~ 52 ~
Starla
Ich befand mich wieder in dem Zimmer und war durch diese unsichtbaren Hände von Kaito bewegungsuntüchtig. Ich saß auf dem Boden und vor mir saß Kaito auf dem Sessel. „Ich werde dich für die Schmerzen zahlen lassen, die du mir zugefügt hast," sagte Kaito und zwang mich, meinen Mund zu öffnen, um kurz darauf seine Kronjuwelen in meinen Mund zu schieben. Die Panik und Übelkeit durchflutete mich. Ich hoffte, dass jeden Moment alles schwarz wurde und er dann aufhören würde. Doch das geschah nicht. Stattdessen hielt er plötzlich in seinen Bewegungen inne. „Ich weiß genau, wie sehr du mich umbringen willst aber dass wird nicht passieren. Immerhin hast du mich schon umgebracht," sagte er mit einem ekelhaften Grinsen im Gesicht und plötzlich quoll Blut aus seiner Schulter.
Ich schreckte hoch. Sofort war mir wieder schlecht und ich hatte den Geschmack von ihm in meinem Mund. Ich ging so schnell ich konnte ins Bad und erbrach den Inhalt meines Magens ins Waschbecken. Kurze Zeit später war Lorian auch schon bei mir und hob mir die Haare aus dem Gesicht. „Es war nur ein Traum," sagte er. Als ich mich wieder beruhigt hatte lies Lorian mich alleine um mir meinen Freiraum zu geben.
Ich atmete tief ein, wusch mir den Mund aus und putzte anschließend meine Zähne.
„Darf ich dich etwas fragen?" fragte er, als wir wieder im Bett waren. Wir lagen mit größtmöglichem Abstand da, was in diesem riesigen Bett auch sehr gut funktionierte. „Hm was?" fragte ich. Es war mitten in der Nacht und ich schaute in die Schatten über mir. „Besteht denn die Gefahr, dass du schwanger sein könntest?" fragte er zögerlich. „So weit ich weiß nicht. Der Arzt dort hat mir die Pille gegeben und dazu hat Kaito mir oft etwas gespritzt, was sicherlich nicht gesundheitsfördernd war," sagte ich. Es war komisch, dies laut auszusprechen. Den ab wenn man die Worte laut aussprach, bekam der Inhalt eine neue Realität.
Im Kopf konnte man die Dinge verdrängen und sie versuchen zu vergessen. Aber ausgesprochen ging das nicht mehr so einfach.
„Als ich begriffen habe, dass es bei den Träumen um dich ging und als ich mir immer sicherer wurde, dass es real war, von was ich geträumt habe, hatte ich Panik, dass ich nicht rechtzeitig bei dir sein kann. Ich habe versucht dir zu vermitteln, dass ich auf dem Weg war und das du durchhalten solltest aber ich glaube, dass wir durch diese Träume nicht kommunizieren können," sagte Lorian nach einiger Zeit.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Schließlich wechselte ich das Thema mit einer Frage, die mich beschäftigte seit ich in diesem Hotel hier aufgewacht war:
„Hast du schon einmal jemanden umgebracht?" fragte ich nach ein paar Atemzügen. „Ja," antwortete Lorian in die Stille. „Wie hast du es geschafft, danach wieder normal weiter zu leben?" Fragte ich. „Gar nicht. Immerhin war es ein Leben, das ich genommen habe und ein Mord gehört zu den Dingen, die man nicht rückgängig machen kann. Man kommt einfach irgendwann an den Punkt, an dem man sich entschieden muss, ob man trotzdem weiter leben will oder ob man aufgeben möchte," sagte Lorian. „Wie hast du dich entschieden?" fragte ich.
Nach einer Weile des Schweigens begann Lorian zu reden:„Als ich zwölf war, hat mein Vater entschieden, dass ich zu schwach war. Brandon hatte beim Spielen im Garten aus versehen ein Fenster eingeworfen. Als die Wachen von meinem Vater uns dazu befragt hatten, habe ich ihnen erzählt, dass ich es war." Er holte tief Luft als ob er sich für das wappnete, was er mir nun erzählen würde.
„Irgendwie hat mein Vater herausgefunden, dass ich gelogen habe. Ein paar Tage später hat er mich in sein Büro gerufen. Auf dem Boden knieten zwei Personen. Brandon und ein Wachmann, der anscheinend bei einem Wachdienst eingeschlafen war. Mein Vater gab mir einen Dolch und hat mir gesagt, dass einer von beiden sterben musste und es meine Entscheidung war wer. Ich habe den Wachmann getötet. Brandon kam danach auf die Königsberg Akademie. Jedes Mal wenn ich in den darauffolgenden Wochen etwas rotes gesehen habe, musste ich mich übergeben. Ich war bei sämtlichen Ärzten die mich auf alle möglichen Krankheiten untersucht haben. Niemand hat etwas gefunden."
Ich verstand was er damit sagen wollte ohne, dass er es aussprach. Er wusste, wie ich mich fühlte. „Ich habe mich so schmutzig gefühlt und konnte Monate lang nicht darüber reden."
„Was willst du damit sagen?" fragte ich in die dunkle Stille hinein. „Es ist okay, wenn du nicht reden willst, wenn du dich einfach beschissen fühlst und nicht weißt wie du weiter machen sollst aber es ist nicht okay, aufzugeben. Nimm dir die Zeit die du brauchst aber kämpfe dafür dass es dir irgendwann besser geht. Kämpfe dafür, dass du deine Menschlichkeit nicht verlierst."
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Durch den Wecker wachte ich auf. Mein Arzt Termin würde in zwei Stunden sein und bis dahin musste ich mich noch fertig machen und wenigstens versuchen, etwas zu essen.
„Willst du zum Frühstück nach unten oder soll ich uns etwas holen?" fragte Lorian als er sah, dass ich wach war.
Einerseits wollte ich am liebsten nie wieder unter andere Menschen gehen und mich einfach nur in meinem Bet verkriechen aber andererseits musste ich auch irgendwann lernen, wieder zu leben und dauerhaft konnte ich auch nicht jeden Kontakt vermeiden. „Wir können runter gehen," sagte ich und ging zum Schrank, um mir Kleidung rauszusuchen.
„Erkennt dich hier eigentlich niemand?" fragte ich, als wir uns im Aufzug nach unten befanden. „Bis jetzt hat mich noch niemand auf meine Herkunft angesprochen aber ich habe auch immer einen Hoodie mit Kapuze an," meinte er achselzuckend während er sich seine Kapuze über den Kopf zog.
Der Aufzug öffnete sich geräuschlos und wir traten heraus.
Lorian ging zielstrebig durch die Lobby, in einen angrenzenden Raum, in dem gerade das Frühstück in vollem Gange war.
Überall liefen Bedienstete mit vollbeladenen Tabletts durch die Gegend. Die Leute hier schienen aus aller Welt zu kommen. Die meisten hatten zwar die für hier typischen dunklen Haare und mandelförmigen Augen aber ich sah auch eine Familie mit Ebenholz farbener Haut. Direkt daneben saßen zwei Geschäftsmänner zusammen, die aus dem fernen Osten zu kommen schienen. Ein blondes Mädchen lief fast in Lorian hinein, allerdings wich er noch rechtzeitig aus. „Es tut mir so leid," entschuldigte sich die Mutter, die ihrer Tochter hinterherlief. Alle Leute schienen nicht die ärmsten zu sein aber mir viel auch niemand besonders auf oder hatte das Gefühl, jemanden zu kennen.
Es war faszinierend zu sehen, wie normal das Leben anderer Menschen weiterging, wenn sich mein Leben anfühlte als ob es in sich zusammengebrochen war.
Wir setzten uns an einen Doppeltisch, der relativ weit abseits stand. Ich nahm sofort die Speisekarte und schaute, was ich wollte. „Weißt du schon, was du nimmst?" fragte ich Lorian, als ich bemerkte, dass er sich nicht die Speisekarte durchlas. „Ja," antwortete er nickend. Als ein Kellner kam, bestellte ich mir einen Kräutertee und ein Buttercroissant und Lorian bestellte sich einen Café und eine Waffel.
„Wann gehst du eigentlich zurück zur Schule?" fragte Lorian mich, während wir auf unser Frühstück warteten. „Irgendwann demnächst. Ich würde mich noch gerne von den anderen aus meinem Team verabschieden aber danach würde ich dann auch zurück," sagte ich. „Hast du deine Mission hier erledigt?" fragte er und musterte mich aufmerksam. Ich nickte daraufhin nur.
Kaito hatte zugegeben, meinen Onkel im Auftrag von Lorians Vater umgebracht zu haben und seinen Tod konnte ich schließlich auch nicht mehr rückgängig machen. „Und kannst du mir jetzt sagen, was die Mission war?" fragte er mit Neugierde in den Augen. „Ich habe herausgefunden, dass Kaito den Kronprinz von Bavella im Auftrag von deinem Vater umgebracht hat," sagte ich. Lorians Augen verfinsterten sich daraufhin und ich konnte Besorgnis in seinen Augen erkennen. „Ich wusste, dass mein Vater den Kronprinz für eine Gefahr gehalten hat aber, dass er so weit gehen würde und seinen Tod heraufbeschwören würde hätte ich nicht gedacht. Immerhin bringt er die ganze Welt somit gegen sich auf," sagte Lorian.
Dabei viel mir auf, dass er von seinem Vater sprach, als wäre er ein ferner Bekannter aber nicht sein Vater. „Würdest du in einem Krieg eigentlich an der Seite von deinem Vater kämpfen?" fragte ich und musterte ihn aufmerksam. In seinen Augen fanden sich eine Menge an Gefühlen wieder, die sich vermischten und schließlich zu einem Strudel wurden, der mich in seinen Bann zog. „Würdest du an der Seite deines Vaters kämpfen?" fragte er mich schließlich und durchbohrte mich mit seinen Blicken.
Taran
Lorian war ohne ein Wort zu verlieren plötzlich verschwunden. Auf meine Nachricht hatte er geantwortet, dass etwas wichtiges dazwischen gekommen war und er hoffentlich in ein paar Tagen wieder zurück sein würde. Nun war es schon fast eine Woche her und er hatte sich nicht mehr gemeldet.
„Es wird schon nichts passiert sein," sagte Emily neben mir während sie auf mein Handy schaute.
„Taran, Emily, könntet ihr eure Aufmerksamkeit wieder nach vorne richten?" Unser Lehrer musterte uns streng.
Ich steckte mein Handy weg und richtete meinen Blick wieder nach vorne.
In der Mittagspause kam Morgana auf mich zu:„Hat sich Aaran oder Starla gemeldet?" Sie setzte sich neben mich. „Nein. Nur Aarans übliche Antwort, dass er Starla nicht erreichen kann und er uns direkt in Kenntnis setzt wenn sich etwas ändert."
Unser Gespräch wurde unterbrochen als sich Stella und Brandon zu uns setzten. „Wo ist Emily?" fragte Stella während sie begann, ihren Salat zu essen. „Sie sitzt bei ihren Freundinnen," antwortete ich. „Und wo ist Lorian?" fragte Morgana. Ich zuckte mit den Achseln. Normalerweise blieb er nie länger als übers Wochenende weg. Weshalb es dieses Mal so lange ging, wusste ich nicht.
„Auf meine Nachricht hat er nur geantwortet, dass er für ein paar Tage weg sein wird."
„Erst verschwindet Starla und jetzt haut auch Logian ab. Wisst ihr wie die das mit den Lehrern absprechen?" fragte Stella. „Keine Ahnung. Ich glaube, dass sie das klären wenn sie wieder zurück sind," sagte Morgana. „Die interessantere Frage ist eigentlich was aus Starla und Gideon wird wenn sie wieder zurück kommt," gab Morgana zu bedenken.
„So wie er sich mit Cindy verhält, würde ich ihm eine reinhauen wenn er denkt, dass er mit Starla einfach dort weitermachen kann wo sie aufgehört haben. Sie verdienen jemanden, der ihr treu bleibt auch wenn sie für einige Zeit weg ist." Ich war nicht ganz so informiert in den Tratsch der Schule wie Morgana es war aber ich hatte Augen. So wie Gideon und Cindy miteinander umgingen, würde es mich nicht wundern, wenn die beiden den jeweils anderen bereits bei ihren Familien vorgestellt hatten und über die Namen ihrer zukünftigen Kinder redeten.
Ich kannte Gideon nicht sehr gut aber ich wusste, dass er Starla etwas bedeutet hatte und hoffte, dass er ehrlich zu ihr war. Allerdings machte ich mir momentan mehr Sorgen darüber, dass Starla keine Nachricht zu lesen schien obwohl sie gesagt hatte, dass sie ihre Nachrichten lesen würde. Etwas in mir sagte mir, dass etwas schief gelaufen war.
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2.7.21
9.12.22
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