Mission is possible
Diese Geschichte habe ich letztes Jahr zum Geburtstag meines Vaters geschrieben und sie mir gemeinsam mit meinen jüngeren Geschwister ausgedacht. Das Titelbild ist von meiner Mutter gemalt 👆🏼
Sie hat 13k Wörter, was definitiv mehr ist, als Anfangs geplant xD
Also viel Spaß beim lesen : )
Helle Sonnenstrahlenfielen durch halb eingestürzte und überwachsene Mauern, brachensich in verrostetem Metal und tanzten auf dem staubigen Boden. Diemit unzähligen Graffitis verzierte und mit allem möglichen Gerümpelzugestellte alte Haltstelle inmitten der vielen Eisenbahnbrücken,war bei den Bewohnern Londons schon längst in Vergessenheit geraten.Es fuhren nicht mehr allzu viele Züge auf den inzwischen schoneinsturzgefährdeten Brücken und Wegen, nur das laute Rumpeln derübriggebliebenen Ubahnen hörte man an dem kleinen Ort in derHauptstadt Englands noch regelmäßig. Die alten Tunnel und Schienender stillgelegten Untergrundbahn waren verfallen und verrostet, sowieauch das Gefährt selbst, welches nun schon seit Jahren auf denGleisen lag.
Doch dieser Ort war nichtganz so verlassen, wie er auf den ersten Blick schien. Wenn man genauhinhörte, konnte man einzelne Stimmen erkennen, die sich aufgeregtunterhielten. „Ich sag's euch Leute, das wird der Hammer! So einFrühstück habt ihr noch nie zwischen die Pfoten bekommen!" DieseWorte kamen keinesfalls von einem Menschen, denn die verirrten sichschon lange nicht mehr hierher. Es war ein Waschbär, der hoch obenvon einer Kiste aus seine Freunde begeistert ansah. „Wir müssenihn nur im richtigen Moment erwischen!"
Ein lautes Schnauben kamaus einer Ecke, in die man achtlos eine ausgebaute Zugbang gestellthatte. „Da würden mir jede Menge Abers einfallen, Kumpel." DerFuchs, der sich selbst Danger nannte, hatte es sich auf dem Lederbequem gemacht, die Pfoten übereinander gelegt und einen wissendenBlick aufgesetzt. „Da muss ich ihm Recht geben, K.O.", sagteHolly, die kleine Hausmaus. Ihre winzige Nase zuckte aufgeregt undsie tippelte wie ein Tiger im Käfig auf und ab. „Bei K.O.'s Plänenfallen mir grundsätzlich eine Menge Abers ein." Von einerstaubigen Lampe hing eine Fledermaus, die sich allerdings stark vonihren Artgenossen abhob, denn sie hatte sich das Fell und die Flügelkunterbunt angemalt und die rosane Perlenkette rundete dasaußergewöhnliche Bild ab. „Und trotzdem funktionieren sieirgendwie. Außerdem hab ich Hunger." Der Waschbär verneigte sichleicht. „Dankeschön." K.O., von dem niemand wusste, wie erwirklich hieß, war innerlich schon aufbruchsbereit und hatte diePfoten an den schweren Gürtel gelegt, der wie eine Handtasche überseiner Schulter hing. Den ehemaligen Polizeigürtel nahm er überallmit und bewahrte dort alles auf, was er vielleicht einmal gebrauchenkönnte. „Also was ist jetzt?" Die anderen Tiere murmelten undbesprachen die Pros und Kontras seines Vorhabens.
Sie waren schon eineseltsame Truppe. Vor der hölzernen Kiste lag eine schokobrauneWolfshündin, die Ohren gespitzt und den großen Kopf, mit demschwarzen Stachelhalsband, auf die Pfoten gelegt. Ihr gegenüber aufeiner umgekippten Mülltonne hockte ein Frettchen, welches sich mitden Vorderpfoten an einen verwaschenen Teddy kuschelte. Neugierighörte er zu und legte den Kopf mit den großen Knopfaugenzwischendurch ebenfalls auf das Stofftier, welches fast so groß warwie er selbst.
Auf einemKleiderständer saß ein bunter Papagei, über dessen rechten Augesich eine lange Narbe zog und welches er zugekniffen hielt. In seinemGefieder blitzten die ersten grauen Federn hervor und dennoch sah erin keiner Weise alt oder kränklich aus. Er teilte den anderenebenfalls seine Zweifel an diesem Plan mit, doch die Tiere wurdenimmer begeisterter, und redeten aufgeregt durcheinander, bis ihreUnterhaltung abrupt durch ein lautes Poltern unterbrochen wurde.Gleich darauf erschien ein molliger Braunbär auf der Treppe, diehinunter in die alte Ubahnhaltestelle führte. Hinter sich zog ereinen grünen Müllcontainer, der jedesmal klapperte, wenn der Bäreine Stufe hinuntertapste. „Udo!" Der Waschbär sah ihm empörtentgegen. „Das ist jetzt schon die dritte Tonne in dieser Woche,irgendwann fällt das auf!" Udo brummte nur und rückte dieabgewetzte Baseballkappe zurecht. „Du hast in dieser Woche schonvierundzwanzig mal Hausfriedensbruch begangen, also reiß mal dieKlappe nicht so weit auf." K.O. verdrehte die Augen. „Das Dingkannst du später durchwühlen, wir müssen jetzt los." Der Bärwirkte nicht gerade begeistert. „Wohin?" „Essen besorgen",antwortete der Waschbär mit einem Grinsen. „Richtiges Essen."Holly, die kleine Maus, kletterte mühelos an Udos Fell hinauf undsetzte sich auf seine breite Schulter. „Das wird dir gefallen,warte nur ab", piepste sie aufmunternd. Der Bär seufzte tief, ließvon der Mülltonne ab und folgte seinen Freunden.
„Ich habe ihn in denletzten Tagen genau beobachtet, er kommt immer vorbei, wenn derGlockenturm elf mal schlägt." K.O., der bis zu diesem Momentkonzentriert um eine Hausecke gespäht hatte, drehte sich zu denanderen Tieren um. „Holly, du und Leila, ihr lenkt ihn ab." DieWolfshündin nickte und leckte sich über die Schnauze, während dieMaus wieder einmal auf und ab ging. „Aber der kann nicht beißen,oder?", fragte sie etwas unsicher. „Pizzaboten beißen nicht",erwiderte Fiepsi, die sich, ganz nach Fledermausart, kopfüber aneine Regenrinne gehängt hatte. K.O. bekam davon nichts mit. „UndSlay, du holst die Schachteln, so viele wie möglich." DasFrettchen verzog die Schnute. „Warum ich?" „Weil du derschnellste von uns bist", entgegnete der Waschbär ungerührt. „Nagut." Slay rückte seine abgetragen Weste zurecht und sah mitzusammengekniffenen Augen Richtung Straße. „Dann will ich aberextra viel abkriegen."
Während die Tiere gebanntdarauf warteten, dass der Big Ben elf schlug, gab es jemanden, dendas alles herzlich wenig interessierte. „Udo, könntest du dichbitte auf unsere Aufgabe konzentrieren?", fragte der Fuchs genervt.„An diesen Tonnen war ich schon länger nicht mehr", murmelte derBär abwesend und schlitzte mit einer Kralle einen gelben Sack auf,um seine Schnauze in verschiedene Dosen und Verpackungen zu stecken.Danger holte tief Luft, um dem Bären ausführlich zu erklären,warum er sich bei der Jagd nach Essen nicht von Essen ablenken lassendurfte, doch da hörte er von weitem die vertraute Melodie des BigBen. „Es geht los, alle auf ihre Posten!" K.O. war völlig inseinem Element und die Tiere folgten seinen Anweisungen.
Als der ahnungslosePizzalieferant die schmale Seitenstraße entlangfuhr, sah er vor sichauf einmal einen großen zottelligen Wolfshund liegen, der sich inder Sonne auf dem warmen Asphalt ausstreckte. Links und rechts vondavon parkten zwei Autos und so war dem Pizzaboten der Weg versperrt.
Der Roller in denFarben der italienischen Flagge wurde langsamer, bis der Fahrerschließlich etwas ratlos stehen blieb. In diesem Moment schoss Hollyhinter der Hausecke hervor und flitzte blitzschnell unter dieKleidung, in die Stiefel und in den Helm ihres Opfers. Der armePizzabote begann zu kreischen und um sich zu schlagen, während dasFrettchen herbeikam und versuchte, die Pizzaschachteln aus dem Kofferzu befreien. Er kämpfte noch mit dem Schloss, als ein Auto auf siezukam. In diesem Augenblick hatte Slay es geschafft, die Klappe zuöffnen und schnappte sich schnell den obersten Karton, bevor er dasWeite suchte und der Spuk auch schon wieder vorbei war. Die Hündinwar von der Straße verschwunden und auch Holly huschte über einenKanaldeckel und dem Bürgersteig zurück hinter die Hausecke.
So schnell die Tierekonnten, rannten sie über Bahnschienen und durch Gassen zurück zuihrem Quartier. Sogar Udo beeilte sich, auch wenn der Boden unterjedem seiner Sprünge bebte. Wieder in der alten Haltestelle, welcheschon lange als Zuhause und Versteck der Tiere diente, umringten dieFreunde gespannt die verbeulte Pizzaschachtel. „Ist das alles, wasdu mitnehmen konntest?", fragte K.O. verständnislos. „Mach du esdoch das nächste mal selber!", entgegnete das Frettchen beleidigt.„Hört auf zu streiten, Jungs." Holly kam herbeigewuselt undversuchte die Schachtel zu öffnen, wobei ihr die anderen schließlichhalfen. Als der Deckel aufgeklappt war, starrten die Tiere enttäuschtauf den Inhalt, denn von der ehemaligen Margherita war nicht mehrviel zu erkennen. Der Belag war in eine Ecke gerutscht und der Teiglag zusammen geknautscht in einer anderen. „Na toll!" K.O.klappte die Schachtel wütend wieder zu. „Ich hab doch gesagt, mirfallen jede Menge Abers ein", bemerkte Danger und ließ sichgelangweilt wieder auf der Zugbank nieder. Derweil widmete Udo sichwieder der Mülltonne, die er hinunter in die Ubahn geschleppt hatte.
Es lagen tatsächlichschon viele davon in dem Versteck herum. Eine benutzte der Bär sogarzum Schlafen, aber er fand auch immer noch etwas in den Tonnen, wasfür die Menschen nicht mehr gut genug war, für Tiere aber einenLeckerbissen bedeutete. Auch dieses Mal kramte er allerlei Dingedaraus hervor, darunter einige Zeitungen, einen platten Fußball,drei alte Handyhüllen, mehrere braune Bananen und zu guter Letzteine halbe Pizza, die ihre besten Tage schon längst hinter sichgelassen hatte. „Na wer sagt's denn." Zufrieden hielt Udo sie indie Höhe. „Nicht verzagen, n'Braunbär fragen!" K.O. vergrubseinen Kopf in den Pfoten und Fiepsi schnalzte genervt mit der Zunge.„Wir sind den ganzen Morgen durch die Stadt gezogen, obwohl du soein Ding in deiner Tonne hattest?" Udo zuckte die Schultern undkratzte sich am Hinterkopf. „Ihr hättet mich ja auch fragenkönnen."
Währenddessen tippelteHolly zu einer der Zeitungen und sah sich die schwarz gedrucktenZeilen an. Sie hatte schon früh gelernt, die komischen Buchstabender Menschen zu entziffern und war eine echte Bücher-Maus geworden.Das einzige Buch, das sie hatte, war eine kurze Kindergeschichte, diesie hütete wie einen Goldschatz, aber sie las auch alles andere, wasihr zwischen Pfoten kam. „Und, was gibt es Neues?", fragte Dangersie, während Fledermaus und Bär noch immer über die verdorbenePizza stritten.
„Der Außenministertritt zurück", las Holly vor. „Und in einer Woche findenProteste gegen das Abholzen der Regenwälder statt." „Was ist einAußenminister?", wollte Slay wissen, der es sich wieder auf seinemTeddy gemütlich gemacht hatte. „Das ist so ein Menschenquatsch",antwortete der Fuchs. „Irgendein Typ, der glaubt, dass er etwas zusagen hätte. Hat sich vielleicht mit dem Innenminister gezofft undist jetzt beleidigt." Das Frettchen sah ihn mit großen Augen an.„Aber wenn er gar nichts zu sagen hat, wer hat das dann?"
„Ähm, Leute?",unterbrach Holly sie. „Kann sein, dass ich mich irre, aber ihrsolltet euch das mal ansehen." Der bis dahin schweigsame Papageikam zu ihr herüber und beugte sich ebenfalls über das am Bodenverteilte Papier. Er hatte sich den Namen Nature gegeben, weil erfand, dass er gut zu ihm passte. Vor vielen Jahren hatte man ihn inder Natur eingefangen und ihn in eine Tierhandlung gegeben. Von dawurde er durch viele Läden durchgereicht und kam schließlich sogarin einen Zirkus. Nature hatte sich damit nie zufrieden gegeben undhatte ständig nach einer Fluchtmöglichkeit gesucht. Dabei hatte ersich das rechte Auge verletzt, als er es endlich schaffte frei zukommen. Aber er hatte viel gelernt in seinem Leben bei den Menschen,und dazu zählte auch das Lesen und Schreiben.
„Heilige Vogelscheiße!",rief er entsetzt, nachdem er sich den Artikel angesehen hatte. „Wasist los?" Leila kam besorgt heran und die Krallen an ihren großenPfoten klackerten laut auf dem dreckigen Steinboden. „Die wollenhier ein Containerterminal hinpflanzen!" Nature sah seine Freundean. „Was ist ein Terminal? ", fragte Slay und richtete sich etwasauf. „Bist du dir sicher?" Holly sah ängstlich zu dem Papageinach oben. Inzwischen war K.O. aufgesprungen und starrte dieschwarzen Zeichen fassungslos an. „Warum jetzt? Hier war doch seitEwigkeiten niemand mehr!" „Ewigkeit zu zählen ist sinnlos",bemerkte Danger, doch auch er hatte eine besorgte Miene aufgesetzt.Der Waschbär hörte ihm gar nicht zu. „Was steht da genau?",fragte er an Nature gewandt. Der Vogel räusperte sich und begannvorzulesen.
„Zwischen der BaglisRoad und der Dalken Street wurde 1940 eine Haltestelle der dortfahrenden Untergrundbahn eingerichtet und die existiert noch heute.Allerdings wurde sie schon 1995 stillgelegt. Das soll sich nunändern, sagt Mr. Montgomery Taylor, der Sponsor desContainerterminals. »Es wird schon lange ein Terminal für all dieGüterzüge, die täglich in der Waterloo Station einfahren,benötigt, und die alte Haltstelle ist der am besten geeignete Ortdafür. Es werden viele Firmen davon profitieren«, so Mr. Taylor.Gemeinsam mit dem Bauleiter James Anderson soll der Bau beginnen,sobald alle rechtlichen Genehmigungen erteilt sind, wasvorraussichtlich in wenigen Wochen geschehen sein wird.
Für weitere Details sehensie Seite 5."
Die Freunde sahen sichnacheinander an. „Das können die doch nicht ernst meinen!" K.O.starrte mit offenen Mund hinunter auf die Zeitung. „Und was wirddann aus uns?" Holly's Stimme war noch piepsiger als sonst undLeila schleckte ihr über den kleinen Kopf, um sie zu beruhigen.„Nichts Gutes, denke ich", antwortete der Papagei. „Das dürfendie nicht, damit kommen die nicht durch!" Der Waschbär richtetesich wildentschlossen auf und sah seine Freunde eindringlich an.„Wenn die das machen, haben wir nichts mehr. Das können wir nichtzulassen!" Die anderen nickten langsam. „Ich fürchte, du hasteinen Plan?", fragte Danger, der sich zu den anderen gesetzt hatteund nun die Stirn runzelte. K.O. holte tief Luft, bevor er dieSchultern hängen ließ. „Um ehrlich zu sein noch nicht so ganz."Fiepsi, die bunte Fledermaus, hatte sich in Udos Fell gehängt undsich alles stumm mit angehört, doch jetzt flatterte sie ebenfallshinunter zu der Zeitung. „Der Bauleiter heißt James Anderson,sagtest du?", fragte sie Nature, der daraufhin nickte. „Kennst duden etwa?" Fiepsi wiegte den Kopf. „Nicht persönlich, aber ichkenne jemanden, der ihn vielleicht kennt." „Und wie soll uns dasweiterbringen?" K.O. wippte ungeduldig mit dem Fuß und hatte dieArme verschränkt.
„Wenn wirirgendetwas ausrichten wollen, müssen wir an diesen Taylor ran, dazubrauchen wir seine Adresse und die finden wir womöglich bei diesemBauleiter", erklärte der Fuchs und schaute auf die silberneArmbanduhr, die er an der rechten Pfote trug. Das tat er ständig,obwohl sie eigentlich nie richtig ging, weil er immer vergaß sieaufzuziehen. Der Bär sah Danger verwundert an. „Wie hast du dasdenn so schnell auf die Reihe gekriegt?" „Na gut, klingt ganzlogisch", musste auch K.O. zugeben. „Kannst du uns denn zudeinem Bekannten führen, Farbkugel?" Den nicht besonderscharmanten Spitznamen ignorierend nickte die Fledermaus, doch als siedie Treppe hinauffliegen wollte, hielt K.O. sie mit einem lauten:„Stop" zurück. „Wir nehmen den Amazonas-Ausgang 2.0." Fiepsisah ihn verständnislos an. „Er meint den Tunnel, vor dem dieBrennesseln wachsen", erklärte Nature.
An der Westminster BridgeRoad lagen neben einem modernen Bürokomplex vier einfache Hochhäusermit je zwanzig Stockwerken. Fiepsi führte sie zielstrebig zu einemder Häuser und deutete auf ein Fenster in der fünften Etage. „Dawohnt sie." Slay und Holly, für die es kein Problem war eineglatte Fassade hoch zu klettern, machten sich schon auf den Weg, alsUdo sich räusperte. „Ich warte besser hier, es muss auch jemandWache halten, falls jemand kommt." Leila nickte. „Ich bleibe auchhier, beeilt euch und macht nichts Dummes!" Auch Danger blieb untenund so folgten nur Fiepsi, K.O. und Nature den beiden Nagern.
Als sie in der fünftenEtage angekommen waren, schob K.O. das Fenster mit einer geübtenBewegung zur Seite. „Und, wo ist sie?", fragte er und sah sich inder Wohnung um. „Kitty?", rief Fiepsi leise in den Raum hinein.Einen Moment lang war es still, doch dann sprang etwas wie aus demNichts hervor und rief mit heller Stimme: „Keine Bewegung, oder ichmach euch fertig!" vor Schreck wäre K.O. beinahe wieder rückwärtsvon der Fensterbank gefallen.
Vor ihnen stand einekleine Glückskatze, kampfbereit und mit aufgestellten Nackenhaaren,aber als sie Fiepsi erkannte, setzte sie sich auf ihr plüschigesHinterteil und klang ein wenig enttäuscht. „Ach du bist es. Mist,und ich dachte, der Geheimdienst hätte endlich meine Adresserausgekriegt." Das Kätzchen ließ die Ohren hängen und sahunzufrieden Richtung Boden. Doch dann schüttelte sie sich einmal undstrahlte die Besucher an. „Na ja, was verschafft mir denn dieEhre?", fragte sie nun deutlich fröhlicher. K.O. schaute zwischender flauschigen Katze und der Fledermaus hin und her. „Soll das einScherz sein? Dieser Plüsch-Ball kann doch nicht mal ne Mausfangen!", brachte er fassungslos hervor, woraufhin Holly die Armevor der Brust verschränkte. „Es freut mich auch ganz besonders,dich kennenlernen zu dürfen, Kanalratte, aber mein Name ist Cat."Die Katze hatte die Brust hervorgeschoben und schlug wütend mit demSchwanz. „Tut mir leid Kitty, K.O. meint das nicht so." Fiepsiwarf dem Waschbären einen finsteren Blick zu und flatterte dann zuihrer Freundin hinüber auf den Küchentisch. „Wir brauchendringend deine Hilfe!"
Nun erzählte dieFledermaus aufgeregt von dem Zeitungsartikel und dem Terminal,welches auf keinen Fall gebaut werden durfte. Kitty hörte mit großenAugen zu und dachte dann angestrengt nach. „Nicht weit von hierlebt ein Typ, der Anderson heißt. Meint ihr den?" Fiepsi nickteheftig. „Bestimmt! Kannst du uns zu ihm führen?" Das Kätzchenstand auf und reckte das Kinn in die Höhe. „Klar kann ich, ich habMal ausversehen in seine Garage gepinkelt, wo das war weiß ich nochganz genau. Aber ich bringe euch nur hin, wenn der da mich nicht nocheinmal Plüsch-Ball nennt!" Mit der Nase deutete sie hinüber zuK.O., der genervt die Augen verdrehte. „Weiber."
Wenig später waren dieTiere wieder vollständig und folgten der kleinen Kampf-Katze, diesie zielsicher über zwei Parkplätze und um eine Straßeneckeführte. Dann standen sie vor einem Hochhaus das Kittys Zuhause sehrähnlich sah. „Da oben", meinte sie und deutete auf eines derFenster in der obersten Etage. „Es ist eigentlich ganz leicht, dorthochzukommen." Udo ließ sich auf seinen großen Hintern fallen.„Für mich nicht. Ich warte wieder hier." Also blieben die dreierneut unten, sahen den anderen dabei zu, wie sie sich überFensterbänke und Regenrinnen nach oben hangelten. Oben angekommengab es jedoch ein Problem, denn das Fenster ließ sich nicht soeinfach öffnen, wie das von Kitty. „Lasst mich das mal machen",sagte Nature und steckte seinen Schnabel zwischen den Verschluss.Dann drehte und wendete er ihn so lange, bis es mit einem „Klack"aufsprang, und die Tiere hineinschlüpfen konnten. „Boah!" KittyCat sah den alten Papagei staunend an. „Wo hast du das denngelernt, kannst du mir das auch beibringen?" Nature schaute dieKleine mit seinem gesunden Auge lächelnd an. „Vielleicht. Aberjetzt müssen wir uns erstmal um etwas Anderes kümmern."
Gemeinsam betraten sievorsichtig die Wohnung und vergewisserten sich, dass niemand zu Hausewar. „Was genau suchen wir nochmal?", fragte Holly und mustertedie Urlaubsbilder an den Wänden. „Die Adresse von dem anderenBlödmann", erinnerte Slay sie an ihre Aufgabe. „Wie unordentlichhier." K.O. schnippte angewidert eine Socke von der Sofalehne undspähte vorsichtig in die Küche. „Papierkram bewahren die meistensin einem Büro auf", warf Nature ein, der sich in der Behausungeines Menschen nicht gerade wohl fühlte. „So ein Ding hat meinHerrchen auch", erzählte das Kätzchen fröhlich. „Der mag esüberhaupt nicht, wenn ich da rein gehe, dabei kann man so toll mitden Sachen aus dem Papierkorb spielen."
Nacheinander öffneten siealle Türen, bis das Frettchen auf einmal laut: „Ich hab's!"rief, und sie das kleine Büro betraten. Auf dem Schreibtisch standein aufgeklappter Laptop und um ihm herum lagen Briefe, Formulare undKarten verteilt. In einem hölzernen Regal stapelten sich Ordner undschwere Bücher und an der gegenüberliegenden Wand hing einKalender, in dem alle möglichen Termine angekreuzt, eingekreist oderunterstrichen waren. K.O. setzte sich auf den Drehstuhl und sah vondort aus grübelnd auf den Laptop hinunter, während Nature auf denTisch geflattert kam, Slay am Regal hochkletterte und Kitty sich anden Mülleimer heranschlich. „Okay, wo glaubt ihr, würde einMensch eine Adresse aufschreiben?", fragte der Waschbärschließlich. Holly hob kurz die Schultern, bevor sie weiter auf demTisch herumwuselte. Ihre Nase zuckte aufgeregt, so viel zu lesenhatte sie schon lange nicht mehr. „Ich schaue mal in diesem Ding danach", antwortete Fiepsi und flog zu dem Kalender, wobei sieallerdings die Augen zusammenkneifen musste, um etwas zu erkennen.„Vielleicht hätte ich meine Brille mitbringen sollen." Derweilhackte Nature gezielt auf einen Knopf in der Tastatur des Laptops,woraufhin der Bildschirm hell aufleuchtete. „Nur auf Standby, sehrgut", murmelte der Vogel vor sich hin. „Ist das ne Droge?",wollte K.O. wissen, der dem Ganzen interessiert zusah. Doch derPapagei beachtet ihn nicht, sondern tippte konzentriert eine Tastenach der anderen an.
Kitty hatteinzwischen den Mülleimer erreicht und jagte nun zerknülltes Papierund Schnipsel durch den Raum. K.O. stöhnte genervt und kletterte aufdie Lehne des Stuhls, um sie böse anzuschauen. „Könntest du dasmal lassen Plüschbacke, wir müssen uns konzentrieren!" In diesemMoment gab der Stuhl unter ihm nach und kippte hinten über, sodassder Waschbär mit einem lauten Poltern auf dem Boden landete.„Könntest du möglicherweise ein bisschen leiser sein? Wir müssennicht das ganze Haus auf uns aufmerksam machen!" Nun war es Fiepsi,die ihn böse ansah.
Unten warteten Udo, Leilaund Danger nervös darauf, dass ihre Freunde zurückkehrten, denn einBär, ein Fuchs und ein Wolfshund, die am Straßenrand saßen, warennicht besonders unauffällig. Als sie es von oben rumpeln hörten,winselte Leila besorgt. „Das geht bestimmt schief." Auch Dangerwar nicht mehr ganz wohl bei der Sache. „Kommt, wir sehen nach, wasda los ist." Verwundert folgten die beiden dem Fuchs, derentschlossen Richtung Eingangstür ging.
Im Büro des Bauleiterswaren Maus und Papagei vollkommen in ihrem Element und doch fandensie nichts, was ihnen die Adresse zu diesem Mr. Taylor verriet. Nacheiner Weile machte Holly die anderen auf sich aufmerksam. „Schautmal hier", meinte sie und zog einen zusammengefalteten Stadtplanhervor. Nachdem sie ihn etwas ausgebreitet hatte, kamen allerleiMarkierungen zum Vorschein. „Interessant", sagte K.O., faltetedie Karte wieder zusammen und steckte sie in seinen Gürtel. „Abernicht das, was wir suchen."
Kurz darauf hörten sieein lautes Klopfen von der Wohnungstür, was die Tiere erschrockeninnehalten ließ. Erst als Dangers Stimme von außen zu ihnen drang,atmeten sie erleichtert aus. „Jetzt macht doch mal auf, ihrDeppen!" K.O. hüpfte von dem Stuhl und eilte in den Flur, wo ervon einem Schuhschrank aus die Klinke herunterdrückte. „Was machtihr denn hier?", zischte er seine Freunde an und sah sichverstohlen um, bevor er sie in die Wohnung ließ. „Und wie seid ihrüberhaupt rein gekommen?" „Dafür hat sich der liebe Gott Türenund Fahrstühle ausgedacht", entgegnete der Fuchs gelangweilt.„Habt ihr schon etwas gefunden?", fragte Leila, die sich staunendumsah. „Nicht ganz, wir suchen noch", erklärte der Waschbär,während er zu einer Vase hechtete, die Udo beinahe umrakte. Der Bär,Leila und Danger quetschen sich in das winzige Büro, welchesinzwischen aussah wie nach einem Bombeneinschlag. Die anderen warengenauso überrascht von dem Auftauchen ihrer Freunde, doch auch einwenig verzweifelt, denn sie hatten alles auf den Kopf gestellt undnoch immer nichts gefunden. „Hier ist nichts", sagte Slayniedergeschlagen und hüpfte von dem Regal. „Ich sehe auch nichts."Fiepsi, die noch immer an dem Kalender hing, seufzte schwer. „Zeigmal." Holly tippelte zum Rand des Schreibtisches und fixierte denKalender. „Also kopfüber würde ich auch nichts erkennen. Wartemal, da steht es doch!" „Echt?" Die Fledermaus kniff die Augenzusammen. „Natürlich! Treffen mit Taylor am 29. in der UnionStreet!" Die anderen starrten sie fassungslos an. „Du hast dieganze Zeit davor gehockt?!" K.O. raufte sich die kurzen Haare.„Bitte vielmals um Verzeihung", sagte Fiepsi beleidigt. „Istdoch jetzt auch egal. Hauptsache, wir wissen, was wir wissen wollten.Jetzt sollten wir von hier verschwinden", sagte Naturebeschwichtigend. Die anderen stimmten ihm zu und gemeinsam verließensie das Büro. „Sollten wir nicht noch ein wenig aufräumen?",fragte Leila vorsichtig. K.O. drehte sich zu ihr um. „Der Typ willin unsere Basis ein verdammtes Terminal bauen, bei dem räumen wirgar nichts auf!"
„Also, was istjetzt deine Idee?" Die Freunde hatten sich in eine Gasse nicht weitvon den Wohnäusern zurückgezogen, um zu besprechen, wie sie dieweite Strecke zu Montgomery Taylor überwinden konnten. K.O. liefzwischen überfüllten Mülltonnen und bröckeligen Häuserwändenauf und ab und dachte angestrengt nach, wobei er von Danger skeptischbeobachtet wurde. „Wir wissen doch jetzt, wo der Pizzabote morgensimmer langfährt", überlegte der Waschbär laut. „Wenn wir esschaffen, ihn zu betäuben und ihn von dem Roller runter zu bekommen,dann hätten wir ein Gefährt, was uns zu Taylor bringen könnte."Stolz auf seine Idee sah er seine Freunde an, doch die wirkten nichtgerade überzeugt. „Wir passen doch nicht alle auf einen Roller",warf Leila ein, aber K.O. winkte ab. „Dann besorgen wir eben einenAnhänger." Kitty, die noch immer mit von der Partie war, saß inder Mitte der Freunde auf dem dreckigen Boden und sah neugierig voneinem zum anderen. „Bei dieser Idee fallen mir tausende Abers ein",sagte Danger genervt. „Der ganze Plan ist irgendwie Murks."Fiepsi war noch immer sauer auf den Waschbären, aber sie hatte nichtganz unrecht, denn es gab wohl mehr als einen Punkt, der seinVorhaben fragwürdig erscheinen ließ. „Na gut!" K.O.verschränkte beleidigt die Arme. „Dann denkt euch doch etwasBesseres aus!" Hinten räusperte sich Slay leise. „Ich hättevielleicht eine Idee."
Kurze Zeit späterbetraten sie einen gepflasterten Hof auf dem siebenLondon-Doppeldecker standen. „Das hätte ich dir gar nichtzugetraut", sagte K.O., der sich begeistert umschaute. Slaylächelte etwas verlegen. „Ein Kumpel von mir hat früher hiergewohnt", erklärte er. „In so einem warmen Motor lässt es sichgut schlafen, man muss nur früh genug rausklettern, bevor erangeht." Slay deutete auf die roten Fahrzeuge, die auf demBusbahnhof parkten. „Von denen da können wir aber keinen nehmen,da sind meistens noch Leute drin." Leila duckte sich automatischetwas. „Und welchen nehmen wir stattdessen?" Nun zeigte dasFrettchen auf ein uralten Bus, welcher ganz am Rande stand undwahrscheinlich als eine Art Modell diente. „Den da." Die Tieresahen sich kurz an und grinsten. „Zeit für ein bisschen Spaß!",rief K.O. und rieb sich die Hände. „Das kann rein rechnerisch garnicht gutgehen", murmelte Danger vor sich hin, doch er folgte denanderen.
Sie schlichen sich vonhinten an den Bus heran. K.O. schaute sich schnell nach allen Seitenum und nickte dann dem Papagei zu. „Dein Part!" Nature steckteseinen Schnabel in das einfache schloss und es dauerte nicht lange,bis es klackend nachgab. Die Tür schwang auf und sie kletterteneilig ins Innere, wo sie sich hinter den Sitzen duckten. Der Waschbärflitze sofort zur Fahrerkabine und schwang sich dort auf den ledernenSitz, doch als er sich gerade über das Armaturenbrett hermachenwollte, sah er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. „Halt!",zischte er den anderen zu, woraufhin diese erschrocken innehielten.In dem Bus neben ihnen saß ein leicht untersetzter Mann hintermLenkrad, der gerade herzhaft in einen Burger biss. K.O. kniff dieAugen zusammen. „Ich lenke ihn ab, ihr bringt in der Zeit diesesDing hier zum Laufen", befahl er und schob sich durch die Türwieder nach draußen, während Danger seinen Platz auf dem Fahrersitzübernahm.
Ned Hunter, der bis ebennoch seine Mittagspause und den Burger von McDonald's genossen hatte,traute seinen Augen nicht. Vor ihm auf der Motorhaube seines Bussesstand aufrecht ein struppiger Waschbär. Einen alten Polizeigürtelwie eine Schärpe um der Schulter und einen ledernen Fingerhandschuhan der linken Pfote, sah er zu ihm in die Fahrerkabine. Dann wischteer sich einmal kurz über die Schnauze, rückte seinen Gürtelzurecht und begann sich in einem langsamen Moonwalk über den rotenLack zu bewegen.
Ned fiel ein StückSalat herunter, als er das Nagetier mit offenem Mund anstarrte undsich fragte, ob vielleicht schon etwas Verdorbenes zwischen den Belaggeraten war. K.O. vollführte noch eine schnelle Drehung und tipptesich dann mit zwei Fingern lässig zum Abschied an den Kopf, bevor ervon der Motorhaube sprang und so schnell er konnte zurück zu demalten Bus rannte. Dort hatte Danger inzwischen mit Natures Hilfe dieZündung kurzgeschlossen, sodass der Motor brabbelnd zum Lebenerwachte. K.O. kam eilig in den Bus gestolpert und schubste Dangerbeiseite, der widerwillig von dem Sitz rutschte. „Lass mich das malmachen, das hier soll schließlich keine Kaffeefahrt werden!" Erlegte die Pfoten ans Lenkrad und streckte die Beine aus. Allerdingswaren sie nicht lang genug, um an die Pedale zu kommen. Genervtstöhnte er und drehte sich zu seinen Freunden um. „Kätzchen, kommmal her", rief er der Glückskatze zu, die misstrauischherbeigetapst kam. „Ab aufs rechte Pedal und schön schwer machen!"Die kleine Maus räusperte sich leise. „Wie schnell werden wirdenn?", fragte sie vorsichtig. „300!", antwortete der Waschbärgrinsend. Holly riss die Augen auf. „Was?!" „Na gut, vielleichtauch 90. Bereit? Dann gib Gas, Plüschbällchen!" K.O. knallte denRückwärtsgang rein und Kittys empörtes Schimpfen ging im Heulendes Motors unter, als er den alten Bus ruckartig ausparkte, bevor erihn wieder nach vorn schießen ließ. Ned, der seinen Burgerinzwischen völlig vergessen hatte, konnte ihnen nur verdatterthinterhersehen.
Ein Doppeldeckerbus in derLondoner Innenstadt ist im Grunde kein ungewöhnlicher Anblick. Wenndieser aber aus dem Jahre 1980 stammt und von einer Horde verrückterStraßentiere am Big Ben vorbei und über die Tower Bridge gefahrenwird, schon.
„Yiihaa!" K.O., dermittlerweile aufrecht hinterm Lenker stand, strahlte übers ganzeGesicht. „Das war die beste Idee, die du je gehabt hast, Slay!",rief er dem Frettchen zu. Doch der hatte gerade andere Probleme, dennbei K.O.'s wildem Fahrstil mussten sich die Tiere festhalten wo sienur konnten. Holly war die einzige, die noch einen Überblick überdas verzwickte Straßennetz hatte. „Hier musst du rechts!",brüllte sie über den Motorlärm hinweg, woraufhin der Bus mitquietschenden Reifen um die Ecke driftete. Mit einem Affenzahn rastensie durch die Straßen, wobei es immer wieder schepperte oder einblechernen Knall zu ihnen drang. „Du hast eine Telefonzelleumgefahren!", rief Slay erschrocken, als er aus dem Fenster sah.„Na und, willste telefonieren?", fragte K.O. unbeeindruckt.
Da zuckte auf einmal einhelles Licht, wie bei einem Gewitter über sie hinweg und blendetedie Freunde. Nachdem sie den Schrecken überwunden hatten, sahen siesich an. „Wurden wir gerade enrstahft geblitzt?" Danger sah kurzaus einem Fenster, bevor er K.O.'s Frage beantwortete. „Yap."
Dass sie die Union Streethalbwegs unbeschadet erreichten, war eigentlich nur Holly zuverdanken, die sie so sicher durch die Stadt navigierte, wie durchihr kleines Versteck in der alten Haltestelle. K.O. parkte denbeinahe schon antiken Bus, der bestimmt nicht mehr an solch rasantenFahrten gewöhnt war, indem er Kitty vom Gas schickte und ihn in eineSeitenstraße rollen ließ. Danger löste die beiden Kabel wiedervoneinander und stellte damit den Motor aus. „Wie viele Autos hastin deinem Leben eigentlich schon geklaut?", fragte Naturebeiläufig, während sie ins Freie stiegen. „Genug um zu wissen,dass es eigentlich keine gute Idee ist", antwortet der Fuchs undschaute mal wieder auf seine Uhr. Holly kletterte an Udos dichtemFell hinauf und setzte sich auf seine Baseballkappe, wo sie gernemitreiste wenn ihre kleinen Beine nicht schnell genug waren. Sie zogan einem seiner plüschigen Ohren, um ihm eine Richtung zu weisen.„Wir gehen einfach die Straße ab, dann finden wir das Haus vondiesem Blödmann schon", sagte sie gutgelaunt und die kleine Maussollte Recht behalten.
Die protzige, graue Villavon Montgomery Taylor war nicht zu übersehen. Die vielen Türme undErker streckten sich dem Nachmittagshimmel entgegen und auf demschmiedeeisernen Tor stand golden der Name des Besitzers. „Dezent",stellte Leila abfällig fest. „Der hat bestimmt schon ganz vieleTerminals verkauft", meinte auch Slay. K.O. sah sich mir seinemAgenten Blick um. „Wir müssen vorsichtig sein, solche Leute habenimmer jede Menge Sicherheitsvorkehrungen." Danger verdrehte dieAugen. „Du musst es ja wissen." Währenddessen war Udo dieBacksteinmauer, die einmal um das ganze Grundstück führte, einStück entlanggegangen. Er stand nun neben einem Auto, welches amRande der Straße parkte und winkte sie mit seiner großen Tatze zusich herüber. „Kommt mal her, ich glaube hier könnte es gehen."Die Tiere zweckentfremdeten das Auto und benutzen es kurzerhand alsLeiter. Von da aus hüpften sie auf den Kopf des Bären und sprangendann eilig auf der anderen Seite der Mauer herunter. Zu guter Letzthievte sich Udo selbst an den Steinen hoch und ließ sich, für einenBraunbär sehr elegant, zu den anderen heruntergleiten. Den Rasen vordem unsympathischen Gebäude betraten sie, als wären darunterTretminen vergraben. Nur ganz behutsam setzten sie eine Pfote vor dieandere.
An dem Haus angekommenkletterte K.O. auf ein Fensterbrett und spähte durch dieblankgeputzte Scheibe ins Innere. Doch in dem dunklen Raum konnte ernichts erkennen, also schwang er sich wieder herunter und bedeutetden anderen mit einer Handbewegung ihm zu folgen. Langsam schlichensie sich um die Villa herum, doch als sie gerade um die Ecke zumHaupteingang biegen wollten, drängte der Waschbär sie schnellwieder zurück. „Da sind Wachen!", zischte er ihnen zu. „ZweiStück!" „Und was macht ein erfahrener Einbrecher in so einemFall?", fragte Danger etwas genervt. K.O. zog einen alten Bumerangaus seinem Gürtel und grinste ihn an. „Tun, was getan werdenmuss!"
Damit sprang er hinter derEcke hervor und pfefferte den Bumerang in Richtung der beiden Männer.Auf dem Rückweg traf dieser einen Wachmann, der ihn noch verdutztangeglotzt hatte, am Hinterkopf und streckte ihn damit nieder. Nunkamen auch die anderen zu ihm und Holly tat das, was sie am bestenkonnte. Sie flitzte auf den noch stehendenden Mann zu und wuselte solange an ihm auf und ab, bis er völlig die Orientierung verlorenhatte. In dieser Zeit kam Udo zu ihm herüber, verpasste ihm eineordentliche Kopfnuss und schickte ihn damit zu seinem Kumpel in dasLand der Träume. „Aber die wachen wieder auf, oder?", fragteSlay ängstlich. „Ja ja, die schlafen nur ein bisschen",erwiderte K.O., steckte seinen Bumerang wieder ein und sah an derhässlichen Fassade des Hauses hoch. „So, jetzt müssen wir nurnoch da rein kommen."
Zu dem Haupteingang derVilla führte ein sauber geharkter Kiesweg, an dessen Rande imordentlichen Abstand kleine Findlinge aufgereit waren. Ohne langenachzudenken schnappte sich Danger einen davon und warf ihn ein einesder Fenster, welches mit einem lauten Splittern zerbrach. Erschrockensahen ihn die anderen an. „Was denn? Ich will das hier hinter mirhaben", verteidigte der Fuchs sich und ging gelassen zu dereingebrochenen Scheibe. Langsam folgten seine Freunde ihm.
Von innen war dasHaus nicht viel freundlicher eingerichtet. Die Möbel waren ganz ingrau gehalten und die Regale und Schränke nur spärlich befüllt.Selbst der helle Marmorboden wirkte kalt und streng. „Wieordentlich", bemerkte K.O. angewidert und wischte mit einem Fingerüber eine Komode auf der es nicht einmal ein Staubkorn wagte, diepolierte Oberfläche zu verschmutzen. Auch die anderen sahen sichwenig begeistert in dem luxuriösen Salon um. „Was suchen wir hiereigentlich?", fragte Leila. „Irgendwas, das verhindern könnte,dass das Terminal gebaut wird", antwortete der Papagei. „Weitergeht K.O.'s Plan noch nicht." Der Waschbär drehte sich empört um.„Moment mal! Immerhin hatte ich sowas wie einen Plan!" Dangerschnalzte genervt mit der Zunge. „Bringt aber nichts, wenn er nichtfunktioniert."
In diesem Moment hörtensie langsame Schritte vom Flur und die Tiere erstarrten. „Hallo?Mr. Taylor?", rief eine unsichere Stimme. „Nicht noch einer!",stöhnte K.O., doch bevor er etwas tun konnte, hatte Slay sich schoneine scheußlich aussehende Vase gegriffen und war damit auf einesder Regale geklettert. Als die Tür zum Salon vorsichtig geöffnetwurde, knallte er sie dem Wachmann mit voller Wucht gegen den Kopf,der daraufhin wie ein nasser Sack zu Boden fiel. Flink huschte dasFrettchen wieder zu ihnen herunter und stellte die Vase behutsam aufihren Platz. „Wenn er nur schläft, ist es okay ", erklärte erseinen verblüfften Freunden zufrieden. K.O. schüttelte nur den Kopfund stupste den Mann am Arm, um zu sehen, ob er auch auch wirklichohnmächtig war. Doch der bewegte sich keinen Zentimeter. „Lasstuns schnell das Büro von diesem Heini suchen, bevor einer von denenwieder aufwacht", meinte Nature besorgt, und das taten sie dannauch.
Nacheinander rissen siealle Türen auf, die von dem Salon und den Fluren abzweigten, bis siedas Arbeitszimmer gefunden hatten. Es sah ganz anders als das desBauleiters aus, aber auch auf diesem Schreibtisch stand einaufgeklappter Laptop. Fast schon routiniert machten sich die Tieredaran, den Raum auseinandernzunehmen und legten alles auf einenHaufen, was irgendwie interessant aussah. Während Nature versuchtedas Passwort für den Computer herauszufinden, las Holly inRekordgeschwindigkeit verschiedene Dokumente, Karten und Rechnungen.Sie fanden eine Menge unnützes Zeug. Doch nach einer Weile kramteUdo aus einer Schublade unter dem Schreibtisch einen Stattplanhervor, auf dem London eingezeichnet war, und doch war darauf eineganz andere Welt verzeichnet. „Zeig mal her!", meinte Hollyaufgeregt, also breitete der Bär sie auf dem Tisch aus und die Tieredrängten sich neugierig darum. „Das sind die Abwasserkanäle undUbahn-Tunnel unter der Stadt", stellte Nature fest und die Mausnickte.
„Hier sind wir." Sietauchte ihre winzige Pfote in ein Tintenglas und markierte damit eineStelle, an der ganz schwach: "Union Street" stand. „Undda ist unser Versteck." Nun zeigte das Pfötchen auf die alteHaltstelle, an der ein kastenähnliches Quadrat mit ein paarAusbuchtungen eingezeichnet war. „Anscheinend nicht nur", sagteDanger. „Wartet mal." K.O. zog den Stadtplan, den er bei Andersoneingesteckt hatte, aus seinem Gürtel und legte ihn zu dem anderen.Auch auf diesem war die Basis der Tiere markiert, genauso wie eineFläche, nicht weit von der Waterloo Station entfernt.
„Schaut mal, dashier ist Bauland", sagte K.O. und tippte mit seiner behandschutenPfote auf das Papier. „Warum bauen sie das Terminal dann nichtdort? Das wäre doch viel praktischer als irgendwo mittendrin, stattnur dabei, oder?" wollte Fiepsi wissen. „Weil es gar nicht um dasTerminal geht", antwortete Danger mit dunkler Stimme. „Ich habkeine Ahnung, was das hier ist, aber mit Containern hat das nichts zutun, die braucht man nicht zwischen irgendwelchen Abwasserkanälen."Nature nickte zustimmend und K.O. faltete die Karten zusammen, um siewieder zu verstauen. „Dann müssen wir eben herausfinden, was dasalles zu bedeuten hat. Aber jetzt sollten wir von hier verschwinden,bevor noch ..." Der Waschbär wurde von einem lauten Rumpelnunterbrochen, welches sich anhörte, als hätte man mit ordentlichWucht auf die Haustüre geschlagen. „Jemand kommt", beendete K.O.seinen Satz. „Los, weg hier!" Die Tiere quetschen sich hastigdurch die Bürotür und der maskierte Nager drehte sich im Laufen zuLeila um. „Und denk nicht mal ans Aufräumen!"
Sie eilten den Flur inRichtung Salon hinunter, wo sie allerdings schlitternd kehrtmachenmussten, da ihnen ein halbes Dutzend schlecht gelaunter Männerentgegenkam, mit je einer Waffe am Gürtel. Nun flüchteten dieFreunde in die entgegengesetzte Richtung, bis sie an eine schwereStahltür kamen. Schnell riss Udo sie auf und K.O. schob den dickenRiegel vor, als alle hindurch waren. Erst dann sah er sich um.
„Hurakan", bemerkteder Fuchs nüchtern. „Was? Wo?!" K.O. drehte sich alarmiert nachallen Seiten und hob die Arme wie ein Kung Fu Kämpfer, doch er ließsie schnell wieder sinken, als sein Blick auf den Kirsch-rotenSportwagen fiel, der vor ihnen in der Garage stand. „Ach so, sagdas doch gleich." Udo, Danger, K.O. und Nature drängten sich umdas Auto und strichen bewundernd über den glänzenden Lack. „Jungs,wir haben jetzt wirklich andere Probleme!", bellte Leila streng undschaute immer wieder zu der Tür, wo ihre Verfolger inzwischenangekommen waren. „Und ich glaube, die Lösung steht direkt vorunserer Nase, richtig?" Danger, der ihren inoffiziellen Anführerinzwischen gut genug kannte, sah fragend zu dem Waschbären hinüber.
„Ganz genau. Udo, kannstdu das Tor aufkriegen?" Der Bär trottete, völlig unbeeindrucktvon dem Poltern und Hämmern der wütenden Wachmänner, zu demGaragentor und begann es mit seinen starken Armen in die Höhe zustemmen. Erst rührte sich nichts, doch dann knackte es ein paarmalunangenehm und das Tor schwang langsam nach oben. K.O. nicktezufrieden. „Gut, jetzt müssen wir nur noch in das kleineRaumschiff rein kommen." „Wenn du versuchst die Türenaufzubrechen, wirst du erschossen, abgestochen, verbrannt und zurSicherheit noch einmal ertränkt", warnte Danger ihn, woraufhinSlay ein paar Schritte zurück wich. „Was auch immer ihr vorhabt,ihr solltet euch damit beeilen!", rief Leila ihnen über dieSchulter hinweg zu, und ließ dabei die Tür nicht aus den Augen.
Nature sah die Anderenetwas unsicher an. „Ich kann es versuchen, aber ..." „Aber duwirst es wahrscheinlich nicht hinkriegen", wurde der Papageiunterbrochen. Vor ihnen auf den Fliesen hockte ein kleiner Spatz, derselbstsicher zu ihnen aufsah. „Das heißt noch lange nicht, dasswir es auch nicht hinbekommen." Die Tiere schauten verwundert zuihm herunter. Alle, bis auf K.O. „Hey, 008, was machst du dennhier?", begrüßte er überrascht seinen alten Freund. „Euchvermutlich den Hintern retten", antwortete dieser.
008 pfiff einmalträllernd, woraufhin weitere Spatzen von allen Seitenherangeflattert kamen. Die Bande war der Geheimdienst unter denTieren Londons und nannte sich selbst: "CTT" ('Cause thisis Triller). „GKM, komm doch mal her", rief 008 einen etwasdünneren Spatz zu sich, der anscheinend genau wusste, was er zu tunhatte. „Über die Bezahlung reden wir später", sagte er ernst,wobei seine Stimme leise pfiff. „Ich brauche etwas, womit ichPlastik durchbekomme", meinte er dann. Nach einem verwundertenBlick begann K.O. in seinem Gürtel zu wühlen und zog alles möglichedaraus hervor, was er dann aber wieder mit einem: „Nein"zurücksteckte. Schließlich hielt er stolz einen Dosenöffner in dieHöhe. „Geht der?" GKM nahm ihn K.O. ab und nickte zufrieden.Damit hüpfte er zu Udo und hackte ihm kräftig auf die große Tatze,um danach auf den Kühlergrill des Lamborghinis zu zeigen. Erstauntschloss der Bär seine Krallen um das Metall und zog einmal kurzdaran, sodass es sich ächtzend löste.
„Was heißt GKM?",fragte Slay flüsternd. „Gefährlicher Kettensägen-Mörder",antwortete K.O. ebenso leise. Mittlerweile war der gescheckte Spatzin dem Motorblock verschwunden und 008 wartete mit verschränktenFlügeln gelassen, das Hämmern an der Tür völlig ignorierend.
Die Minuten zogen sich wieklebriges Kaugummi in die Länge, während das Krachen immer lauterwurde und von dem Spatz nichts zu sehen war. Endlich hörten sie einsägendes Raspeln aus dem Inneren des Wagens und gleich draufschwangen die Flügeltüren langsam hoch. GKM hatte sich durch denganzen Motor geschoben bis er an das Armaturenbrett gelangt war, woer die Plastikhülle durchgeschnitten und das Auto von innenentriegeln hatte. „Das wurde auch Zeit. Und wie kriegen wir Udojetzt da rein?" Danger sah mal wieder ungeduldig auf seine Uhr,während die anderen noch den kleinen Spatz anstarrten.
Udo löste das Problem desPlatzmangels auf die einfache Art, indem er die hinterenSitzplätzelätze aus ihren Verankerungen riss und sie hinter sich ineine Ecke warf. Dann drückte er sich mühsam in den tiefgelegtenLamborghini, in dem er ein wenig aussah wie in ein Marmeladenglasgequetscht.
Derweil war Slay unbemerktzu dem offenen Garagentor geschlichen und huschte von da aus weiterum das Haus herum, in Richtung des eingebrochenen Fensters. Esdauerte nicht lange, da kam er auch schon mit einem klimpernenSchlüssel im Maul wieder um die Ecke geschossen, den er vorsichtigvor K.O. ablegte. Abwechselnd sah der Waschbär auf den blitzendenGegenstand und dann wieder hoch zu Slay. „Wie in drei Teufels Namenhast du ..." „Ich dachte, den brauchst du vielleicht. Nicht, dassdich das Auto noch erschießt", sagte Slay stolz, was K.O. zumGrinsen brachte. „Du bist echt gar nicht doof, du geöltesFrettchen!"
Ein weiterer Knall an derTür brachte die Freunde dazu, eilig nacheinander in den Sportwagenzu klettern und nur Leila bedankte sich hastig bei den Spatzen.„Hätte das Loch nicht etwas kleiner sein können?", murmelte sievor sich hin, als sie sich zu Udo hinter die Sitze presste. Bevorauch K.O. zu ihnen steigen konnte, hielt ein Spatz, der sich selbstCode Genesis nannte, ihn noch kurz auf. „Versuch doch bitte zukuppeln, wenn du schaltest. Der hier ist viel sensiebler, als deralte Bus", legte er ihm nahe.
In diesem Moment gaben dieScharniere der Tür nach und die Männer stolperten in die Garage.„Und beeilt euch, wir können sie nur kurz aufhalten!" K.O.salutierte kurz und sprang dann in den Wagen, wobei er sich doch kurzfragte, woher die Spatzen das mit dem Bus wussten.
Als sich die Türengeschlossen hatten und K.O. ihr ein Zeichen gab, krabbelte Kittypflichtbewusst wieder in den Fußraum und setzte sich auf dasGaspedal. Während die Wachen von einer Horde wild flatterndenSpatzen angegriffen wurden, parkte der Waschbär aus, was bei ihmbedeutete, dass er erstmal mit voller Geschwindigkeit gegen dieGaragenwand knallte bevor er es schaffte, den Lambo ins Freie zumanövrieren.
Im Vorgarten der Villafuhr er extra noch ein paar Schlenker, sodass die überallaufgestellten teuren Statuen nur noch in Schutt und Asche lagen.„Ähm, wie schnell wird der hier denn?" Holly hatte sich fest indas weiße Leder gekrallt, wobei sie ein paar blaue Spurenhinterließ. „350, und das ist diesmal kein Scherz!", rief derWaschbär mit einem beängstigenden Glitzern in den Augen.
Dann hielt K.O. direkt aufdas breite Tor zu. „Meinst du, die Karre schafft das?", fragteDanger über das Knurren des Motors hinweg skeptisch. „Werden wirsehen!" K.O. beschleunigte noch einmal und ließ den Hurakanfrontal auf die eisernen Stangen Krachen. Unter dem Druck wurde dasschwere Schloss gesprengt und die beiden Tore flogen auf. „Nichtdas Raumschiff kaputt machen!", protestierte Slay laut, als einTeil der Stoßstange zur Seite sprang. Die Motorhaube wareingeknautscht und die Windschutzscheibe hatte einen kleinen Sprung,aber dafür waren sie frei.
Mit einem elegantenPowerslide bog der Lamborghini in die Union Street ab und Hollyübernahm es wieder, K.O. durch die Straßen zu komandieren. Nureinmal blieb er kurz an einer Laterne hängen und schlingerte einenMoment lang, weswegen sie ausversehen einen Smart streiften. Sie waren noch nicht allzu weit gekommen, als sie hinter sich dasgleichmäßige Heulen von Sirenen hörten. „Oh nein!", winselteLeila und vergrub ihren Kopf unter den Pfoten. „Oh doch!" K.O.gab noch einmal extra Gas und schlitterte um die nächste Ecke,sodass Fiepsi quer durch den Innenraum flog und direkt neben Udosplüschigem Kopf landete. Ihr empörtes Schimpfen hörte allerdingsniemand, denn die Tiere sahen mit schreckgeweiteten Augen auf dieStraße.
Vor ihnen stand einVierzigtonner, der gerade dabei war, rückwärts auf einenSupermarktparkplatz zu fahren und ihnen somit den Weg versperrte.„Okay." K.O. rümpfte die Nase und kniff die Augen zusammen.„Dann wollen wir mal ein bisschen Aktion mit reinbringen!" Ohnezu bremsen raste er auf den LKW zu und seine Freunde hinter ihmkreischten panisch. Mit einem hässlichen Quietschen fuhr der Lambounter dem Lastwagen hindurch, was sie das Dach des teuren Sportwagenskostete. Wie abrasiert fiel es hinter ihnen zu Boden blieb dortliegen. Jubelnd streckte K.O. die Nase in den Wind. „Ha, von wegen,die gibt es nicht als Cabrio. James Bond ist nichts dagegen!" „Ichglaube, mir ist übel", stöhnte Udo von hinten, woraufhin Fiepsisich erschrocken zu ihm umdrehte. „Du kotzt uns hier aber nichtalles voll!"
Die Polizei war inzwischenum den LKW herum gefahren und war ihnen wider auf den Fersen. Mitzusammengezogenen Augenbrauen sah K.O. in der Rückspiegel. „Ichhab da eine Idee", murmelte er leise. „Danger, wie spät ist es?"Der Fuchs schaute etwas verwirrt auf seine Armbanduhr. „21: 15 Uhr,warum?" „Das kann nicht stimmen!", rief der Waschbärverärgert. „Du hast bestimmt wieder vergessen, sie aufzuziehen!"Beleidigt wandte sich Danger ab, während der Waschbär mitquietschenden Reifen in eine Seitenstraße fuhr. „Das ist diefalsche Richtung!", rief Holly entsetzt, doch K.O. raste unbeirrtweiter. Von weitem konnte man einen Bahnübergang erkennen, an demsich langsam die Schranken schlossen und die Ampeln rot wurden. ImSlalom lenkte K.O. den Hurakan um die Autos, die brav daraufwarteten, dass sie weiterfahren konnten.
„Nicht!", schrienHolly und Leila gleichzeitig, aber K.O. hatte sich schon hintermSteuer geduckt und hielt fest entschlossen auf die Schranke zu. Vonlinks kam der Zug laut hupend auf sie zugerast und nur ganz knappschaffte der Waschbär es, unter die Absperrung hindurch und überdie Gleise zu schlittern, bevor er auf der anderen Seite wiederhervorkam und die Bahn hinter ihnen vorbeiratterte. Noch inSchockstarre sahen die Tiere auf den Asphalt vor sich, aber dieAktion hatte ihren Zweck erfüllt, denn die Polizei musste vor demBahnübergang anhalten und mit ansehen, wie der Lamborghinihalsbrecherisch hinter der nächsten Biegung verschwand.
Stolz drehte sich K.O. zuseinen Freunden um. „Na, war das nicht ein genialer Plan?"„Nein!", brachte Leila hervor. „Das war gar kein Plan, das wareinfach nur krank!" K.O. wollte gerade protestieren, da stupste dieWildhündin ihn energisch an und zeigte nach vorne. „Sieh auf dieStraße!" „Oh." Schnell brachte er den Wangen wieder auf Kursund verfehlte damit nur haarscharf den Außenbereich eines kleinenCafés. Nur eine grüne Mülltonne schleifte er ein Stück mit, diesich dabei auf der Straße entleerte.
Es dauerte noch eine ganzeWeile, doch irgendwann hatten sie ihr Zuhause erreicht. K.O. bremsteden Sportwagen, der jetzt aussah wie gerade frisch vom Schrottplatz,indem er unelegant gegen eine bröckelige Hausfassade klatschte. Aberdie kleine Delle fiel in dem Meer aus Schrammen und Macken, die dasAuto mittlerweile hatte, nicht weiter auf. Udo befreite sich aus demAuto, was nun wesentlich leichter ging, da das Dach fehlte undtaumelte einen kurzen Moment. „Ey dein Fahrstil ist echt zumKotzen!", brummte der Bär und schüttelte den großen Kopf. K.O.beachtete ihn nicht weiter, sondern hüpfte fröhlich pfeifend ausdem Lambo und schob ein paar Ölfässer beiseite, die den Eingang zumGeheimversteck der Tiere tarnten. Erleichtert atmeten die Freundeaus, als sie sich alle wieder halbwegs sortiert hatten und die fasteingebrochenen Treppe zur Haltestelle hinunter stiegen.
In dem Zuhause derStraßentiere sah es nun beinahe so aus, wie an einem ganz normalenTag. Udo ging es anscheinend wieder besser, denn er wühlte erneut inseiner Mülltonne herum, um endlich ein vernünftiges Frühstückaufzutreiben, obwohl es mittlerweile schon später Nachmittag war.K.O. hatte sich über verschiedene Karten und Pläne gebeugt undDanger ließ sich mit einem tiefen Seufzen auf seiner Zugbank nieder.Der einzige Unterschied war das kleine Glückskätzchen, welches sichstaunend in der alten U-Bahn Haltestelle umsah. Slay zeigte ihraufgeregt alle Schlafplätze und natürlich auch seinen Teddy.
Holly und Nature warenderweil noch einmal unterwegs, um weitere Pläne der Stadt und derTunnel darunter zu finden. Die Maus klammerte sich auf Natures Rückenin das Gefieder des Papageien und reiste so schnell von einem Ort zumanderen. Das war für die beiden nichts Neues, denn trotz seinesblinden Auges, flog Nature sie immer sicher überall hin. Gemeinsammachten sie Abstecher in Einkaufsläden, Reisebüros und sogarTankstellen. Als sie wieder in der Basis eintrafen, hatten sie nocheine beträchtliche Menge an Karten zusammengesammelt, welche dieTiere vor sich auf dem Boden ausbreiteten. Udo zauberte aus demMüllcontainer ein paar weggeschmissene Dosengerichte hervor und dieFreunde ließen es sich schmecken, während sie mit den Pfotenverschieden Wege auf den Karten entlang fuhren.
„Ich glaube, es hilftalles nichts, wir müssen da runter", meinte K.O., der sich geradeeinen Rest Erbsensuppe von der Schnauze wischte. Die anderen stimmtenihm zu. Alle, bis auf Kitty, denn die hatte sich auf dem abgewetztenTeppich zusammengerollt. So viel Abenteuer auf einmal machte daskleine Kätzchen furchtbar schläfrig. „Dann sollten wir uns aberbeeilen", warf Leila ein. „Wer weiß, wie viel Zeit uns nochbleibt." K.O. nickte nachdenklich, während er sich noch eine Pfotevoll Suppe aus der Dose nahm. „Dann machen wir das eben gleich."Er zog einen ausgeleierten Rucksack zu sich heran und kippte dieSpraydosen, die er sonst darin aufbewahrte, achtlos auf den Boden.
Nachdem sie aufgegessenhatten, suchten die Tiere alles zusammen, was ihnen in demverzwickten Tunnelsystem nützlich sein konnte. „Mein Herrchen hatfür sowas immer eine Taschenlampe dabei", murmelte Kitty. „Wandertder auch gerne in Abwasserkanälen rum?", fragte K.O., der sichsuchend umsah. „Ich hatte doch hier irgendwo auch..." SeineStimme wurde leiser, als er in der hintersten Ecke der Basisverschwand. Währenddessen packte Danger ein aufgerolltes Seil in denbraunen Rucksack, kramte Fiepsi ein Feuerzeug unter einer Gießkannehervor, faltete Nature die Karten zusammen und überlegte Slay, wieer nicht doch seinen Teddy mitnehmen konnte. Schließlich nahm Dangerdas Plüschtier und stopfte es ebenfalls in den Rucksack, was daskleine Frettchen glücklich strahlen ließ.
„Ha, hier ist sie!"K.O. kam mit einer abgegriffenen Taschenlampe hinter einem StapelSchrott hervor. „Hat zwar nicht mehr so viel Batterie, aber es istimmer noch besser, als gar nichts." Er steckte die Lampe in eineTasche seines Gürtels und beugte sich dann zu Kitty hinunter. „Dubleibst besser hier, was?" Das Kätzchen blinzelte müde undversuchte angestrengt hellwach auszusehen, was ihr aber kaum gelang.„Nein, ich will mitkommen!" K.O. seufzte leise und nahm sie dannvorsichtig hoch. „Na gut, Plüschbacke, dann kuschelst du jetzteben eine Runde mit Teddy." Er legte sie zu dem Stofftier in denRucksack und ließ diesen offen, bevor er ihn Udo gab. Dann waren siebereit.
Der U-Bahn-Tunnel war kaltund dunkel, als die Freunde ihn betraten. Laut knirschte der Kieszwischen den Gleisen unter ihren Schritten und hallte als VielfachesEcho zurück. „Bist du sicher, dass hier keine Bahn mehr fährt?",fragte Leila ängstlich, woraufhin K.O. genervt stöhnte. „Wir sinderst zwanzig Meter gegangen, jetzt mach dir mal nicht ins Fell."Also schwiegen sie, während sie weiter den düsteren Gangentlanggingen. Schon bald war das schwache Licht der Haltestellenicht mehr zu sehen und die Tiere mussten sich an der Wandentlangtasten. Nach einer Weile gelangten sie an eine Abzweigung, dieFiepsi als erstes erkannte. Für sie war die Finsternis kein Problem.
K.O. holte seineTaschenlampe hervor und leuchtete damit auf eine Karte, die Holly vonUdos Schulter aus betrachtete. „Wir müssen in diesen Tunnel und umda hinzukommen, müssen wir erstmal da abbiegen", erklärte sie.„Wohin geht es denn da?", wollte Slay wissen, der sichsicherheitshalber ganz nah an Leila drängte. „In dieKanalisation", antwortete die Maus und bedeutete Udo, die Kartewieder zusammenzufalten. „Muss das sein?" Fiepsi rümpfteangeekelt die Nase, doch keiner beachtete sie. K.O. ging mit derTaschenlampe voraus und leuchtete in einen betonierten Schacht, inden eine rostige Leiter führte.
„Da sollen wirrunter?", vergewisserte sich Danger. „Yap." K.O. warf einenkurzen Blick in die Schwärze und begann die Leiterhinunterzuklettern. „Ihr kommt gleich nach!", befahl er denanderen. Es dauerte nur einen Moment, bis er den glitschigen Bodenerreicht hatte und sie zu sich winkte. „Na los, ist nicht soschlimm, wie es aussieht." Slay, Holly, Fiepsi und Nature folgtenihm mit Leichtigkeit, aber Danger und Leila mussten sich nach untenfallen lassen und landeten unsanft auf dem Waschbären, der von zuihnen hochleuchtete. Udo musste sich mal wieder durch den Schachtquetschen, was ihm ein empörtes Maunzen aus dem Rucksack einbrachte.Schließlich waren alle unten angekommen und die bunt schillerndeFledermaus übernahm die Führung.
Ein leichtes Plätschernbegleitete die Freunde, die sich nun in dem schwachen Licht derTaschenlampe vorwärtsbewegten. Udo musste immer wieder den Kopfeinziehen und in der muffigen Kanalisation fühlte er sich nicht halbso sicher, wie Fiepsi. Gerade, als er etwas unangenehm Matschigesunter seiner Pfote spürte, knallte er mit dem Schädel gegen einRohr an der Decke und musste einmal kräftig den Kopf schütteln,bevor er wieder richtig sehen konnte. K.O., der hinter den anderenging, krümmte sich vor Lachen und wischte sich kichernd eine Träneaus dem Augenwinkel, aber nur bis er auf dem glatten Bodenausrutschte und mit einem schmatzenden Platschen in einer Pfützelandete. Jetzt war es Udo, der brummend lachte. „Jungs, jetztbleibt doch mal ein wenig fokussiert!", sagte Leila kopfschüttelnd,aber auch sie musste sich ein Grinsen verkneifen.
Es gibt einen guten Grund,warum die meisten Leute sich von Abwasserkanälen fern halten. Derbeißende Gestank waberte zu ihnen hoch und was da alles in demtrüben Wasser an ihnen vorbei schwamm, wollten die Freunde gar nichtso genau wissen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Taylor hierständig durchgeht", sagte Leila, die sich sehr bemühte, nichtdurch die Nase zu atmen. „Ganz bestimmt nicht. Aber wir kommen jaauch nicht über den Haupttunnel, der liegt ganz woanders",antwortete Holly und zog dem Bären gerade noch rechtzeitig am Ohrbevor er sich wieder den Kopf angehauen hätte.
Nach einer gefühltenEwigkeit, in der sich der Geruch der Kanalisation schon ihrem Fellfestgeklammert hatte, erreichten sie eine dünne Gittertür, die sievon dem nächsten U-Bahn-Tunnel trennte. Für Udo, der mittlerweiledie plüschige Nase ganz schön voll hatte, war das ein Klacks undbald standen sie wieder am Rande der Schienen. „So, am Ende desGanges müsste es eigentlich sein", sagte Holly. „Das sieht jagar nicht anders aus." Leila Klang ein wenig enttäuscht, doch dazupfte das Frettchen an ihrem zottelligen Fell. „Doch schau mal, dablinkt was", sagte er und zeigte zur Decke.
Hollys kleiner Kopf flogalarmiert nach oben. „Wo?!" In einem Kästchen an der Tunneldeckeblickte ein rotes Lämpchen, was die Augen der Hausmaus vor Entsetzengroß werden ließ. „Ist alles in Ordnung?", fragte Dangerbeunruhigt, doch Holly schüttelte energisch den Kopf. „Nein,keiner geht auf die Gleise! Dass die Lampe blinkt, heißt, dass danoch Strom drauf ist und das heißt ..." Erschrocken sah sie in denschwarzen Tunnel, wo ein stetiges Rattern zu hören war. Bei denTieren brach nun die helle Panik aus.
„Los, zurück in denKanal!", brüllte K.O. laut und die anderen versuchten hastig denBären zurück in den Gang zu drücken, aus dem sie gekommen waren.Nur ein paar Sekunden später wurde das dumpfe Rattern lauter,gleißende Scheinwerfer bogen hinter einer Kurve hervor und kamen aufsie zugeschossen. Wie ein Blitz flogen die hell erleuchteten Fensterder Ubahn an ihnen vorbei, gefolgt von einer gespenstischen Stille.
„Hast du nicht gesagt,der Tunnel wäre stillgelegt?", fragte K.O., als sie sich wiedertrauten zu atmen. „Das dachte ich ja auch!", zischte Hollyzurück. Danger quetschte sich aus dem Gang hervor. „Dann lasst unsdas jetzt endlich hinter uns bringen!" Die anderen sahen ihnfassungslos an. „Du willst da durchgehen?", fragte Slayängstlich. Der Fuchs verdrehte die Augen. „Der Zug ist vorbei undwir können nicht ewig hier sitzen, also lasst es uns beenden." Nurwiderwillig folgten sie seiner Aufforderung, aber sie waren dergleichen Ansicht und mittlerweile wollte jeder so schnell wie möglichwieder an die Oberfläche.
Durch den, offensichtlichnoch befahrenen Tunnel, liefen die Freunde so schnell sie konnten unddrückten sich dabei eng an die Wand, um keines der unter Stromgesetzten Gleise berühren zu müssen. Nach einer Weile leuchteteK.O. in einen schmalen Gang auf der gegenüberliegenden Seite. „Dasmuss es sein!", piepste Holly aufgeregt. Mit spitzen Pfotenhuschten sie über die Schienen und waren froh, als sie in demAusgang verschwinden konnten, der gerade breit genug war, dass Udobequem hindurchlaufen konnte.
Je weiter sie kamen, destoheller wurde es, sodass K.O. bald seine Taschenlampe ausschaltenkonnte. Sie betraten einen großen Raum, von dem noch zwei weitereTunnel abzweigten und der von großen Deckenlampen beleuchtet wurde.Vor ihnen in der geziegelten Mauer war eine schwere Panzertüreingelassen, die noch einmal extra mit Absperrband gesichert wurde.Beiläufig wischte K.O. es beiseite und betrachtete die Tür genauer.
„Das da vorne ist eineSpracherkennung, die Dinger zu überlisten ist so gut wie unmöglich."Er zeigte auf ein kleines Kästchen, welches rot leuchtete. „GutenTag, wie lautet ihr Passwort?", fragte da auch schon einenComputerstimme. Nun riss bei Udo entgültig der Geduldsfaden. „Wirhaben kein Passwort, du dumme Kuh!", schrie er das Gerät an undhämmerte mit seiner großen Tatze auf das Kästchen. Keine Sekundespäter änderte sich die Farbe des Lämpchen auf grün und einefreundliche Stimme sagte: „Herzlich willkommen zurück, Mr.Taylor". Es klackte und zischte kurz, dann schwang die breite Türnach innen auf.
„Kaum zu überlisten?",fragte Danger ironisch. K.O. kratzte sich am Kopf und zuckte dieSchultern, bevor er den Raum betrat und die anderen ihm folgten. Einblauer Schleier lag über dem glänzenden Metall, welches von kaltenNeonröhren angestrahlt wurde. „Was ist das hier?", fragte Leilaim Flüsterton, doch keiner antwortete ihr. Die Tiere brauchten einenMoment bis sich ihre Augen an das weiße Licht gewöhnt hatten. Siestanden in einem riesigen Raum, der von oben bis unten mit Stahlausgekleidet war, und in dem lauter blinkende und piepsende Geräteaufgebaut waren. In der Mitte waren gläserne, kreisförmigangeordnete Säulen, in denen eine bläuliche Flüssigkeit schwammund die eine große Maschine einrahmten. „Das sieht verflucht nacheinem Labor aus", bemerkte Nature. „Warst du schon mal ineinem?", fragte Danger, wobei er den Blick nicht von den Gerätenabwendete. „So ähnlich." Der Papagei flatterte die eiserneTreppe hinunter und hüpfte zu einer Maschine, an der viele bunteLichter blinkten. „Aber wozu braucht Taylor das?" K.O. war seinemFreund gefolgt und drehte sich einmal um die eigene Achse. „Ichsagte ja, dass das nichts mit dem Terminal zu tun hat", warf Dangerein.
An der Stirnseite desLabors standen mehrere Reagenzgläser auf einem blanken Schreibtisch,der neben einem gläsernen Regal aufgestellt war. In den einzelnenFächern standen verschiedene Mappen und Bücher, die ordentlichnebeneinander aufgereiht waren. Gegenüber davon hing eine breite,digitale Tafel an der Wand, die in diesem Moment nur ein schwarzesBild zeigte. Leila fröstelte. „Das sieht nicht nett aus", sagtesie leise. Kitty steckte den Kopf aus dem Rucksack und schaute sichebenfalls neugierig um, während K.O. und Danger näher an die Säulenherangingen. „Sind das Knochen?", fragte der Waschbär mitzusammengekniffenen Augen und er hatte Recht. Vor ihnen in dem blauenWasser dümpelten blankgeputzte Skelettteile. „Menscnenknochen",bestätigte Danger.
„Das ist ja widerlich!"Fiepsi hatte sich wieder in das Fell des Bären gehakt und spitztedie Ohren. In dem hellen Licht konnte sie kaum etwas sehen, alsohörte sie gespannt zu, was ihre Freunde sagten. „Okay, alle malherhören." K.O. hatte wieder die Anführerrolle übernommen. „Wirsollten so schnell es geht herausfinden, was dieser Irre hier vorhatund dann wieder verschwinden. Also sucht am besten überall nachirgendwelchen Hinweisen, aber passt auf, dass ihr an keine Knöpfekommt. Wer weiß, was sonst passiert." Die Tiere begannen miteingezogenen Köpfen vorsichtig die Schränke auszuräumen und sahendabei immer wieder ängstlich über die Schulter. Derweil betrachteteK.O. die Maschinen und Geräte ganz genau, um herauszufinden, wofürsie gedacht waren.
Holly war die erste, die etwas entdeckte. „Nature,komm mal schnell her!", rief sie den Papagei zu sich und zeigte aufeinen ausgeschnittenen Zeitungsartikel, der zwischen den Büchern imSchrank gesteckt hatte. Darin ging es um einen Friedhof etwasaußerhalb von London, der vor wenigen Wochen ausgeraubt wurde. „Solldas heißen, dieses Ekel hat Gräber geplündert?", fragte die Mausängstlich und Nature nickte mit gerunzelter Stirn. „Daher kommenvermutlich die Knochen in den Säulen", murmelte er. „Aber warummacht er das bloß?" Holly konnte so etwas nicht verstehen und auchNature war der Sinn hinter dem Ganzen noch nicht klar. „Suchen wirerstmal weiter, das kriegen wir schon noch raus."
Holly und Nature lasenjedes der Bücher und abgehefteten Dokumente, obwohl sie nicht vielvon dem kapierten, was darin stand. Slay räumte alle Schränke undRegale leer und brachte seine Beute zu ihnen auf den großenSchreibtisch, während Danger und K.O. gemeinsam versuchten, einenTresor aufzubekommen und Udo mit Fiepsi hinter weitere Türenschaute. Den Rucksack hatte er auf dem Boden abgestellt und auchKitty tapste staunend von einer Maschine zur anderen, so etwas hattesie noch nie in ihrem Leben gesehen. Leila begleitete sie vorsichtigund zog immer wieder den Schwanz ein. Ihr war das alles sehrunheimlich und am liebsten wollte sie auf dem schnellsten Wege rausaus diesem Bunker.
Es dauerte nicht lang, darief Holly die anderen zu sich. „Wir haben etwas gefunden!",erzählte sie mit hoher Stimme und tippelte zu einem aufgeschlagenenBuch. „Diese Formel hier steht überall drin, Taylor hat sie sichfast in jedem Buch notiert." Nature tippte mit einer Kralle auf dieSeite. „Und was soll man damit anfangen können?" Dangerbetrachtete die Zeichen, aber für ihn sahen sie alle gleich aus.„Offensichtlich hat er eine Methode gefunden, Gold herzustellen",erklärte der Papagei ernst. K.O.'s Augen begannen zu leuchten. „Wiecool!" „Nein, das ist nicht cool, das ist grausam!",widersprach Holly ihm energisch.
„Er braucht dafürmenschliche Knochen. Dieses Schwein hat schon Dutzende Friedhöfeleergeräumt! Und wir haben noch etwas gefunden." Sie versuchteeinen schweren Ordner zu den anderen zu ziehen, wobei Slay ihrschnell zur Hilfe eilte. „Was ist das?", fragte K.O. mitgerunzelter Stirn. „Verträge", antwortete Nature nüchtern.„Taylor hat hier Menschen unterschreiben lassen, für einexperimentelles Projekt, das einen angeblich jünger werden lässt."„Aber das stimmt doch gar nicht!", sagte Kitty, die mit einemSatz auf den Tisch gesprungen kam. „Nein, aber so kommt er analles, was er braucht." Danger zeigte auf die Säulen mit denKnochen. „Die Leute haben unterschrieben und wenn das Experimentschiefgeht, ist das ja nicht seine Schuld."
„Warum macht er dennnicht weiter wie bisher?" Leila hatte sich auf den kalten Bodengesetzt. Ihre Angst hatte sie für einen Moment völlig vergessen,denn so langsam wurde sie wütend auf diesen Kerl und einer wütendenWolfshündin wollte man nicht gerne begegnen. „Weil das irgendwannanscheinenend aufgefallen ist." Der Papagei holte weitere Berichteüber Grabräuber aus einem Stapel. „Deswegen musste erumdisponieren." „Aber ist diese Methode nicht genausoauffällig?", wollte K.O. Wissen, der die ganze Sache längst nichtmehr cool fand. „Dann hat er ja schon, was er braucht", murmelteDanger. „Also haben wir es hier nicht mit einem Sponsor für einContainerterminal, sondern mit einem Serienmörder zu tun?", fassteer zusammen.
„Mit einem zukünftigenSerienmörder", verbesserte Holly. „Noch hat er niemandenumgebracht, nur die Totenruhe gestört." K.O. ging nachdenklich aufund ab. „Dann ist das Terminal nur eine weitere Tarnung. Deswegenwird es nicht bei der Waterloo Station gebaut. Das heißt, wir müssennicht nur die Haltestelle, sondern auch die ganze Menschheit rettenund das in ..." Er schaute kurz auf eine imaginäre Uhr. „Verdammtkurzer Zeit."
Der Waschbär sah seineFreunde an. „Aber über einem Labor von diesem Penner will ich auchnicht leben. Meint ihr, wir kriegen das hin?" Die Tiere überlegteneinen Moment und nickten dann einstimmig. Nur Kitty blickte etwasskeptisch drein. „Das schaffen wir doch nie", maunzte sieunsicher. K.O. grinste sie an. „Jede Mission ist möglich,Plüschball. Sie braucht nur eine ordentliche Planung." Erzwinkerte ihr kurz zu und richtete sich dann wieder auf. „Alserstes müssen diese Bücher verschwinden, ohne Formel kein Gold. Ichhabe mir diese Maschinen genau angesehen, das da drüben ist eine ArtBrennofen, damit kriegen wir die Dinger bestimmt kaputt."
Um nicht nochweitere Zeit zu vergeuden, begannen sie sofort damit, alle wertvollenDokumente in die Maschinen zu schaffen. K.O. fand heraus, wie mandiese anschaltete und die ganzen Papiere wurden von laut prasselndenFlammen verschlungen. Als der Ofen voll war, stopfen sie die Bücherin ein Gerät, welches Dinge mit großem Druck zerkleinerte und auchdas tat seine Arbeit hervorragend. Zu guter Letzt knackte Nature nochdas Schloss von dem Tresor, was ihnen einen weiteren StapelUnterlagen bescherte. Als das getan war, zeigte Udo auf die großeTafel an der Wand. „Was ist damit?" K.O. nahm das Objektiv einesMikroskops und drückte es ihm in die Pfote. „Mach's kaputt." Dasließ sich der Braunbär nicht zweimal sagen. Mit ordentlich Schwungschleuderte er es in das Glas, welches daraufhin splitterendzerbrach.
K.O. rieb sich zufriedendie Hände. „So, jetzt müssen wir nur noch hier raus. Holly?"Die kleine Maus nickte und zeigte auf eine runde Plattform. „Das dasieht zwar aus wie ein Raumschiff, ist aber ein Fahrstuhl", meintesie und behielt Recht. Als sich die Tiere daraufdrängten, schlossensich gläserne Wände rund um sie herum und die Plattform hob sichlangsam in die Höhe. Der Tunnel, in dem sie rauskamen, führte dieFreunde zu einer weiteren Panzertür, die sich zischend für sieöffnete, da das System offenbar noch immernoch glaubte, dass dereigentliche Besitzer einen Abstecher in sein Labor gemacht hatte.„Das ist also der Haupteingang", sagte K.O., als sie nicht weitvon ihrer Basis ins Freie traten. „Warum sind wir nicht gleichdadurch gegangen?", fragte Danger genervt. „Weil unser Freundnicht so nett war, ihn in die Karte einzutragen", antwortete Hollyund atmete tief die frische Luft ein.
***
„Okay Leute,wir haben jetzt wirklich nicht mehr viel Zeit." K.O. hielt denHurakan in der Nähe der Straßenbahn und drehte sich zu den anderenum. „Also, wer von euch ist schon mal schwarzgefahren?" Zumersten mal an diesem Tag musste Danger grinsen. „Gegenfrage: werist schon mal normal gefahren?" Ein leises Kichern ging durch denverunfallten Lamborghini. Von Angst war nichts mehr zu spüren, denndie Tiere hatten sich einen perfekten Plan ausgedacht, um es ihremGegner richtig heimzuzahlen. Dafür mussten allerdings ein paar vonihnen mit der Bahn fahren und das möglichst unauffällig.
Schließlichkletterten Holly, Kitty und Nature aus dem Cabrio, wünschten denanderen Glück und verschwanden dann um eine Hausecke. Statt deskleinen Kätzchens musste nun Slay in den Fußraum und die Pedalebedienen. „Vielleicht sollten wir das Nummernschild abschrauben",sagte K.O., während er den Motor startete. Leila schnaubte hinterihm. „Oh ja, das ist dann bestimmt unauffälliger." So gut einWaschbär das eben kann, parkte K.O. aus und schlängelte sich durchSeitenstraßen in Richtung der Villa von Montgomery Taylor. Diesmalallerdings ein wenig langsamer, denn eine erneute Verfolgungsjagd mitder Polizei hätte die ganze Mission zerstören können.
Als wäre esdas Normalste der Welt, fuhr der Hurakan durch das kaputte Tor dieAuffahrt zu dem großen Haus hinauf und blieb ein paar Meter vor derGarage stehen.
Verstohlenschlichen sie sich an das Haus heran und selbst Udo bemühte sichleise zu sein, als sich zwischen den Sitzen hervorquetschte. Aufdirektem Wege gingen sie um das Gebäude herum zu der eingeschlagenenScheibe und achteten dabei darauf, nicht von den übrigen Fensternaus gesehen zu werden. „Es ist mir sowas von scheißegal, wie ofteuch die Polizei anhält und wenn es das fünfte Mal ist! Schafft mirdiesen Wagen her und die, die ihn mitgenommen haben auch! Und jetzterzählen Sie mir nicht wieder etwas von einem Bären und wer weißwas noch alles, das interessiert mich nicht!", hörten sie eineaufgebrachte Stimme von innen.
MontgomeryTaylor ließ wütend den Hörer fallen und zupfte, wie um sich zuberuhigen, seinen schneeweißen Anzug zurecht. Er atmete einmal tiefdurch und fuhr sich durch die Haare, die nach allen Seiten hinabstanden und eh nur machten, was sie wollten. Mit dieser Ruhe war esaber ziemlich schnell wieder vorbei, als er sich umdrehte und direktin die finsteren Augen eines Braunbären blickte. Mit einem hellenKreischen machte der Millionär kehrt und flüchtete in die Küche,wo er sich hinter die Kochinsel kauerte. Bis dahin hatte er die Worteseiner Angestellten nicht ernstgenommen, als sie sagten, eine BandeTiere hätte sein Haus überfallen. Doch als nun der Bär, ein Fuchsund eine riesige Wolfshündin im Türrahmen erschienen, stockte ihmder Atem. Zitternd griff er hinter sich, ohne dabei den Blick von denTieren zu lassen und bekam ein Küchenmesser in die Finger. Ohne zuzögern pfefferte er es in Richtung Bär. Udo drehte kurz den Kopfzur Seite, sodass das Messer zitternd neben ihm in einem Bilderrahmenstecken blieb und schaute dann wieder zu ihrem Erzfeind. „Das warnicht nett!", knurrte er grimmig.
Nun kam auchK.O. durch die Tür spaziert und stellte sich mit einemtriumphierenden Grinsen vor seine Freunde. Taylor wich noch einenSchritt zurück, doch dann hielt er inne, als er eine, ihm sehrvertraute, Karte aus dem Gürtel des Waschbären hervorblitzen sah.Fassungslos starrte er die Tiere an, da er noch nicht ganz glaubenkonnte, dass diese tatsächlich sein Büro ausgeraubt hatten. „Nawartet!", murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen und zog sichan der Arbeitsfläche hoch, um sich auf die Freunde zu stürzen unddie wilde Jagd begann.
***
Derweilhangelten sich Kitty und Holly wieder an der Fassade des Hauses vonBauleiter James Anderson nach oben, wo Nature sie auf demFensterbrett schon erwartete. „Er ist da!", zischte er ihnen zuund deutete mit einem Flügel in die Wohnung. Kitty zog sich auf denSims und schüttelte sich einmal. „Lasst mich das übernehmen",maunzte sie selbstbewusst und stupste das angelehnte Fenster auf. DerBauleiter, der es sich mit einem Bier auf seinem Sofa bequem gemachthatte, drehte den Kopf und starrte sie verdutzt an. Kitty spranghinunter auf den weichen Teppichboden und hüpfte von da aus aufeinen Tisch, auf dem eine alte Vase stand. Bevor die anderen etwassagen konnten, hatte sie den schweren Tontopf hochgestemmt, taumelteein wenig unter dem Gewicht und warf sie dann so doll sie konnte inRichtung des Bauleiters. Der reagierte viel zu spät und bekam dieVase seiner Großmutter mit einem dumpfen Schlag an den Kopfgeknallt, sodass bei ihm in Sekundenschnelle die Lichter ausgingenund er reglos liegenblieb. Kitty zuckte erfreut mit den Schnurhaaren.„Das funktioniert ja wirklich." Sie streckte sich einmal und sahdie anderen erwartungsvoll an. „Wo war noch mal das Büro?"
***
In derVilla des Millionärs, hatten die Tiere sich mittlerweile aufgeteilt,denn dass Taylor ihnen nachlief, war Teil ihres ausgeklügeltenPlans. Gerade hechtete er auf der Jagd nach Slay und K.O. dieKellertreppe hinunter. Mit wutverzerrtem Gesicht suchte er nach demLichtschalter, doch als er den endlich gefunden hatte, blieb esweiterhin stockdunkel in dem fensterlosen Raum. Das war Slays ersteAufgabe gewesen, als sie in das Haus eingestiegen waren. Zornig ließTaylor von dem Schalter ab und rannte ihnen im Dunkeln nach, was aberin einem so niedrigen Keller keine besonders gute Idee ist. Als hätteman einen Gong geschlagen hallte es in dem Gewölbe wieder, als ermit voller Wucht gegen ein Heizungsrohr lief. Fluchend hielt Taylorsich die Stirn und schwankte einen Moment, bis er wiedergeradeausgehen konnte und den Tieren hinterher die Treppehinauftaumelte.
Einerbrillanten Idee folgend, platze er wieder in die Küche und griffdort nach dem Besteck, doch als er sich umdrehte, um erneut dieVerfolgung aufzunehmen, stand dort Udo mit einem geöffnetenKühlschrank in den Pfoten. Ehe der Erfinder reagieren konnte, kamauch schon der Schrank mitsamt des Inhalts auf ihn zugeflogen und erwurde unter einem Haufen Lebensmittel begraben. Als wäre das nichtschon schlimm genug, griff sich der Bär auch noch den Topf mit derSuppe vom Vortag und schüttete sie dem zeterndem Mann über denKopf. Es dauerte eine Weile, bis er sich darunter wiederhervorgebuddelt hatte, aber von dem weißen Anzug war nun nicht mehrviel zu sehen. Einen halben Doghnut abschüttelnd stolperte er inRichtung des Salons, wo er seine Waffen aufbewahrte. Doch auch daranhatten die Freunde gedacht. Als Taylor den Schrank aufriss, grinsteihm ein gut gelaunter Waschbär entgegen. „Mögen sieSchießpulver?", fragte K.O. freundlich, wovon der Mann ihmgegenüber nichts verstand. Aber das brauchte er auch nicht, denn dasPulver, das ihm ins Gesicht gekippt wurde, war nicht schwer zuverstehen. Hustend richtete er sich wieder auf und flüchtete denFlur hinunter.
Vor ein paarWochen war an der ohnehin schon riesigen Villa angebaut worden undnun waren die Maler seit einigen Tagen dabei den neuen Flügel zustreichen. Damit nichts von dem restlichen Haus dreckig wurde, wardieser Teil ordentlich mit einer durchsichtigen Folie abgetrennt, indie sich Taylor nun wie eine Fliege im Netz einer Spinne verfing.Schimpfend schlug er um sich, was zur Folge hatte, dass er sich nurnoch mehr verhedderte. Als er sich endlich ein wenig befreit hatte,hing neben ihm auf einmal eine Fledermaus von der Decke. „Weiß istdoch viel zu langweilig", kicherte Fiepsi und ließ sich auf eineTube gelber Farbe fallen, die daraufhin hoch zu Taylor spritzte undweitere Flecken auf seinem Anzug hinterließ. Dasselbe machte sie mitjeder Farbe, die sie sich bereit gelegt hatte, bevor sie lachenddavonflog.
***
Fastgleichzeitig eilten die anderen Drei in das Büro des Bauleiters, woNature den Rechner genauso schnell anschalten konnte, wie beimletzten Mal. Es dauerte nur ein paar Klicks, die der Papagei mit derMaus erledigte, dann konnte Holly anfangen zu schreiben. Blitzschnellflitze sie auf der Tastatur von einem Buchstaben zum anderen, währendKitty aufpasste, dass ihr Freund noch ein wenig weiterschlief. Zieldes Ganzen war es, eine Email an das Büro der Zeitung zu schreiben,in der sie davon berichteten, was der Sponsor des Containerterminalseigentlich vorhatte. Nur dass schon ein Labor existierte, erwähntensie darin nicht, denn darum wollten sie sich selbst kümmern. Naturelas sich den Text noch einmal durch und korrigierte zwei kleineFehler, bevor er schnell auf Senden klickte. Wenn alles gutging, würde es nicht lange dauern, bis in der Villa von Montgomery Taylorein paar Uniformierte erschienen.
***
Das wurde auchlangsam Zeit, denn der Millionär hatte sich mittlerweile losgerissenund kam nun drohend auf die Freunde zu, die sich in die hintersteEcke eines Flures drängten. In der Hand hielt er noch immer eineKuchengabel, die er noch aus der Küche mit sich trug. „Jetzt habeich euch!", grinste er zufrieden und kam noch einen Schritt näher.Sich mit einem ausgewachsenen Braunbären anzulegen, ist nichtbesonders intelligent, aber zu glauben, dass die coolste StraßenbandeLondons nicht noch immer einen Trick auf Lager hatte, war schonziemlich dämlich. Udo riss mit einer Bewegung einen Feuerlöschervon der Wand und Slay positionierte seinen plüschigen Hintern aufder Flasche, bevor er mit einem Ruck den Stift zog und haufenweiseLöschschaum daraus hervorquoll. Der überraschte Erfinder konnte nurein nicht allzu intelligentes Gesicht machen, als ihm eineregelrechte Welle davon entgegenschwappte und er den Rückzug antrat.
Das Klingeln ander Tür kam ihm da mehr als ungelegen. Keuchend versuchte er sicheinen Weg aus dem Schaum zu bahnen, der ihm mittlerweile überall imGesicht, in den Haaren und am Körper klebte. Als er die Haustürerreicht hatte, schwankte er ein wenig und musste sich am Türrahmenfesthalten, um nicht umzukippen. Vor seinem Haus stand eine HandvollPolizisten, die erst gelangweilt dreinschauten, dann aber großeAugen bekamen, als sie den Hausherren sahen. Voll mit Lebensmitteln,Farbspritzern, Schießpulver und Löschschaum, stand er außer Atemvor ihnen.
„Gut, dasssie kommen", röchelte Taylor und hustete einmal kräftig. „Beimir ist eingebrochen worden!" Einer der Beamten sah ihn mitgerunzelter Stirn an. „Haben sie den Einbrecher gesehen?" Taylornickte heftig. „Da war ein Bär, der hat meinen Kühlschrank aufmich geworfen!" Er zeigte auf die Suppe in seinen Haaren. „Undeine Fledermaus, die mich mit Farbe bespritzt hat und ein Waschbär!"Aufgeregt zeigte er auf die Farbe auf seinem Anzug. Die Polizistensahen sich gegenseitig an und mussten sich ein Grinsen verbeißen.„War das so", sagte einer von ihnen und bedeutete seinen Kollegenden seltsamen Mann festzuhalten. „Wir werden jetzt einmal im Hausnachsehen", erklärte er ihm und zog eher amüsiert seine Waffe. Zudritt betraten die Beamten die Wohnung und sahen in jedem Raum nach,aber natürlich fanden sie dort nichts außer einem völligen Chaos,denn die Tiere waren schon längst durch den Hinterausgang geflohenund mit Udos Hilfe über die Mauer geklettert.
„Es tut mirleid, dort sind weder Bären noch Fledermäuse", sagte derPolizist, als sie wieder rauskamen. „Aber da waren welche!", riefTaylor verzweifelt. „Da, mein Auto, das haben sie auch geklaut!"Er deutete auf den zu Schrott gefahrenen Lambo. Die Miene des Beamtenverdüsterte sich. „Dieses Auto habe ich den ganzen Tag langgejagt! Deswegen ist meine Mittagspause ausgefallen und ich kannIhnen versichern, dass es nicht von Tieren gefahren wurde!", sagteer und beugte sich zu dem dünnen Mann hinunter. „Ihre Märchenkönnen sie auf der Wache weiter verbreiten, da hört man Ihnenbestimmt gut zu und dann erzählen sie uns vielleicht auch einbisschen was über das Herstellen von Gold bei einem Tässchen Tee,was halten sie davon?" Damit wurde der protestierende Taylor in dasDienstfahrzeug gebracht und das Zuschlagen der Tür schnitt seinenlauten Strom von Flüchen ab.
Die Tierehatten sich derweil gutgelaunt auf den Weg zu der Seitenstraßegemacht, wo noch immer der Doppeldecker stand und erzählten sichdabei immer wieder die besten Momente bei dem Überführen ihresErzfeindes. Den Bus startete K.O. mittlerweile, als wäre es etwasSelbstverständliches und fuhr ihn diesmal behutsam in Richtung ihrerBasis, dem Sonnenuntergang entgegen.
Am nächstenMorgen saß Holly auf einer frischen Ausgabe der Tageszeitung und lasmit einem breiten Grinsen die Überschrift vor. „Bau des Terminalswegen Komplikationen abgebrochen! Der geplante Bau in der DalkenStreet erst verschoben und dann sogar ganz abgesagt." Die kleineMaus blätterte umständlich zum Klatschteil, wo auch schon dienächste Überschrift stand. „Millionär Montgomery Taylorfestgenommen! Am Abend des gestrigen Tages wurde der Millionär undSponsor wegen psychischer Probleme mit auf das Revier genommen,weitere Einzelheiten sind noch nicht bekannt." Lachend klatschtendie Freunde sich ab.
„Was wirddenn jetzt eigentlich aus dem Labor?", fragte Slay, der sich wieimmer an seinen Teddy gekuschelt hatte, nach einer Weile. K.O. hobkurz den Finger und zog dann etwas hinter einem alten Sessel hervor,der sein Schlafplatz war. „Ist das...?", fragte Danger mitoffenem Mund. Der Waschbär nickte. „Fünf Kilo Plastiksprengstoff,das sollte für's Erste reichen." „Wo hast du das denn her?",fragte Danger staunend. K.O. wiegte den Kopf. „Dass wollt ihr sogenau gar nicht wissen", meinte er dann. Die Anderen verdrehten dieAugen. „Wir haben aber noch etwas für dich", sagte Leila und gabUdo ein Zeichen. Der verschwand für einen Moment in dem verfallenenTunnel und kam dann mit einem Einkaufswagen wieder hervor, in demsich bis obenhin Pizzaschachteln stapelten. Dem Waschbären klappteder Kiefer runter. „Wie zur Hölle habt ihr das denn gemacht?"Der Bär grinste verschmitzt. „Wir haben einfach nicht auf deinenPlan gehört", sagte er und lachte brummend. K.O. rollte mit denAugen, aber bei so viel Pizza konnte er ihnen nicht böse sein.
Den restlichenTag verbrachten die Tiere damit, sich mit all den Margheritas denBauch vollzustopfen und auch Kitty, die wieder nach Hause gegangenwar und sie nun besuchte, bekam etwas ab. Von Taylor hörten sie niewieder etwas, er war nach einem ausführlichen Verhör in einegeschlossene Anstalt eingewiesen worden, wo er keine Chance hatte,sein Projekt mit der Herstellung von Gold weiterzuführen. Was dasBeben unter der Stadt ein paar Tage später ausgelöst hatte, wusstennur die Freunde selbst und wenn sie nicht gestorben sind, dannfuttern sie noch heute.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro