EINUNDSECHZIG
„Arg", frustriert ließ ich meine Kopf auf die Schreibtischplatte vor mir sinken. Schlug ihn drei Mal leicht dagegen, bevor ich ihn weder hob und weiter versucht mit diesem komplizierten Kunden klar zu kommen.
Eigentlich war es ja gar keiner meiner Kunden, ich wollte nur nett sein und hatte diesen Kunden von einer Kollegin übernommen, die heute noch einen Arzttermin hatte. Aber darauf, dass der Kunde so viele Sonderwünsche hatte wurde ich natürlich nicht vorbereitet.
„Alles gut bei dir?", Elias Kopf erschien in meiner Tür. „Ich hab diesen verzweifelten Schrei bis in mein Büro gehört."
„Nein, nein alles gut", gab ich ironisch von mir. „Ich plane gerade nur den Mord an diesem Kunden und hab noch nicht den perfekten Weg gefunden. Aber sonst ist hier alles super. Ich bin nicht kurz vorm Verzweifeln, oder so. Nö, nö."
Lachend trat Elias vollständig in mein Büro, schloss die Tür hinter sich und stellte sich hinter mich, um auf meinen Bildschirm blicken zu können. „Oh der Kunde, ja die Mordgedanken kann ich verstehen", gab Elias zu. „Aber das ist doch eigentlich gar nicht dein Aufgabenbereich."
„Ich weiß, hab den Kunden auch nur als Vertretung übernommen", erklärte ich ihm. „Was ich übrigens nie wieder machen werde. Sonst lauf ich wirklich noch Amok, oder erdolche diesen pingeligen Kerl."
„Lass dich beim Mord dann aber bitte nicht erwischen. Im Gefängnis sind die Besuchszeiten immer so unbelohnend."
„Flasche", musste ich auflachen und drehte mich dabei mit meinem Stuhl zu Elias um.
„Siehst du, hat aber was gebracht. Immerhin lächelst du wieder, anstatt frustriert herum zu brüllen", Elias lächelte mich zufrieden an.
„War ich wirklich so laut?", fragte ich etwas verwirrt nach.
„Nein, ich stand gerade eh schon fast vor deiner Tür, weil ich dich etwas fragen wollte", erklärte Elias.
„Ach so, ich dachte schon", erleichtert seufzte ich auch. Es musst ja nicht jeder auf unserem Stockwerk mitbekommen, dass ich an dem Kunden fast verzweifelte. „Was wolltest du mich den fragen."
„Ob du heute Abend eventuell Zeit für mich hast."
„Für dich hab ich doch immer Zeit. Ist ja nicht so als würde ich meine Abende momentan eh fast ausschließlich mit dir verbringen."
„Stimmt auch wieder. Aber es hätte ja sein können, dass du ausgerechnet heute Abend etwas anderes vor hast."
„Habe ich tatsächlich nicht. Außer meine verrückte beste Freundin zitiert mich wieder irgendwo hin. So wie vor zwei Wochen zu ihrer Bandprobe."
„Dann musst du Becci heute eben vertrösten. Wir haben nämlich heute Abend ein Date."
„Ach haben wir das?", verwundert blickte ich zu ihm auf.
„Ja haben wir", bestätigte Elias und drückte mir schnelle einen Kuss auf die Lippen.
„Lass mich raten, du möchtest mir natürlich noch nicht erzählen, was genau du vor hast, oder?", fragte ich mehr oder weniger nach.
„Genau so ist es", bestätigte Elias grinsend. „Du kennst mich mittlerweile einfach zu gut."
„Bekomm ich wenigstens ein Tipp für meiner Kleidung?", startete ich einen neuen Anlauf. „Muss ich das Ballkleid wieder hervor kramen, oder darf ich in Gammel-Klamotten aufkreuzen?"
„Nimm den Mittelweg, also ungefähr das, was du jetzt trägst", schlug Elias vor. „Damit solltest du eigentlich recht passend angezogen sein."
„Das hat mir jetzt keinerlei Hinweis auf den Abend gegeben", schmollte ich etwas.
„Ich weiß", frech grinste Elias mich an ehe er mir noch einen Kuss gab und wieder aus meinem Büro verschwand. „Viel Spaß noch beim Arbeiten, ich hol dich dann um 18:30 Uhr ab."
Mit deutlich besserer Laune wandte ich mich wieder den Mi-Mi-Mi Malis des Kundens zu und versuchte ihn einfach mit einer solch überschwänglicher Freundlichkeit zu überrollen, dass er vor Verblüffung keine weiteren Sonderwünsche mehr haben würde. Ganz ging mein Plan nicht auf, immerhin musste ich noch eine weiter Kleinigkeit an dem Vertrag ändern, bevor der Kunde endlich zufrieden war. Was ich dann doch irgendwie als Erfolg verbuchte.
So schaffte ich es immer hin noch ein paar neue Anfragen für Werbe-Kooperationen raus zu schicken, bevor ich das Büro verließ um mich für das Date am Abend schick zu machen. Da Elias ja gemeint hatte meine jetzige Kleidung wäre schon in Ordnung, zog ich einfach eine meiner etwas ausgehtauglicheren Arbeitsblusen an und frischte meine Wimperntusche etwas auf. Er hatte mich schließlich auch schon komplett verschlafen und mit schwarzen Rändern unter den Augen gesehen.
Pünktlich um 18:30 Uhr klingelte es an meiner Tür. „Wow, du hast es ja mal geschafft zu klingeln und hast nicht direkt an meiner Wohnungstür geklopft", lobte ich nachdem ich Elias Stimme erkannt hatte.
„Ja, ausnahmsweise ist mal keiner deiner Mitmietern zeitgleich mit mir an der Tür angekommen", entgegnete Elias. „Aber da wir eh noch wo hinfahren wollen ist es diese mal auch nicht so schlimm. Wenn Sie sich also zu mir herunter bequemen möchten gnädige Frau."
„Bin schon auf dem Weg", schnell unterbrach ich die Verbindung der Sprechanlage und schnappt mir noch meine Jacke, bevor ich die Wohnung verließ. Für Ende Februar war es zwar schon recht warm, aber ohne Jacke ging es beim besten Willen noch nicht.
„Hey Pandabärchen", begrüßte Elias mich lächelnd und zog mich zu einem Kuss an sich, bevor er mir formvollendet die Autotür aufhielt. „Wenn ich bitten darf."
„Heute ganz der Gentleman, oder was?", fragte ich, während ich in den Wagen stieg.
„Mann kann es ja mal versuchen", antwortete Elias als er sich neben mir an Steuer setzte.
„Bisher schlägst du dich gut damit", versicherte ich ihm lächelnd.
„Freut mich zu hören", entgegnete Elia lächelnd und startete den Motor.
„Du willst mir immer noch nicht sagen wo es hin geht, oder?", startete ich einen letzten Versuch.
„Wir fahren zu meinen Eltern", kam es trocken von Elias.
„Was?", ich hätte ja mit fast allem gerechnet, aber mit dieser Antwort definitiv nicht.
„Keine Sorge", lachte Elias sofort auf, als wer aus dem Augenwinkel meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte. „Die beiden sind gerade im Urlaub, auf Madera oder so. So schnell möchte ich dich jetzt auch wieder nicht in die Höhle des Löwen schicken."
Erleichtert atmete ich aus, was Elias erneut zum Lachen brachte. „Schön, dass ich dich so gut unterhalten kann. Was machen wir denn bei deinen Eltern, wenn sie gar nicht da sind."
„Lass dich überraschen", trällerte Elias schon fast vor sich hin.
„Oller Geheimniskrämer", murmelte ich vor mich hin.
Nach einiger Zeit, in der wir uns nicht über das Vorhaben an diesem Abend unterhielten, kamen wir in einer recht noblen Gegend der Stadt an. Elias packte sein Auto in der Auffahrt eines recht luxuriös wirkendem Hauses.
„Hier bist du aufgewachsen?", fragte ich nach. „Kein Wunder konntest du nicht wirklich kochen, als wir uns kennen gelernt haben."
„Ey, immer diese Klischees über Kinder mit reichen Eltern", beschwerte Elias sich scherzhaft.
„Was für Klischees, du konntest de facto nicht kochen", lachte ich auf.
„Na gut du hast ja recht", gab Elias nach. „Aber nein, ich bin nicht hier aufgewachsen. Meine Eltern sind in der Zwischenzeit umgezogen. Aber trotzdem kenn ich das Haus recht gut, also komm."
„Ich bin immer noch am überlegen was genau wie hier machen", sprach ich aus, nachdem wir die Haustür passiert hatten.
„Wir plündern alle Wertgegenstände, verkaufen sie auf ebay, brennen nach Las Vegas durch, um dort zu heiraten und machen uns dann ein schönes Leben auf Hawaii", erklärte Elias mir mit einer solchen Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass ich es ihm für einen Moment fast abgekauft hätte, aber dann brachen wir beide in Gelächter aus.
„Du bist doch verrückt", brachte ich kichernd hervor.
„Danke, dieses Kompliment weiß ich sehr zu schätzen und jetzt komm", Elias hatte mir die Hand entgegen gestreckt und nachdem ich diese ergriffen hatte führte er mich einmal quer durch das Haus, bis wir ein komplett verglasten Wintergarten eintraten.
An der Seite stand ein Tisch, der wohl sonst immer in der Mitte des Raumes stand. Dieser Platz wurde aber gerade von einer großen Picknickdecke belegt. Auf dem Tisch standen ein paar Kerzen, welche den Wintergraten in ein warmes Licht tauchten. Neben der Decke auf dem Boden stand ganz klassisch ein Picknickkorb, zu welchem Elias sich gerade wandte.
„Ich hoffe du hast Hunger mitgebracht", lächelte er mich lieb an und bedeutet mir mich zu setzen. Etwas überrascht tat ich genau dies.
„Es ist wunderschön hier", bracht ich schließlich heraus, nach dem Elias schon fast alle Köstlichkeiten aus dem Korb geholt hatte.
„Freut mich das es dir gefällt", lächelte Elias zurück und setzte sich dann neben mich. „Ich dachte das wäre eine nette kleine Wiederholung unserer sternschau Nächte aus Norwegen. Warmes Wetter, oder Nordlichtern kann ich heute leider nicht bieten, aber immerhin soll es heute Nacht recht viele Sternschnuppen geben."
„Es ist perfekt", sagte ich genauso ehrlich wie ich es meinte und lehnt mich für einen Kuss zu ihm herüber. „Danke, für all das."
„Für dich immer wieder gern Pandabärchen", gab Elias genauso leise zurück, während er seine Stirn an meine lehnte.
Der Abend war rund um einfach nur schön. Ich hätte mir kein besseres erstes Date mit Elias an meiner Seite vorstellen können. Erst spät in der Nacht, als der Sternschnuppenschauer schon längst vorbei war, machte wir uns auf den Rückweg in Elias Wohnung.
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