~~~17~~~
„Glaub mir, ich bin genauso verwirrt über seine Freundlichkeit wie du", antwortet sie mir, bevor wir dem Jungen in ein Esszimmer folgen. Dort warten an dem gedeckten Tisch schon zwei weitere Jungen, wobei beide jünger zu seinen scheinen. Nachdem wir uns alle an den Tisch gesetzt haben, fragt der scheinbar jüngste von allen: „Also, der Prinz geht bei euch jetzt auf die Schule? Wie ist er denn so?" Und keine Sekunde später werden wir mit Fragen zum Prinzen überschüttet. „Jungs, jetzt lasst eure Schwester doch erstmal zu Wort kommen. Wenn ihr ihr so viele Fragen stellt, kann sie die doch gar nicht beantworten", ertönt eine Stimme aus einem anderen Raum und kurze Zeit später kommt eine Frau zu uns. Ihre langen, schwarzen Haare sind aufwendig geflechtet und ihre eisblauen Augen bohren sich in mich hinein. Ich halte erschrocken die Luft an, zum Einen, weil ihre Augen schon fast angsteinflößend sind, zum Anderen, weil die Ähnlichkeit mit Myra verblüffend ist. Die anderen Jungen hier am Tisch haben nicht so eisblaue Augen und ihre Gesichtszüge sind auch anders. Man erkennt sofort, dass Myra ihre Tochter ist. „Mutter", begrüßt diese die Frau, nachdem sie sich am Kopfende des Tisches niedergelassen hat. „Myra, schön dich wiederzusehen", meint die Frau einfach nur. „Und du hast Cian mitgebracht, dich habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen", begrüßt die Frau auch noch Cian mit einem falschen Lächeln, nachdem sie ihn mit einem verabscheuten Blick gemustert hat. Mich scheint sie entweder vollkommen zu ignorieren oder sie hat mich noch nicht bemerkt, wobei ich eher auf ersteres tippe. „Jetzt erzähl schon etwas über den Prinzen", quengelt auf einmal der Jüngste und wieder liegen alle Blick auf Myra. „Ich kann euch nichts sagen. Ich habe so gut wie gar nichts mit dem Prinzen zu tun", gibt Myra ihnen eine ehrliche Antwort. „Wegen nichts rufst du ein Familienessen ein, Mama? Ich hätte diese Zeit auch sinnvoller benutzen können", beschwert sich der älteste Junge bei seiner Mutter. Sofort fangen auch die zwei Jüngeren an sich zu beschweren und kurze Zeit später herrscht das totale Chaos, da jeder von ihnen aufzählt, was er hätte tun können. Während ich mir das ganze Schauspiel ansehe, bemerke ich, wie Myra mit den Augen rollt und selbst Cian scheint genervt. So langsam kann ich Myra auch verstehen, wieso sie ihre Familie nicht mag. „Ruhe! Alle!", erhebt nun endlich die Mutter die Stimme, „je länger ihr auch noch dadrüber aufregt, desto länger sitzen wir hier am Tisch und verplempern unsere Zeit." Während ihre Mutter mit ihnen schimpft, ist jeder der Jungen mucksmäuschenstill und an Myras und Cians Gesichtsausdruck scheint diese Lautstärke nicht alltäglich zu sein. Nachdem die Mutter ihrer Wut Luft gemacht hat, atmet sie einmal tief ein, bevor sie mit ruhiger Stimme sagt: „Wir sollten jetzt essen." Darauf beginnt direkt der Kampf auf das beste Stück Fleisch. Erst als wirklich jeder etwas zu essen hat, kehrt Ruhe ein. Während wir essen, gibt keiner einen Mucks von sich, wobei selbst die Jungen eingeschüchtert sind von der Lautstärke ihrer Mutter. Schließlich, als jeder von uns fertig ist, wendet die Mutter sich zum Ersten mal mir zu: „Dich kenne ich nicht." „Das ist Ilaria", kommt Myra mir zuvor und stellt mich vor. „Ilaria also. Schön dich kennen zu lernen. Kennt ihr euch schon lange?", erkundigt sie die Mutter, wobei ich merke, dass die Frage mehr an Myra, als an mich gerichtet ist. „Noch nicht so lange. Sie ist erst vor kurzem hier in die Stadt gekommen. Vorher hat sie auf dem Land gelebt", antwortet Myra ihr wahrheitsgemäß. „Eine Bauerstochter", die Mutter wirft mir einen abschätzigen Blick zu, bevor sie sich wieder Myra zu wendet, „Welches Basiselement hat sie?" Diesmal wirft Myra mir einen fragenden Blick zu, da sie anscheinend nicht weiß, was sie antworten soll. Aber sie hat mich ja auch noch nie mein Element benutzen gesehen. „Blitz", antworte schließlich ich der Mutter nach kurzem Zögern. Ich habe einen kleinen Moment lang überlegt, Feuer zu antworten, habe mich dann aber doch dagegen entschieden. Als ich antworte, durchbohrt die Frau mich direkt mit ihrem wütenden Blick. „Ich habe Myra gefragt", stellt sie klar, wobei das wahrscheinlich noch freundlich ausgedrückt ist. Ich sehe, wie Cian Myra etwas zu flüstert und nickt, bevor Myra sich an ihre Mutter wendet: „Ich glaube, wir müssen so langsam mal wieder los." Die Mutter nickt und nachdem wir uns kurz von allen verabschiedet haben, verlassen wir das Haus lebend. Während wir wieder zurück zur Schule gehen, entschuldigt Myra sich bei Mir : „Tut mir Leid, dass meine Familie nicht unbedingt nett zu dir waren. Aber ich habe ehrlich gesagt, auch nichts anderes erwartet." Ich nicke ihr zu und meine lächelnd: „Wie gut, dass deine Familie nicht über deine Freunde bestimmen." „Glaub mir, dass hier war fast noch harmlos", versichert Cian mir, „Wir waren einmal dort und leider konnten wir nicht so schnell weg und ich durfte mir die ganze Zeit anhören, wie schlecht ich doch bin und wie unwürdig ich doch für ihre Tochter bin. Es war die Hölle." „Oh ja, das war as erste Mal, als du meine Familie getroffen hast", erinnert Myra sicht zurück. „Sicher, dass du nicht irgendwie vertauscht worden bist oder so?", erkundige ich mich bei Myra, „Du und der Rest deiner Familie, jedenfalls der Teil, den ich bisher kennen gelernt habe, seid so verschieden." Ich habe von Myra zwar schon öfters gehört, dass sie ihre Familie nicht leiden kann und sie anders ist, als sie, aber dass es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht. „Tja, seine Freunde kann man sich aussuchen, seine Familie hingegen nicht", murmelt Myra, wobei ich schon fast merke, wie sehr sie das mit ihrer Familie doch bedrückt. Wahrscheinlich ist es alles andere als leicht, in so einer Familie zu leben, wenn man so stark heraussticht. Den Rest des Weges schweigen wir. Irgendwann verabschiedet Cian sich von uns, da er direkt zu seiner Familie gehen will, bei der er immer die Nächte verbringt. Ein Unterschied zwischen ihm und Myra, während sie ihre Familie schon hasst, versteht er sich prächtig mit seiner Familie. Schließlich erreichen wir nur noch zu zweit die Schule und an unseren Zimmern trennen sich auch unsere Wege. Als ich schließlich wenig später in meinem Bett liege, komme ich keineswegs zur Ruhe. Die ganze Zeit bin ich mit meinen Gedanken bei Myra und ihrer Familie. Irgendwann halte ich es nicht mehr auf und nachdem ich mir etwas übergezogen habe, verlasse ich, wie eigentlich jede Nacht mein Zimmer und mache mich auf den Weg zum Trainingsraum. Dort lasse ich mich wie jedes Mal auf der Matte nieder. Gerade, als ich meine Kette ablegen will, kommen mir Zweifel. Was ist, wenn Julius wieder auftaucht? Doch sofort meldet sich eine kleine Stimme in meinem Kopf, die mich fragt, ob es denn so schlimm wäre, wenn er wieder kommen würde. Als ich an Julius denke, muss ich unwillkürlich lächeln. Nein, hör sofort auf, schimpfe ich mit mir. Schnell lege ich meine Kette ab und schließe die Augen, um nicht mehr weiternachzudenken. Ich spüre das Joud in mir und stelle mir vor, wie in meiner Hand kleine Blitze entstehen. Doch als ich die Augen wieder öffne, sind dort keine Blitze. Stattdessen bildet sich eine kleine Flamme auf meiner Handfläche. Ich spüre ihre Wärme, doch verbrenne mich kein bisschen. Anstatt das sie mich verletzt, empfinde ich Geborgenheit bei ihrem Anblick. Fasziniert beobachte ich sie weiter und kann meinen Blick nicht abwenden. „Ich dachte, dein basisches Element wäre Blitz", ertönt eine Stimme hinter mir und erschrocken drehe ich mich um.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro