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„Hätte ich denn irgendwas davon?", fragt er mich, während er auf mich zukommt. In meinem Kopf gehe ich alle Möglichkeiten durch. „Siehst du, ich hätte nichts wirklich davon, abgesehen davon, dass ich irgendwie erklären müsste, was ich so spätnachts noch auf den Gängen mache. Also ergibt es für mich nicht wirklich Sinn, allen hiervon zu erzählen", sagt er nach kurzer Zeit. „Woher weißt du eigentlich, dass ich hier bin?", fällt mir schon die nächste Frage ein. „Ich habe dich gestern schon hier gesehen und hatte die Hoffnung, dass du heute wieder hier bist", erklärt er mir. Also haben meine Augen mir gestern Nacht doch keinen Streich gespielt, als ich dachte, ich hätte eine Bewegung gesehen. Während er sich mir gegenüber auf den Boden niederlässt, formt sich schon die nächste Frage in meinem Kopf, die ich auch sofort ausspreche: „Was willst du überhaupt hier?" „Wir haben unser Gespräch von heute Mittag noch nicht weitergeführt. Gerade als du etwas sagen wolltest, sind Myra und Cian gekommen. Und es interessiert mich wirklich, wieso das Gespräch mit deinem Vater seltsam war", erklärt er mir. Ich zögere noch einen kurzen Moment, bevor ich anfange, ihm fast alles zu erzählen: „Größtenteils hat er mir halt erzählt, warum er mich und meine Mutter verlassen hat. Und auf der einen Seite kann ich alles nachvollziehen. Doch wenn ich dann so weit bin, ihm alles zu verzeihen, kommt da wieder die Stimme in meinem Kopf, die mir sagt, dass ich wegen ihm 15 Jahre ohne Vater aufgewachsen bin. Innerlich fühle ich mich einfach so zerrissen. Ich hoffe, du kannst verstehen, was ich meine." „Oh ja, ich weiß genau, was du meinst. In letzter Zeit fühle ich mich immer wieder so. Und ich habe absolut keine Ahnung, für welche Seite ich mich entscheiden soll. Die eine Möglichkeit ist wahrscheinlich die Beste für mich, doch diese könnte meine Familie verletzen", erzählt er mir betrübt. „Willst du mir vielleicht erzählen, worum dabei genau geht? Vielleicht kann ich dir ja helfen", frage ich ihn mitfühlend. „Nein, ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich das nur für mich entscheiden kann und mir niemand helfen kann. Schließlich bin ich auch am Ende derjenige, der mit dieser Entscheidung leben muss", erzählt er mir.
„Wahrscheinlich hast du Recht. Ich brauche vielleicht einfach ein bisschen Zeit und Ruhe für mich, wo ich es dann ganz in Ruhe entscheiden kann", meine ich nachdenklich. Danach sitzen wir uns schweigend gegenüber, wobei jeder seinen eigenen Gedanken nachhängt. „Ich glaube, wir sollten so langsam mal ins Bett gehen, schließlich ist morgen Schule", schlägt Julius vor. Ich nicke und zusammen verlassen wir den Trainingsraum. Erst als wir wieder die zweite Etage erreicht haben, trennen wir uns voneinander. „Bis morgen", verabschiede ich mich von ihm, während er mich nur ein Lächeln zum Abschied schenkt. In meinem Bett schlafe ich schon fast augenblicklich ein und träume sehr viel. Zum Großteil ist dieser Traum einfach nur unrealistische Hoffnungen gemischt mit sehr, sehr viel Fantasie. Als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich mehr als nur müde und gefühlt schlafe ich das ganze Frühstück auch noch. Als Cian, Miro, Jonathan und ich das Klassenzimmer erreichen, finden wir einen Zettel an der Tür, der besagt, dass wir uns direkt in einem Trainingsraum treffen. Dort angekommen erinnert Professor Kaltenstedt uns erst nochmal daran, dass unser Referat nächste Woche fertig sein muss, bevor wir mit den Übungskämpfen weitermachen. Zum Glück komme ich am heutigen Tag nicht dran, wobei ich keine Ahnung habe, was ich gemacht hätte. Nach dem Unterricht wollen wir gerade den Raum verlassen, als Professor Kaltenstedt mich nochmal zurück ruft. „Ilaria, bevor ich es jetzt vergesse, wollte ich mich bei ihnen erkundigen, wieso sie bei ihrem ersten Übungskampf ihr Element nicht eingesetzt haben. Aus diesem Grund habe ich sie heute extra nicht kämpfen lassen." „Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Es schien so, als ob irgendetwas meine Kräfte zu blockieren schien", erklärte ich ihm. „Sehr interessant", erwidert er einfach nur, bis ihm was ins Auge fällt, „Sie haben da eine sehr schöne Kette. Dürft ich sie mir mal ansehen?" Vorsichtig zeige ich ihm die Kette, ohne sie abzunehmen und sage: „Ich habe sie von meiner Mutter geschenkt bekommen." „Ich, an ihrer Stelle, würde mal mit ihrer Mutter über diese Kette sprechen. Ich habe da nämlich so eine Theorie. Aber jetzt können sie gehen, bevor sie nichts mehr zum Mittagessen bekommen", schickt er mich fort. Verwirrt verlasse ich den Raum und gehe in die Mensa. Nachdem ich etwas gegessen habe, entschließe ich mich dazu, dem Rat von Professor Kaltenstedt zu folgen. Also gehe ich auf mein Zimmer, damit ich meine Ruhe habe und hole Briefpapier hervor. Während ich schreibe, muss ich nicht lange überlegen und schließlich bin ich fertig. Doch bevor ich den Brief verpacke, lese ich ihn mir nochmal sorgfältig durch: „Liebe Mama, liebe Oma, lieber Opa, ich hoffe euch geht es gut. Mir geht es jedenfalls gut. Selbst wenn wir erst ein paar Tage voneinander getrennt sind, ist schon unglaublich viel passiert. Ich habe hier neue Freunde gefunden und stellt euch doch mal vor, ich habe den Prinzen und seinen Beschützer getroffen und mit seinem Beschützer bin ich sogar befreundet. Zudem habe ich gestern Abend meinen Vater getroffen und kenne nun die ganze Wahrheit. Ich war sichtlich überrascht, obwohl ich es die ganze Zeit unbewusst wusste. Ich kann euch beide sehr gut verstehen, doch ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich ihm verzeihen kann. Aber diesen Brief schreibe ich dir aus einem anderen Grund, Mama. Wir haben momentan Übungskämpfe in der Schule und ich kann auf einmal meine Kräfte nicht mehr benutzen. Mein Professor meinte, ich solle dich mal wegen meiner Kette fragen, wobei es für mich so klang, als ob diese Kette, die du mir geschenkt hattest, für die Tatsache verantwortlich wäre, dass ich meine Kräfte nicht mehr benutzen kann. Ich fände es sehr schön, wenn du mir so schnell wie möglich antworten könntest. Eure Ilaria." Zufrieden verschließe ich den Brief und will gerade mein Zimmer verlassen, um ihn zu verschicken, als mir der Brief einfällt, den meine Mutter mir für meinem Vater mitgegeben hat. Also hole ich diesen aus meiner Tasche hervor und verlasse nun mein Zimmer. Auf dem Flur gebe ich den Brief an meine Mutter an der Rezeption ab, damit er verschickt wird. Danach verlasse ich die Schule und mache ich mich auf den Weg durch die Straßen Lumias. Da gerader später Nachmittag ist und die Sonne immer noch scheint, sind die Straßen nicht gerade leer. So das ich mich an einigen Stellen wirklich durch die Menschenmenge kämpfen muss. Zum Glück erreiche ich trotzdem ohne Umwege den Palast, wo eine Wache mich hinein begleitet. Da mein Vater aber gerade in einer wichtigen Besprechung ist, warte ich geduldig in der Eingangshalle. Während ich also warte, spiele ich mit dem Brief in meiner Hand und nicht nur einmal kommt mir der Gedanken, den Brief einfach selber zu öffnen. Schließlich kommt die Wache wieder auf mich zu und sagt mit strengem Blick: „Der Kaiser kann sie nun empfangen. Bitte folgen sie mir." Gehorsam stehe ich auf und folge ihm durch mehrere Gänge, bis wir den Raum betreten, wo ich mit ihm auch schon zu Abend gegessen habe. Dort angekommen bleibt die Wache vor der Tür stehen, während ich den Raum betrete. Dort werde ich freudig von meinem Vater empfangen: „Ilaria, schön dich wieder zu sehen. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass wir uns schon so schnell wieder sehen. Ist irgendwas besonderes passiert, dass du schon wieder hier bist?" Ich schüttel den Kopf und erkläre ihm schließlich: „Nein, mir ist nur eingefallen, dass meine Mutter mir einen Brief für dich mitgegeben hat. Da ich selber wissen möchte, was drinsteht, wollte ich ihn dir persönlich vorbeibringen." Danach überreiche ich ihm den Brief. Stumm öffnet er diesen und liest. Gespannt sehe ich ihn an und als er fertig ist, frage ich ihn ungeduldig, weil ich es nicht mehr aushalten kann: „Und was steht drin?" Mein Vater zögert kurz, bevor er anfängt zu reden.
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