Ein Fest der Nächstenliebe
Ich war verliebt in ihn gewesen. Oh, wie verliebt ich doch in ihn gewesen war. Er war das Ebenbild von Perfektion. Er war alles, was ich mir je erträumt hatte. Er war Russell. Mein Russell Pemperton. Er schenkte jedem Witz, welchen man mit ihm teilte, stets ein Lächeln, sogar jenen, die selbst ein Narr nicht komisch finden würde. Er wusste auf alles eine Antwort. Auf wirklich alles hatte er immer eine Antwort! Rätsel aus der Zeitung beantwortete er in Sekunden, Menschen unter emotionalen Zusammenbrüchen munterte er mit nur wenigen Worten wieder auf und jedes Hindernis in seinem Unternehmen, schien Russell ohne Anstrengung zu überkommen. Er war ein Genie. Ein liebevolles Genie. Mein liebevolles Genie.
Russell war der stolze Geschäftsführer eines über Generationen weitergereichten Unternehmens namens „Pempertons Feinstes Porzellan". Gewaltige Fabriken, ein riesiges Hauptgeschäft und weitere kleinere Läden, in ganz London verteilt, gehörten einzig und allein ihm. Anfangs hatte er noch Menschen aus allen Formen und Farben, die unter seinen Namen für ihn arbeiteten. Kräftige Männer, überarbeitete Mütter, zerbrechliche Alte und auch kränkelnde Kinder. Doch Russell hatte sich schnell um die Sicherheit aller gekümmert. Und jeder liebte ihn. Sie alle liebten ihn. Denn jeder der Arbeiterklasse wusste, wer für Pemperton arbeitete, ja, für den war gesorgt. Ein saftiger Lohn, eine Unterkunft kostenfrei dazu, ein Platz in der Schule für die Kinder, gleich neben den Fabriken, und zu Weihnachten stets ein ordentlicher Zuschlag. Und während alle seine Arbeiter ihn dafür liebten, und wie sie ihn liebten, spotteten jene aus seiner eigenen Schicht über ihn.
Er sei zu gutherzig. Er sei zu weich. Er sei zu dumm. Zu dumm, sein kostbares Geld einfach hinauszuwerfen. Doch sie wussten alle nicht, wie gut Russell einfach war. Denn er war einfach nur gut.
So geworden ist er nicht von ganz allein und auch nicht von heute auf morgen. Er hatte schon immer mehr Empathie als Menschen in seinen engeren Kreisen empfinden können, doch zu gerne erinnere ich mich an den Abend, an welchen wir alle zum ersten Mal sein wahres, gutherziges Gesicht sehen durften. Das wohl magischste Weihnachten, welches ich je miterlebte.
»Russell, eines muss ich dir lassen!«, sprach ein alter Mann, welcher Russell von hinten auf die Schulter klopfte, »Ich hätte nie gedacht, dass du so etwas wirklich erfolgreich auf die Reihe stellen würdest!«
Laut fing der alte Mann an zu lachen, wobei er fast von seinem Gehstock fiel und als er sich schließlich faste, erzählte er noch immer schmunzelnd weiter: »Versteh mich nicht falsch, aber sonst tendierst du ja eigentlich immer... zu Fehlschlägen!«
Und jetzt konnte er es einfach nicht mehr lassen und lachte so laut, dass alle Menschen in der Nähe verwirrt zu ihnen rüber schauten.
Wie schreiben das Jahr 1876. Es war der 24. Dezember, Heiligabend, um genau zu sein. Vor genau vier Monaten hatte Russell das Porzellanunternehmen seines Vaters geerbt und nun war er zum ersten Mal der Gastgeber einer kleinen Feierlichkeit, welche sein Vater immer den „weihnachtlichsten Ball von allen" genannt hatte. Sein Großvater allerdings, Warden Pemperton, welcher nicht nur ihr Millionen schweres Unternehmen gegründet hatte, sondern auch die Tradition dieses Balls erschuf, nannte es immer: „das Fest der Elite".
Und Russells Onkel hatte leider recht, letztes Jahr noch machten sich Verwandte und Freunde darüber lustig, wie desaströs doch dieses Event werden würde, käme erst der nichtsnutzige, kleine Russell an die Macht des Porzellanimperiums.
Nun, niemand hatte damit rechnen können, dass dieser Tag so schnell kommen würde. Trotzdem waren alle erst noch kritisch gewesen, als sie an diesem Abend das Anwesen der Pempertons betreten hatten. Jetzt, ein paar Stunden danach, schienen sie sich so langsam eingewöhnt zu haben und auch dem Jungen genug Vertrauen zu schenken. Genauso viel Vertrauen, wie auch Russell von Anfang an in sich hatte. Er wusste immer, würde er sich nur anstrengen, könnte er es schaffen.
»Oh ja, Onkel Sherman! Da hast du recht!«, antwortete Russell ebenfalls lachend, um die Situation etwas zu beruhigen. Glücklicherweise schauten auch schon die ersten der Anwesenden wieder weg, von seinem offensichtlich beschwipsten Onkel.
»Aber ich hatte kräftige Unterstützung, das Lob sollte nicht allein mir gelten.«, fügte Russell noch hinzu. Auch wenn es ihn einige Mühen gekostet hatte, dass Fest auf die Beine zu stellen (und dass sogar noch viel mehr, als er brauchte, um das Unternehmen der Familie zu führen), wäre es nie ein solcher Erfolg geworden, wäre es nicht für die Unterstützung derer, die ihm am nächsten und auch am wichtigsten sind, gewesen.
Sein Onkel fing wieder an, lachend zu schreien: »Deiner Mutter, habe ich recht? Ach, wir hätten es alle wissen sollen! Ein grade einmal achtzehnjähriger Bursche wird ja wohl kaum ein solches Fest auf die Reihe stellen können! Nicht mal ein Bart wächst dir ja, nicht?«
Die fiese Stichelei war unnötig und für Russels Ego auch sehr schmerzhaft gewesen. Er munterte sich aber selbst schnell in Gedanken mit dem Fakt wieder auf, dass die Frauen ihm aber trotzdem hinterherliefen (was allerdings weniger an seinem hübschen Gesicht mit den strahlend grünen Augen und eher seinem erstaunlichen Erbe lag).
Russell ließ sich dennoch erfolgreich nicht anmerken, wie gerne er seinen Onkel in das nächste Loch vergraben wollte und witzelte als Deckung: »Ja Onkel Sherman, du hast mich erwischt!«
Er nahm einen Schluck von dem Rest Champagner in seinem Glas und stupste dabei noch etwas provozierend seinen Onkel an. Dieser antwortete nur leider darauf, indem er durch Russells dunkle Locken wuschelte.
»Ich werde mir noch ein weiteres Glas von dem Punsch gönnen.«, erklärte er schließlich, »Angeblich hat ihn Martha Wareham mitgebracht, und wir wissen ja alle, dass ihre Köchin gerne mit dem Rum übertreibt!«
Etwas wackelnd, doch dabei immer noch fröhlich lachend, wanderte der alte Mann hinfort, wobei er einmal fast Cousine Clementine anrempelte und darauf beinahe über seinem Gehstock stolperte.
Etwas besorgt rief ihm Russell hinterher: »Aber übertreibe nicht, Onkel Sherman! Wir wollen ja nicht, dass dies dein letztes Weihnachten wird!«
Das Fest ging mit vielen Unterhaltungen wie diesen weiter. Alle waren sie etwas mehr oder weniger angetrunken und alle stichelten sie Russell, wenn nicht in Bezug auf seine Fähigkeiten, das Familienoberhaupt zu spielen, dann auch sogar auf den Fakt, dass, eine eigene Familie zu gründen, Russell wohl noch sehr weit entfernt zu sein schien.
»Er hätte ja seine Chance mit meiner reizenden Clementine gehabt, aber zu alt war sei ihm! Hört ihr? Zu alt!«, lachte Tante Clara laut, während er umzingelt von mehreren Gästen stand.
Besonders unangenehm war aber nicht nur, dass seine Tante so offen über seine Fehlverlobungen lästerte, doch vor allem, dass er Cousine Clementine nicht nur wegen des 14jährigen Altersunterschiedes, sondern besonders wegen des Faktes, dass sie seine Cousine war, abgelehnt hatte.
»Wenn ich richtig hörte, wollte er die Älteste der Buckles, die, mit dem erfolgreichen Modehaus, nicht haben, weil sie nicht Weihnachten feiern möchte!«, warf nun Mr. Bowditch, einer seiner wohlhabendsten, aber auch unausstehlichsten Nachbarn, ein.
Und nein. Josephine Buckle hatte er nicht abgelehnt, weil sie nicht Weihnachten feiern wollte, sondern weil sie seinen Weihnachtsbaum in Brand gesetzt hatte, während er sie durch das Anwesen der Pempertons führen wollte. Es war der Grund, warum ein solcher auch zum Ball heute fehlte. Nur ganz knapp hatten sie es geschafft, dass Feuer zu löschen, bevor es sich im Anwesen hatte ausbreiten können!
Ihn zwei Tage vor Weihnachten fast obdachlos zu machen, war Russell leider nicht sehr attraktiv gewesen.
»Und Miss Fawnton, eine Urenkelin des Lords Fawnton, wollte er nicht, wegen schiefer Zähne! Urenkelin!«, erklärte nun seine eigene Mutter.
Und nein. Auch das war falsch. Phillippa Fawnton hatte nie Interesse an Russell gehabt. Sie gingen gemeinsam Tee trinken, in einem sehr beliebten Teehaus, doch sie sprach nicht ein Wort mit ihm und als er das Gespräch zu dem Planen eines nächsten Treffens lenken wollte (mit der Intention eines Antrages sogar), fing sie aus Eitelkeit an ihn laut auszulachen und erklärte: »Nicht einmal im Traum!«
Als Urenkelin eines Lords hatte sie sich wohl viel zu weit über Russell gesehen, was Russell erst noch verletzte, doch dann brachte sie ihn schnell wieder zum Schmunzeln, als sie darauf auf einen etwas harten Scone biss, wodurch sich einer ihrer Zähne seitlich verschob.
Seine Mutter hatte die Geschichte von Anfang an falsch verstanden und fügte nun auch noch hinzu: »Es schmerzt mich so. So viel Leid, dass ich in dem letzten Jahr erleiden musste, eine Hochzeit würde mir da grade doch so guttun! Erst verlieren wir eine große Summe an Ware, weil die Arbeiter ihre Werke nicht beenden wollten, dann stirbt auch noch mein geliebter Gatte letzten Sommer und nun, wo nur noch ich und mein lieber Sohn übrig sind, weigert er sich, für die Familie, für einen würdigen Nachkommen zu sorgen! Wer soll sich denn um unser schönes Porzellan kümmern, wenn mich auch noch Russell verlässt?«
Und genau das war Russells Stichwort, sich schnellstmöglich umzudrehen und zu verschwinden. Es war immerhin Weihnachten, die Zeit der Heiterkeit und Freude und trotzdem plagte ihn seine Mutter momentan besonders mit diesem unnötigen Todesgerede.
Er hoffte es zum Buffett zu schaffen, ohne dabei aufgehalten zu werden. Zwar hatten sie bereits zu Abend gegessen, aber für Nachtisch war ja immer Platz und mit etwas Glück war noch etwas von dem Weihnachtspudding übrig, von welchem mehrere Gäste schon geschwärmt hatten.
Russell versuchte den Tisch zu erreichen, doch im selben Augenblick hörte man plötzlich Musik. Ihm wurde sofort klar, dass seine Mutter dahinterstecken musste, denn der erste Tanz sollte eigentlich erst in zehn Minuten starten! Er musste sich auch gar nicht umdrehen, um zu wissen, dass sie grade mit der nächstbesten freien Dame auf ihn zu lief!
Er schaute sich panisch um, in der Hoffnung, jemand akzeptablen zum Tanzen so schnell es ging auffinden zu können, alles nur, um seiner Mutter entkommen zu können. Und während er sich in Sekundenschnelle umsah und erst noch niemanden erkennen konnte, hob er verzweifelt seinen Kopf und fing an zu beten: »Gott, Vater, meinetwegen auch der Weihnachtsmann, aber bitte, irgendwer! Rettet mich!«
Er konnte nicht mal den Gedanken beenden, da stupste ihn plötzlich jemand von der Seite an.
»Russell, hallo! Wir konnten uns heute noch gar nicht begrüßen, ich«
»Nicht wichtig!«, unterbrach er die Dame vor sich schnell.
Er nahm ihre Hand und kommandierte dabei entschlossen: »Louisa, wir tanzen jetzt!«, und zog sie darauf auf die Tanzfläche. Die ihm wohlbekannte Dame wehrte sich kaum, auch wenn sie erst noch etwas verwirrt dreinblickte. Schnell standen beide auch in der Menge sich gegenseitig angrinsend versteckt und begannen, unter anderen Paaren, den ersten Tanz. Die Melodie kam den Anwesenden auch sofort bekannt vor.
»‚Joy to the world'? Warum«, aber Russell unterbrach die Dame schon wieder.
»Frag bitte nicht. Meine Mutter... irgendwas mit ‚meinem Vater gedenken und seine liebsten Weihnachtslieder spielen' oder so etwas in der Art.«
Nach seinem genervten Ausdruck war in den tiefbraunen Augen der Dame ein Funke von Belustigung zu erkennen.
Lachend neckte sie ihn: »Es ist süß. Wenigstens hat sich jemand hier Gedanken gemacht, der Meute auch etwas zum Freuen vorzubereiten.«
Sie bezog sich wohl auf den Fakt, dass Russell zwar Gastgeber des Balls gewesen war, dafür aber nur sehr wenige Entscheidungen getroffen hatte, besonders nicht, als es um die Musik ging.
Wie ich schon vorher erklärte, hatte Russell viel Unterstützung beim Planen und Vorbereiten erhalten. Seine Mutter hatte dabei tatsächlich eine große Rolle gespielt, aber weitere helfende Elfen waren auch niemand geringeres als die Familie der Dame, mit welcher er nun tanzte.
Sie und ihre Mutter waren essenziell zum Planen des Menüs und auch der Gästeliste gewesen. Eine Aufgabe, welche man sonst nicht an Bekannte übergab, jedoch waren beide Familien so eng befreundet, dass man sie fast eine Familie nennen konnte.
Dies war wohl auch einer der Gründe, warum Gerüchte über jedes weibliche, atmende Wesen erschaffen wurden, welches Russell nur anblickte, dabei aber diese junge Dame stets ausgeschlossen wurde. Viele sahen sie und Russell beinahe als Geschwister an und wie konnte man diese als ein ernsthaftes Paar betrachten?
»Die Jüngste der Campbells? Ich wusste gar nicht, dass sie bereits in die Gesellschaft eingeführt wurde!«, flüsterte Mr. Hogen zu Tante Clara.
Auch Mr. Bowditch hatte etwas über die Dame zu sagen: »Sie soll geschworen haben, nicht vor den Zwanzigern heiraten zu wollen! Zu Schade, ihre Jugend ist das Einzige, was das zarte Gesicht noch reizend macht!«
»Er tanzt doch nur aus Rebellion mit ihr! Ist sie nicht immer diejenige, welche aus Mitleid zum Tanz aufgefordert wird?«, witzelte nun Mrs. Hogen.
Und Tante Clara machte gleich mit: »Ich finde ja, dass sie eine einzige Verschwendung war! So ein bildhübscher Vater, mit blondem Haar und blauen Augen und eine unbeschreiblich talentierte Mutter, die bei keinem Sport geschlagen werden kann! Und das arme Kind erbt ausgerechnet die braune Mähne der Mutter und die linken Füße des Vaters!«
Die Erwachsenen zeigten an diesem Abend, wie so oft, nur wenig ihrer angeblichen Reife. Noch vor wenigen Jahren drohte man Russell und Louisa mit Kohle vom Weihnachtsmann, anstatt von schönen Geschenken, für ein solches Verhalten. Die Heuchlerei ging aber nur noch weiter, bedenke man, dass sie alle aus purem Neid sprachen. Jeder, der versuchte, die (in Russells Augen) schon immer bildhübsche und vielleicht nicht im Sport, doch dafür (wie er auch jetzt bemerkte) im Tanz sehr talentierte Louisa Campbell schlecht darzustellen, war einzig sauer auf die eigenen Töchter, dass diese nicht an Louisas Stelle mit dem am meisten begehrten Bachelor tanzten.
Der erste Tanz endete schließlich und Louisa musste sich leider von Russell verabschieden.
»Früher oder später musst du dich deiner Mutter so oder so stellen.«, erklärte sie zwinkernd, bevor sie vor seinen Augen in der Menge verschwand. Und auch wenn sie recht hatte, noch war Russell vor diesem Kampf nicht gewappnet. Außerdem hatte er noch ein letztes Ass im Ärmel!
Dies fiel ihm auch zum Glück grade so noch im richtigen Moment ein, denn schon kam seine Mutter auf ihn zu, gemeinsam mit einer ihm jetzt noch fremden Dame. Und als sie Russel so langsam erreichten, versuchte seine Mutter schon diese ihm vorzustellen: »Russell, mein Lieber! Wenn ich vorstellen darf!«
Russell ließ seine Mutter aber nicht einmal den Namen der Fremden aussprechen, da fing er schon an, zügig sich rückwärts aus dem Staub zu machen und dabei zu brabbeln: »Reizend, wir unterhalten uns später, nun muss ich aber ganz dringend eine Ankündigung machen!«
Er sah noch im Augenwinkel, wie seine Mutter wütend auf den Boden stampfte und während sich ihm beim Laufen ein tückisches Lächeln im Gesicht breit machte, erreiche er schließlich das Podest ganz vorne im Saal und ließ alle Aufmerksamkeit der Anwesenden auf ihn übergehen.
»Meine lieben Gäste!«, verkündete er. Alle unter ihnen starrten Russell gespannt an. Nur eine Person wusste, worauf er als nächstes hinauswollte. Wohin sie genau verschwunden war, wusste er allerdings immer noch nicht, weswegen er ihre schadenfrohe Grimasse (fast so schadenfroh wie seine) nicht erkennen konnte.
»Dieses Jahr hatte so einige Herausforderungen für uns alle mit sich gebracht! Wir haben Menschen verloren, wir haben Gelder verloren und unter einigen Arbeitsunfällen musste vor allem ich auch mit dem Verlust vieler meiner Arbeiter klarkommen. Nun, ich möchte uns den heutigen Abend noch ein wenig mehr versüßen! Denn was ist das Wichtigste an Weihnachten? Das aller Wichtigste, worauf wir alle stets mit Vorfreude warten?«
Im Publikum wurde wild getuschelt, mehrere der Gäste tauschten sich gespannt darüber aus, was genau er meinen könnte. Die Familie? Das Beisammensein? Aber nein, sie lagen alle falsch!
»Ihr habt recht! Es sind natürlich... die Geschenke!«, rief Russell laut aus.
Man hörte Gelächter im Publikum, schnell gab es aber auch einige, welche Russell Zustimmung schenkten.
»Wer von euch möchte denn gerne ein Geschenk erhalten, heute Abend bereits?«
Und nun riefen sie alle laut und klatschten, jeder freute sich, jeder wollte eines bekommen. Und was es wohl sein würde? Russells Vater hatte immer gerne Gutscheine für ihr hochwertiges Porzellan verteilt, aber diese konnte man kaum als Geschenke beschreiben! Vielleicht würde jedem Anwesendem auch ein Teil der neuen, weihnachtlichen Tassenkollektion überreicht werden! Oder Russell hatte etwas nur noch Raffinierteres geplant!
Sie alle hofften auf eine glorreiche Überraschung, selbst Russells Mutter war gespannt! Und einzig zwei Personen in diesem Raum wussten, wie schnell sich das Gemüt aller sehr bald ändern würde.
»Liebe Gäste, ich verstehe, ihr wollt reich beschenkt werden!«, rief Russell nun.
Das Publikum gab ihm laute Zustimmung. Und langsam fing Russell selbst an zu lachen.
»Wisst ihr, ich finde es einfach nur urkomisch!«, erklärte er, fast so lachend, wie Onkel Sherman vorhin, »Denn... wir sind die Elite! Nur so ein kleines Stück entfernt von den Reichtümern des Adels! Wir alle haben alles, was wir uns wünschen könnten! Und was machen wir damit?!
Wir wollen noch mehr.«
Und nun wurde das Publikum ruhiger. Russell selbst konnte nicht erkennen, welche Gesichtsausdrücke grade unter seinen Gästen verteilt waren, zu sehr blendete ihn das gelbliche Kerzenlicht im ganzen Raum, dass genau auf ihn gerichtet war. Ich selbst kann euch aber sagen, dass manche verwirrt, andere empört und letztere fast sogar beleidigt dreinblickten!
Russell sprach weiter, ohne auf sie reagieren zu können: »Lasst uns froh und munter sein! Und uns stets... durch Nächstenliebe erfreuen. Denn diese sollte zu dieser tödlichen, eisigen Jahreszeit am wichtigsten sein!«
Tuscheln war durch den ganzen Saal zu hören, wie ein zischender Wind.
»Ich sagte bereits, dass es in meinen Fabriken dieses Jahr einige Arbeitsunfälle gegeben hat. Unter uns gibt es einige, die meinen, dass es Verlust an Ware gegeben hätte, weil unsere Arbeiter nicht arbeiten wollten. Dies ist einfach nur komplett falsch, denn es war nicht Faulheit, sondern schwere Verletzungen, Erkrankungen und sogar der Tod höchst persönlich, welche hier ein gigantisches Hindernis darstellten! Als ich dies vor einer Weile ein wenig weiter erforschte, wurde mir klar, dass diese enormen Zahlen zwar genau dies sind: viel zu hoch, doch eines leider nicht. Einmalig. Es war Miss Louisa Campbell höchstpersönlich, welche mir bewusst machte, dass jene, die mich so reich machen, schon immer und durchgehend schrecklich leiden müssen. Miss Louisa hat, wenn sie sich bitte kurz erkenntlich geben würde!«
Das tat sie nicht.
»Nun gut, jedenfalls sie hat herausgefunden, dass seit der Gründung von ‚Pempertons Feinstes Porzellan' mehrere Arbeiter schwer verletzt und sogar getötet wurden, aufgrund von fehlender Sicherheit am Arbeitsplatz! Sie benutzen dreckige Lappen, um sich von den heißen Öfen zu schützen! Es gibt nicht genug Putzmittel, um sich von den krankmachenden Chemikalien der Farben zu befreien! Ich möchte nicht der Geschäftsführer einer Todesfalle sein! So, wie wir es momentan alle sind! Und deswegen habe ich einen Vorschlag.«
Das Raunen des Publikums ging weiter. Es war unglaublich, dass sie Russell noch nicht von dem Podest geschubst hatten!
Ein kleiner, etwas schmächtiger Junge, welcher grade erst diesem Business beigetreten war und welcher nun versuchte, Unternehmern aus mehreren Generationen weiszumachen, dass ihre Jahrzehnte lange Art der Geschäftsführung nicht weiter durchführbar war! Ihm konnte man doch nur widersprechen!
Und ja, sie waren alle beleidigt. Natürlich mochte es keiner zu hören, was genau Russell zu sagen hatte. Aber trotzdem hörten sie ihm zu. Denn das konnte Russell schon immer. Menschen dazu bringen, ihm zu zuhören, selbst wenn sie dies nicht wollten.
»Mein Vorschlag lautet wie folgt: Dies ist der letzte dieser Art Bälle, welchen meine Familie feiern wird. Anstatt unser Geld in teures Essen zu werfen, welches sowieso nie einer auffrisst, bunten Dekorationen, die eh vergänglich sind oder in viel zu alkoholisiertem Punsch, der uns allen noch das Leben kosten wird, so wie es das Leben meines eigenen Vaters gekostet hat, stecken wir es doch lieber in einen guten Zweck! Anstatt euch teure Geschenke zu machen, werde ich dieses Jahr dieses Geld in meine Arbeiter investieren! Und das wird nicht für ihre Sicherheit, aber auch mehr Effizienz bei der Arbeit sorgen, das kann ich euch versprechen! Deswegen ist mein Geschenk an euch alle dieses Jahr Nichts, außer dieser Rat. Und wer mir noch immer nicht glaubt, kann gerne nächstes Jahr wieder kommen. So atemberaubend wie unser heutiger Ball wird es nicht, aber wir können trotzdem zusammen feiern! Und während wir besinnlich sind und das Weihnachtsfest erwarten, würde ich mich freuen, euch allen davon zu berichten, wie sehr sich die Lage meiner Arbeiter verbessert hat und wie sehr das nicht nur ihr Leben, sondern auch meines bereichern wird!«, und so beendete Russell seine Rede.
Er hatte nicht mit einem Applaus gerechnet (auch wenn dieser meiner Meinung nach angemessen gewesen wäre), mit dieser kalten Stille, welche nun im ganzen Saal herrschte, allerdings auch nicht.
Alle unter ihnen waren geschockt, sprachlos. Wollten nichts mit dem, was Russell grade verkündet hatte, anfangen. Als wären sie eingefroren gewesen. Und als könnten sie, wenn sie lange genug so stillstehen würden, einfach jedes von Russells Worten vergessen und es wegignorieren. Was Russell jetzt brauchte, war ein wirkliches Weihnachtswunder, anders würde sich niemand seine Worte zu Herzen nehmen. Und leider leben wir in der realen Welt und nicht in „Einer Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens.
Russell hatte den gesamten Abend großes Vertrauen in sich gehabt und nur auf diesen Moment gewartet. Er wusste, dass sie Probleme haben würden, ihn zu verstehen, aber eine Reaktion hatte er sich trotzdem erhofft.
Langsam kam ihm der Scham hoch, welchen er bis in die Zehenspitzen fühlen konnte. Hier stand er nun, vor allen Menschen, die stets Teil seiner Gesellschaft waren, hatte sich vor ihnen (in ihren Augen) zum Affen gemacht und nicht ein einziger Mensch zeigte ihm Unterstützung! Nicht einmal Louisa.
Louisa, welche nicht nur Russell über diese erschreckenden Zustände in seinen Fabriken informierte, sondern ihn auch noch zu dieser peinlichen Aktion überredet hatte.
»Wenn nicht zum Fest der Liebe, wann dann?«, hatte sie gesagt.
Und er hatte ihr geglaubt. Geglaubt und vertraut. Genauso wie er darauf vertraut hatte, dass sie mit ihm hier oben stehen würde. Doch sie versteckte sich einfach mitten in der Menge.
In Wirklichkeit stand sie ganz hinten, in der aller letzten Reihe. Eigentlich hätte sie Russell auffallen müssen, denn Louisa war an diesem Abend eine der wenigen Damen, die statt einer zum Kerzenlicht passenden weißen Robe, in einem Kleid in weichem rosa gekommen war. Wie eine rote Rose inmitten von Weißen. Oder eben einer Rosafarbenen.
Langsam fingen die ersten der Anwesenden wieder an sich zu rühren. Sie redeten untereinander und wobei man nur schwer sagen konnte, ob sie über Russells Worte sprachen oder gar über ein völlig neues Thema. Sobald das Gemurmel der Menge lauter wurde, fielen aber auch schließlich die ersten Reaktionen auf Russell bezogen.
Lachen.
Es war Lachen.
Sie lachten.
Zuerst lachte Russells eigene Mutter und bald schon schlossen sich immer mehr Leute mit an, bis schließlich fast jeder den armen Jungen lächerlich machte, welcher doch nur das Richtige hatte tun wollen.
Der Abend ging schnell weiter und kaum einer sprach noch über Russells Ankündigung. Sie waren alle zu stur und geizig auf ihr eigenes Geld, dass sie nicht wahrhaben wollten, würden sie nur ein paar Opfer geben, könnten sie viele Menschenleben erleichtern. Doch wer wollte schon auf seinen Wohlstand verzichten?
Eine Familie, welche dies besonders nicht wollte, waren die Campbells. Ihren Wohlstand hatten sie geerbt, vor langer Zeit schon. So lange, dass kaum einer wusste, woher genau er kam. Und so wollten sie auch, dass es blieb. Besonders aber wollten sie, dass die beachtliche Summe ihres Vermögens so blieb, wie sie momentan war.
Juliette Campbell war am stursten, was diesen Punkt anging und so ließ sie ihre Tochter nicht so schnell vergessen, dass ihr Name mehrere Male fiel, während Russells „idiotischer" Rede.
Immer noch ganz hinten in ihrer Ecke stehend, war Louisa nun von ihrer Mutter fast eingezäunt. Es fielen viele empörte Sätze.
»Wie kannst du nur?«
»Wie solltest du nur an solche Informationen kommen können?«
»Nach allem, was wir für dich und deine Geschwister geopfert haben!«
»Vor all den wichtigsten Menschen in unseren Kreisen!«
Juliette Campbell blieb während ihrer Mahnungen glücklicherweise einigermaßen auffällig. So konnte Russell Louisa schließlich doch noch finden. Er sah die gefährliche Lage, in welcher er seine gute Freundin gesteckt hatte, und kam ihr eilig zu Hilfe, anders als sie es für ihn vor einigen Momenten getan hatte.
»Mrs. Campbell, wir hatten heute noch nicht die Ehre, nicht?«, rief er laut, wodurch Juliette Campbell sofort ihre Miene und Stimmlage verändern musste. Bloß nicht sollten andere Anwesende die Situation genauer mitbekommen.
»Oh, Russell! Mein Lieber, was ein gelungener Abend! Auch wenn dein kleines Schauspiel grade eben nicht meinen Geschmack entsprach, ich muss dir trotzdem mein Lob aussprechen!«, antwortete sie mit verändertem Ton. Plötzlich war sie die vornehme und geliebte Ehefrau, so wie sie alle kannten. Ein völlig anderer Mensch, als sie vor Louisa eben noch gewesen war.
»Ich danke ihnen, meine Rede war aber voller ernst, bis auf die Teile auf Louisa bezogen natürlich! Wenn sie mich nun entschuldigen, ich glaube Louisa und ich hatten erst einmal heute getanzt und müssen nun dringend einiges nachholen!«
Dieses Mal musste Russell nicht nach Louisas Arm greifen, denn diese hatte bereits angefangen, vor ihrer Mutter zu flüchten, sobald Russell seinen Mund geöffnet hatte. Es war der perfekte Fluchtplan, denn gegen einen Tanz konnte Juliette Campbell nichts sagen, zu sehr war ihr wichtig, dass ihre Tochter Ehrgeiz in sozialen Verpflichtungen zeigte.
Sobald Russell und Louisa wieder auf der Tanzfläche standen, sprach diese ihm ihren Dank aus.
»Ich schulde dir was. Und zwar was ganz schön Großes!«, erklärte sie, während ihr zweiter Tanz des Abends begann.
Auch wenn Russell ihr zu gerne zugestimmt hätte, entschloss er sich, aufrichtig darauf zu antworten: »Ich konnte nicht zu lassen, dass sie dich vor all diesen Menschen auffressen würde!«
Louisa begann zu lachen, wobei sie auch etwas Kontrolle über ihre Tanzschritte verlor und fast über ihre eigenen Beine stolperte. Glücklicherweise hielt Russell sie fest genug, so dass er sie nicht fallen ließ.
»Sie hätte mich nicht nur aufgefressen!«, versuchte Louisa ihm nun zu schildern, »Russell, sie war kurz davor mich zu enterben! Oder noch schlimmer, mit dem alten Mr. Bowditch zu verloben!«
Sofort verzogen beide von ihnen angeekelt ihre Gesichter.
»Ich liebe es ja, wie deine Mutter mit dem Tod anderer Menschen umgeht. Ich verliere meinen Vater, also soll ich plötzlich er werden, Mr. Bowditch wird kurz vor der Rente Witwer, also müsste der Traumhochzeit doch nichts im Wege stehen!«, rief Russell aus.
Gerne hätten beide darüber gelacht, doch der Fakt, dass seine Aussagen der Realität nicht zu sehr entfernt waren, machte die Situation zu gruselig, als dass man sie als komisch hätte empfinden können.
»Ich will das nicht Russell. Ich will es wirklich nicht. Nichts davon.«, offenbarte Louisa mit zitternder Stimme.
Russell blickte hoch in ihre melancholischen Augen, die sonst immer einen Hauch von Wärme beinhalteten, wie, als könnten sie einen in eine herzliche Umarmung hüllen und dabei erkannte er sofort, dass die Richtung, in welcher sich ihr Gespräch gedreht hatte, viel emotionaler war, als er eigentlich angedacht hatte. Er wollte sie aufmuntern. Er wollte ihr helfen. Aber dafür musste er genauer wissen, was genau Louisa nun meinte. Er blickte besorgt in ihr Gesicht und suchte nach Hinweisen, machte dabei vorerst keinen Laut und wartete darauf, dass sie sich weiter erklären würde.
»All diese Menschen stinken mir bis zum Hals! Ich will kein«, sie musste sich kurz unterbrechen, da nun eine Drehung im Tanz folgte.
Gleich als sie und Russell wieder Angesicht zu Angesicht standen, beendete sie ihren Satz: »Kein Teil davon sein. Und ich will bestimmt nicht mehr unter ihnen leben müssen! Ich will sie nicht lieben müssen.«
»Hast du mich deswegen«
Louisa unterbrach ihn: »Ja. Ich wollte helfen. Eine Veränderung in die Gänge leiten. Ich hätte nie dort oben stehen können und ihnen die Fakten darlegen können. Dich fanden sie wenigstens nur lächerlich.«
»Wenigstens?!«, Russel war etwas empört. Er nahm ihre Aussage als eine Beleidigung an, wobei er aber die Wahrheit hinter dieser nicht erkennen konnte.
»Ja. Jeden anderen hätten sie gelyncht. Du bist mutig. Aber auch echt hohlköpfig, weißt du das?«, versuchte sie ihm mit einem leichten Lächeln zu schildern. Russell versuchte, ihre Worte sich zu Herzen zu nehmen. Zu verstehen, was genau sie dabei ansprechen wollte. Aber er konnte es nicht. Und das war in Ordnung, denn...
»Auch wenn du vielleicht nicht den Monstern erklären konntest, dass ihr Palast eigentlich eine Folterkammer ist, hast du trotzdem deinen eigenen Geknechteten heute große Verbesserung versprochen! Es sind vielleicht nicht viele, doch dank dir wird es ihnen besser gehen! Und das macht mich unendlich stolz."
Louisa schenkte ihm ein vertrautes Lächeln, welches er erst noch nicht wirklich deuten konnte. Die Art, mit welcher sie ihn für die nächsten paar Sekunden anblickte, war eine völlig neue gewesen. Noch nie hatte sie ihn so angesehen. So verständnisvoll. So liebevoll. So hoffnungsvoll.
Das nächste Mal, dass sie ihn so ansehen würde, war erst Jahre später, bei einem Event mit ähnlich vielen Gästen wie heute, mit dem einzigen Unterschied, dass sie an diesem Abend beide sorgenfrei gewesen sein werden.
Heute Abend waren sie noch jung, zwar nicht mehr so unschuldig, dennoch aber jung. Dass sie nicht gesiegt hatten, nahmen beide an. Und als schließlich am Abend dieses Weihnachtsballes, durch den ganzen Saal, die läutenden Glocken der Uhren zu hören waren, welche den Anbruch eines neuen Tages ankündigten und sich alle gegenseitig ein fröhliches Weihnachten wünschten, da schaute Louisa noch ein letztes Mal in Russell funkelnde Augen und flüsterte: „Fröhliches Weihnachten, Russell!«
Während alle anderen bereits aufhörten zu tanzen, um den ersten Weihnachtstag in Empfang nehmen zu können, hielt er ihre Hände noch fester, wobei er sie noch nicht loslassen wollte, erst nachdem er erwiderte: »Fröhliche Weihnachten, Louisa. Und ein frohes neues Jahr!«
Und er wiederholte diesen Satz an jede einzelne Person in diesem Saal. Seine Freunde, seine Familie, seine Bekannte, jene, die ihn erst vor wenigen Momenten noch ausgelacht hatten und auch den Bedientesten, welche uns alle an diesem Abend versorgt hatten.
Versteht ihr jetzt, warum ich gesagt hatte, dass ich ihn liebte? Russell hatte versagt, doch das stoppte ihn nicht, für seine Freunde und Engste da zu sein. Es war kein erfolgreicher Abend gewesen, aber trotzdem ein magischer. Mein Russell Pemperton, welcher mir außerdem viele Jahre später offenbart hatte, dass es dieser Abend war, als er sich in mich verliebt hatte. Für mich war es um ehrlich zu sein erst ein paar Monate später gewesen, als er es schaffte meine Mutter zu überzeugen, meine Verlobung mit Mr. Bowditch aufzulösen. Es war besonders diese Aktion, als ich, als Louisa, es ihm auch so sehr dankte, dass ich ihn hätte küssen können.
Ich wünsche euch allen eine zauberhafte Weihnacht und hoffe, dass wenn schon nicht Russells Gäste es konnten, wenigstens ihr seinen Rat annehmt und immer mal wieder anderen etwas Nächstenliebe zeigt. Und so muss ich mich schließlich verabschieden, immerhin findet jede Geschichte ein Ende, so also auch meine. Vergesst bitte nicht, was ich versucht habe, Russell und allen anderen ebenfalls beizubringen!
Mit weihnachtlichen Grüßen,
Louisa Pemperton
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