?
,,Wie geht es deinem Kopf?", fragt er mich leise.
,,Alles gut.", sage ich mit gesenktem Kopf und konzentriere mich auf den Merksatz über die Summation, den ich gerade aufgeschrieben habe.
Er schaut mich weiterhin an und erwartet anscheinend eine Erklärung von mir.
,,Sie hat gesagt, dass ich in ein bis zwei Tagen wieder normal sein werde.", füge ich hinzu.
Als ob du jemals normal bist.
Klappe halten.
Jordan nickt und schaut wieder nach vorn.
Langsam wird es ein wenig dunkler im Raum und ich schaue besorgt nach draußen, wo dunkle Wolken den Himmel bedecken.
Ich seufze genervt, denn bei meinem Glück werde ich wohl durch strömenden Regen und in meinen dünnen, stinkenden Sportsachen nach Hause laufen dürfen.
Warum passiert auch immer mir so etwas?
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