Kontrolle
„Ich will es aber nicht! Ohne ihn will und kann ich es einfach nicht!" sagte er, wahrscheinlich etwas lauter, als beabsichtigt. Ruhig legte ich ihm meine Hand auf sein Knie. „Ich weiss, es ist schwer, aber sieh ihn dir an" sagte ich und zeigte hinüber zur hellen, mit Holz verkleideten Box, des edlen Hannoveraner Rapphengstes. „er steckt voller Motivation den Leuten zu zeigen, was er kann. Er hat so wahnsinnig viel Potential. Zusammen mit dir. Aber er trauert auch. Um meinen Bruder. Genauso, wie du und ich und der Rest der ihn gekannt hat. Wir alle haben Alex geliebt." Ich merkte, wie Tränen über Sams Gesicht liefen, trotzdem nahm ich mich zusammen und sprach weiter: „Er hat dich trainiert, weil er dich geliebt hat und er ein Riesen Potential in dir und Nightstorm sah. Alles was er wollte, war dich glücklich zu machen, Dir dein Selbstvertrauen zurückzugeben." jetzt liefen auch mir Tränen über die Wange. Da er es wahrscheinlich bemerkte, griff er nach meiner Hand. Ich hatte das Gefühl, als wolle er nicht nur mich trösten, sondern sich an meiner, vom reiten rauer Hand, festhalten. Sich selbst vom fallen bewahren. Ich drehte mich zu ihm, dabei bewegte sich die Strohballe etwas in die andere Richtung, was mich aber nicht wirklich interessierte. Dann löste ich meine Hand von seiner und schloss ihn in eine feste Umarmung. Als wir einander wieder losliessen, redete ich weiter: „Weisst du, bis er dich kennengelernt hatte, dachte ich immer, er denke nur an sich und seinen Erfolg. Doch dann hat er mir damals bei einem Ausritt im Schnee, letzten Winter gestanden, dass er dich liebe. Das hat mir meine Augen geöffnet. Von da an habe ich ihn in einem anderen Licht gesehen. Doch zwischendurch hatte ich auch Zweifel. Ich dachte, er würde auch dir das Herz brechen..." ich lächelte leicht und er sah mir in die Augen. Seine schönen, braunen Augen, waren ganz glasig und rot vom weinen. „Doch jedes mal, wenn ich euch beim trainieren zusah, erkannte ich all die Liebe zwischen euch. Das hat all meine Zweifel wieder verblassen lassen." Ich drückte wieder seine Hand und lächelte dabei ganz leicht. Ich merkte, dass er es brauchte, sich an jemandem festhalten zu können. Und ich war schliesslich seine beste Freundin, schon seit dem Kindergarten. Wir gaben einander immer den Halt, den der andere brauchte. Auch, als ich vor einem Jahr unglücklich in ihn verliebt war. Doch seit dem tödlichen Autounfall meines Bruders vor einem Monat haben wir beide nicht mehr miteinander gesprochen, weil wir einfach nicht miteinander darüber sprechen konnten. Aber so tun, als wäre alles in Ordnung wäre auch nicht gut für uns gewesen. Also gingen wir uns aus dem Weg. Bis heute, als ich ihn weinend in Nightstorms Box gesehen habe.
„Denkst du, Alex hätte gewollt, dass ich mit Stormy am Turnier teilnehme?" fragte er. Dabei musste er mehrere Male laut schluchzen. Wieder nahm ich ihn in meine Arme und flüsterte „Ja, das hätte er" in sein Ohr.
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7 Tage später
Ich sass auf der hölzernen Tribüne in unserer hellen Reithalle, zwischen jubelnden, lachenden, quasselnden und vom Geschehen gefesselten Leuten. Mein Blick war fest auf den Reiter mit dem Rapphengst gerichtet. Es war Sam mit Nightstorm. Sie ritten den Parcours besser, als je jemand zuvor. In dem Moment fand ich das erste Mal, seitdem ich Nightstorm kannte, dass sein Name überhaupt nicht zu ihm passte. Er war überhaupt nicht stürmisch oder aufgedreht. Mir kam es mehr so vor, als wäre er das sanfteste Pferd, dass ich je gesehen hatte. Gerade grüsste er den Richter und trabte dann glücklich, Nightstorm lobend aus dem Dressurviereck heraus. Schnell stand ich auf, lief schnell die Treppen herunter und rannte heraus auf den Kiesplatz. Ich musste nicht lange suchen, da sah ich auch scho Sam, der Nightstorm gerade am absatteln war. Ich lief in schnellen Schritten auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Fast so schnell, dass er, mit mir amHals, beinahe rückwärts umkippte. „Du hasts geschafft!" brüllte ich ihm ins Ohr. Er schob mich von sich weg und grinste. Ich klopfte Sam noch einmal auf die Schulter, holte dann eine Bürste und begann Nightstorms Sattellage zu bürsten, da hörte ich plötzlich Sams Stimme; „Charlie? Könntest du mir, wenn die Rangverkündung vorbei ist, ein Mikrofon bringen? Ich würde dann gerne noch ein paar Worte sagen..."
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Mit dem Mikrofon in der Rechten und Nightstorm in der linken Hand lief ich in rasanten Schritten zu Sam, der gerade auf dem Podest stand und seine Preise für den ersten Platz überreicht wurden. Bei ihm angekommen übergab ich ihm Nightstorm, auf welchen er gleich aufsass. Dann gab ich ihm das Mikrofon in die Hand und lief etwas von ihm weg. Er wendete Nightstorm, der immer noch vor dem hölzernen Podest stand ab und trabte zur Mitte des Vierecks und wendete Nightstorm der Tribüne zu. Kurz schaute Sam nochmal zu mir und hielt dann das Mikrofon zu seinemMund hoch. „Ich möchte gerne euch danken, die heute mit mir mitgefiebert haben, euch die auf der Bühne gesessen seit, meinen Verwandten und freunden und natürlich Nightstorm" sagte er lächelnd und klopfte auf Nightstorms Hals.
„Aber ich möchte heute auch Alex, meinem Trainer und meiner grossen Liebe danken. Auch wenn er heute nicht dabei sein kann. Er hat mir gelehrt an mich zu glauben, er hat mich auf Nightstorm reiten lassen. Sein Pferd. Wir sind zusammen ausgeritten und haben sogar gelacht, wenn mal etwas nicht klappte. Sogar wenn Stormy mal bockte." Tränen liefen ihm über seine Wange. Er blickte zu Nightstorm herunter und streichelte sanft seine Mähne. „Und dann kam, vor noch nicht allzu langer Zeit, ein Telefon. Es hiess Alex habe ein Autounfall gehabt und sei noch auf der Unfallstelle gestorben. Ich konnte es nicht glauben. Wir haben kurz zuvor meinen Eltern unsere Liebe zueinander gestanden. Wir waren glücklicher als je zuvor. Lange habe ich mich verkrochen und mir eingeredet, er würde zu mir zurück kommen. Das tat er aber nicht. Als ich das dann verstand, habe ich begonnen wieder zu trainieren. Für dieses Turnier. Diesmal nicht mit Alex. Nur Stormy und ich. Doch ich konnte es nicht. Ich wollte ohne Alex nicht mehr am Turnier teilnehmen. Ich wollte nicht mehr leben, ohne ihn." Er schluchzte, seine Stimme war vom weinen ganz matt geworden, doch er sprach weiter „Dann erinnerte ich mich an ein Sprichwort, welches er sehr gerne zu mir sagte. Ob beim reiten, wenn etwas nicht klappte und ich aufgeben wollte oder, wenn wir gerade Hand in Hand über eine Blumenwiese liefen und ich ihm von meinen Problemen erzählte. Obwohl er nicht gut darin war, einen Rat zu geben war dieses Sprichwort immer so unglaublich wahr: „Du kannst nicht kontrollieren, was geschehen wird, aber du kannst kontrollieren, wie du damit umgehst" Dieses Sprichwort gab mir Mut und das Wissen, dass es richtig war heute an diesem Turnier teilzunehmen. Er hätte es gewollt."
Ich merkte, wie auch bei mir Tränen über mein Gesicht rollten und in den Sand unter meinen Füssen tropften. Doch ich lächelte leicht, denn ich wusste, dass Alex in Nightstorm weiterleben würde.
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