Traummalerei
Die Aufgaben:
1. Protagonist/in darf nicht älter als sechs Jahre alt sein.
2. Protagonist/in hat Kräfte, von denen er/sie nichts weiß, die aber vorkommen müssen.
Ein Bild, welches ihr am Ende der Geschichte findet.
*********
„Emmi Schätzchen, wo steckst du?"
Schnell schlug sich Emmi die Hand vor den Mund, damit Mama sie nicht lachen hören konnte. Jeden Abend spielten sie dieses Versteckspiel und nie fand Mama sie.
„Bist du etwa im Badezimmer?"
Sie hörte, wie Mama die Türe vom Bad öffnete.
„Vielleicht in der Badewanne? Oder in der Waschmaschine?"
Emmi kicherte so laut, dass sie glaubte, Mama hätte es gehört. Doch diese lief an ihrem Zimmer vorbei in die Küche.
„Im Backofen?"
Nun drückte Emmi auch die zweite Hand auf ihren Mund, in der sie den kleinen Leuchtstern hatte. Erst vor zwei Tagen hatte Mama ihr das Märchen von Hänsel und Gretel vorgelesen und sie dachte daran, wie die Hexe im Backofen gelandet war.
Endlich kam Mama in Emmis Zimmer.
„Jetzt weiß ich, wo du bist. Unterm Bett."
Vorsichtig spähte Emmi hinter der offenstehenden Türe hervor und sah Mama auf dem Boden vor dem Bett knien. Schnell zog sie den Kopf wieder zurück, denn Mama stand auf.
„Sitzt du etwa im Kleiderschrank?"
Mama hatte die beiden Türen des Kleiderschranks geöffnet und stand nun mit dem Rücken zu Emmi. Das war der passende Moment.
„Buh", rief Emmi laut und sprang lachend hinter der Türe hervor.
Schnell drehte sich Mama zu ihr um und lachte mit.
„Da bist du ja, du Meisterversteckerin. Jetzt aber schnell ins Bad und Zähne putzen."
„Darf ich erst die Namen ziehen?", fragte Emmi und sah Mama bettelnd an. Dabei schob sie ihre Unterlippe ein wenig vor und machte ihre Augen ganz groß. Wenn sie dann noch ein paarmal blinzelte, dann sagte Mama eigentlich immer ja. Auch diesmal.
„Okay. Zwei Stück."
„Aber Yumi darf immer vier", beschwerte sich Emmi.
„Yumi ist auch schon zehn, du bist erst fünf", meinte Mama streng.
Wenn Mama so redete, würde Emmi auch mit ihrem Bettelblick nicht weit kommen, also lief sie aus ihrem Zimmer und über den Flur ins Wohnzimmer.
Yumi saß auf dem Sofa und las in einem Buch. Noch über eine Stunde dauerte es, bis sie zum Zähneputzen musste. Emmi fand das ungerecht, immerhin musste Yumi morgens schon früher aufstehen als sie selbst, damit sie pünktlich in der Schule war.
Manchmal wünschte sie sich, dass sie schon zehn wäre, auch wenn sie dann schon in die Schule müsste und Hausaufgaben bekäme. Darüber meckerte Yumi fast jeden Tag und meinte dann, wie gut Emmi es doch hätte.
„Okay, dann mach die Augen zu", forderte Mama, die ins Wohnzimmer kam und die Sternbox vom Schrank nahm.
Fest drückte Emmi ihre Augen zusammen und hielt ihren rechten Arm nach vorne gestreckt. Sobald sie die gefalteten Zettelchen an ihren Fingerspitzen spürte, wackelte sie mir den Fingern, um diese ein wenig zu mischen.
Den ersten Zettel nahm sie von oben weg und er wurde ihr von Mama schnell abgenommen. Dann steckte sie ihre Hand tiefer in die gefüllte Box und griff nach einem der Zettelchen, die ganz unten lagen.
„Und?", fragte sie aufgeregt und riss die Augen auf.
Mama stellte die Box zurück auf den Schrank, dann faltete sie den ersten Zettel auseinander.
„Nicoletta Russo", las sie laut vor.
Emmi schnappte sich den Zettel aus Mamas Hand und besah sich die goldenen, geschwungenen Buchstaben.
„Und auf dem zweiten steht Tobias Miller."
Auch dieser Zettel wurde von Emmi begutachtet und ihre Augen fuhren die goldene Schrift nach.
„Jetzt aber Zähneputzen, dann darfst du loslegen."
Freudig hüpfte Emmi ins Bad und überlegte, was sie malen sollte.
Mama hatte auf Emmis Tisch bereits alles vorbereitet. Mit dem goldenen Holzstift schrieb sie auf die Rückseiten der beiden Blatt Papier die Namen.
„Das ist für Nicoletta, das für Tobias."
Sofort griff Emmi nach dem silbernen Stift und fing an ihr Bild für Tobias zu malen. Mehrere Minuten verbrachte sie damit, bis sie wirklich zufrieden war.
Dann nahm sie sich das andere Blatt Papier und überlegte, über welches Bild sich Nicoletta freuen würde. Ihr Blick fiel auf ihren Leuchtstern, den sie in die rechte, obere Ecke des Tisches gelegt hatte und ihr kam eine Idee.
Die Zunge zwischen die Lippen geklemmt konzentrierte sie sich, um mit den letzten Strichen ihr Bild zu vollenden. Dann rief sie ihre Mama.
Mit den beiden Bildern in der Hand kletterte sie in ihr Bett und Mama setzte sich neben sie.
„Die sind schön geworden. Kennst du die Geschichten dazu?"
Eifrig nickte Emmi.
„Das ist Tobias." Sie zeigte auf den Ritter, den sie gemalt hatte und welcher mit einem Schwert in der Hand neben einem Pferd stand. „Er kämpft gegen den Drachen und rettet die Prinzessin. Danach heiraten sie und er wird König. Sie bekommen siebzehn Kinder und jedes bekommt sein eigenes Pferd."
Mama lächelte und zeigte auf das andere Bild. „Und was hast du da gemalt?"
Emmi sah Nicolettas Bild noch einmal an.
Ein Mädchen hatte einen Stern in der Hand, der fast so aussah, wie Emmis Leuchtstern. Vom Boden, bis zum Mond, ging eine Leiter und neben dem Mädchen stand ein Korb mit weiteren Sternen.
„Nicoletta hat Sternschnuppen eingesammelt und bringt sie dem Mond zurück. Der ist nämlich traurig, weil die Sterne seine Freunde sind und ihm fehlen. Der Mond freut sich und er feiert mit den Sternen ein Fest, zu dem dann auch Nicoletta eingeladen ist."
Mama gibt Emmi einen Kuss auf den Scheitel.
„Das hast du dir ganz toll ausgedacht."
„Bekomm ich jetzt eine Geschichte?", wollte Emmi wissen.
„Natürlich. Welche willst du denn?"
Emmi grinste. „Sterntaler."
Auch Mama grinste und nahm Emmi die Bilder ab.
Schnell umarmte Emmi ihren Plüschhasen und kuschelte sich in ihr Kissen.
Mama streichelte ihr immer wieder über den Kopf und erzählte das Märchen vom Sterntaler.
„Hast du deine Namen schon gezogen?", wollte Mama von Yumi wissen, nachdem Emmi eingeschlafen war.
Yumi nickte. „Was hat Emmi gemalt?"
Mama reichte ihr die Bilder und Yumi musterte sie neugierig.
„Sie ist besser geworden", stellte sie fest.
„Das ist sie", stimmte Mama zu. „Sie wird einmal eine talentierte Traummalerin und jedes Kind wird sich über die Träume freuen, die sie ihnen schickt. Genau wie über deine."
Yumi gab Mama die beiden Bilder zurück. „Malen wir heute zusammen?"
„Gerne", antwortete Mama und zusammen setzten sie sich in der Küche an den Esstisch.
Während Yumi sich Träume für ihre vier gezogenen Kinder überlegte und die Bilder dazu malte, nahm sich Mama zwei Blatt Papier und zeichnete Emmis Bilder ab.
Noch wusste Emmi nicht, welche Kräfte in ihr schlummerten und dass es nicht nur ein Spiel war, jeden Abend Bilder zu malen. Doch schon nächstes Jahr kam auch sie in die Schule und würde im Fach Traummalerei alles darüber lernen. Dann würden auch ihre Bilder sich in Träume verwandeln, ohne dass Mama ihre Ideen übernahm.
Mama freute sich schon darauf, dann mit ihren beiden Töchtern zusammen am Tisch zu sitzen und den Kindern auf der Erde süße Träume zu bescheren.
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