
Kapitel Dreiunddreißig: erste Schritte
F A I T H
Die Sonne strahlt auf mich hinab, blendet mich, weshalb ich nach meiner Sonnenbrille greife, damit ich eine bessere Sicht auf diese Idylle bekomme, die ich so sehr vermisst habe. Dabei bildet sich ein wehmütiges Lächeln auf meinem Gesicht, als Erinnerungen in meinem Kopf auftauchen und mir eine Zeit zeigen, als noch alles gut war.
Der Sommer hat sich bereits vor einigen Wochen verabschiedet. Die saftig grünen Blätter sind verschwunden und wurden durch Rottöne ersetzt. Ich kann das Wasser rauschen hören, welches sich in der Nähe befindet, jedoch kleben meine Augen an dieser süßen kleinen Holzhütte. In diesem Häuschen habe ich mit dem Mann meiner Träume so viele schöne Momente erlebt, bevor es zwischen uns bergab ging.
Auch wenn ich anfangs gedacht habe, dass es meine Schuld ist, so weiß ich jetzt, wie falsch ich lag. Ich bin noch immer nicht unschuldig an dieser Sache, jedoch musste es so weit kommen. Immerhin konnte Heath nicht lange so weitermachen und seine Gefühle verdrängen. Dass es irgendwann in seinem Inneren explodieren würde, ist mir heute klar. Lange habe ich aber gebraucht, um das erkennen zu können. Meine Zweifel und auch meine Vergangenheit haben ebenfalls dazu beigetragen, dass ich an mir selbst den Fehler suche. Und manchmal passiert es noch immer. Diesen blöden Schalter kann ich nicht einfach so umlegen.
Es sind bereits einige Wochen vergangen, seitdem ich Heath das letzte Mal gesehen habe. Das Treffen mit Rick hat ihm geholfen und er ist noch immer in der Stadt und steht ihm zur Seite. Vor einigen Tagen war Hunter mit seinem Onkel bei mir im Café. Sie haben versucht mir einige Informationen zu geben und ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Ich habe sie jedoch darum gebeten, wie auch beim letzten Mal, dass sie mir so wenig wie möglich erzählen sollen. Heath wird schon zu mir kommen, wenn er das Gefühl hat, dass es das Richtige ist. Und bevor dieser Fall nicht auftritt, will ich kein Wort darüber hören.
Die Vögel zwitschern, denn auch wenn der Sommer sich verabschiedet hat, ist es noch immer angenehm, weil die Sonne auf mich hinab scheint.
Mit langsamen Schritten nähere ich mich der Holzhütte, den Schlüssel fest in der Hand umklammert und atme tief ein. Es ist unser Rückzugsort, wenn die Realität zu viel wird und das ist bei mir seit Wochen der Fall. Es gab so viele Momente in den letzten Tagen, wo ich mich am liebsten versteckt hätte, um einfach nur allein zu sein.
Leider konnte ich das nicht tun, da ich meine beste Freundin nicht im Stich lassen wollte, auch wenn sie bestimmt Verständnis dafür gehabt hätte. Trotzdem war es mir und ist es noch immer, unangenehm sie zu fragen. Ich kann nicht sagen wieso, weil wir uns früher immer alles erzählt haben, jedoch ist es mit Heath anders. Irgendwie intimer und ich will nicht, dass alle darüber Bescheid wissen. Nicht nach allem, was geschehen ist.
Mit einem quietschenden Geräusch öffnet sich die Tür. In meinen Gedanken halte ich fest, Rick davon zu erzählen. Ich würde es ja selber tun, jedoch weiß ich, wie pingelig Rick sein kann, weshalb ich es lieber ihm überlasse.
Meine Augen huschen überall hin, saugen jedes Detail in sich auf, bis sich in meinem Verstand selbst die Erinnerungen abspielen. Jeder Zentimeter von diesem Häuschen hat eine besondere Bedeutung für mich und auch wenn es eher kontraproduktiv ist hier zu sein, will ich im Moment nirgendwo anders sein. Es fühlt sich so richtig an, aber gleichzeitig auch falsch.
»Wieso mussten wir es so weit kommen lassen?«, murmle ich leise vor mich hin, bevor ich mich auf das Sofa fallen lasse und mich zurücklehne.
»Es wäre alles einfacher gewesen, wenn wir miteinander geredet hätten, anstatt uns alles zu verheimlichen. Aber was hätte es uns gebracht? Es ist eine weitere Beziehung, die zum Scheitern verurteilt war. Ob wir das noch hinbekommen können?«
Es mag komisch sein, nur rede ich seit einigen Tagen viel mit mir selbst. Irgendwie tut es mir gut, wenn ich meine Gedanken laut ausspreche. Es hat etwas Tröstliches an sich. Ich weiß nicht, wie ich es am besten erklären soll, aber ich vermute, es hat etwas damit zu tun, dass ich sonst mit niemanden rede. Und diese Gedanken müssen raus, bevor sie mich in den Wahnsinn treiben. Bisher hat es mir geholfen und ich bin dankbar dafür.
»Argh! Wieso muss das alles nur so kompliziert sein?«, schreie ich auf, bevor ich aufstöhne und meine Augen schließe.
»Weil wir beide es kompliziert machen. Oder besser gesagt, ich mache es.«
Schockiert quieke ich auf, während mein ganzer Körper auf dem Sofa auf und ab hüpft. Meine Hand wandert zu meiner Brust, als würde sie versuchen, dieses Herzklopfen zu beruhigen. Ich habe die Tür nicht gehört, auch wenn ich noch vor einigen Sekunden über dieses Öl für die Scharniere gedacht habe.
War ich so tief mit mir selbst beschäftigt, dass ich alles andere ausgeblendet habe?
»Schleiche dich nicht so an, Heath. Willst du, dass ich an einem Herzinfarkt sterbe oder so?«
»Nein, das will ich nicht. Entschuldige.«
Seine Antwort lässt mich verwirrt die Stirn runzeln. Der Heath vor ein paar Wochen hätte einen Witz gerissen, um die Stimmung aufzuheitern. Dieser hier jedoch sieht so ernst aus, dass ich mich frage, ob alles gut bei ihm ist.
Hilft es ihm nicht, mit den anderen zu reden, oder wieso ist mein verspielter Ex-Ehemann nicht anwesend?
»Geht es dir gut, Heath?«
Meine Neugier ist zu groß, weshalb ich mir die Frage nicht verkneifen kann. Außerdem denke ich, dass es nicht schlimm ist, auch wenn er weiß, wie ich es meine.
»Ja, mir geht es gut. Also den Umständen entsprechend. Es ist nicht einfach, darüber zu reden, aber es hilft mir irgendwie.«
»Das ist gut«, sage ich ihm nickend, bevor ich meinen Blick auf den Boden senke, weil ich ihm nicht in die Augen schauen kann. Obendrein bin ich mir nicht sicher, was ich genau darauf antworten soll.
Bisher war es einfach mit ihm, nur hat sich unsere Situation geändert.
Drastisch geändert.
Wir sind nicht mehr zusammen und seit Wochen hatten wir keinen Kontakt zueinander. Zudem hat er nach diesem Abstand verlangt und auch wenn Mrs. Brown Recht hat und ich für uns kämpfen sollte, hat meine Energie einen Tiefpunkt erreicht.
Ein Schweigen breitet sich zwischen uns aus, dass ich nicht bereit bin zu brechen. Zu groß ist die Angst, etwas Falsches zu sagen und die Schlucht, die sich gebildet hat, zu vergrößern. Ich weiß, wie feige das von mir ist, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass der nächste Schritt von ihm kommen sollte.
Die letzten Male habe ich Heath die Hand gereicht, jetzt ist er an der Reihe und muss sie nur ergreifen.
»Wie geht es dir, Faith?«
Soll ich ihm die Wahrheit sagen oder was genau will er von mir wissen?
»Mir geht es gut«, antworte ich schulterzuckend und kein bisschen überzeugend. Heath hat die Lüge bestimmt sofort erkannt.
»Faith«, murmelt er mahnend, weshalb ich meinen Blick, trotz meiner Angst, hebe und ihm direkt in die Augen schaue. Ich kann darin so viele Emotionen sehen, die er mir früher vorenthalten hat. Der Schmerz, die Trauer und auch die Sehnsucht kann ich erkennen.
»Was?« Erwartungsvoll ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe.
»Komm her.«
Seine Hände greifen nach mir und als ich seine Haut auf meiner spüre, verselbständigt sich mein Körper. Meine Arme schlingen sich um seinen Torso, während ich mein Gesicht in seine Halsbeuge lege und tief einatme. Auch seine Hände ziehen mich fest an ihn, als hätte er nicht erwarten können, mich so nah an sich zu drücken.
»Ich habe dich vermisst. Oh Mann, und wie ich dich vermisst habe, Zuckerdöschen.«
Seine Worte spiegeln meine Gedanken wider, sein Geruch löst alles in mir aus. Aber das Wichtigste dabei ist, dass ich mich seit langem wieder geborgen und sicher fühle.
In seinem Armen, da, wo ich auch hingehöre.
»Wir müssen reden, Faith. Ich bin bereit, dir endlich alles zu erzählen. Die Frage ist nur, ob du mich überhaupt noch willst?«
Auf diese Worte habe ich lange gewartet. Alles in mir hat sie sehnlichst herbei gewünscht. Und jetzt, als es so weit ist, bin ich mir unsicher, ob ich bereit dafür bin.
Dieses Geständnis könnte alles verändern.
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