Sonne und Elektroschocks
Die Darkoner folgten Orion und Jinx in Richtung Labor. Lennox, den die Männer in ihre Mitte genommen hatten, starrte missmutig auf den Rücken des Doktors. Er leistete keinerlei Widerstand gegen die erbarmungslosen Griffe der Männer. Dadurch würde er sich bloß in noch größere Schwierigkeiten manövrieren. Außerdem war es in seinem jetzigen Zustand unmöglich zu entkommen. Darüber hinaus hatten sie nun endlich einen Plan, wie sie gegen Doktor Orion vorgehen konnten.
Sie gingen in Orions Labor, in dem bereits Nelani und Zeirus warteten. Auch Hagen befand sich in dem Raum, jedoch zwang sich der Oblivion, ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken, da seine Feinde ansonsten misstrauisch werden könnten und im Falle eines Misslingens des Plans, eventuell ahnen würden, wer der Verräter war.
„So, mein Lieber, es wäre für uns alle angenehmer, wenn du diesmal keine Dummheiten machen würdest, ansonsten wird Jinx dich gerne daran erinnern, dass deine Meinung hier nicht zählt.", sagte Orion mit ekelerregender Freundlichkeit.
Der Blick, den Jinx Lennox daraufhin zuwarf zeigte, dass der Vennuit den Oblivion allzu gern daran erinnern würde. Lennox sah ihn finster an und wandte sich dann wieder dem Doktor zu, der ihn erwartend anstarrte.
„Oh ja, natürlich, ich werde zahm sein, wie ein Lämmchen, wenn du mir die nächsten Nadeln in den Körper rammst!", sagte Lennox mit vor Sarkasmus triefender Stimme, was ihm ein abfälliges Schnauben von seinem Erzfeind einbrachte.
„Wir werden schon dafür sorgen, dass genau dies der Fall ist.", sprach Orion mit leichter Verärgerung in der Stimme und zog dann tatsächlich eine Spritze aus einer Schublade.
Lennox hatte zwar mit weiteren Experimenten gerechnet, allerdings fühlte er sich dennoch wie in einer schlechten Comedy-Show. Zumindest zum Verhalten des Doktors würde diese Beschreibung an vielen Stellen passen.
Orion wählte ein kleines Fläschchen aus und nahm es aus dem Regal. Er zog den Inhalt in die Spritze und kam dann auf Lennox zu.
„Was ist das?", fragte Lennox matt und begann leichte Gegenwehr gegen den Griff der Darkoner zu leisten.
„Ach, das merkst du gleich schon. Ich will bloß sichergehen, dass du uns nicht an die Kehle springst, mein lieber Lennox.", antwortete Orion und stieß ihm die Nadel in den Arm.
Innerhalb einiger Sekunden wich sämtliche Kraft aus Lennox' Körper. Er murmelte ein unverständliches 'Fuck!', als er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Darkoner nutzten Lennox Schwäche und legten ihn auf den altbekannten Tisch. Scheinbar hielt es niemand für nötig, Lennox zu fesseln, solange er unter dem Einfluss von Orions mysteriösen Substanzen stand. Lennox nahm alles wie durch eine dicke Watteschicht wahr. Deshalb bemerkte er auch erst, dass Orion ihm Blut abnahm, als er zufällig den Kopf zur Seite drehte.
„Ich werd noch ein bisschen mit deinem Blut weiterforschen.", verkündete der Doktor knapp und ging machte sich dann an Lennox' linkem Fußgelenk zu schaffen.
Der Oblivion spürte einen kalten Druck am Knöchel und blickte an sich herab. Er erblickte eine Fußfessel und stöhnte. Was sollte das jetzt schon wieder?
Orion sagte irgendetwas, doch Lennox nahm den Inhalt seiner Worte kaum zur Kenntnis. Jinx zerrte ihn auf die Beine und Lennox taumelte. Ohne die Hilfe des Mannes konnte er kaum stehen. Der Oblivion hatte Schwierigkeiten, sich auf seine Umgebung und das Geschehen zu konzentrieren. Obwohl Orion derjenige war, der ihn in diesen Zustand versetzt hatte, schien es ihn nun zu nerven. Der Doktor verpasste Lennox eine kräftige Ohrfeige und packte ihn am Kinn.
„Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme, mein Freund. Nach deinem letzten Fluchtversuch ist mir erneut klargeworden, dass man bei dir nie wissen kann, welchen rebellischen Unfug du als nächstes planst.", verkündete Orion und die Worte sickerten langsam in Lennox' Verstand.
Der Grund für die Fußfessel war ihm ziemlich egal. Tatsache war, dass sie ihn unter Kontrolle halten sollte, weshalb Lennox das Ding bereits verabscheute, ohne Details zu kennen. Jinx zog den Oblivion aus dem Raum und nahm wie immer keine Rücksicht auf seine Verfassung.
„Beeil dich gefälligst etwas, Oblivion!", schnauzte Jinx und beschleunigte seine Schritte.
Doch Lennox konnte die zuckenden Mundwinkel des Vennuits sehen, die ihm verrieten, dass der Mann sich nicht wirklich an ihrem Tempo störte, sondern es bloß genoss, Lennox zu erniedrigen und zu quälen. Da die Wirkung des Betäubungsmittels langsam nachließ, ging der Plan des Mannes allerdings in diesem Fall nicht wirklich auf, denn Lennox konnte nach ein paar Minuten bereits wieder normal agieren und auch seine Gedanken waren nicht länger verschleiert. Er scannte die Umgebung. Zuvor hatte er kaum mitbekommen, wo Jinx ihn hinbrachte, aber jetzt erkannte er die vertrauten Felsen des Steinbruchs. Diesmal waren nur zwei Darkoner anwesend, die aber nicht arbeiteten, sondern als Wachen fungieren sollten.
„Viel Spaß, du weißt ja, was du zu tun hast!", sagte Jinx, wandte sich ab und ging ohne ein weiteres Wort.
Seine Wächter traten sofort zu Lennox und übereichten ihm sein Werkzeug. Erst jetzt fiel dem Oblivion auf, dass man ihn auf dem Weg hierher ebenfalls nicht gefesselt hatte. Aber er hätte sowieso nicht fliehen können, so schwach wie er sich gefühlt hatte. Lennox nahm die Gegenstände schweigend entgegen und machte sich an die Arbeit. Wenigstens hatte er im Steinbruch seine Ruhe und musste sich nicht mit Orion befassen. Die Isolation führte ihm zwar immer wieder den Verlust seiner Freunde vor Augen, allerdings war er in dieser Zeit von jeglicher Folter und Demütigung befreit. Dazu kam, dass die körperliche Anstrengung ihn ablenkte und ihm Zeit gab, sich einen Plan auszudenken.
Lennox baute das Erz ab. Stunden vergingen und er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Zwischendurch ereilten ihn leichte Schwindelanfälle, da der Doktor anscheinen noch immer nicht verstand, dass auch ein Gefangener, den er als sein Eigentum betrachtete, Wasser und Nahrung brauchte. Er konnte die Male, an denen man ihm Nahrung gewährt hatte, an einer halben Hand abzählen.
Nach einer Weile kam plötzlich ein Landgänger herbeigeeilt, ein muskulöser Mann mit dunkelbraunen Haaren und einem gelangweilten Blick und informierte Lennox' Wächter darüber, dass der Doktor eine Versammlung einberufen hatte und sie in das Labor kommen sollten.
„Den Gefangenen sollt ihr hierlassen.", sagte der Neuankömmling und warf Lennox einen abschätzigen Blick zu.
Fantastisch, jetzt war er schon nicht mehr nur 'der Oblivion' sondern auch 'der Gefangene'.
Lennox sah den Mann herausfordernd an, auch wenn er sich fragte, wieso die Darkoner ihn ohne Aufsicht im Steinbruch lassen sollten. Seltsamerweise schienen diese nicht besorgt zu sein und nickten. Dann gingen sie an Lennox vorbei und ließen ihn zurück. Doch plötzlich sprach einer der Darkoner leise:
„Versuch nicht abzuhauen, es wird nicht funktionieren und am Ende wirst du bloß noch mehr leiden."
Der Meermensch warf einen kurzen Blick auf Lennox' Fußfessel. Der Oblivion hatte bereits damit gerechnet, dass er das Ding nicht bloß zum Spaß trug. War sie etwa mit einem Peilsender versehen? Oder hatte sie womöglich noch eine weitaus schlimmere Funktion?
Als Lennox allein war, ließ er das Werkzeug fallen. Er war völlig verschwitzt, einige seiner Wunden waren aufgerissen und Staub und Dreck klebten an seinem Körper. Dadurch, dass er oberkörperfrei war, konnte er beobachten, wie das Blut über seine Muskeln lief und auf den Steinboden tropfte. Der Doktor hatte seine Wunden zwar versorgt, allerdings hatte die erneute Folter nicht wirklich zur Besserung beigetragen. Er fühlte sich ausgelaugt, aber zugleich war er entschlossener denn je. Er erkundete jeden Winkel des Steinbruchs und prägte sich alles ganz genau ein. Er entdeckte ein angrenzendes Waldstück und betrat den weichen Boden. Der Schatten, den die mächtigen Bäume warfen, kühlte seine Haut und entlockte Lennox ein Seufzen. Er ging weiter. Doch plötzlich erfasste ihn ein stechender Schmerz, der von seinem linken Bein aufwärts durch seinen gesamten Körper schoss. Mit einem Schrei fiel er und packte sich ans Bein. Er versuchte die Fußfessel loszuwerden, allerdings ließ sie sich nicht öffnen. Wellen der Qual erfüllten Lennox, als sich der Elektroschock intensivierte. Er krümmte sich zusammen. Der Oblivion packte zitternd eine Wurzel und zog sich in Richtung Steinbruch. Seine Nägel gruben sich in die Erde, doch nach zwei Metern konnte er nicht mehr. Es wurde immer schlimmer und ihm fehlte die Kraft, sich noch weiter über den Boden zu ziehen. Er zitterte am ganzen Körper und verkrampfte sich. Lennox konnte sich keinen Millimeter mehr rühren. Er kniff die Augen zusammen und ertrug den Schmerz, denn er hatte nicht mehr genügend Kraft, um zum Steinbruch zurückzukehren. Orion, dieser miese Dreckskerl hatte dafür gesorgt, dass Lennox nicht mehr fliehen konnte. Elektroschocks waren ein äußerst effektives Mittel, um ihn außer Gefecht zu setzen. Seine eigenen Schreie klangen schrill in seinen Augen, doch irgendwann verstummten sie und wurden zu einem leisen Ächzen. Schwarze Flecken breiteten sich über sein Sichtfeld auf und Lennox' Bewusstsein schwand.
Auf einmal spürte er eine Berührung an der Schulter und jemand hob ihn hoch. Die Person trug ihn aus dem Waldstück heraus und redete dabei leise auf ihn ein, auch wenn Lennox kein Wort verstand. Er wurde auf einem harten Untergrund abgelegt und leicht geschüttelt. Lennox stöhnte und blinzelte, um die Punkte vor seinen Augen zu vertreiben. Ihm fiel auf, dass die Elektroschocks aufgehört hatten. Zeirus stand vor ihm und wich einen Schritt zurück, als Lennox ihn mit seinen azurblauen Augen matt anblickte. Der Oblivion wollte sich aufrappeln, doch ein heftiger Schwindelanfall ließ ihn taumeln, sodass der Darkoner ihn auffangen musste und ihn wieder vorsichtig auf dem Boden absetzte. Eine zweite Gestalt trat neben den Mann und blickte Lennox tadelnd an.
„Ach Lennox, nicht einmal eine kleine Versammlung kann man abhalten, ohne dass du irgendetwas anstellst. Ich mag es nicht, wenn man mich stört. Aber jetzt hast du hoffentlich deine Lektion gelernt.", sagte Orion.
Hass stand in Lennox Augen, als er den bedauernden Ton in der Stimme des Doktors erkannte. Der Mann beugte sich zu Lennox herab und drückte ihm eine kleine Menge Traubenzucker in die Hand.
„Iss das, dein Blutzuckerspiegel ist zu niedrig und ich will ja nicht, dass du während der Arbeit einfach umkippst, immerhin brauche ich das Erz für meine Forschung. Die Fußfessel ist übrigens mit einem Peilsender ausgestattet. Wenn du ein bestimmtes Gebiet verlässt, dann...nunja, das hast du ja bereits herausgefunden. Ich habe sie persönlich entwickelt. Es ist ein komplizierter Mechanismus, den ich so programmiert habe, dass...", sprach der Doktor und wurde jäh von Lennox unterbrochen.
„Das interessiert mich einen Scheißdreck! Lass mich einfach in Ruhe und akzeptiere, dass ich niemals an deiner Seite stehen werde!", fauchte der Oblivion und wagte einen erneuten Versuch, aufzustehen.
Ein wölfisches Lächeln breitet sich auf dem Gesicht des Doktors aus, das ein mulmiges Gefühl in Lennox Magen erzeugt.
„Glaub was du willst, mein Oblivion, aber am Ende wirst du allein mir gehören und alles tun, was ich verlange!", verkündete der Doktor und wandte sich ab.
Er befahl Zeirus, bei Lennox zu bleiben. Der Darkoner murmelte „Ja, Herr" und lehnte sich gegen eine Felswand. Lennox aß den Traubenzucker und fühlte sofort, wie er neue Energie bekam. Doch anstatt zu arbeiten, sprach er den Darkonerchef an.
„Gibt es denn kein Schlupfloch für euch?", fragte er und meinte damit den Herrenschwur.
Zeirus richtete seinen Blick auf Lennox. Unendliche Trauer lag im Blick des Darkoners.
„Nein. Und selbst wenn es eines gäbe, könnten wir es nicht finden. Der Herr hat uns den Befehl gegeben, nicht zu suchen.", antwortete der Mann, doch plötzlich erklang die Stimme des Doktors, der allem Anschein nach zurückgekehrt war:
„Zeirüsselchen, du wirst meinem Oblivion keinerlei Informationen über dich, den Herrenschwur oder irgendetwas, das mit mir oder meinen Leuten zu tun hat, geben!", ordnete der Mann an und genoss es, als Zeirus knurrte, dann aber zustimmte.
Jetzt erkannte Lennox auch, weshalb der Doktor zurückgekommen war. Denn bevor er erneut ging, nahm er sich ein Stück Erz. Dann endlich ließ er Lennox und Zeirus allein. Der Oblivion war wütend, da Orion ihm die Chance genommen hatte, mehr über Zeirus Lage zu erfahren und eventuell eine Schwachstelle zu finden.
Seufzend machte er sich daher wieder an die Arbeit. Dabei erinnerte ihn die kühle Fußfessel stetig daran, dass er unter der Kontrolle des Doktors stand und nichts anderes tun konnte, als auszuharren und stoisch zu bleiben. Zeirus schwieg. Und die nächsten Stunden verbrachte Lennox damit, Schlag für Schlag das Erz abzubauen.
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