Kapitel Dreißig: Hochzeit
H E A T H
Vor zwei Jahren
Mit einem glücklichen Lächeln sehe ich mir das Brautpaar an, dass sich in der Mitte der Tanzfläche befindet und sich langsam zur Musik bewegt. Die beiden strahlen um die Wette, berühren sich die ganze Zeit und lassen mein Herz vor Wärme höher schlagen. Dieser Anblick ist so wunderschön und zauberhaft, dass er mir gleichzeitig, zu diesen positiven Gefühlen, auch einen Stich verpasst. Weil ich mich an etwas erinnere, dass ich tief in einer Schublade verstaut habe.
An die schönen Zeiten, die ich mit meinem Sonnenschein verbracht habe. Es war derselbe Anlass, nur eine andere Location, andere Menschen, andere Dekorationen und eine andere Zeit. Aber das Lächeln auf meinen Lippen ähnelte so sehr wie diesem, welches mein bester Freund uns allen präsentiert.
Ich will mich in diesem Moment nicht daran erinnern. Eigentlich möchte ich das komplett vermeiden, weil ich sonst die Befürchtung habe, dass sich eine weitere Panikattacke anbahnen wird. Es würde die Stimmung vermiesen und sowas will ich den beiden nicht antun. Nicht an diesem Tag und nicht nach allem, was sie durchgemacht haben. Sie haben lange gebraucht, bis sie an diesem Punkt ihrer Beziehung angelangt sind.
»Worüber denkst du nach?«
Faith tritt näher an mich und reißt mich aus meinen trüben Gedanken, die mich mit jeder Sekunde mehr in den Abgrund gezogen hätten. Ich bin ihr dankbar dafür und in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass ihre Anwesenheit mir in dieser Sache hilft. So ganz unbewusst und ohne irgendwelchen Zwang. Sie weiß nicht mal, was für ein Durcheinander in mir herrscht und trotzdem schafft sie es, einen kleinen Lichtblick zu erzeugen. In diesem wirklich dunklen Tunnel, in dem ich mich befinde.
»Ich freue mich für die beiden. Wirklich. Aber irgendwie bin ich auch neidisch auf sie.«
Meine Ehrlichkeit überrascht mich. Aber irgendetwas hat Faith an sich, was ich nicht erklären kann. Von Anfang an war dieses Gefühl vorhanden. Zuerst habe ich mich dagegen gewehrt, jedoch bröckelt meine Mauer immer mehr. Ich bin mir nur nicht sicher, was ich genau davon halten soll. Aber eigentlich bin ich machtlos, außer es passiert etwas, sodass ich nicht anders kann, als sie von mir zu stoßen. Nur hoffe ich, dass es nicht so weit kommen wird.
Sollte ich das überhaupt zulassen?
Diese Frage stelle ich mir immer wieder, nur bekomme ich keine Antwort darauf.
»Ich kann dich verstehen. Dieses Glück in ihren Augen ist wunderschön und etwas, dass wir alle erleben wollen. Du solltest dich dafür nicht schuldig fühlen, Schmuggelhase. Das ist etwas ganz Normales.«
Normal? Ja, vielleicht. Aber bin ich normal? Habe ich dieses Glück verdient, nachdem ich solche Scheiße erlebt habe?
Ich war viel zu sehr mit mir beschäftigt, weshalb ich den Ausdruck auf Faiths Gesicht nicht sofort gesehen habe. Eine Traurigkeit hat sich in ihren Augen gebildet, die mir einen Stich im Herzen verpasst. Ich wollte die Stimmung nicht ruinieren.
»Was ist los?«
Tief seufzt sie auf, bevor sie ihr Gesicht in meine Halsbeuge schmiegt.
»Manchmal verstehe ich den Grundsatz einer Ehe nicht. Sie sollte für die Liebe stehen, die wir uns alle wünschen, aber dann sehe ich mir meine Mutter an und denke mir, wofür? Es hat sie zerstört und ich möchte nicht, dass es bei mir genauso passiert. Es hat mich jeden Tag mehr in die Tiefe gezogen, als mein Vater uns verlassen hat und ich sie so sehen musste.«
Ihre Zweifel an einem Stück Papier sind verständlich. Ihre Eltern, die eigentlich ihre Vorbilder waren, haben das Bild in ihrem Kopf verzerrt.
»Du bist aber nicht deine Mutter oder dein Vater, Faith. Du wirst jemanden finden, der dich auf Händen trägt und dich nicht verlassen wird.« Mit einem warmen Lächeln streiche ich ihr über die Wange. »Du hast mich um den Finger gewickelt und ich werde da sein und dir zeigen, wie schön es sein kann. So wie du es mir gezeigt hast.«
Dankbar nickt sie mir zu. Auch wenn ich noch immer Zweifel in ihren Iriden erkennen kann, so haben ihr meine Worte geholfen. Jetzt muss ich sie nur noch einhalten und nicht denselben Fehler begehen, den ihre Eltern gemacht haben.
Ihre Hand umfängt meine Wange und dreht mein Gesicht so, dass sie mir in die Augen sehen kann. Ihre grünen Iriden funkeln in diesem Licht noch mehr als sonst und ziehen mich in ihren Bann. Vergessen sind die Gedanken, die Menschen und alles andere um mich herum. Das Einzige, was zählt, ist Faith, die mir den Atem raubt.
»Lass und das hier einfach genießen«, flüstert sie heiser und rückt einen Schritt näher an mich heran, sodass ihre Brust die Meine streift.
Das erste Mal an diesem Abend lasse ich meinen Blick auf ihrem Körper auf und ab wandern. Hart muss ich schlucken, als ich alles zu Gesicht bekomme. Bisher habe ich mich davor gedrückt. Ich wollte nicht über sie herfallen und den Menschen hier eine Show liefern, die sie nie vergessen hätten. Außerdem gehört der heutige Tag unseren besten Freunden.
Ihre sonst geraden Haare, fallen in lockeren Wellen über ihre Schultern, bis zu ihrer Brust. Ihr engelsgleiches Gesicht ist dezent geschminkt, jedoch betont es ihre Augen und lässt sie noch größer wirken als sonst schon. Und das einfache Kleid aus Satin umspielt ihre sinnlichen Kurven, als wäre es nur für sie maßgeschneidert worden.
»Habe ich dir heute schon gesagt, wie wunderschön du aussiehst, Zuckerdöschen?«
Sanft biegen sich ihre Mundwinkel nach oben, das Funkeln in ihren Augen wird noch stärker, während sie langsam mit dem Kopf schüttelt.
»Nein. Du hast dich den ganzen Abend vor mir versteckt.« Ihr neckender Tonfall entgeht mir dabei nicht, weshalb ich herausfordernd eine Augenbraue in die Höhe hebe. Aber anscheinend habe ich meine Tat nicht gut genug umgesetzt, wenn ihr das auffällt.
»Ach, das ist mir gar nicht aufgefallen. Aber wenn das so ist … du siehst bezaubernd aus, Zuckerdöschen. Die wunderschönste Frau in diesem Raum.«
»Du bist ein solcher Charmeur, Heath. Aber weißt du, was ich jetzt gerne tun würde?«
»Was denn?« Egal, was es ist. Ich werde versuchen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Meinen Schwur meine ich ernst und ich will sie so oft zum Strahlen bringen, wie es mir möglich ist. Ich wünsche es mir so sehr, dass ich es in naher Zukunft nicht vermasseln werde. Nicht noch einmal.
»Tanz mit mir.«
Unsere Finger verschränken sich automatisch bei ihren Worten. Als würden unsere Körper genau wissen, was zu tun ist. Es fühlt sich in den letzten Tagen so leicht mit ihr an. Als wäre ich in etwas eingepackt, dass mich vor jedem Schmerz beschützen wird. Mal sehen, ob dieses Ding kugelsicher ist, nicht dass plötzlich die Luft ausgeht und es mich wieder in diesen Zustand katapultiert, in dem ich mich am Anfang befunden habe. Bevor ich Faith kennengelernt habe.
»Alles, was die Dame sich wünscht.«
Zusammen schreiten wir auf die Tanzfläche, die in silbernden und mintgrünen Farbtönen funkelt. Ich kann es noch immer nicht fassen, wie es Ella geschafft hat aus dieser Scheune, ein solches Zauberwunderland zu erschaffen. Zudem setzt dieses warme Licht, alles gekonnt in Szene. Und irgendwie fühlt es sich beruhigend an.
Wir werden von einigen Leuten beobachtet, die uns neugierig mustern. Es ist das erste Mal, dass wir uns so nah vor allen anderen zeigen. Sonst waren wir eher distanziert. Aber mir ist das egal. Sollen sie uns doch anstarren und sich das Maul dabei zerreißen. Mir ist die Meinung von ein paar wenigen Menschen wichtig und da muss ich mir keine Sorgen machen. Sie wollen nur, dass wir glücklich sind und in diesem Moment sind wir das.
Leicht verbeuge ich mich vor ihr, bevor ich sie nah an mich drücke. Ihr Brustkorb vibriert, da sie noch immer leise vor sich hin lacht. Ihr hat meine Darbietung sehr wahrscheinlich gefallen, was mich selbst zum Schmunzeln bringt.
»Du bist so ein Idiot. Willst du uns vor all diesen Leuten blamieren?«
Als würde sie mich mit ihren Worten verletzen, lege ich eine Hand auf mein Herz. Es pocht und schlägt so schnell gegen meine Brust, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
»Das würde mir nie im Traum einfallen, Faith. Was denkst du nur von mir?«
Plötzlich legt sie ihren Kopf in den Nacken und lacht laut auf. Dass sie somit die vollkommene Aufmerksamkeit der Menschen auf sich lenkt, die sich in unserer Nähe befinden, ist ihr wohl egal. Und ehrlich gesagt, mir ebenfalls. Wie gesagt, die sollen uns anstarren, wenn sie nichts Besseres zu tun haben. Aber der süße Klang, der aus ihrem Mund kommt, lässt mich selbst lächeln. Ehrlich lächeln.
Auf einmal wird sie ernst, lehnt ihren Kopf an meine Brust und atmet tief ein. »Es tut gut, mit dir hier zu sein. Du bist ein toller Mann, weißt du das?«
Ihre Worte berühren etwas in mir, jedoch schiebe ich dieses Gefühl beiseite. Ich bin kein guter Mann und wenn sie die Wahrheit über mich wissen würde, hätte Faith sowas nie gesagt. Das weiß ich zu hundert Prozent.
»Das kann ich nur zurückgeben, Zuckerdöschen. Mit dir zusammen zu sein, ist alles, was ich in diesem Augenblick will.«
»Soll ich dir was verraten?«, höre ich mich sagen und bevor ich mich aufhalten kann, spreche ich meinen Gedanken aus. »Ich tanze das erste Mal wieder seit sechs Jahren. Aber es fühlt sich mit dir einfach nur richtig an.«
Faiths Kopf schießt nach oben und mit offenem Mund sieht sie mich an. Anscheinend haben sie meine Worte sprachlos gemacht. Aber irgendwie kann ich es verstehen. Das ist eine wirklich lange Zeit.
Die Frage ist jedoch, werde ich meine Ehrlichkeit bereuen? Ich wünsche mir sehnlichst, dass das nicht der Fall sein wird.
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