~ 43 ~
Starla
„Also hast du eine Art von Nachtsicht und hast dieses Wesen gesehen?" fragte Seungli neugierig als wir auf dem Weg zu unserer Hütte waren. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Wie sieht es aus? Ist es eine Hexe? Oder ist es überhaupt ein menschliches Wesen?" fragte er mich neugierig.
Es war bereits ziemlich spät, da wir länger als gedacht dort unten waren. „Dieses Wesen ist nach eigener Aussage nicht menschlich und auch nicht von dieser Welt allerdings sieht es aus wie eine Frau, die nicht älter als dreißig sein kann," sagte ich an Seungli gewandt. „Wie hast du herausgefunden, dass es nicht von dieser Welt ist?" fragte er neugierig. „Ich habe sie gefragt," sagte ich achselzuckend, woraufhin mich die anderen musterten „Wie oft warst du schon da unten?" fragte mich Saori Interesse „vielleicht wöchentlich. Ich habe ziemlich oft da unten trainiert," sagte ich. „Deshalb ist dein Artialis anders. Ich habe mich schon gewundert, weshalb es bei dir so anders aussieht," sagte Seungli. „Und deshalb hast du so schnelle Fortschritte gemacht obwohl du keinerlei Vorkenntnisse hast," stellte Asami fest. „Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, da runter zu gehen?" fragte Asami mich mit gerunzelter Stirn, woraufhin mein Blick sofort zu Saori huschte. Saoris Augen weiteten sich etwas und in ihren Augen konnte ich die Erkenntnis und Betroffenheit sehen „Es tut mir leid," sagte sie mit ehrlicher Reue in ihren Augen. „Ist schon gut. Es war ja meine Entscheidung, da runter zu gehen und jetzt haben wir auch einen Vorteil davon," sagte ich achselzuckend.
In unserer Hütte, die ziemlich abseits stand, gab es ein dreier Zimmer, in dem Saori, Asami und ich schliefen. In dem Doppelzimmer nebenan waren Sib und Seungli untergebracht.
„Ich gehe als erstes ins Bad," sagte Seungli und bevor jemand irgendwelche Einwände äußern konnte, war er auch schon in dem kleinen Badezimmer verschwunden. Wenige Sekunden später hörten wir vom Inneren des Badezimmers ein Aufkeuchen oder war es doch ein unterdrückter Schrei? Als ich am Badezimmer ankam, war Saori bereits an der Türe. „Alles okay mit dir?" fragte sie und klopfte an der Türe, die kurz darauf geöffnet wurde. Seungli stand mit nacktem Oberkörper vor uns. Über seine rechte Schulter ragte eine ähnliche Tattoowierung, wie ich sie bereits hatte. „Was ist das?" fragte er und schaute uns an, während er auf die Filigranen, schwarzen Linien zeigte.
Hierbei viel mir auf, wie durchtrainierten Seungli war. Was hatte ich aber auch erwartet? Seungli trainierte den ganzen Tag. Wie konnte er da nicht so aussehen? „Das Tattoo haben wir alle," schaltete sich Sib ein, der im Schlepptau von Asami auch in den Flur zwischen Küche und Badezimmer eingetrudelt kam. „Es ist das Mal, das dich nach deinem Tod verbrennen wird, wenn du dich nicht an das Versprechen gehalten hast," sagte ich zu ihm. In seinen Augen sah ich den Schrecken und die Erkenntnis aufblitzen. Was hatte er denn erwartet? „Heißt das, dass wir alle jetzt so ein Tattoo auf der Schulter sitzen haben?" fragte er und schaute uns mit Fassungslosigkeit in den Augen an. „Jetzt darfst du jedes Mal wenn du dieses Tattoo siehst, an den Deal denken, den du geschlossen hast," sagte Saori grinsend. „Immerhin bin ich nicht der Einzige, der so etwas hat," sagte er und verschwand dann wieder im Badezimmer.
„Gute Nacht Leute. Genießt die paar Stunden Schlaf, die euch noch bleiben," rief Seungli einige Minuten später durch das kleine Haus und man hörte daraufhin nur noch, wie eine Türe geschlossen wurde.
In wenigen Stunden würde Kento uns sagen, gegen wen wir antreten würden und aus was unsere Prüfung bestehen würde.
„Starla... Saori seid ihr noch wach?" fragte Asami nach einiger Zeit, in der ich nicht so wirklich schlafen konnte und die Decke über mir betrachtete. Dank meiner Nachtsicht konnte ich auch noch alles gut erkennen. Von Saori kam ein unverständliches Grummeln „hm was ist?" fragte ich. „Ist... ist es für euch okay, wenn ich ein bisschen geige spiele?" fragte sie. Dabei brach ihre Stimme mehrmals ab. Sollte ich sie fragen ob sie weinte? Oder wenigstens ob alles okay war? Allerdings war Asami jemand, die über etwas redete wenn sie wollte und wenn sie nicht reden wollte, war das ihre Sache. „Was willst du Spielen?" fragte Saori, die nun etwas wacher zu sein schien als noch wenige Sekunden zuvor. „Ich möchte Geige spielen," sagte Asami mit belegter Stimme. Sollte ich sie vielleicht doch fragen, ob alles okay bei ihr war? „Mach was du willst aber wenn es Lärm verursacht, dann mach es draußen oder sonst wo. Ich will einfach schlafen," sagte Saori etwas genervt. Ich schwieg nur, da Asami sich bereits ihre Geige genommen hatte und aus dem Zimmer verschwand. Bei einem kurzen Blick auf Asamis Gesicht, sah ich eine Träne auf ihrer Wange glitzern.
Als ich schon fast eingeschlafen war, hörte ich von irgendwo her eine Melodie. Sie war weder traurig noch fröhlich, was mich zunächst etwas irritierte, da ich dieses Gefühl nicht ganz einordnen konnte, das mich bei dem Hören von dieser Melodie erfasste. Nach längerem Zuhören und als ich schon fast eingeschlafen war erkannte ich das Gefühl oder eher die Gefühle. Es war eine eigenartige Mischung aus Sehnsucht und Hoffnung. Darunter war aber noch ein Gefühl, das ich nicht erkannte. Bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, war ich dann allerdings schon eingeschlafen.
Am nächsten Tag gingen wir zusammen in den Speisesaal, um zu frühstücken. Als wir eintraten richteten sich die Blicke fast aller Anwesenden auf uns. Einige steckten auch ihre Köpfe zusammen und tuschelten hinter hervorgehobenen Händen. Ein böser Blick von Seungli genügte, um alle verstummen zu lassen. Die meisten richteten ihre Blicke auch wieder auf ihr Essen aber ihre Aufmerksamkeit blieb auf uns.
Wahrscheinlich gab es schon Wetten darüber, wer unsere Gegner sein werden und ob wir überleben werden. Den meisten war es auch ein Rätsel, weshalb sich ausgerechnet zwei der besten Kämpfer hier dazu herabgelassen haben, Freundschaften zu bilden. Schließlich war es ein Zeichen der Schwäche wenn man sich auf andere verlassen musste.
Seungli und Sib gehörten zu den talentiertesten Kämpfern, die diese Institution seit vielen Jahren gesehen hat. Anscheinend gab es vor ein paar Jahren einen der noch besser war allerdings war es ungewöhnlich, dass zwei so gute Kämpfer sich miteinander anfreundeten.
Ich hatte auch schon mitbekommen, wie einige darüber rätselten, weshalb Asami und ich so oft in der Nähe der beiden waren. Irgendwer hat sogar behauptet, Asami hätte eine geheime Beziehung mit Sib. Dabei wunderte es mich, dass noch niemand die Blickwechsel zwischen Saori und Sib bemerkt hatte.
Wir setzten uns an unseren üblichen Platz. „Wir sollen direkt nach dem Frühstück zu Kento," sagte Seungli. In seinen Augen war Anspannung und Vorfreude zu sehen. Auf was freute der sich bitte? Ich würde mich am liebsten einfach verbuddeln und wieder raus kommen wenn es vorbei war.
Natürlich konnte ich mir einreden, dass ich überhaupt nicht wegen dieser Prüfung hier war aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass diese Prüfung wichtig war. Wichtiger als alle Prüfungen, die ich zuvor in meinem Leben hatte.
Irgendwie gelang es mir, den Brei auszulöffeln. Ich hatte zwar keinen Hunger aber ich brauchte die Energie, die mir diese Nahrung geben konnte.
„Hallo," Begrüßte uns Takao mit einem fetten Grinsen. „Seid ihr unsere Gegner?" fragte Sib und musterte die fünf Leute vor uns ausdruckslos. Diese fünf Leute bestanden aus Takao, Akane, Kaya und zwei Typen, die ich nur vom Sehen her kannte. Allerdings schienen Seungli, Sib und Saori die beiden zu kennen.
„Wie ich sehe habt ihr euch bereits kennen gelernt," unterbrach Kento die unangenehme Stille, die hier vor seinem Büro herrschte.
„Also lasst mich gleich zum Punkt kommen. Ich habe mich entschieden, dass ich euch die Einzelheiten zu eurer Mission erst in zwei Wochen gebe aber voraussichtlich wird es bei eurer Prüfung darum gehen, jemanden zu entführen oder zu töten. Wer genau dies sein wird erfahrt ihr dann in zwei Wochen. Bis dahin werde ich meine Gruppe trainieren." Bei diesen Worten schaute er in die Richtung von seinem Sohn und dessen Gruppe, die uns wiederum mit einem gewinnenden Grinsen bedachten.
„Ihr habt mit eurer Entscheidung, dass ihr keinen Trainer wollt schon eure Niederlage zugegeben," sagte einer der beiden, die ich nicht kannte. Kento hatte seiner Gruppe noch kurz gesagt, wie das Training bei ihnen verlaufen würde. Allerdings war das Meiste davon ziemlich unnötig, weshalb ich irgendwann nur noch mit halbem Ohr zugehört hatte. „Der beste Trainer kann fehlende Gruppenarbeit auch nicht ausgleichen," mischte sich Saori ein. „Gruppenarbeit kann aber gar nicht funktionieren, wenn man seinen Teamkollegen nicht vertrauen kann," sagte Akane und lächelte uns hochmütig an. Ich zog fragend die Augenbraue hoch „was lässt dich vermuten, dass wir uns gegenseitig nicht vertrauen?" fragte ich. „Also bitte. Wie können Leute wie ihr überhaupt jemandem vertrauen?" fragte sie herablassend. „Vertrauen wird überbewertet. Und wir brauchen keinen Trainer, um besser als ihr zu sein," sagte Saori und löste die Diskussion damit auf. „Können wir jetzt endlich gehen?" fragte Seungli. Wir wandten uns daraufhin zum Gehen um.
„Ist es ein Problem, dass wir Geheimnisse voreinander haben?" fragte ich die anderen als wir außer Hörweite der anderen waren.
„Wir müssen uns ja nicht alles erzählen aber wir können ja damit anfangen, dass jeder einmal erzählt, was genau seine Fähigkeiten sind," sagte Sib. „Ok du fängst an," sagte Saori zu Sib. „Okay also ich kann Illusionen verursachen. Ich kann damit Leute Dinge sehen lassen, die nicht da sind. Zum Beispiel könnte ich euch sehen lassen, dass hier keine Treppe ist und wenn ihr dann einen großen Schritt macht, würdet ihr runterfallen," sagte er. „Das ist irgendwie unheimlich. Gibt es eine Möglichkeit, sich davor zu schützen?" fragte Asami ihn. Sib warf mir daraufhin einen Blick zu „Starla kann sich zum Beispiel davor schützen. Ich habe hier sonst noch ein paar andere getroffen, die das können aber nur wenige von ihnen machen es bewusst," sagte er. „Wie schützt man sich davor?" fragte Asami mich neugierig. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie genau ich das erklären soll. Ich habe es nämlich gleich gelernt, als ich meine Fähigkeiten entdeckt habe. Es ist bei uns in der Familie üblich, dass man schon so früh wie möglich lernt, sich vor mentalen Angriffen zu schützen. Sib beeinflusst nämlich nicht die Umgebung sondern die Wahrnehmung der Menschen. Aber im Grunde genommen stellst du dir eine Mauer vor, die eine Barriere zu deinen Gedanken darstellt. Wenn man dieses Bild verinnerlicht bleibt die Mauer dann irgendwann," sagte ich. „Das ist ja gar nicht so schwierig," sagte Asami. „Ich habe knapp drei Jahre gebraucht bis ich es konnte aber meine Fähigkeiten haben wenig damit zu tun, die Gedanken zu schützen, weshalb es etwas gedauert hat," sagte ich.
„Und was genau kannst du alles?" fragte Asami mich. „Ich kann eigentlich nur die Schatten und ein bisschen auch das Licht beeinflussen. Mein Talent ist allerdings so stark ausgeprägt, dass ich auch mit den Schatten verschmelzen kann. Vielleicht werde ich auch zum Schatten. So genau weiß ich das ehrlich gesagt nicht. Zu dieser Fähigkeit gehört auch, dass meine Augen sich an alle Lichtverhältnisse anpassen können," fasste ich meine Fähigkeiten grob zusammen.
„Also ich kann einfach nur einen Schutzschild um mich ziehen und ich spüre es, wenn jemand den durchdringt. Je nach dem wie groß der Schutzschild ist kann ich auch die Konsistenz beeinflussen also so, dass es sich anfühlt als wäre man gegen eine unsichtbare Wand gelaufen," sagte Seungli. Wir anderen nickten bestätigend. Woraufhin Saori weiter sprach:
„Ich kann mich ziemlich schnell bewegen. Während demKämpfen ist so etwas ziemlich praktisch aber sonst auch nicht,"
„Ich kann das Feuer kontrollieren," sagte Asami noch zum Schluss. „Aber mehr als Bälle kann ich damit nicht formen. Ansonsten kann ich nur kleine Flammen brennen lassen," fügte sie hinzu.
Bei ihren Worten runzelte ich die Stirn. „Wie lange kannst du zum Beispiel eine Fackel brennen lassen ohne dass es anstrengend wird und dass du während dessen noch etwas anderes machen kannst?" fragte ich sie. „Nur eine Fackel?" fragte sie. Ich nickte daraufhin. „Also ein kleines Feuer kann ich etwa 5 Stunden am Brennen lassen. Während dessen kann ich dann auch andere Sachen machen," sagte sie.
Da wir auf dem Weg zum Training bei dem Wesen waren, befanden wir uns immer noch in dem alten Gebäude. „Denkst du, du kannst hier ein kleines Feuer machen?" fragte ich sie ein bisschen aufgeregt. Der Blick, den Asami mit daraufhin zuwarf, sagte schon genug darüber aus, was sie dachte. „Ich meine damit eine kleine kontrollierte Flamme," fügte ich noch hinzu.
Ich konzentrierte mich auf die Schatten und das Licht, die die Flamme umgaben, die Asami am Steinboden entstehen lassen hat. Ein vertrautes Gefühl befiel mich, als sich die Schatten ausbreiteten und die Flamme von Dunkelheit umgeben waren. „Wie machst du das?" fragte Seungli erstaunt. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht einmal. Ich konzentriere mich einfach auf die umliegenden Schatten," sagte ich während ich die Schatten zurückwies und sich das Licht ausbreitete.
Anschließend machten wir uns auf den Weg zu der unscheinbaren kleinen Holztüre hinter der eine dunkle Steintreppe nach unten führte.
Diese schlichte und doch kunstvolle Schönheit, die dieser Raum ausstrahlte, faszinierte mich wie das letzte Mal auch schon. Am liebsten wäre ich stehen geblieben und hätte mich hier ausführlich umgeschaut. „Es freut mich, euch wieder zu sehen," sagte die Bildhübsche Frau zur Begrüßung. „Ist dir eingefallen, wie man hier Licht machen kann?" fragte das Wesen. Ich antwortete ihr vorerst nicht, sondern Zog Asami hinter mir her zu einer Wand, an der Fackeln hingen. Die Fackeln sahen älter aus, als alle Fackeln, die ich je gesehen hatte aber sie schienen noch in gutem Zustand zu sein.
Ich drückte Asami die Fackel in die Hand „kannst du die anzünden?" fragte ich sie, woraufhin sie eine kleine Flamme entstehen lies. Als die Fackel an war hängte ich sie zurück in ihre Halterung und konzentrierte mich auf das Licht, das die Flamme warf. Nach und nach lies ich es heller werden und verteilte das Licht, damit nur noch wenige Schatten hier zurück blieben.
Ein Blick in die Richtung der anderen bestätigte mir dann endgültig, dass sie hier drinnen nun auch sehen konnten. Denn sie schauten sich staunend um. Ein klatschen riss uns alle aus unserem Erstaunen. „Du hast es tatsächlich geschafft," sagte die Frau, während sie auf uns zukam. „Dann seht ihr während dem Training auch etwas," fügte sie noch hinzu und ging dann auf den kunstvollen Platz in der Mitte zu. „Was war das hier?" fragte Seungli neugierig. „Wenn du bei einem Zweikampf gegen mich eine Chance hast, dann erzähle ich es dir," sagte die Frau daraufhin und durchbohrte Seungli dabei mit ihren schwarzen Augen. Seungli schloss seine Hände fest zu Fäusten und entspannte sie dann wieder. Anscheinend ist er zu dem Schluss gekommen, dass er im Moment keine Chance gegen sie hatte.
————————
21.6.21
19.11.2022
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro