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I

Wörter: 2244
Trigger: Tod, Krieg, Trauma
Veröffentlicht: 12. Juli 2022
Letzte Überarbeitung: 24. Februar 2023
A/N: Dieser Oneshot behandelt nicht den Ukrainekrieg. Ich habe Namen und genaue Ortsangaben absichtlich weggelassen. Krieg kann überall stattfinden, Krieg ist immer schrecklich und es sollten nicht die Länder oder Gründe im Vordergrund stehen, sondern die Menschen. Die Menschen, die tagtäglich sterben, Familienmitglieder, Freunde und ihre Heimat verlieren.
Auf dem Cover ist lediglich der Tag StandWithUkrain vorhanden, da ich selber einen guten Freund habe, der aus Odessa kommt, und mitbekommen habe, was das für Spuren hinterlassen hat. Dieser Krieg ist nicht schlimmer oder tragischer als andere - allein darüber nachzudenken, ist menschenverachtend.

Rauch hängt in der Luft und vernebelt meine Sicht. Die Sirenen sind verstummt. Für den Moment ist es vorbei, doch wir alle wissen, dass es solange weitergehen wird, bis kein Stein dieser Stadt weiterhin an seinem angestammten Platz steht.

Ich höre Menschen schreien. Eine Mutter läuft an uns vorbei, ihr weinendes Kind fest an die Brust gedrückt. Blut läuft aus einer Platzwunde ihre Wange hinab.

Trümmer liegen auf den Straßen und Rauchsäulen steigen in den Himmel. Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, hat nichts mehr von ihrer ehemaligen Pracht: Sie gleicht einem apokalyptischen Schlachtfeld.

Ich umklammere die Hände meiner Geschwister und zerre sie regelrecht hinter mir her - möglichst schnell und weit weg von dem Ort, der einmal unser Zuhause war. Sie sollen möglichst wenige Erinnerungen daran haben, wie die letzten Reste ihrer längst verlorenen Kindheit in Schutt und Asche liegen. Darunter begraben all unser Hab und Gut.Meine Geschwister besuchen noch die Grundschule. Sie sollten so etwas nicht erleben. Sie sollten zum Unterricht gehen, mit Freunden spielen und ihre einzige Sorge sollte sein, ob sie ausnahmsweise eine Stunde länger aufbleiben dürfen. Stattdessen müssen sie dabei zusehen, wie ihre ganze Welt vor ihren Augen zerstört wird, wie Menschen sterben. Und das ist falsch. Es ist nicht richtig. Wir alle wissen das, doch können nichts dagegen tun.

Unsere Eltern sollte hier sein und auf uns aufpassen; doch ich stehe nun an ihrer Stelle. Ich bin zu jung. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich versuche nur zu überleben. Ich weiß gar nichts.

Meine Mutter war einkaufen, als es begann. Wie banal sich das im Nachhinein anhört. Vor einer Stunde war noch ein Supermarkt da, um einzukaufen. Eigentlich wollte sie nicht los, aus Angst vor einem erneuten Bombenalarm, aber alle unsere Reserven waren aufgebraucht. Ihre Angst hat sich bewahrheitet. Ich weiß nicht, wo sie ist. Vielleicht liegt sie irgendwo schwerverletzt auf der Straße. Vielleicht sucht sie uns. Vielleicht ist sie tot. Ein Teil von mir - der Teil, der sie auf eine selbstlose Art liebt - wünscht ihr, dass sie tot ist. Dann müsste sie all das nicht mehr ertragen. Sie wäre mit unserem Vater wiedervereint.

Unser Vater ist schon vor über einem Monat von der Armee eingezogen worden. Ab diesem Zeitpunkt wussten wir, dass der Krieg kommen würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit, die sich vor genau zwei Wochen beantwortet hat.

Die letzten drei Male, als der Alarm losging, wurde unser Viertel verschont. Dieses Mal haben wir alles abbekommen. Unser bisheriges Leben - unsere komplette Existenz - ist binnen Sekunden über uns eingestürzt. Wir können von Glück reden, dass unser Haus nicht direkt getroffen wurde. Allerdings hat die Druckwelle einer Bombe zwei Häuser weiter die Westwand einstürzen lassen. Wir befanden uns in unserem nach Osten ausgerichteten Wohnzimmer. So viel Glück ist fast unmöglich, und doch stehen wir hier.

Mein Bruder stolpert mit leerem Blick und blassem Gesicht hinter mir her, eines seiner Stofftiere, was fast so groß wie sein Oberkörper ist, fest an sich gedrückt. Meine Schwester zerrt immer wieder an meiner Hand. Sie schreit meinen Namen, aber er hat seinen Sinn verloren. Der Krieg hat ihn mir - uns allen - genommen. Wir sind keine Menschen mehr. Wir sind Nummern in Statistiken. Wir sind Opfer. Wir haben alles verloren.

N. versucht es nochmal: »Wo ist Mama, J.? Ich habe Angst!« Tränen laufen über ihre Wangen und hinterlassen nasse Spuren im Staub, der sich vor zwei Wochen auf unser aller Gesichter gelegt hat und seitdem nie ganz verschwunden ist.

  »Mama kommt bald.« Lüge. Ich weiß nicht einmal, ob unsere Mutter noch lebt.

  »Wir sind gleich da.« Lüge! In der Nähe des Bahnhofs gibt es ein Lager, von wo aus das Bergen der Verschütteten, die Versorgung der Verletzten und die Flucht vieler Familien organisiert wird: das ist mein Ziel. Aber ich habe die Orientierung verloren. Alles sieht gleich aus. Es sind nur noch Trümmer da.

  »Alles wird gut.« LÜGE! Nichts. Wird jemals. Wieder. Gut werden. Aber in N.s Gesicht sehe ich, dass sie diese Lüge hören will. Sie braucht sie, um weitergehen zu können. Sie braucht einen Hoffnungsschimmer.

Die Straße scheint die richtige zu sein. Immer mehr Menschen strömen den von mir eingeschlagenen Weg entlang. Es sind fast ausschließlich Frauen und Kinder. Alle volljährigen Männer, solange sie nicht zu alt oder krank sind, wurden vom Militär eingezogen.

  »J., ich fühle mich nicht gut«, sagt mein Bruder das erste Mal etwas, seit unser Haus eingestürzt ist. Sein Gesicht hat noch mehr Farbe verloren. Es ist unnatürlich blass - fast grau. Seine Hand zittert in meiner.

  »Wir - wir sind gleich da. Den Rest schaffst du auch noch, ja?«

  »Aber ich bin so müde...«

  »Komm schon, P.! Gib jetzt nicht auf!« Ich kann nicht auch noch eine Diskussion mit einem Sechsjährigen führen. In meinen Augen bilden sich Tränen. Stress, Verzweiflung, Angst. Ich bin nicht stark genug für eine solche Situation.

  »Ich -« Seine Augen verdrehen sich und P.s kleiner Körper sackt in sich zusammen, sein Stofftier immer noch an sich gedrückt. Ich kann ihn gerade noch auffangen, während N. auf meiner anderen Seite zu schreien anfängt.

Ein paar Leute drehen sich um, aber niemand hilft uns. Alle sind zu sehr damit beschäftigt, sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Ich kann es ihnen nicht verübeln, schließlich versuche ich genau dasselbe.

  »Oh mein Gott, P.! Komm, wach auf! Hilfe... Hilfe!«, schreie ich. Tränen laufen über mein Gesicht. Spätestens jetzt bin ich komplett überfordert. Meine Gedanken werden von einem dumpfen Dröhnen überlagert.

  »A-Atmung. Ich muss die Atmung überprüfen«, fällt es mir wieder ein. Mit zitternden Händen drehe ich sein Gesicht zu mir um. Seine Augen sind nur halb geschlossen, doch ich sehr nur den weißen Augapfel. N. schreit noch mehr.

Ich halte meine Hand über seinen Mund. Ich erwarte, einen Lufthauch zu spüren, aber da ist nichts. »Er stirbt! Warum hilft uns denn niemand! Mein Bruder stirbt!«, schluchze ich und endlich kommen ein paar Menschen auf uns zu.

Eine Frau mittleren Alters nimmt meine Schwester am Arm und dreht sie mit sanfter Gewalt von P. weg. Leise fängt sie an, auf N. einzureden. »Schau da nicht hin, Liebling. Deinem Bruder wird geholfen. Erzähl mir etwas. Irgendetwas. Was ist deine Lieblingsfarbe?« Ich bin ihr dankbar dafür, dass N. wenigstens dieser Anblick erspart bleibt.

  »Atmet er noch?« Ein junger Mann hat sich neben mich gehockt. Er sieht alt genug für den Militärdienst aus, dennoch trägt Er keine Uniform.

  »Ich - ich... Nein! Ich habe geschaut - aber -« Wirre Wörter stolpern aus meinem Mund.

  »Ich werde ihn mir jetzt anschauen. Ist das okay?«

  »Ja! Bitte helfen Sie ihm!«

Vorsichtig nimmt der Mann P.s Kopf in Seine Hände und überstreckt ihn. Dann beugt Er sich über sein Gesicht. Sein Ohr ist nur wenige Zentimeter von P.s leicht geöffneten Mund entfernt. Gleichzeitig schaut Er auf seine Brust. »Er atmet noch. Zwar schwach, aber er atmet.« Ich fange wieder an zu weinen.

  »Er hat wahrscheinlich einen Schock. Nimm seine Beine und halte sie leicht erhöht. Ich werde gucken, ob er irgendwelche Verletzungen hat.«

Ich nicke und nehme P.s Beine in die Hand. Gleichzeitig schäme ich mich. Ich habe kein einziges Mal geschaut, ob N. oder P. verletzt sind, obwohl ich sie schreien gehört habe; obwohl die Hälfte unseres Hauses eingestürzt ist; obwohl Glas gesplittert ist. Ich weiß nicht einmal, ob es mir gut geht. Ich bin so vollgepumpt mit Adrenalin, dass ich nicht einmal einen Bruch wahrnehmen würde.

  »Fuck.« Er spricht das Wort so aus, als würde Er es nicht sehr oft und nur in wirklich schlimmen Situationen benutzen. Mein Kopf fährt hoch und ich stoße einen kurzen Schrei aus. Der Fremde hat P. sein Stofftier entwunden. Darunter kommt ein großer roter Fleck zum Vorschein, der immer noch zu wachsen scheint.

Ich lasse seine Beine fallen und beuge mich vor. Schreie seinen Namen. Schlage ihm ins Gesicht. Versuche irgendetwas, damit er aufwacht. Ich weiß, dass Opfer von zu großem Blutverlust auf keinen Fall bewusstlos werden dürfen. Meine Lungen nehmen schneller neue Luft auf als sie ausatmen können, hyperventilieren. Schwarze Flecken beginnen sich mit dem langsam legenden Staub zu vermischen.

  »Hey!« Ein scharfer Schmerz durchfährt meine linke Wange und holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich darf jetzt nicht durchdrehen. Das Leben meines Bruders hängt davon ab. Er zieht seine Jacke aus. »Drücke die, so fest es geht, auf die Wunde. Mehr können wir jetzt nicht tun. Ich werde schauen, ob ich jemanden finden kann, der ihm hilft. Du musst die ganze Zeit auf seine Atmung achten. Sobald er aufhört zu atmen, musst du versuchen ihn wiederzubeleben. Verstanden?«

Ich nicke.

  »Wiederhole es.« Stotternd wiederhole ich Seine Worte. Ich frage mich, wie Er so kontrolliert bleiben kann. Ich kann es nämlich nicht. Ich zittere am ganzen Körper und kriege nichts mit, außer Seinen Worten und das Blut an meinen Händen, das langsam die dünne Stoffjacke durchweicht. Mein Druck verstärkt sich.

  »Dreizigmal drücken, zweimal atmen, wiederholen bis Rettung da ist.« Erneut spreche ich ihm nach.

Er schaut mich noch einmal prüfend an, bevor Er losläuft. Im Gegensatz zu vielen anderen, nimmt Er trotzdem weiterhin seine Mitmenschen wahr, versucht, möglichst niemanden anzurempeln. Dann verschwindet Er hinter einem Haus, von dem immer noch Rauch aufsteigt.

Die Frau redet immer noch mit meiner Schwester. N. scheint vergessen zu haben, was hinter ihr geschieht. Sie hält festen Augenkontakt und erzählt von ihrem ersten Schultag.

...auf die Atmung achten... Ich beuge mich über P.s Kopf und überstrecke ihn so, wie Er es vorhin vorgemacht hat. Kaum merklich spüre ich seinen Atem an meinem Ohr.

»Bitte bleib bei mir...«, flüstere ich und meine Stimme bricht. Ich hauche ihm einen Kuss auf die Wange, die kalt und verschwitzt ist.

Ich weiß nicht, wie lange wir hier schon sitzen, als Er zurückkommt. Zwei Männern mit Warnwesten folgen Ihm. Einer trägt einen Erste-Hilfe-Rucksack auf dem Rücken, der andere eine zusammengefaltete Trage unter dem Arm.

Sie begrüßen mich nicht, sondern wenden sich gleich P. zu und zum dritten Mal an diesem Tag wird seine Atmung überprüft. Unter normalen Umständen hätte mich das gestört, aber das sind eben keine normalen Umstände. Er versucht mich an meinen Schultern von P. wegzuziehen. Ich will mich wehren, aber Er hält mich fest. »Du musst sie in Ruhe arbeiten lassen. Nur so hat dein Bruder eine Chance.«

  »Bitte, bitte, retten Sie ihn.« Dann lasse ich P. los, entferne mich aber nur soweit, dass die Sanitäter an seinen Körper herankommen.

  »Wir versuchen, was wir können«, sagt einer der beiden mit tiefer Stimme, während sein Kollege Seine Jacke beiseite nimmt. Dann zieht er P.s T-Shirt hoch. Er atmet zischend ein. P.s Brust ist blutverschmiert - und nun sieht man, woher das viele Blut kommt. Mehrere Schnitte zieren seine Haut. Die meisten sind eher klein, doch ein paar sind tief und bluten immer noch. Mir wird schlecht.

...obwohl Glas gesplittert ist... Es ist meine Schuld. Ich hätte meine Geschwister sofort untersuchen sollen. Dann hätte ich seine Verletzungen früher entdeckt und hätte früher Hilfe holen können.

  »Er muss sofort professionell versorgt werden. Das können wir hier nicht richtig versorgen. Da stecken noch Splitter in einigen der Wunden.«

Sie tauschen einen Blick miteinander aus und in diesem Moment weiß ich, dass mein Bruder sterben wird. Noch sehe ich, wie sich seine Brust ganz schwach hebt und senkt, aber es ist eine Frage von Minuten, bis seine Lungen stehen bleiben werden. P.s komplettes Hemd ist inzwischen mit Blut vollgesogen.

Die Erkenntnis, dass mein Bruder im Sterben liegt, wischt alle Gedanken aus meinem Kopf. Nur noch ein Satz hallt immer und immer wieder nach: P. ist tot. P. ist tot. P. ist tot. Dieses Mantra weckt eine unnatürliche innere Ruhe in mir. Mein Körper verliert alle Anspannung und ich sacke in Seinen Armen zusammen.

Er dreht mich zu sich um. Ich sehe, wie sich Seine Lippen bewegen. Ich höre, dass Er etwas sagt, doch ich verstehe den Sinn der Wörter nicht. P. ist tot. Der Krieg hat ihn getötet. Politiker - zwei erwachsene Männer, die sich nicht ausstehen können - haben das getan. Anstatt diesen Konflikt diplomatisch zu lösen, haben sie die Schicksale von Millionen von Menschen zerstört.

P. ist tot. Und sein Tod wird nur einer von Tausenden sein, bis dieser Krieg vorbei ist.

***

Mein Vater wurde eine Woche später an der Front erschossen, während er sein Land verteidigte.

Meine Mutter starb am selben Tag wie ihr einziger Sohn. Eine Bombe schlug in den Laden ein, in dem sie gerade war.

Mein Bruder konnte kein richtiges Begräbnis bekommen. Wir mussten fliehen und ihn zurücklassen.

Meine Schwester hat keine einzige Erinnerung an diesen Tag, die Wochen davor und unsere Flucht danach. Ihr Körper hat sie verdrängt, weil sie diese Erlebnisse nicht verkraften konnte. Trotzdem kann sie keine Nacht durchschlafen - jedes Mal wacht sie schreiend auf.

Die fremde Frau half uns auf der Flucht. Sie kümmerte sich um uns wie um ihre eigenen Kinder. Später erfuhren wir, dass sie ihren Sohn an der Front verlor. Trotzdem hat sie es geschafft, weiterzumachen. Irgendwie.

Der junge Mann ist schwerhörig. Er wollte für sein Land kämpfen, stattdessen hilft er Familien zu fliehen und Leute zu bergen. Er hat mehr Leichen in seinem Leben gesehen als er zählen kann. An dem Tag, an dem er uns half, war er erst einundzwanzig.

Ich leide seitdem an Angststörungen, Flashbacks und Paranoia. Wir haben es zwar geschafft, zu fliehen, dennoch wütet der Krieg weiter, kostet jeden Tag mehr Leben, zerreißt Familien, raubt Perspektiven. Manchmal träume ich davon, wie es damals war: Als unsere Familie noch komplett und unsere Stadt unversehrt war. Wenn ich aufwache, weine ich. Und manchmal glaube ich, P.s Stimme zu hören.

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