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Der letzte Tag - eine Hommage an Kurt Vonnegut

Heinz Kasupke wachte auf. Das Morgenlicht, das durch das Fenster schien, war noch schwach, ließ ihn aber schon Konturen erkennen: den großen Schrank am Fußende, links daneben den Tisch mit den drei Stühlen. Er wusste, wo er sich befand und das beruhigte ihn. Heinz richtete sich stöhnend auf. Der Rücken schmerzte. Wie das eben so ist.

Mühsam rutschte er Richtung Bettkante, um seine Beine schließlich quälend langsam auf den Boden gleiten zu lassen. Erst das linke, dann warten, bis der Schmerz nachließ. Dann das rechte. Geschafft.

Jetzt saß der alte Mann am Bettrand und stützte seine Arme auf die Knie. Das half ihm beim tief durchatmen, denn seine Lungen gierten nach Sauerstoff. Lange konnte er so aber nicht sitzenbleiben, weil seine Beine sofort anschwollen, wenn er die Strümpfe nicht trug. Er hasste die Strümpfe. Vor allem hasste er es, dass er die verdammten Dinger nicht allein anziehen konnte.

Heinz wollte gerade mit dem Fuß nach seinem Pantoffel angeln, als ihn eine junge Stimme von rechts ansprach: "Wenn du auch weggehst, bin ich der letzte Mohikaner hier. Was soll ich denn alleine machen?"

Heinz blickte zu seinem Freund Gustav hinüber, sah in seine glänzenden, jungen Augen und schaute dann nach unten. Sie saßen beide auf einem dicken Ast, vielleicht drei Meter über dem Boden. Heinz ließ seine Beine baumeln und spürte den kalten Westwind, wie er über seinen Pelzkragen hinweg hinunter in den Rücken kroch.

"Du weißt, dass ich keine andere Wahl habe. Wir fahren morgen nach Dresden zu Verwandten. Mutter sagt, dass es jetzt sein muss. Der Russe rückt schon auf Königsberg vor."

"Dresden ist aber auch nicht sicher. Das sind doch nur dreihundert Kilometer von hier, Heinz. In Friedeberg wird es schon nicht so schlimm werden. Die marschieren doch in die großen Städte ein und lassen uns links liegen!" Sein Freund hatte Tränen in den Augen. Heinz wusste, dass auch Gustav nicht bleiben konnte.

"Maikäfer, flieg! Der Vater ist im Krieg", fing Heinz leise an zu singen. "Der Gustav bleibt in Pommerland. Und Pommerland ist abgebrannt."

"Du bist ein Blödmann, Kasupke!", hörte er seinen Freund noch sagen, dann war Heinz wieder in seinem Zimmer im Seniorenstift St. Josef. Er stand neben seinem Bett und hatte seine Pantoffeln an. Langsam schlurfte der Alte in gebückter Haltung Richtung Tür. Er wusste, dass er nur seine Boxershorts trug, aber es war ihm egal. Man würde ihn wieder ins Zimmer scheuchen, schon deshalb, weil es viel zu früh war, doch nichts interessierte ihn weniger als die Uhr.

Denn die Zeit war kaputtgegangen, zerbrochen in tausend Stücke.

Seit seinem Schlaganfall vor drei Jahren konnte Heinz zwischen den Scherben springen - hin und her. Nicht willentlich, es passierte einfach so, von jetzt auf gleich. Meist war er dann in Pommern, saß am Küchentisch und malte etwas. Bilder für die Front, Panzer, auch Blumen. Seine Mutter kochte hinter ihm, oder bügelte. Manchmal sprang er in die 60er Jahre zu Gerda und den Kindern. In die glücklichen Jahre.

Aber auch an Gerdas Grab stand er oft, hörte immer wieder dieselbe Rede des Pfarrers, spürte wie die Hand seiner Tochter seinen Rücken streichelte. Wie das eben so ist.

Es war in der Woche nach Gerdas Beerdigung gewesen, als Heinz aus dem Küchenfenster das Licht im Garten gesehen hatte. Hell war es gewesen, grell und bunt.

Seitdem war er oft wieder da, stand im Garten und starrte ins Licht. Er sah die Wesen aus dem Raumschiff steigen und hörte ihre Stimmen in seinem Kopf. Er kannte sie jetzt, verstand, was sie ihm sagten. Sie kamen von einem Planeten mit dem Namen Tralfamador und sahen aus wie aufrechtstehende Pömpel – diese roten Gummistöpsel mit Stiel, die man brauchte, um verstopfte Rohre zu reinigen. Pömpel mit einer Hand am Ende des Griffs, die ein Auge hielt. Sie nannten sich Tralfamadorianer und waren Wesen, die simultan in der Zeit existierten. Sie waren außerdem sehr freundlich und konnten alle vier Dimensionen sehen. Sie bedauerten uns Menschen dafür, dass wir nur drei sehen konnten.

Tralfamadorianer nahmen jeden Augenblick der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft gleichzeitig wahr, kannten den Beginn und das Ende. Von allem und jedem. Sie erzählten Heinz, was passieren würde und sie lachten dabei über ihn, als er sich darüber wunderte.

Er wusste seitdem, wann es mit der Erde zu Ende ging, kannte das Datum, die genaue Uhrzeit. Doch die Aliens würden ihn abholen, bevor die Menschheit zu Grunde ging.

Als Heinz die Tür öffnete, in den Flur schlurfte und sich auf den Weg zum Aufenthaltsraum machte, wusste er auch, dass heute genau dieser Tag gekommen war.

Doch plötzlich stand er im Dunkeln. Es roch nach verbranntem Holz, neben ihm schluchzte ein Mädchen. Heinz befand sich in einem Keller in Dresden und lauschte dem Dröhnen, Poltern und Rumpeln über ihm. Es war der fünfzehnte Februar 1944, der letzte Tag der Bombennächte. Seit vielen Stunden hockten die Bewohner der Liliengasse 13 hier unten eng aneinander gequetscht, um sich ein bisschen Wärme zu spenden. Sie warteten darauf, dass der Feuersturm endete, oder dass sie starben. Heinz war beides recht, Hauptsache, es endete.

Seine Mutter war zwei Tage zuvor von ihm gegangen, nachdem sie wochenlang mit hohem Fieber im Bett gelegen hatte. Heinz hatte ihr kalte Umschläge auf die Stirn gelegt, hatte ihr Wasser mit einer Schnabeltasse eingeflößt, sie mit Suppe gefüttert und für sie gebetet. Den Typhus hatte er damit nicht besiegen können. Wie das eben so ist.

Nun stand er im Keller mit zittrigen Knien und wartete auf seinen eigenen Tod.

Ein greller Schmerz durchzog sein linkes Bein. Er stöhnte leise. Der Alte hatte sich an einer kleinen Kommode gestoßen, dem einzigen Möbelstück in diesem langen Flur. Seine Neuropathie verstärkte schon kleinste Berührungen ins Unerträgliche. Tränen liefen seine Wange herunter, doch er humpelte weiter zum Aufenthaltsraum. Leise, ganz leise. Niemand sollte ihn hören, vor allem nicht die Nachtschicht. Aber die Gefahr war geringer als früher. Seitdem die Pflegerinnen diese Mundschütze trugen, sah er sie immer seltener. Sie mieden ihn. Vielleicht wussten sie, dass er der einzige sein würde, der die kommende Katastrophe überlebte. Insgesamt war es viel ruhiger geworden, hier im Seniorenstift, denn es kamen keine Besucher mehr. Für Heinz selbst hatte sich dadurch aber nicht viel geändert. Seine Enkel besuchten ihn nur sehr selten, vielleicht einmal im Jahr, vielleicht auch seltener, und anderen Besuch bekam er nicht. Wer sollte auch kommen? Monika, seine Tochter, war schon fünf Jahre tot – der Brustkrebs hatte sie dahingerafft. Und Peter, sein kleines Peterle, sah er auch nur, wenn er sprang. Er wollte nicht daran denken, zu bedrückend waren die Jahre nach dem Unfall gewesen. Selbst hatte er nur einen Beckenbruch erlitten, der längst ausgeheilt war. Doch die eigentliche Wunde saß höher, viel höher, und klaffte tief wie eh und je. Wie das eben so ist.

Der Aufenthaltsraum war verwaist. Es war ja auch noch sehr früh und die Bewohner durften ihn sowieso nicht mehr benutzen. Man sagte ihnen, dass es für sie zu gefährlich wäre. Doch in Wahrheit fürchteten sie sich alle nur vor dem eigenen Ende. Warum hatten sie so große Angst, wenn sie es doch nicht ändern konnten? Und was konnte er dafür, dass die Tralfamadorianer ihn ausgewählt hatten und niemanden anderes? Er hatte die Aliens nicht eingeladen; sie waren ganz von allein gekommen.

Heinz Kasupke stand jetzt in seinem Garten, blickte ins bunte Licht. Er musste die Augen zukneifen, so grell war es. Durch die Schlitze konnte er die Pömpel sehen, wie sie aus dem Nichts erschienen. Vielleicht waren sie aber auch schon immer da gewesen. Die Tralfamadorianer hatten ihm das nie so richtig erklären können, denn er würde es sowieso nicht verstehen. Menschen glaubten an Zufälle und Bestimmung, an Ursache und Wirkung, dabei würde es das alles nicht geben. Die Aliens wussten wie es wirklich war, sogar, wie das Universum endete. Es wurde ausgelöscht, weil ein tralfamadorianisches Experiment schiefging. Wie das eben so ist.

Der Alte blickte zur Ausgangstür. Sie würde verschlossen sein, er brauchte es gar nicht erst versuchen. Aber er hatte sowieso einen anderen Plan. Langsam schlurfte er zum Fenster neben der Kaffeemaschine. Der Aufenthaltsraum befand sich im Souterrain, deshalb konnte er den kleinen Weg hinter dem Haus durch das Fenster auf halber Höhe sehen. Er musste es nur irgendwie aushebeln und sich durchquetschen, das war alles.

Bevor er sich ans Werk machte, zog er noch eine Decke von einem der Tische ab und legte sie sich über die Schulter. Es würde kalt sein da draußen, er brauchte etwas, um seinen nackten Oberkörper zu bedecken. Dann kippte er das kleine Fenster an und versuchte mit seinen durch Arthrose verkrümmten Fingern den Sicherungsstift des Halteschiene zu ertasten. Seine Hand zitterte stark, aber er konnte den Stift schließlich reindrücken und dadurch die Schiene lösen. Vorsichtig legte er das Fenster auf dem Sims ab, schob einen Stuhl heran und hievte sich mit seinem linken Knie auf die Sitzfläche. Der Schmerz war unerträglich, Heinz ließ sich jedoch nicht beirren. Mit aller Kraft zog er das rechte Bein nach, beugte sich zur Fensteröffnung und klammerte sich mit beiden Händen am Fensterrahmen fest. Dann schob er seinen Kopf durch die Öffnung, danach die Schultern, erst die rechte, dann die linke. Der Stuhl begann gefährlich zu kippen, doch er musste sich noch weiter abdrücken.

Heinz Kasupke lag jetzt auf dem Boden des Kellers in Dresden, versuchte sich zu rühren, aber es gelang ihm nicht. Die Steine, die von der Decke gekommen waren, hatten ihn nicht direkt getroffen. Er hatte Glück gehabt. Auch der Staub begann sich zu legen und er konnte wieder freier atmen. Er lauschte ins Dunkel hinein. Nichts. Kein Schreien mehr, kein Stöhnen, noch nicht einmal leise Atemzüge konnte er hören. Er war jetzt allein. Das Mädchen, dessen Hand er noch hielt, war tot, wie all die anderen im Raum. Wie das eben so ist.

Der Stuhl vor dem Fenster kippte um, doch Heinz hatte noch genug Schwung nehmen können, um bis zur Hüfte ins Freie zu rutschen. Er war wieder im Seniorenstift, stütze sich mit den Händen gerade auf dem kalten Betonboden auf und versuchte, seine Schultern nach vorn zu drücken. Quälend langsam richtete sich sein Oberkörper auf. Jetzt konnte er mit Ruckbewegungen seine Hüfte und danach seine Oberschenkel nachziehen.

Erschöpft lag der Alte vor der Westfront des Hauses und rang nach Luft. Das Tischtuch lag neben ihm, die Shorts hingen in seiner Kniekehle. Seine Arme zitterten, doch Heinz fror nicht.

Denn Heinz war in Berlin und er war immer noch wütend auf Gerda. Sehr wütend sogar. Sie hatte ihr gemeinsames Sparbuch aufgelöst und das Geld einem fremden, jungen Mann gegeben. Er hätte ihr versprochen, es wieder zurückzugeben. Der Mann wollte doch nur seine Kinder vor dem Verhungern bewahren, hatte sie ihm gesagt. Doch das hier war zu viel, das schlug dem Fass den Boden aus. Heinz stand in der Küche ihrer Neubauwohnung in Marzahn und blickte auf die Herdplatte. Die verformte Plastikschüssel lag daneben und qualmte. Der Rauch war beißend, es stank erbärmlich. So konnte es nicht weitergehen. Gerda war nicht mehr die alte, sie lebte jetzt zu oft in ihrer eigenen Welt und Heinz konnte immer seltener zu ihr durchdringen. Etwas musste geschehen. Heinz öffnete das Fenster und atmete die frische Frühlingsluft ein. Heute war wohl der Tag gekommen, an dem er sich von ihr trennen musste. Seine Tochter hatte ihm schon oft angedroht, dass sie etwas unternehmen würde, auch gegen seinen Willen. Heinz hatte sich bisher erfolgreich gewehrt, wollte Gerda nicht ins Heim abgeben. Sie war doch alles, was er noch hatte. Irgendwann musste es aber sein. Wie das eben so ist.

Langsam kam der Alte wieder zu Kräften. Er zog seine Beine an, verlagerte seinen Schwerpunkt nach hinten und konnte so seinen Oberkörper aufrichten. Dann griff er sich die Decke, rutschte auf den Knien zur Hauswand hin und stütze sich an ihr ab, um sich unter Schmerzen aufzurichten.

Die Decke legte er wieder um seine Schultern, zog auch seine Shorts so gut es ging nach oben und machte sich auf den Weg. Nach fünf Minuten erreichte er die Hauptstraße des Dorfes. Er sah die Menschenschlange vor dem einzigen Bäcker des Orts. Nichts Ungewöhnliches an einem Morgen, doch etwas war seltsam: Die Leute standen zu weit voneinander entfernt, einige trugen einen Mundschutz. Alle schienen sich um einen großen Abstand voneinander zu bemühen. Heinz wusste, dass die Menschen verrückt werden würden, kurz bevor sie starben. Er sollte sich nicht wundern, das hatten ihm die Tralfamadorianer gesagt.

Mit gebeugtem Oberkörper schlurfte er langsam an der Schlange vorbei.

Ich, der Autor dieser Geschichte, war einer der Wartenden. Als der halbnackte, alte Mann an uns vorbeiging und dabei die geblümte Tischdecke, die er um seine Schultern trug, fester um sich zog, schaute ich zu ihm rüber. Sah, wie er die Seite wechseln wollte und kurz innehielt, als er die Straße betrat, um sich dann zu mir umzudrehen. Ich konnte die tiefen Falten in seinem Gesicht erkennen und blickte in seine trüben Augen.

Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen, sagten sie mir.

Sterben werde nicht ich, sondern ihr.

Wie das eben so ist.  

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