~ 7 ~
Starla
Am nächsten Tag regnete es immer noch, was mich beim Morgendlichen Lauf durch den Wald umso schneller laufen lies. Ich war dadurch eine der Ersten und lief daraufhin direkt in mein Zimmer, um mich bei einer warmen Dusche wieder aufzuwärmen.
Nachdem ich mir die schwarze Schuluniform angezogen hatte und sichergestellt hatte, dass mein Gesicht auch ganz passabel aussah, machte ich mich auf den Weg zum Speisesaal. Auf halbem Weg dorthin lief allerdings jemand in mich hinein. „Tut mir leid," sagte derjenige. Warum laufen in letzter Zeit ständig Leute in mich? War ich etwa ein wandelnder Magnet, der andere Person wortwörtlich an mich heranzog?
Als ich zu der Person aufsah, stand vor mir ein Junge, der ungefähr in meinem Alter war. „Bist du nicht eine der Neuen?" fragte er mich. Dabei sah er unglaublich gut aus. „Ja. Ich bin Starla Lightwood," stellte ich mich vor. „Ich bin Gideon Forchtenstein," stellte der Junge sich mir daraufhin ebenfalls vor. „Warst du gerade auf dem Weg zum Speisesaal?" fragte er mich. „Ja und du?" fragte ich ihn „Ich auch. Wir können ja zusammen frühstücken. Also nur wenn du willst," fügte er etwas unsicher hinzu. Anschließend machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Speisesaal. Gideon war ein angenehmer Gesprächspartner. Er war humorvoll und aufmerksam aber er konnte auch seine Meinung sagen.
Im Speisesaal holte ich mir genauso, wie gestern einen Obstsalat und einen Café. Danach ging ich Gideon hinterher zu einem Tisch, an dem zwei weitere Jungs saßen. „Bist du nicht eine der Neuen?" fragte einer der beiden mich. „Bist du Starla oder Morgana?" fragte mich der andere. „Ich bin Starla. Haben sich unsere Namen etwa schon so schnell herumgesprochen?" Ich schaute den Jungen dabei fragend an. „Hier sprechen sich Dinge immer ziemlich schnell herum," sagte Gideon daraufhin nur achselzuckend und begann zu essen.
„Hallo Schwesterherz," sagte Morgana und lies sich auf den freien Platz neben meinem fallen. „Wo ist Taran eigentlich?" fragte ich und schaute mich um. „Keine Ahnung. Vielleicht haben er und Lorian sich wieder in diesem Labyrinth namens Schule verlaufen," zuckte sie mit den Schultern und begann zu essen. „Seid ihr Geschwister?" fragte Gideon überrascht. „Sieht man uns das nicht an?" fragte ich überrascht. Morgana und ich sahen zwar nicht gleich aus, allerdings hatten wir die gleichen schwarzen Haare, ähnliche Gesichtszüge und auf den ersten Blick erschienen unsere Augen auch ziemlich ähnlich. Beim näheren Betrachten fiel allerdings auf, dass ich goldene Sprenkel in meinen Augen hatte, während Morganas Augen klar wie Kristalle leuchteten. „Ihr seht euch schon ziemlich ähnlich aber ich bin davon ausgegangen, dass ihr Cousinen seid, weil ihr so gleich alt ausseht," sagte Gideon. Morgana und ich schauten uns verwirrt an. Natürlich waren wir gleich alt. Wir waren ja auch gleichzeitig geboren. Also ich bin ein paar Minuten vor ihr geboren aber es war der selbe Tag oder besser gesagt die selbe Nacht. Wir sind nämlich zwischen 2 und 3 Uhr geboren. Laut unserer Mutter hatte es bei Tarans Geburt sogar gewittert, weshalb er den Namen Taran bekommen hatte, der Donner bedeutet. Als ich eine halbe Stunde später zur Welt kam, war der Himmel wieder klar und die Sterne schienen durch das Fenster. Morgana hieß einfach Morgana, weil unsere Eltern den Namen schön fanden.
„Müssen wir nicht demnächst zum Unterricht?" fragte einer der beiden Jungs, die neben Gideon saßen. „Ja, was habt ihr jetzt?" sagte Gideon an uns gewandt. „Naturwissenschaft," sagte Morgana nach einem Blick auf ihren Stundenplan. „Wir haben jetzt Mathe aber vielleicht sehen wir uns ja in der Mittagspause," sagte Gideon, wobei er aufstand, mein Geschirr auf Seins stapelte und alles wegräumte.
Auf dem Weg zu den Naturwissenschaftsräumen trafen Morgana und ich auf Taran und Lorian. Aus irgendeinem Grund hatte Lorian genau den gleichen Stundenplan, wie wir drei. Vermutlich war das so am wenigsten Aufwand für die Person gewesen, die die Stundenpläne erstellt hatte.
Der Unterricht war kurz gefasst langweilig. Nach Naturwissenschaft hatten wir schon wieder eine Doppelstunde Familienkunde, in der mir die Augen ständig zufielen. Die Doppelstunde Kriegsgeschichte danach lies mich wieder etwas wach werden allerdings versuchte der Lehrer nahezu, seinen Unterricht möglichst langweilig zu gestalten.
Die Mittagspause kam wie gerufen. Ich holte mir am Buffet einen Teller Kuskus mit orientalischem Gemüse und setzte mich gemeinsam mit Morgana an den Tisch zu Gideon und seinen zwei Freunden. „Können wir uns auch zu euch setzen?" fragten Rebekka, Cindy und Stella. Ich zuckte mit den Schultern und deutete auf die freien Plätze, was die drei verstanden und sich neben mich setzen. „Familienkunde war heute sowas von zum einschlafen," sagte Stella und aß daraufhin ein Stück von ihrem Quiche. Ich stimmte ihr nickend zu. „Zum Glück habe ich für heute keine Schule mehr," sagte Rebekka glücklich.
Ich hatte am Nachmittag noch vier Stunden Magische Verteidigung. „Hey Leute," begrüßte Taran uns gut gelaunt und setzte sich gegenüber von Morgana. „Wo hast du den Lorian gelassen?" fragte Morgana mit hochgezogener Augenbraue. „Der wollte zuerst seine Bücher in sein Zimmer bringen und dann kommen," sagte Taran und begann dann den Berg an essen in sich hinein zu schaufeln. „Und Leute habt ihr schon jemanden, mit dem ihr zum Winterball gehen könnt?" fragte Rebekka die anderen am Tisch. „Der ist doch erst in fünf Wochen," sagte Gideon verwirrt. „Was ist das überhaupt?" fragte Taran verwirrt. „Der Winterball ist ein Ball vor den Weihnachtsferien. Man tanzt ein bisschen, macht viele Fotos und die Jungs müssen Dates für den Abend haben sonst wird man total komisch angeschaut," erklärt der Blonde von Gideons Freunden. Der Andere hatte wie Gideon braune Haare. Tarans Miene wurde immer geschockter. „Ich habe mir aber vorgenommen, das nächste halbe Jahr kein Date zu haben," sagte er. „Wieso das denn?" fragte Lorian, während er sich mir gegenüber hinsetze. „Seine Freundin hat vor zwei Wochen Schluss gemacht," erklärte Morgana weil Taran in Gedanken versunken zu sein schien. „Dann such dir ne neue," zuckte Lorian mit den Schultern. „Das geht nicht so einfach, wenn man drei Jahre mit jemandem zusammen war," sagte Taran leicht verzweifelt. „Immerhin bin ich jetzt nicht mehr die einzige, die Spaß auf Partys haben kann. Jetzt kannst du unbeschwert so viel trinken und mit allen hübschen Mädchen rum machen, ohne danach ein schlechtes Gewissen zu haben," sagte Morgana und grinste ihn an. Es war tatsächlich meistens so, dass Taran zum Kämpfen in den fetten Raben gekommen war und Morgana und ich zum feiern. Wobei Morgana deutlich öfter als ich mit irgendwem rumgemacht hatte. „Gibt es hier in der Nähe eigentlich so etwas wie einen Club oder feiert ihr irgendwann mal eine Party oder so?" fragte Morgana „Sorry Süße aber hier gibt es weit und breit nur Bäume und Partys gibts nur, wenn irgendwer den Direktor überreden konnte." Gideon grinste Morgana dabei an, was dieser zu gefallen schien, da sie sofort begann, mit ihm zu flirten. „Wie kann man den Direktor den zum Beispiel überreden?" fragte Lorian und unterbrach dabei Morganas Flirtereien. „Wenn du zum Beispiel Geburtstag hast und deine Eltern den Direktor ganz freundlich bitten, dass du deinen Geburtstag mit ein paar Freunden feiern willst," sagte Gideon schulterzuckend an Lorian gewandt. „Wann hast du den Geburtstag?" fragte einer von Gideons Freunden ihn. „Ich habe am 30. November Geburtstag," sagte er. „Das ist doch nächsten Samstag," sagte Rebekka überrascht. „Ja, ich kann den Direktor auch fragen ob ich meinen Geburtstag feiern darf aber meine Eltern haben definitiv besseres zu tun als mir eine Erlaubnis zu beschaffen, meinen Geburtstag zu feiern." Anschließend diskutierten die anderen noch weiter, wie man den Direktor am besten überreden konnte.
Es war schön, mit Freunden am Tisch zu sitzen und über eine simple Sache wie eine Party zu reden. Taran ging meinen Blick auf. Er war auch glücklich. Ich lächelte leicht und mein Blick wanderte wie automatisch zu Gideon. Das Grün in seinen Grünbraunen Augen schien zu leuchten. Ich könnte eine Ewigkeit in diese Augen starren.
„Wie ich sehen kann, haben wir vier neue in unserem Kurs. Die anderen können schon einmal anfangen und sich einen Partner suchen, mit dem ihr diese Stunde trainieren wollt," sagte der Lehrer am Anfang der Stunde. Er war gebaut wie ein Schrank und schien ziemlich streng zu sein. „Was für Fähigkeiten besitzt ihr?" fragte der Lehrer. „Ich habe Photokinese," sagte ich, woraufhin der Lehrer nickte. Vermutlich dachte er, dass ich es ein bisschen dunkler und heller machen konnte, wie die meisten Leute mit Photokinese. Allerdings war ich auch in der Lage, mit einem Schatten wortwörtlich zu verschmelzen. Wie das möglich war, als dreidimensionaler Mensch zu einem Schatten zu werden, war immer noch nicht geklärt. Ich konnte zum Beispiel auch mit dem Schatten von einem Menschen verschmelzen und wenn er sich fortbewegte, bewegte ich mich mit ihm ohne etwas zu machen. In der Nacht waren so viele Schatten vorhanden, dass ich einfach mit meiner Umgebung verschmelzen konnte. Allerdings war meine Hauptbegabung, dass ich das Licht manipulieren konnte. Die Schatten waren nur ein kleiner Extra, den ich besonders mochte.
Als Taran sagte, seine Fähigkeit wäre Elektrokinese, witzelte der Lehrer, dass Taran das Licht aus und an machen konnte. Allerdings bedachte er dabei nicht, dass Leute mit Elektrokinese nicht nur in der Lage waren, Elektrizität zu kontrollieren, sondern auch selber Elektrizität produzieren konnten und in Tarans Fall konnte er sie als Blitze benutzen. Andere mit dieser Begabung konnten die Elektrizität auch als Kugeln benutzen. Morganas Psychokinese quittierte er mit einem Nicken und Lorians Kräftereplikation mit einer hochgezogenen Augenbraue. Lorian war anscheinend in der Lage, sämtliche Fähigkeiten von seinem Gegenüber zu kopieren und sie selbst einzusetzen. Seine Fähigkeit war einerseits ziemlich mächtig allerdings auch ziemlich unnütze, wenn er die Fähigkeit nicht richtig anwenden konnte oder sein Gegenüber überhaupt keine Fähigkeiten besaß. „Ich überlasse es euch, mit wem ihr trainieren wollt," sagte der Lehrer noch und wandte sich dann den anderen Schülern zu. „Ich mache mit Taran," meldete sich Morgana zu Wort. Dann musste ich wohl oder übel mit Lorian trainieren.
„Wieso habt ihr dem Lehrer nicht gesagt, dass ihr die Gefühle anderer in deren Augen ablesen könnt?" fragte Lorian mich auf dem Weg zu einer hinteren Ecke. „Weil wir das niemandem sagen. Unsere Eltern sind eigentlich die Einzigen, die davon wissen," sagte ich und schaute ihm dabei in die Augen, in denen ich Verwirrung und noch etwas anderes sah, das ich nicht einordnen konnte. „Wieso sagt ihr das niemandem?" fragte er und die Ahnung der Erkenntnis nahm in seinen Augen zu. „Wenn die Menschen wissen würden, dass wir ihre Gefühle in ihren Augen lesen können, würden die Meisten unsere Blicke meiden. Außerdem finden es viele nicht so toll, wenn jemand ihre wahren Gefühle kennt und deshalb haben wir irgendwann beschlossen, dass wir es niemandem sagen," sagte ich achselzuckend. Lorian nickte, wobei in seinen Augen die Verständnis aufleuchtete.
Anschließend fingen wir an zu kämpfen, wobei Lorian ein wirklich guter Kämpfer war. Er hatte in Kürze herausgefunden, wie man die Lichtverhältnisse hier ändern konnte. Allerdings gelangen ihm die Feinheiten noch nicht so gut, weshalb er ein paar Mal die ganze Sporthalle in komplette Finsternis tauchte.
In der Zeit schlug ein Junge mit überdurchschnittlicher Stärke, ein Mädchen so stark, dass sie in die Luft geschleudert wurde und sich den Arm brach. Ich sah in Lorians Augen einen Funken Reue, den er allerdings sofort verschwinden lies, als er merkte, dass ich ihn anschaute. Er war wirklich gut. Ohne, dass ich etwas erwähnt hatte, hatte er gemerkt, dass man seine Gefühle verstecken konnte und konnte dies anscheinend auch sehr gut. Hatte er dies auf seiner alten Schule gelernt?
„Ich muss sagen, dass es irgendwie Spaß macht, mit dir zu kämpfen," sagte Lorian in einer Trinkpause. Ich zog meine rechte Augenbraue hoch „Weil ich auch zuschlage, wenn ich die Chance dazu habe und keine Rücksicht auf dein Königliches Befinden nehme Prinz?" fragte ich und musterte ihn kritisch. „Meinem Königlichen Befinden geht es bestens Prinzessin," sagte er und benutzte dabei wieder meinen supertollen Spitznamen. Ironie lässt grüßen. „Kannst du dir nicht einen neuen Spitznamen für mich ausdenken?" fragte ich. „Wieso? Du nennst mich auch Prinz obwohl es wesentlich bessere Namen für mich gibt," sagte er schulterzuckend. „Was würdest du denn für Namen vorschlagen?" fragte ich und nahm einen großen Schluck von meiner Wasserflasche. „So etwas wie großartiger Lorian oder so etwas wie der coole Lorian wäre auch okay." Zum Glück schaffte ich es gerade noch so, mein Wasser runterzuschlucken, sonst wäre Lorian jetzt nass. Wobei so schlimm wäre das gar nicht mal. Allerdings musste ich dadurch ziemlich husten. „Oder Selbstverliebter, eingebildeter Prinz? Wie kommt man eh auf so etwas wie der coole Lorian?" fragte ich als ich mich wieder beruhigt hatte. „Das wären zumindest eine gute Alternativen für Prinz," sagte er und stellte seine Trinkflasche wieder zurück.
„Kopierst du eigentlich auch die Stärke der Fähigkeiten?" fragte ich auf dem Weg zurück zu unserem Übungsplatz. „Nein. Ich nehme dazu meine Magie, die eine gewisse Stärke hat. Manche Menschen haben nur eine schwache Begabung zu irgendwas und wenn ich diese Begabung kopiere, dann kann es sein, dass ich mehr damit anfangen kann, als die Person, von der ich die Magie kopiert habe," sagte er achselzuckend. In seinen Augen schwang dabei ein Funken Stolz mit. War er stolz darauf, dass andere schwächer waren, als er oder war er einfach nur stolz darauf, dass er coole Fähigkeiten hatte?
Den Rest der Stunde trainierten wir einfach normal weiter, wobei Lorian die ganze Zeit besser war als ich. Er plante taktisch vor, wie er mich am besten besiegen konnte und überraschte mich dann jeden Mal aufs Neue. Allerdings würde ich ihm das nur über meine Leiche erzählen.
Ich war keine Person, die nicht verlieren konnten. Ich mochte es natürlich nicht, konnte mir eine Niederlage aber auch eingestehen und streng genommen hatte er auch nie direkt gewonnen, weil ich ihm immer ausgewichen war, allerdings hätte er mich bei einem richtigen Kampf zuerst getötet, bevor ich die Chance dazu gehabt hätte. Das hieß aber nicht, dass ich ihn nicht das ein oder andere Mal getroffen hätte.
Nachdem ich ihn mit meiner Faust in die Magengrube getroffen hatte, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue „geht es eurer königlichen Hoheit gut oder war das ein bisschen zu fest?"
Bevor Lorian allerdings etwas erwidern konnte, sagte der Lehrer: „Die erste Doppelstunde ist vorbei. Ihr wisst ja, in welchen Gruppen ihr jetzt seid. Lorian, Taran, Starla und Morgana ihr könnt noch kurz bleiben." Während einige in der Halle blieben, gingen andere zu den Umkleiden. „Ich habe vorhin gesehen, dass ihr alle schon ziemlich fortgeschritten seid. Wenn ihr also wollt, könnt ihr jetzt in den nächsten zwei Stunden entweder nach draußen gehen und mit der Klasse über euch trainieren oder ihr bleibt hier und trainiert mit den Fortgeschrittenen aus dieser Stufe. Allerdings seid ihr vom Niveau ziemlich viel besser als die aus dieser Stufe." Wir alle schauten den Lehrer verdutzt an. Mir war gar nicht aufgefallen, dass die anderen Schüler so viel schlechter waren als wir. „Also ich würde mir den Unterricht von der Stufe über uns anschauen," sagte Taran und schaute uns dabei an. Wir anderen nickten zustimmend und liesen uns dann den Weg erklären. Anscheinend trainierte die Stufe über unseren irgendwo draußen im Wald.
Als wir den Lehrer der anderen Klasse gefunden hatten, und ihm erklärt hatten, weshalb wir da waren sagte er:„Okay, also im Moment trainieren nur die, die am Ende vom Schuljahr beim Wettkampf der Schulen mitmachen und wir machen gerade einen Stationslauf durch den Wald. Der Start ist hier und das Ziel ist, möglichst schnell durch zu kommen. Dabei ist es erlaubt, andere Schüler anzugreifen. Wenn ihr wollt könnt ihr gerade zu viert als eine Gruppe mitmachen. Es gibt nämlich zwei Dreiergruppen, die gegeneinander antreten und zu der ersten Station gelangt ihr, wenn ihr zwei Kilometer in Nordöstliche Richtung geht," sagte er und lies uns dann unser Vorgehen besprechen. „Wo ist Nordosten?" fragte Morgana uns. Ich musterte kurz die Bäume und danach den Himmel, an dem die Sonne zwischen zwei Wolken durchschien. „Dort ist Nordosten," sagte ich und zeigte in die angegebene Richtung. „Haben wir eigentlich so etwas, wie eine Strategie?" fragte Morgana. „Ich würde sagen, dass Starla die Schatten der Bäume größer macht und dann in ihnen schnell zu der Station geht und schaut, wo wir als Nächstes hin müssen. Wir anderen laufen währenddessen auch in die Richtung, damit Starla einen kürzeren Weg zurück haben wird," sagte Taran und schaute uns dabei fragend an. „Und was ist, wenn wir dort etwas als Gruppe zusammen machen müssen?" fragte ich. „Ok, wir joggen in die Richtung," sagte Taran.
Kurze Zeit später trat ich in die Schatten des Waldes. Es war, als würde man einen dunklen Raum betreten. Ich sah die Landschaft nun aus einer anderen Perspektive und ich fühlte mich auch leichter. In dem Schatten der Bäume kam ich nun viel schneller voran und wenn mir eine Barriere aus Licht den Weg versperrte, ging ich entweder kurz aus dem Schatten hinaus und in den nächsten wieder hinein oder ich vergrößerte den Schatten, in dem ich mich befand.
Ich hatte die anderen schon lange hinter mir gelassen und wusste instinktiv, dass ich bald da war. Normalerweise konnte ich Entfernungen nicht gut einschätzen. Allerdings funktionierten meine Sinne in den Schatten anders.
Als ich an der Lichtung ankam, war dort ein Zettel, auf dem Stand, dass wir von hier aus einen Kilometer nach Osten gehen sollten. Anschließend ging ich in den Schatten wieder zu den Anderen zurück. „Und?" fragten sie, als ich vor ihnen aus den Schatten auftauchte. „Von dort aus sollen wir einen Kilometer nach Osten gehen," sagte ich. Lorian hatte mittlerweile eine App auf seinem Handy installiert, bei der man Dinge, wie drei Kilometer nach Norden eingeben konnte und die einen dann führte. „Ok der schnellste Weg geht dort entlang," sagte er und zeigte nach links.
Wir waren schon nach wenigen Minuten am besagtem Ort. In einer Tanne hing hoch oben ein Zettel, den Morgana innerhalb weniger Sekunden zu uns herunter fliegen lies. Auf dem Zettel stand folgt dem Bach nach oben bis zum nächsten Zettel. „Wo ist hier ein Bach?" fragte Taran. Wir anderen zuckten nur mit den Schultern. Als wir allerdings für einen Moment still waren, hörten wir es in der Nähe plätschern. Morgana lies den Zettel wieder nach oben fliegen und dann gingen wir in die Richtung, aus der das Plätschern kam.
Als wir den Bach nach oben liefen hörten wir nach einiger Zeit Geräusche. „Das sind wahrscheinlich die anderen zwei Gruppen," sagte Morgana. „Also entweder schleicht sich Starla als Schatten rein und schaut, wo wir als Nächstes hin müssen oder wir gehen als Gruppe rein und sorgen für ein bisschen Verwirrung," sagte Taran und schaute uns erwartungsvoll an. „Kannst du mir eigentlich zeigen, wie das mit dem zum Schatten werden funktioniert?" fragte Lorian mich. „Nope. Wenn du es nicht von alleine hinbekommst, wirst du es wohl nie lernen," sagte ich und schaute ihm dabei in die Augen damit er sah, wie ernst es mit war. „Wieso nicht," fragte er, wobei ich Verwirrung und einen Funken Wut in seinen Augen sah. Wieso war dieser Typ denn jetzt wütend auf mich? Irgendwie verstand ich ihn nicht. „Weil es für mich selbst ein zu hohes Risiko wäre, dir zu zeigen wie das funktioniert," sagte ich „und für dich kann das auch ein Risiko sein," fügte ich noch hinzu. „Ich gehe gerne Risiken ein," sagte er und zwinkerte mir dabei zu. „Ich auch aber nicht solche," sagte ich und ignorierte sein Zwinkern. „Leute, was wollen wir jetzt machen?" fragte Morgana und unterbrach uns somit. „Ich würde vorschlagen, dass Starla durch die Schatten dort hin geht und schaut, wo wir hin müssen. Letztendlich geht es ja darum, dass wir als erstes im Ziel sind und nicht darum, die anderen Gruppen auszuschalten," sagte Lorian. „Ich denke auch, dass es cool wird, die Gesichter der anderen Gruppen zu sehen wenn wir sie still und heimlich umgehen, während sie sich gegenseitig bekämpfen," sagte ich grinsend.
Gesagt, getan: ein paar Minuten später war ich an der Lichtung und sah aus dem Augenwinkel, wie sich mehrere Personen auf der Lichtung gegenseitig bekämpfen. Der Zettel war anscheinend in der Hütte am Rand der Lichtung. Ich versuchte die Lichtverhältnisse so zu verändern, dass es niemand bemerken würde, dass sich die Schatten am Waldrand unnatürlich verzogen.
In der Hütte war tatsächlich ein Zettel auf dem stand: folgt dem Bach nach oben bis zu der nächsten Brücke.
Ich ging auf dem gleichen Weg wie ich gekommen war auch wieder zurück zu den Anderen. „Und?" fragte mich Morgana gespannt, als sie mich sah. „Wir sollen dem Bach bis zu der nächsten Brücke folgen," sagte ich. „Dann müssen wir einen kleinen Bogen gehen, um den anderen aus dem Weg zu gehen," sagte Lorian. „Ich würde vorschlagen, dass wir den Bach überqueren," sagte Morgana. „Wie willst du das machen?" fragte Lorian und schaute sie kritisch an. Morgan verschob daraufhin ein paar Größere Steine so, dass man problemlos über ihnen den Bach überqueren konnte.
Als wir drüber waren, verschob Morgana die Steine wieder in ihre Ursprungsform. Daraufhin folgten wir dem Bachlauf weiter nach oben, wobei wir einen kleinen Umweg nahmen, damit die Anderen uns nicht entdeckten. „Hat Starla nicht eigentlich das Sinnvollste Talent von euch drei?" fragte Lorian als wir die anderen Gruppen hinter uns gelassen hatten und dem Bachverlauf nach oben folgten. „Wie man es sieht," sagte Morgana. „Wenn es ums Spionieren geht ist ihr Talent das Beste. Allerdings könnten sowohl ich als auch Taran sie mit einem Schlag umbringen, während sie nur die Umstände zu ihrem Gunsten verändern kann," sagte Morgana. „Jup, die zwei haben Fähigkeiten, die sie zum Angriff benutzen können, während meins nur gut zur Flucht ist. Allerhöchstes kann ich mich gut anschleichen, was mir aber nicht viel hilft, wenn ich dann vom Blitz erschlagen werde," sagte ich schulterzuckend. „Allerdings kannst du auch einfach die ganze Zeit in den Schatten bleiben und warten, bis wir keinen Bock mehr haben und unaufmerksam werden," sagte Taran. „Euch drei will man wirklich nicht zum Feind haben," sagte Lorian und grinste uns schief an. Sofort musste ich daran denken, dass Lorian und Taran die Thronerben von zwei Ländern waren, die in der Vergangenheit nicht unbedingt die besten Beziehungen zueinander hatten. Und es streng genommen immer noch nicht haben.
Dadurch waren wir drei indirekt Lorians Feinde. Vielleicht würde es mit den beiden als Könige auch zum ersten Mal gute und Freundliche Beziehungen zueinander geben. Dies konnte allerdings nur passieren, wenn Lorian mal begann der zu sein, der er wirklich war. Es war nur eine Vermutung aber irgendwas sagte mir, dass Lorian ziemlich viel nur spielte und hinter seiner Fassade eigentlich mehr steckte, als er vorgab. „An was denkst du Prinzessin?" riss mich Lorians Stimme aus meinen Gedanken. „Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass du dir einen neuen Spitznamen ausdenken sollst," sagte ich mit einem genervten Unterton. „Und an was hast du jetzt gedacht?" fragte er ebenso genervt. „Ich habe an die Zukunft gedacht. Wie es wohl wird, wenn du König wirst," sagte ich schulterzuckend. „Die Zukunft also," sagte er und wirkte dabei selbst ein bisschen gedankenverloren. „Ehrlich gesagt habe ich überhaupt keine Vorstellung, wie meine Zukunft werden wird." Während er das sagte, konnte ich so viele unterschiedliche Gefühle in seinen Augen sehen, dass ich sie gar nicht richtig zuordnen konnte. So viele Gefühle hatte ich selten auf einmal in den Augen von irgendwem gesehen.
Bevor ich noch irgendwas auf Lorians Aussage erwidern konnte, kam auch schon die Brücke in Sicht.
Auf der Brücke stand der Lehrer und schaute uns komplett verdutzt an. „Wieso wart ihr so schnell?" fragte er uns. „Es gab nicht die Regel, dass man sich nicht aufteilen darf. Deshalb haben wir Starla manchmal vorgeschickt und sind dann ein paar Abkürzungen gegangen. Dem Kampf, den sich die anderen Gruppen geleistet haben, sind wir komplett aus dem Weg gegangen," sagte Morgana schulterzuckend. „Aber wart ihr auch bei allen Stationen? Auch bei der Hütte?" fragte der Lehrer weiter. „Ich habe mich alleine in die Hütte geschlichen, während die Anderen auf mich gewartet haben," sagte ich schulterzuckend. „Also habt ihr die anderen Gruppen umgangen?" fragte der Lehrer uns überrascht. „Die Aufgabe war ja, so schnell wie möglich hier durch zu kommen," sagte Lorian „und nicht, die anderen Gruppen davon abzuhalten durchzukommen," fügte Taran hinzu. „Auf die Idee ist bis jetzt noch niemand meiner Schüler beim ersten Mal gekommen," sagte der Lehrer und schaute uns stolz an.
Als die anderen beiden Gruppen einige Zeit später auch kamen, waren sie ziemlich überrascht, als sie hörten, dass wir uns an ihnen vorbeigeschlichen hatten.
9.1.2021
9.3.2022
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