Kind des Waldes
Schüsse. Mehrere Kugeln schossen dicht an ihrem Kopf vorbei, aber Zoë achtete nicht darauf. Sie rannte immer weiter in den Wald hinein. Hörte ein paar Rufe und Schreie, aber das Mädchen ignorierte sie. Ihre nackten Füße liefen über den feuchten Waldboden, ihr Kleid aus Fuchsfellen tailliert war mit Erde und Blättern übersät. In ihren Haaren befanden sich Zweige und kleine Äste, an ihrer Hand klebte getrockneter Matsch. Zoë fluchte leise. Sie hatte Versuch eine Exkursion in die Menschenwelt zu machen, doch sie akzeptierten Zoë nicht mehr, auch wenn sie eigentlich eine von ihnen war. Gewesen war. Sie schwor sich die Menschen auf ewig zu hassen, die die sie wie Müll zur Seite geschmissen hatten, und nie wieder aufgesammelt hatten. Zoë lief auf Zehenspitzen weiter in den Wald rein. Sie ließ ihre Hand an den Bäumen entlang streifen, fühlte die raue Rinde unter ihrer Hand. Sie hatte sich Zoë genannt, weil das Sternbild der Jägerin das so von ihr wollte. Es klang wie das zischende, gefährliche Geräusch was ein Pfeil machte, wenn er geschossen wurde, aber auch wie das zarte Fließen eines kleinen Baches, der einen Hügel runterrinnt. Zoë verlangsamte ihr Tempo, da sie keine Geräusche von den Menschen mehr hörte. Sie lächelte leicht. Das Mädchen wusste, dass sie für die Menschen ein Rätsel war. Sie war so etwas wie eine Legende, ein Mythos, ein Märchen. Die Menschen wollten sie kidnappen, sie befragen wie sie im Wald alleine überleben konnte. Aber in letzter Zeit hatten die Menschen Zoë nur noch als Bedrohung angesehen, und wollten sie töten, um sie auszustellen. Das Mädchen kam an einen kleinen Bach an. Vorsichtig tapsten ihre Füße durch das kalte, klare Wasser. Zoë lief weiter bis zu einer kleinen Höhle, dort hatte sie alles was sie besaß. Sie kletterte vorsichtig in das Loch im Felsen. Dort blickte Zoë auf ein weiches Bett aus Blättern und Fellen, daneben einen Haufen anderer Felle. Sie trat vorsichtig in die kleine Höhle ein. Zoë seufzte leise, bevor sie in eine kleine Felsspalte griff, und ein Bild herausholte. Es zeigte zwei kleine Kinder, eines etwas älter als das andere, und zwei Erwachsene. Alle vier lachten fröhlich in die Kamera. Zoë strich langsam über das Gesicht des etwa zweijährigen Kindes, das ihr so ähnlich sah. Dreizehn Jahre war es nun her, dass Zoë keine richtige Familie mehr gehabt hatte. Dreizehn Jahre lang hatte sie im Wald gelebt, auch wenn es ihr ein komplettes Rätsel war wie, und besonders warum. Warum ihre Familie sie so zur Seite geschmissen hatte, warum sie Zoë verlassen hatte. Zoë steckte das Bild wieder in die Felsspalte und wischte sich die Träne, die aus ihrem Auge gekullert war, von der Wange. Sie war kein Kind der Menschen mehr. Schon seit dreizehn Jahren nicht mehr. Sie war ein Kind des Waldes. Zoë trat mit finsterem Blick aus der Höhle raus.
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