~ 6 ~
Starla
Um sechs Uhr klingelte mein Wecker. Am liebsten hätte ich ihn wieder aus geschaltet und wäre wieder ins Land der Träume gegangen. Ich hatte irgendwas schönes geträumt, wusste allerdings nicht mehr, was es war.
Als ich mich endlich aufgerafft hatte, ging ich zuerst ins Bad. Morgana stand bereits vor dem Spiegel und schminkte sich. Während sie sich einen perfekten Liedstrich zog, sagte ich: „Dir ist schon klar, dass wir jetzt erst einmal eine Halbe Stunde durch den Wald rennen werden. Willst du dich da wirklich schminken?" fragte ich sie kritisch. „Ich möchte beim Rennen ja nicht so fertig aussehen, wie ich mich wahrscheinlich fühlen werde," sagte sie, während sie ihren zweiten perfekten Lidstriche mit dem Kajal zog. „Also ich habe eh vor, mich nach dem Joggen nochmal kurz zu duschen," sagte ich und band meine Haare dabei zu einem Zopf zusammen.
Um halb sieben standen Morgana und ich gemeinsam an dem Sportplatz und warteten darauf, dass die anderen Schüler losrannten. Alle Schüler hatten die Schwarze Sportbekleidung an, die zu der Uniform der Schule gehörte. „Seid ihr nicht zwei der neuen Schüler?" fragte ein rothaariges Mädchen uns. „Ja wieso?" fragte Morgana. „Naja also anscheinend kennt euch niemand hier und man weiß auch sonst nichts über euch," redete das rothaarige Mädchen los. Dabei warf sie einige Blicke zu zwei weiteren Mädchen. „Ich bin Morgana und das ist Starla," stellte Morgana uns vor. „Wir sind mit dem Schulleiter verwandt, weshalb wir so spontan noch auf die Akademie wechseln konnten," fügte ich hinzu und unterdrückte dabei ein Gähnen. Es war einfach zu früh um in der Kälte rumzustehen. „Ich bin übrigens Rebekka," stellte sich das Mädchen uns vor. Bevor wir allerdings noch weiter reden konnten, fingen die anderen Schüler schon an zu rennen.
Morgana und ich rannten einfach der Menge hinterher.
Nach einigen Metern lies ich Morgana hinter mir, da sie ständig gähnen musste und heute anscheinend nicht so fit war.
Ein paar Meter vor mir sah ich Taran gemeinsam mit Lorian. Es war fast ein bisschen ironisch, die Erben der zwei am längsten miteinander verfeindeten Königreiche friedlich nebeneinander zu sehen. Als ich bei den beiden war, passte ich mein Tempo ihrem an. „Wo hast du Morgana gelassen?" fragte Taran mich. Er keuchte auch schon ein bisschen aber nicht so stark wie Morgana vorhin. „Die konnte nicht mehr," sagte ich kurz angebunden. „Und du hältst noch durch Prinzessin?" fragte mich Lorian, der auf der anderen Seite von Taran rannte. „Wieso nennst du mich Prinzessin?" fragte ich verwirrt. Wusste er etwa, wer wir waren? „Der Name passt irgendwie zu dir," sagte Lorian schulterzuckend. „Wenn Eure Königliche Majestät davon überzeugt seid kann ich euch wohl nicht davon abhalten, mich bei einem Namen zu nennen, den ich nicht mag," sagte ich und betonte das Königliche Majestät besonders. „Wäre dir Sternchen lieber?" fragte Lorian weiter. Sofort musste ich an Onkel Philipp denken. Er hatte mich früher immer Sternchen genannt. „Nein, Sternchen wäre mir nicht lieber. Denk dir was neues aus Prinz," sagte ich und Beschleunigte daraufhin mein Tempo.
Ich war bereits nach 20 Minuten am Ziel und machte mich daraufhin direkt auf den Weg in mein Zimmer, um noch zu duschen und mir die normale Schuluniform anzuziehen. Die Schuluniform war genau wie die Sportkleidung in Schwarz gehalten. Über dem Wappen der Schule stand in goldenen Buchstaben Königsberg Akademie. Bevor ich zum Frühstück ging, schaute ich mich noch ein letztes Mal im Spiel an und checken, ob alles auch richtig saß.
Der Speisesaal war komplett mit Schülern gefüllt. Nachdem ich mir einen Obstsalat und eine große Tasse Café geholt hatte, schaute ich mich im Raum um.
An dem Platz, an dem ich gestern schon mit den anderen saß, war eine Menschentraube um Lorian versammelt. Kurzerhand beschloss ich, auf das Rothaarige Mädchen von vorhin und ihre zwei Freundinnen zu zu gehen. „Ist der Platz noch frei?" fragte ich und deutete auf den Platz neben den Drei. „Ja natürlich," sagte eine von ihnen. „Was hast du als Nächstes?" fragte das blonde Mädchen, das neben Rebekka saß. „Hier steht Familienkunde drauf," sagte ich nach einem Blick auf den Stundenplan, der auf meinem Schreibtisch in meinem Zimmer lag. „Das habe ich jetzt auch," sagte das blonde Mädchen und lächelte mich freundlich an. „Wie heißt du eigentlich?" fragte ich sie, als mir auffiel, dass ich nur Rebekkas Namen kannte. „Ich bin Stella Mandeville," stellte sie sich vor „bist du dann mit Josephine verwandt?" fragte ich, da ich mich noch an das Mädchen aus dem Zug, mit den fielen Namen, erinnerte. „Ja, Josephine ist meine große Schwester," sagte Stella und in ihren Augen sah ich, dass die Erwähnung ihrer Schwester eher negative Gefühle hervorrief. Es war kein Hass, sondern eine leichte Abneigung. „Sie macht dieses Jahr zum Glück ihren Abschluss und dann können wir das letzte Jahr genießen," mischte sich die Brünette, die sich mir als Cindy Cardona vorgestellt hatte, in das Gespräch ein. „Sie ist nicht einmal die Erbin von den Mandevilles aber führt sich auf, als wäre sie die Thronerbin von Barvella," beschwerte Cindy sich.
„Müssen wir nicht demnächst zum Unterricht?" fragte ich und schaute dabei auf meine Uhr.
Stella und ich kamen zum Glück pünktlich zu Familienkunde. Dort traf ich als erstes Morgana, die mir vorhin geschrieben hatte, dass ich ihr einen Apfel und Café mitbringen sollte.
Wir setzten uns in die erste Reihe und Morgana begann, ihren Café zu trinken. Anscheinend wurde dieses Fach von der Direktorin, Bonafila unterrichtet, da diese wenige Minuten später den Raum betrat. „Ich weiß, das ist dein erster Schultag aber das Frühstück ist vorbei und ich würde dich bitten, in der Pause weiter zu trinken Morgana." Morgana schaute Bonafila daraufhin geschockt an und trank den Café schnell leer.
„Also Wie die Meisten von euch wissen, gibt es zehn große Adelsfamilien. Die Forchtensteins, die Cardonas, die Miravalles, die Ivreas, die Austuriens, die Mandevilles, die Trevelyans, die Seymours, die Kornellis und die Lightwoods. Die Oberhäupter der jeweiligen Familien sind eigentlich immer Gräfe und die Gräfe sind den Königsfamilien untergeordnet. In Barvella sind das die Durados und in Iskariot sind das die Murrays. Heute wollen wir darüber reden, welche Auswirkungen der Tod von Prinz Philipp von Barvella auf die Machtverhältnisse im Land hat." Bonafila wurde unterbrochen, als sich die Türe öffnete und Taran und Lorian eintraten. „Wir haben den Raum nicht gefunden," entschuldigte sich Taran. „Nicht so schlimm. Dafür dürft ihr der Klasse jetzt in zehn Minuten erklären, wie sich die Machtverhältnisse durch den Tod von Prinz Philipp von Barvella geändert haben," sagte Bonafila, woraufhin die beiden sie im ersten Moment verwirrt anschauten. Als sie verstanden hatten, dass dies kein Witz war und was genau von ihnen erwartet wurde fragte Lorian:„Dürfen wir die Tafel dafür benutzen?" Bonafila nickte nur und zog sich in den hinteren Teil des Klassenzimmers zurück. In diesem Kurs waren vielleicht 15 Schüler, die gespannte nach vorne schauten und Taran und Lorian dabei beobachteten, wie sie etwas an die Tafel zeichneten und sich während dessen leise unterhielten. „Wie ihr alle wahrscheinlich wisst, war Prinz Philipp von Barvella der Kronprinz von Barvella. Wäre er nicht gestorben, wäre er also König geworden. Allerdings war er nicht verheiratet und hatte keine Kinder, weshalb sein jüngerer Bruder Damian nach seinem Tod sowieso König geworden wäre und anschließend wäre der älteste Sohn oder die älteste Tochter von Prinz Damian der nächste Thronfolger geworden." Taran zeigte Während dessen auf den Stammbaum, den die Beiden an die Tafel gezeichnet hatten. „Im Grunde genommen ist jeder in der Thronfolge einen Platz nach oben gerückt. Was für wirtschaftliche Auswirkungen das haben wird, kann man im Moment nicht genau sagen, da sich Prinz Damian und seine Frau Lucina vor einigen Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen haben und man somit auch nicht wissen kann, wen sie unterstützen und wen nicht," führte Lorian weiter aus. „Allerdings kann man sagen, dass die Lightwoods dadurch an Bedeutung zugenommen haben, da Lucina, die Frau von Damian, die Schwester von Graf Lucian Lightwood ist." sagte Taran und schaute dabei auf seine Uhr. „Eine Minute noch," sagte er leise zu Lorian „habt ihr noch Fragen?" fragte Lorian und schaute fragend in die Klasse. Ein Mädchen mit braunen Haselnuss farbenem Haar meldete sich. „Ja?" fragte Lorian in ihre Richtung. „Wer wäre der nächste Thronfolger von Barvella geworden, wenn Prinz Philipp der einzige Sohn von König Winston gewesen wäre?" fragte das Mädchen. „Dann wäre Anna, die kleine Schwester von König Winston als Nächstes dran gewesen und danach ihre älteste Tochter, die soweit ich weiß wiederum zwei Söhne hat," sagte Taran. Das Mädchen nickte daraufhin nur und widmete sich wieder ihrem Sitznachbar, mit dem sie in ein Gespräch vertieft war. Das Thema um die Adelsfamilien war ziemlich langweilig, weil eigentlich jeder hier aus einer Familie kam oder mit einer irgendwie verbunden war. Man wuchs somit schon mit dem Thema auf und kannte die Familienfehden und die Machtkämpfe innerhalb der Familien schon von Geburt an. Es kam auch nicht selten vor, dass innerhalb der Familien die älteren herausgefordert wurden. Wenn der zweitgeborene zum Beispiel sehr viel Mächtiger war als der älteste, konnte er den älteren herausfordern und wenn er den Älteren besiegte, durften die restlichen Mitglieder der Familien abstimmen, wer ihr nächster Anführer werden sollte. Diese Herausforderungen konnten allerdings nur unter den ersten vier stattfinden. Die einzige Ausnahme bildeten die Königsfamilien, bei denen unabhängig von Macht immer der Erstgeborene der nächste König wurde.
Den Rest der Stunde erzählte uns Bonafila etwas über die Königshäuser auf der ganzen Welt und zum Schluss kündigte sie noch unsere nächste Arbeit an, die wir in zwei Wochen schreiben würden.
„Taran, Lorian, Starla und Morgana könnt ihr noch kurz bleiben?" fragte Bonafila uns nach der Stunde. „Ich wollte euch nur sagen, dass wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr irgendwo nicht mitkommt, könnt ihr euch jederzeit bei mir melden und ich werde dann schauen, dass ihr gegebenenfalls Nachhilfe bekommt," sagte sie. Wir nickten daraufhin nur verstehend und gingen in die Pause.
Stella hatte freundlicherweise vor der Türe auf mich gewartet. Allerdings stellte sich heraus, dass sie jetzt Literatur hatte und ich Wirtschaft. Also verabschiedete sie sich und ich ging zu meinen Geschwistern, die den gleichen Stundenplan hatten, wie ich. „Wist ihr, wo dieser Raum ist," fragte ich und schaute die Anderen fragend an. „Ich glaube, dass der ein Stockwerk höher ist," sagte Morgana „allerdings kann es sein, dass du auch schon am Raum vorbei gelaufen bist," sagte Lorian und grinste mich dabei an. „Soweit ich mich nicht irre, bist du auch am richtigen Raum vorbei gelaufen," sagte ich mit hochgezogener Augenbraue. „Wieso seid ihr beide eigentlich nicht in der Lage, ein normales Gespräch miteinander zu führen," unterbrach Taran uns. „Wir unterhalten uns doch," sagte Lorian, woraufhin ich nickend zustimmte. Lorian war mir ein Rätsel. Es lag an einem Gefühl in seinen Augen, das ich nicht zuordnen konnte und das mich verwirrte. Allerdings hatte ich auch keinerlei Intention, es mir mit ihm zu vermasseln. Immerhin war er der Kronprinz von Iscariot.
Der Wirtschaftsunterricht war genauso langweilig, wie ich es mir vorgestellt hatte allerdings war der darauffolgenden Geschichtsunterricht ziemlich interessant und unser Geschichtslehrer gestaltete seinen Unterricht echt gut. Im Laufe des Tages hatte ich auch gelernt, dass hier alle Lehrer bei ihren Vornamen angesprochen wurden.
Im Matheunterricht traf ich wieder Rebekka. „Wie hast du es eigentlich schon wieder geschafft, so viele Leute kennen zu lernen?" fragte Taran mich, nachdem wir uns hinter Rebekka an einen Tisch gesetzt hatten. „Aber sie macht immer nur etwas mit Mädchen. Wenn ich mich richtig erinner habe ich Starla erst einmal mit einem Jungen rummachen sehen. Willst du uns vielleicht etwas sagen Starla," fragte Morgana grinsend mit hochgezogener Augenbraue. Wir wussten alle, dass Morgana diejenige von uns war, die mit jedem Geschlecht rum machte. Das gehörte allerdings zu den Dingen, die unter uns blieben. Wir behielten generell alle persönlichen Informationen für uns. Unsere Eltern hatten uns immer eingetrichtert, immer so wenig wie möglich über uns preis zu geben, da alles gegen uns verwendet werden konnte. „Starla hat mit weit mehr als einem Jungen rumgemacht. Du warst nur meistens zu betrunken oder nicht dabei," erklärte Taran Morgana grinsend. „Was heißt ich war nicht dabei? Habt ihr euch manchmal ohne mich aus dem Haus geschlichen?" fragte Morgana aufgebracht. „Unsere liebe Starla hat sich schon einige Male ohne uns beide aus dem Haus geschlichen. Was denkst du, weshalb ihre Kondition heute Morgen so gut war? Dachtest du, das liegt nur an ihrem Tanztraining?" fragte Taran. Woher wusste er davon?
Ich hatte mich in letzter Zeit nachts oft aus dem Haus geschlichen und hatte meistens trainiert, da meine Fähigkeiten nachts besser funktionierten. Manchmal bin ich aber auch in den fetten Raben gegangen und vielleicht gab es dort auch den einen oder anderen Typen.
„Liebe Lightwoods aus der vorletzten Reihe, würdet ihr uns den Gefallen tun und eure Privatgespräche einstellen," sagte unser Mathelehrer und unterbrach damit das Gespräch, das Morgana und Taran bis dahin über mich hinweg geführt hatten.
Den Rest des Tages hatten wir zum Glück keinen Unterricht mehr und ich besuchte Stella, Rebekka und Cindy auf ihren Zimmern, die komplett modern eingerichtet waren und ein bisschen kleiner waren als meins. Dafür hatte jeder allerdings ein eigenes Bad.
Anschließend führten sie mich noch ein bisschen in der Schule herum. „hier hängen immer alle Ankündigungen," sagte Stella und deutete auf eine Tafel im Eingangsbereich. „Findet demnächst ein Winterball statt?" fragte ich und deutete dabei auf das Poster, das vor mir hing. „Ja, der Winterball findet am Abend vor den Weihnachtsfeiern statt. Es ist eigentlich immer ziemlich schön. Alle Jungs sind dazu angehalten, für diesen Abend eine Begleitung zu finden und der ganze Saal wird winterlich geschmückt und es ist einfach ein toller Abend," schwärmte Rebekka mir vor. „Dabei hat sie vergessen zu erwähnen, dass nach wenigen Stunden immer ein Teil der Schüler betrunken ist und die Lehrer dann immer alle Hände voll zu tun haben, die betrunken in ihre Zimmer zu bringen," fügte Cindy hinzu. „Und ich musste letztes Jahr mit Andrew gehen, weil mich ansonsten kein anderer gefragt hat," sagte Stella und musterte das Plakat dabei kritisch. „Was passiert eigentlich, wenn man keine Begleitung findet?" fragte ich die drei Mädchen. „Dann sitzt du alleine am Buffet und hoffst, dass der Abend bald vorbei ist, während alle anderen glücklich mit ihrem Partner tanzen," erklärte Cindy mir.
Die drei Mädchen wollten mir eigentlich noch das Grundstück von außen zeigen allerdings regnete es in Strömen, weshalb wir beschlossen, in Rebekkas Zimmer zu gehen und bis zum Abendessen einen Film zu schauen.
Taran
Ich hatte mich gemeinsam mit Lorian an einen Tisch in der Bibliothek gesetzt, um dort unsere Hausaufgaben zu machen. Wir beide waren mittlerweile von der Aufmerksamkeit genervt, die Lorian ständig auf sich zog. Da die Bibliothek einer der ruhigeren Orte hier war und wir für unsere Hausaufgaben Bücher brauchten, war die Entscheidung schnell getroffen. „Wieso machen wir die Hausaufgaben überhaupt?" fragte Lorian irgendwann während dessen. „Gab es in deiner alten Schule keine Hausaufgaben, dir du machen musstest?" fragte ich, während ich die Matheaufgabe löste. „Doch aber ich habe sie nie gemacht. Meine Zukunft steht schon fest wieso brauche ich dafür dann gute Noten?" sagte Lorian.
„früher habe ich keine Hausaufgaben gemacht, um Aufmerksamkeit von meinem Vater zu bekommen. Später habe ich keine gemacht, da es ihn nicht interessiert hat," fügte er noch hinzu und schaute kurz auf. Ich hatte immer gedacht, dass Lorian eingebildet war aber er war sehr viel reifer als die meisten Leute, die ich in unserem Alter je getroffen hatte. Ich war sogar überrascht, dass er so reflektiert war. „Mein Vater hat mal gesagt, dass es ihm nicht darum geht, dass ich immer meine Hausaufgaben mache und gute Noten schreibe, sondern es soll darum gehen, dass ich eine positive Einstellung bezüglich Dingen entwickle, auf die ich keine Lust habe. Laut meiner Mutter ist die Schule hingegen der Ort, an dem man lernt zu lernen," fügte ich hinzu. „Deine Eltern sollten sich wirklich überlegen, ob sie nicht Motivations Coaches oder so werden wollen," sagte Lorian und widmete sich wieder seinen Aufgaben.
„Also warst du schon immer so ein Streber oder hast du die Schule auch mal geschwärzt?" fragte er mich als wir mit den Matheaufgaben fertig waren. „Ich bin kein Streber," sagte ich. „Die Streberin in der Familie war eigentlich immer Starla." Lorian nickte zwar aber bei meinen Worten veränderte sich etwas in seinem Blick. Es war eine Mischung aus Verwirrung und etwas tieferem, das er selbst offensichtlich nicht greifen konnte. Hatte es etwas mit Starla zu tun? Er kannte sie doch eigentlich gar nicht wirklich. Ich blinzelte kurz, um die Gefühle zu vertreiben.
„Ich bin fertig," sagte Lorian und packte seine Sachen zusammen. „Bist du auch fertig oder machst du deine Sachen noch fertig?" fragte er während er aufstand. „Wie viel Uhr haben wir denn?" fragte ich während ich nach meinem Handy suchte. Als ich die Uhrzeit sah, packte ich meine Sachen schnell zusammen. „Was ist? Hast du noch ein Date?" fragte Lorian mit hochgezogener Augenbraue. „Ne, ich habe Ben versprochen, mit ihm zusammen zu trainieren," sagte ich, während ich alles in meinen Rucksack stopfte und gemeinsam mit Lorian die Bibliothek verließ.
Die Trainingshalle der 10 bis 15 Jährigen war hinter dem Neubau gelegen. Wegen der Distanz zwischen den Gebäuden verspätete ich mich noch einmal mehr.
Ben saß auf den Stufen, die zum Eingang der Sporthalle führten. „Du hättest auch schon rein gehen können," sagte ich und ging die Stufen zum Eingang hoch. „Da sind schon andere drinnen," sagte Ben zögernd. „Die werden sicherlich nicht die ganze Halle brauchen," antwortete ich ihm und betrat die Halle. In der Halle waren ein paar Jungs, die in Bens Alter zu sein schienen. „Ist es okay, wenn wir mit trainieren?" fragte ich die Jungs. Der größte von ihnen drehte sich um und musterte Ben und mich. „Ich weiß nicht, ob Ben mithalten kann aber wenn ihr wollt," sagte er. Da wir bereits unsere Sportsachen an hatten, gingen wir direkt zu den anderen und legten unsere Taschen auf der Tribüne ab. Schon beim Aufwärmen bemerkte ich, dass Ben immer wieder unsicher zu den anderen Jungs schaute. „Weißt du, was viel wichtiger ist, als irgendeine Kampfkunst zu beherrschen?" fragte ich, während ich mich auf die Größe des Jungens vor mir runter beugte. Ben schaute mich nur aus seinen großen braunen Augen an. „Du musst Selbstvertrauen haben. Denn das ist es, auf was dein Gegner zuerst achtet. Wenn du dir einredest, dass du es nicht kannst, dann werden deine Gegner das merken. Also vertrau dir, dass du mehr kannst, als du denkst," sagte ich und schaute ihn ermutigend an.
„Also was ist gerade euer Thema im Unterricht?" fragte ich die Jungs, die versuchten, irgendwas zu trainieren. „Wir machen Zweikampf aber Jacob wollte uns gerade einen Salto zeigen," sagte ein blonder Junge und deutete auf den größten unter ihnen. „Du hast also die coolen Skills drauf?" fragte ich ihn, woraufhin er nur nickte. „Was hältst du davon, wenn wir noch eine halbe Stunde lang Zweikampf üben, damit ihr nächste Stunde euren Lehrer beeindrucken könnt und danach bauen wir hier in der Halle einen Parcours auf, auf dem jeder die Skills lernen und verbessern kann, die er möchte?" fragte ich die fünf Jungs vor mir, die von der Idee ziemlich begeistert zu sein schienen.
Die Grundlagen vom Zweikampf kannten die Jungs bereits. Sie durften jede Kampfsportart benutzen und wenn jemand drei Sekunden lang auf dem Boden lag, hatte der Andere gewonnen. Da es fünf Jungs waren, entschied ich, Ben gegen den Blonden antreten zu lassen und ich kämpfte gegen Jacob. „Ok. Zeig mir, was du kannst," sagte ich und stellte mich in Abwehrhaltung ihm gegenüber. Er versuchte, mich direkt anzugreifen, was ich abwehrte. Obwohl er der größte von den Jungs hier war, war er immer noch um einiges kleiner als ich. Dazu war er auch schwächer. Er versuchte immer wieder anzugreifen. Allerdings wurden seine Versuche mit der Zeit immer langsamer und ungenauer. „Der Moment, in dem du aufhörst dich zu konzentrieren, ist der Moment, in dem du verlierst," sagte ich, während ich mein Bein hinter seins stellte und ihn somit zum fallen brachte. „Aber ich kann dich nicht besiegen," sagte er während er aufstand. „Im Moment nicht aber wenn du trainierst kannst du es irgendwann also kämpfe weiter und weich aus, wenn ich angreife," sagte ich. In seinen Augen sah ich den Ehrgeiz, es schaffen zu wollen. Er konzentrierte sich wieder und griff an. Dieses Mal versuchte er auch auszuweichen, als ich ihn angriff.
Die Anderen hatten mittlerweile aufgehört zu kämpfen und schauten uns zu. „Okay Leute. Was hat Jacob gut gemacht und an was muss er noch üben?" fragte ich die vier, die zugeschaut hatten. „Er hat gut durchgehalten," sagte einer der Jungs zögernd „und weshalb hat er nicht länger durchgehalten?" fragte ich und schaute alle der Reihe nach an. „Ich hätte schneller ausweichen sollen," sagte Jacob, als niemand antwortete. „Genau. Wenn wir nachher den Parcours machen, kannst du darauf achten, möglichst schnell durch zu kommen. Wenn du willst kannst du auch joggen gehen oder Treppe laufen hilft auch," sagte ich, woraufhin er nickte. „Welches Team will als Nächstes?" fragte ich, woraufhin zwei in die Mitte auf die Matte traten, auf der ich zuvor mit Jacob gekämpft hatte.
Anschließend redeten wir noch kurz darüber, was verbesserungspotential hatte und was gut lief.
Als alle einmal gekämpft hatten und wir kurz über die Kämpfe geredet hatten, begannen wir damit, sämtliche Geräte in der Sporthalle zu einem Parcours aufzubauen.
Zwei Stunden später lief ich wieder zurück zum Hauptgebäude. Der Wind wehte die heruntergefallenen Blätter über den Platz und es war bereits dämmrig, obwohl es noch nicht sonderlich spät war. Ich atmete die frische Luft tief ein und beeilte mich. Es sah nämlich so aus, als würde es jeden Augenblick wieder anfangen zu regnen. Am Mittag hatte es nämlich angefangen, in Strömen zu regnen allerdings war gerade zum Glück eine kurze Regenpause.
Drinnen angekommen, fielen mir meine Haare in die Augen und ich musste sie mir aus dem Gesicht streichen.
Eine Gruppe von Mädchen kicherte, während sie an mir vorbei liefen. Hatte ich irgendwas im Gesicht? Vielleicht sah ich mit meinen Sportsachen und den unordentlichen Haaren auch einfach nur witzig aus. Während ich überlegte, kam eines der Mädchen auf mich zu. Sie hatte blonde Haare und große, blaue Augen. Allerdings waren ihre Augen nicht ganz so groß wie die von Zoey. „Darf ich deine Nummer haben?" fragte das Mädchen und schaute mich aus ihren Blauen Augen an. In ihrem Blick lag nichts als Neugierde und etwas Aufregung. Sie hatte keine Hintergedanken oder sonstiges, allerdings hatte ich keine Lust auf irgendwelche Mädchen, die mir ständig schrieben. „Sorry aber meine Nummer gebe ich nur meinen Freunden und Leuten, die ich gut kenne," sagte ich und lächelte ihr freundlich zu, während ich an ihr vorbei, in die Richtung meines Zimmers ging.
13.1.2021
7.2.2022
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