Die Zufahrt
Noch immer atemlos und bebend ließ ich Lucia vorsichtig auf den Boden zurück. Mit weichen Knien blickten wie einander an, glücklich lächelnd und überwältigt von der Gefühlsflut, die uns durchströmte. Wir hielten einander eng umschlungen und unsere Lippen verschmolzen erneut. Sanft und zärtlich diesmal, beinahe vorsichtig, als wäre dies unser erster Kuss. Unsere Zungenspitzen berührten einander hauchzart, lösten sich voneinander, fanden sich erneut. Schier endlos tanzten sie miteinander, voller Gefühl und jede Berührung und jede Bewegung auskostend. Zärtlich bewegten sich unsere Fingerspitzen über unsere empfindsame Haut, während wir uns eng aneinanderschmiegten.
Vorsichtig löste diese wundervolle Frau ihre Lippen von den meinen und sah mich mit diesem umwerfend bezaubernden Lächeln an. „Nun bereit für die Führung, Signore Torwald?" fragte sie augenzwinkernd. „Mit dem größten Vergnügen, Signora Scapelli" antwortete ich. „Ich müsste nur noch kurz nochmal zum Wagen." Lucia beugte sich zu meinem Ohr, ließ ihre Zungenspitze über mein Ohrläppchen gleiten und hauchte „Ich warte auf Dich, mio caro". Ich bedachte sie mit dem strahlendsten Lächeln, zu dem ich fähig war, schloss umständlich meine Hose und wenige Augenblicke später befand ich mich wieder im Freien, das von der Nachmittagssonne in warmes, goldenes Licht getaucht wurde.
Ich stand am Treppenabsatz und ließ meinen Blick schweifen. In dem kleinen Springbrunnen plätscherte das Wasser wie zuvor und schlug kleine, zierliche Wellen. Mein Wagen stand wie zuvor auf dem weißen Kies, der so edel knirschte, wenn man darüberfuhr. Die Zufahrt war nach wie vor von alten Zypressen gesäumt, die so typisch für diese Landschaft waren. Nichts hier draußen deutete darauf hin, was gerade geschehen war. Meine Augen fanden jedes Detail unverändert vor. Und dennoch fühlte sich alles anders an. Als ich meinen Wagen parkte, war es einfach ein Haus. Ein wunderschönes, ja – aber eben nur ein Haus. Jetzt war es ... ja was eigentlich? Ich fühlte mich diesem Haus auf eine Weise verbunden, die ich nicht erklären konnte – als hätte ich nun eine besondere Verbindung zu diesem Ort, es fühlte sich beinahe wie Heimat an.
Nonens! Wenn jeder Ort, an dem Du jemals Sex hattest, plötzlich Heimat wäre ... Übrigens, was hast Du Dir eigentlich dabei gedacht? Na toll. Verlässlich wie immer in perfekten Momenten schaltete sich mein sauertöpfisches Zweifel-Ich ein und stellte seltsame Fragen, auf die ich keine Antwort wusste. Du hast mit dieser Frau ein paarmal telefoniert, du hast sie ungefähr 2 Sekunden gesehen und im nächsten Augenblick hattet ihr schon Sex? Mein Zweifel-Ich ließ dabei völlig unerwähnt, dass allein die Stimme dieser Frau pures Aphrodisiakum war. Dass diese Frau einfach umwerfend schön und begehrenswert war. Und dass der Sex mit ihr der beste war, den ich seit Jahren erleben durfte. Du weißt gar nichts, Rasmus Torwald! Sie könnte mit einem eifersüchtigen Psychopathen verheiratet sein, der Dir liebend gerne unter Zuhilfenahme einer Kettensäge beim Übertritt ins Jenseits behilflich ist. Sie könnte selbst eine Psychopathin sein, die in einem deiner zahlreichen schwachen Momente dafür sorgt, dass du zukünftig einige Oktaven höher singst. Sie könnte die Tochter eines Mafiapaten sein, der dir eigenhändig Betonschuhe gießt und dich im Ligurischen Meer versenkt. Ja, mein Zweifel-Ich hatte definitiv keine Hemmungen, sämtliche Klischees vor mir auszubreiten. Und vielleicht ist es ja auch nur eine ausgeklügelte Verkaufsmasche. Wie willst Du mit einem klaren Kopf darüber nachdenken, ob Du dieses Haus tatsächlich kaufen willst, wenn sie dafür sorgt, dass nicht genug Blut in deinem Hirn ist, um es auch zu benutzen?
Immerhin sorgt sie dafür, dass du benutzen kannst, wo das Blut stattdessen ist. Na endlich schaltete sich mein Trieb-Ich ein. Warum genießt Du nicht einfach? Und ganz offensichtlich genießt sie es ja auch. Das ergab Sinn. Die Wahrscheinlichkeit, an eine psychopathische Mafiaprinzessin zu geraten, die – wenn sie nicht gerade mit Entmannen beschäftigt ist - irgendwelche Häuser unter vollem Körpereinsatz an ahnungslose, vermögende Männer verkauft, ist eher nicht besonders groß. Aus irgendeinem Grund steht sie auf Dich. Ihr hattet gerade wilden, zügellosen Sex und seid noch nicht mal über die Eingangshalle hinausgekommen. Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht mal eine Ahnung, wie diese Eingangshalle eigentlich aussah. Vielleicht ist sie die Liebe Deines Lebens und ihr werdet hier in diesem Haus sieben kleine Bambini großziehen. Naja, das war schon ein wenig weit in die Zukunft gedacht. Ok, geb ich zu. Aber zumindest könnt ihr Euch die nächsten Stunden oder Tage die Seele aus dem Leib vögeln. Das klang jedenfalls deutlich besser als 7 kleine Bambini. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Geh rein und genieße. Ich mochte die Unbeschwertheit meines Trieb-Ichs.
Aber ... meldete sich mein Zweifel-Ich zu Wort. Halt die Klappe! riefen mein Trieb-Ich und ich selbst. Noch bevor irgendein Einwand kommen konnte, lief ich zum Wagen, holte meinen kleinen Rimowa-Trolley aus dem Kofferraum und fand mich wenige Augenblick später in der Eingangshalle wieder.
Viel Spaß! flüsterte mein Trieb-Ich, während mein Zweifel-Ich beleidigt die Klappe hielt.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro