Kapitel Neunzehn: Verrat
F A I T H
Kennt ihr das Gefühl, wenn die Zeit um euch still steht? Die Welt bleibt stehen, alles in meiner Umgebung schwindet und verwandelt sich einen unangenehmen Nebel. Es ist, als würde alles um mich herum keine Bedeutung mehr haben, da nur mein Gegenüber wichtig ist. Die Luft wird stickig, erschwert mir das atmen, sodass ich immer wieder versuche Luft zu holen. Mein Herz hämmert stark gegen meine Brust und ich bekomme langsam Angst, dass es bald vor dem Menschen, der mir die Welt bedeutet, auf dem Boden liegt. Blutend und voller Risse, die nicht heilen wollen. Egal, wie sehr ich es versuche.
Die einzige Person, die es wieder zusammenflicken kann, steht vor mir und schenkt mir einen Blick, der alles in mir zu Eis gefriert. Heath sieht mich mit erhobenen Augenbrauen an. Eine Menge Wut kann ich in seinem Gesicht erkennen, die ich absolut verdient habe. Auch wenn ich meinen Blick am liebsten abwenden will, kann ich es nicht tun. Stocksteif stehe ich vor ihm, sehe ihn an, während mir mein Verstand versucht einzureden, die Flucht zu ergreifen. Nur will mein Körper keine Befehle annehmen. Egal, wie ich mich anstrenge, es funktioniert nicht. Ich bin viel zu schockiert darüber, dass er unser Gespräch belauscht hat, welches nicht für seine Ohren bestimmt ist.
»Ich habe nicht ewig Zeit. Wer von euch macht endlich das verdammte Maul auf?«
Seine Stimme ist tief und leise, jedoch verfehlt sie nicht ihre Wirkung. Er hört sich bedrohlich an, scharf wie eine Messerklinge, die mich jederzeit treffen könnte. Ein kalter Schauer nach dem anderen läuft mir den Rücken hinunter. Noch nie hat er so mit mir gesprochen und auch wenn ich die Drohung raushören kann, versagt meine Stimme.
Mein Mund steht offen, will eine Entschuldigung rausschreien, ihn um Vergebung bitten und doch bleibe ich stumm. Ich habe Angst, es noch schlimmer zu machen und etwas Falsches zu sagen, dass ihn noch mehr zur Weißglut treiben wird. Er ist bereits verletzt und ich will nicht noch mehr Salz in die Wunde streuen. Das hätte er nicht verdient. Deswegen warte ich ängstlich auf seine Schimpftirade, die jedoch nicht kommt.
»Beruhige dich, Heath. Es ist nicht so, wie du denkst.«
Hunter versucht die Situation zu entschärfen, da er wie ich bemerkt hat, wie explosiv es in diesem Raum geworden ist. Jeden Moment könnte es passieren. Es fehlt nicht viel und dieser Raum würde in Flammen aufgehen und uns alle vernichten.
Und wenn das geschehen sollte, dann weiß ich nicht, ob es noch etwas zwischen Heath und mir zu retten gibt, weil ich bereits genug Schaden angerichtet habe. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen und das Ganze allein durchkauen müssen, aber Hunter hat mich am Ende dazu gebracht, den Mund zu öffnen. Die Schuld liegt ganz klar bei mir und ich werfe meinem besten Freund absolut nicht vor, nur hätten wir wissen müssen, dass er jeden Moment auftauchen könnte. Immerhin geht er in diesem Haus ein und aus, als wäre es sein eigenes.
»Ist das dein verdammter Ernst? Ich soll ruhig bleiben, während ihr über mich spricht? Ihr habt kein Recht darauf!«
Funken sprühen, weswegen ich automatisch einen Schritt nach hinten weiche. Als ich meine Chance sehe, nutze ich den Moment aus, da seine Konzentration auf meinem besten Freund liegt. Langsam gehe ich noch einen Schritt nach hinten.
»Bleib stehen!«, brüllt mich Heath an. Erschrocken zucke ich zusammen und schließe dabei meine Augen. Meine Hände umfassen meinen Kopf, da ich durch das Gebrüll leichte Kopfschmerzen bekomme. Heath hat mich nicht mal angesehen und trotzdem hat er bemerkt, wie ich die Flucht ergreifen möchte. »Du wirst nicht gehen. Bleib hier und antworte, Faith. Sei kein Feigling.«
Er benutzt die gleichen Worte, wie Hunter einige Minuten zuvor. Nur sind seine schärfer und rammen sich direkt in mein blutiges Herz. Ich will nur noch hier weg, mich irgendwo verstecken, sodass mich niemand finden kann, um mich selbst zu bemitleiden. Bloß kann ich nichts dagegen tun und wenn wir ehrlich sind, will ich Heath nicht noch mehr verärgern.
»Lass sie in Ruhe, Kumpel. Sie trifft keine Schuld.«
Es ehrt Hunter, dass er mich verteidigen will, aber ich bin hier die einzige Person im Raum, die zu hundert Prozent die Schuld trägt. Nur meinetwegen sind wir in diese Situation gerutscht, weil ich nicht mit all dem klargekommen bin. Ich hätte niemals hierherkommen dürfen. Das war ein großer Fehler. Ein Fehler, den ich nicht mehr rückgängig machen kann, auch wenn ich mir das gerade wünsche.
»Ich habe es genau gehört. Du musst dich hier nicht als den Helden aufspielen, Hunter. Nicht schon wieder.«
Bevor das ganze zwischen den beiden eskaliert, melde ich mich zu Wort. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn sich die beiden meinetwegen streiten würden. Sie sind beste Freunde und keine Feinde.
»Es tut mir leid«, murmle ich vor mich hin. »Ich musste mit jemanden darüber reden, weil ich so durcheinander war und noch immer bin. Hunter kennt dich und deine Vergangenheit, weswegen ich dachte, dass es besser ist ihn um Rat zu bitten, als Hails oder Ella in das Ganze einzuweihen. Kannst du das nicht verstehen?«
Sein wachsamer Blick huscht zu mir, jedoch rauben mir seine Augen den Atem. Tränen glitzern darin und wollen seine Wange hinunterkullern, nur versucht er sie zu unterdrücken. Tief holt er Luft, während sich sein Gesicht verzieht, als würden ihm die nächsten Worte ziemlichen Schmerz verursachen. Aus diesem Grund halte ich den Atem an, da ich bereits das Schlimmste befürchte.
»Nein. Du und Hunter habt kein Recht darauf, über Rachel zu reden. Das ist nicht euer Bier und somit für euch Tabu.«
Nochmals atmet er tief ein. Seine Augen kleben an mir, aber ich kann an seiner Haltung erkennen, dass sein ganzer Körper in Alarmbereitschaft ist. Er hat nicht nur mich in Blick, sondern auch seinen besten Freund, der uns nur stumm zu sieht und darauf wartet eingreifen zu müssen. Ich hoffe nur, dass es nicht so weit kommt. Es wäre fatal und grausam, wenn sich die beiden meinetwegen prügeln würden. Auch wenn ich denke, dass es nicht das erste Mal wäre.
»Ich hab dir das erzählt, weil ich dachte, dass du es wissen solltest. Aber diese Informationen waren nicht dazu gedacht, es mit jemanden zu teilen, auch wenn er bereits von ihr weiß. Weißt du, wie verraten ich mich von dir fühle? Von euch beiden?«
Schuldbewusst wende ich meinen Blick krampfhaft von ihm. Ich will nicht mitansehen müssen, wie er mich anschaut. So voller Wut und Enttäuschung. Das tut zu sehr weh und ich bin bereits am Ende meiner Kräfte. Dieser Stoß würde mich nur tiefer ins Verderben fallen lassen.
»Es tut mir leid«, wiederhole ich mich.
Ich weiß gar nicht, was ich sonst sagen soll. Auf der einen Seite kann ich ihn verstehen, jedoch muss er auch akzeptieren, dass ich mit jemanden reden musste. Es ist keine leichte Kost zu erfahren, dass der eigene Ehemann bereits verheiratet war und seine Frau noch immer liebt. Selbst, wenn sie bereits tot ist.
»Du hättest mit mir darüber reden sollen, Faith. Ich habe dir versprochen, dass ich dir alles erzählen werde, aber du mir dafür Zeit geben solltest. Langsam habe ich das Gefühl, dass es ein Fehler war, überhaupt den Mund aufzumachen.«
Im Augenwinkel kann ich erkennen, wie Hunter einen Schritt auf Heath zu geht. Kopfschüttelnd sieht er ihn an, als wüsste er genau, was Heath gerade dabei ist zu tun.
»Pass auf, Heath. Du wirst es noch bereuen, wenn du Faith jetzt verletzt. Ich kann dich zwar verstehen, jedoch spricht in diesem Moment nur die Wut aus dir.«
Ruckartig dreht er sich zu ihm um. Seine Muskeln sind zum Zerreißen angespannt, während er seine Hände sind zu Fäusten ballt.
»Sag mir nicht, was ich tun soll, verdammt nochmal! Du hättest es besser wissen müssen, Hunter. Ihr seid echt das Letzte! Geht mir einfach aus den Augen. Ich will euch nicht wiedersehen.«
Mit diesen Worten dreht er sich zur Tür und verlässt das Wohnzimmer. Traurig, verletzt und unfassbar schuldig stehe ich da und sehe ihm mit großen Augen hinterher. Mein Herz schreit mich an, ihm nachzugehen, das Ganze zu klären und doch bewege ich mich kein Stück. Jeder Versuch meinerseits würde in diesem Moment nichts bringen. So weh es auch tut.
Kurz hält er inne und blickt ein letztes Mal zu mir zurück. Seine Worte, die über seine Lippen kommen, verursachen ein Loch in meiner Brust. Sie reißen mir das Herz heraus, auch wenn ich weiß, dass er es nicht ganz so meint, wie er es sagt. Trotzdem schmerzt es unglaublich stark. Er will, dass ich genauso leide wie er.
»Aber mit einer Sache hattest du recht, Faith. Ich liebe Rachel noch immer. Und damit werde ich auch nicht aufhören.«
Die Tür fällt krachend ins Schloss, weshalb ich zusammenzucke und meine Tränen nicht mehr aufhalten kann. Schreiend falle ich auf die Knie und kann nicht glauben, was hier gerade geschehen ist. Hunter kommt schnell auf mich zu, lässt sich auf den Boden fallen und nimmt mich in seine Arme. Er wiegt mich wie ein Kind vor und zurück. Immer wieder flüstert er mir etwas ins Ohr, jedoch nehme ich nichts anderes wahr. Viel zu groß ist der Schmerz, der mich in tausend Teile zerspringen lässt.
Was habe ich nur getan? Dieses Mal habe ich es echt vermasselt. Verdammt nochmal. Wie soll ich das wieder hinkriegen?
Er ist verletzt, wütend und traurig. Dieses Mal habe ich wirklich Mist gebaut. In einem solchen Zustand habe ich ihn noch nie gesehen. Nicht einmal, als ich aus Brices Creek geflüchtet bin.
»Es wird alles gut, Faith. Lass ihm Zeit. Er muss erstmals darüber nachdenken. Heath wird merken, dass er übertrieben hat und kommt wieder zu sich. Du musst nur daran glauben und ihm die Zeit lassen, die er benötigt.«
Hunter streichelt mir die Haare aus dem Gesicht und sieht mich aus traurigen Augen an. Nicht nur mir hat dieser Streit zugesetzt. Mein bester Freund leidet auch. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass er sich ein wenig beruhigt. Vielleicht fällt mir etwas ein, um es wiedergutzumachen.
Ich darf nur die Hoffnung nicht verlieren, auch wenn im Moment alles aussichtslos erscheint.
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