~ 4 ~
Starla
Heute war es so weit. Heute würden wir zu unserer neuen Schule reisen und morgen wäre der erste Schultag. „Der Zug kommt in 10 Minuten," sagte unser Vater nach einem Blick auf seine Uhr. „Seid ihr auch sicher, dass ihr alles habt?" fragte unsere Mutter uns zum gefühlt hundertsten Mal. „Ja Mum," sagte Morgana ein bisschen genervt. „Und denkt daran in den Zug zu steigen, auf dem Königsberg Akademie steht," sagte unsere Mutter noch einmal. „Ja Mum. Wir sind nicht komplett dämlich!" „Ich wollte nur noch einmal sicher gehen," sagte unsere Mutter und schaute uns der Reihe nach an. „Wir müssen jetzt wirklich zum Gleis," sagte Taran.
Wir hatten uns im Auto verabschiedet, da unsere Eltern sicherlich erkannt werden würden. „Wenn irgendetwas ist, könnt ihr euch jederzeit melden," rief unsere Mum uns noch hinterher, als wir uns mit unseren Koffern auf den Weg zu den Gleisen gemacht hatten.
„Es ist wirklich kalt hier," sagte Morgan und zog dabei ihre Mütze tiefer ins Gesicht. „Weißt du, was ich dir zum Geburtstag schenken werde?" fragte ich Morgana augenverdrehend. „Was denn?" fragte sie und ich sah das Mistrauen und die Neugierde in ihren Augen. „Eine Jacke mit integrierter Heizung," sagte ich und lächelte sie freundlich an. „Ich zahle die Hälfte, dann ist es von uns beiden," mischte Taran sich ins Gespräch mit ein. „Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass du davor noch nicht erfroren bist," sagte ich und zwinkerte ihr zu. „Weißt du eigentlich, was für ein Idiot du manchmal sein kannst Starla?" fragte Morgana und schaute mich dabei wütend an, allerdings sah ich den Humor in ihren Augen. „Tatsächlich weiß ich das sogar," sagte ich daraufhin nur grinsend. Unser Gespräch wurden dabei allerdings von dem hereinfahrenden Zug unterbrochen.
Der Zug war noch relativ leer, weshalb wir ein Abteil für uns alleine hatten. Noch bevor der Zug sich wieder in Bewegung setzte, hatte ich mir ein Buch aus meinem Koffer geholt und begann zu lesen.
Ich wurde erst wieder aus der Welt von meinem Buch gerissen, als sich die Türe von unserem Abteil öffnete und zwei Personen eintraten. „Hallo ich bin Josephine Sicilia Beatrix Mandeville und das ist Amber Patricia Charlotte Seymour. Freut mich eure Bekanntschaft zu machen," sagte das brünette Mädchen vor uns. Sie war vielleicht so alt, wie wir und hatten teuer aussehende Kleidung an. Es konnte gut sein, dass ihre Kleider gar nicht so teuer waren allerdings war Prestige für einige Leute das wichtigste überhaupt. Morgana war gerade damit beschäftigt gewesen, sich einen Energi Drink zu öffnen und ihr war ein bisschen Flüssigkeit daneben gekippt „Shit" entwich ihr. Ob sie damit die daneben gekippte Flüssigkeit oder die vielen Namen der Mädchen meinte wusste ich in dem Moment allerdings nicht. Wir drei hatten auch mehrere Namen. Mein vollständiger Name war Prinzessin Starla Aislin Reyna Marylynn von Barvella. Allerdings lies ich meinen Titel sowieso immer weg und stellte mich nur mit meinem ersten Namen vor. Die zwei Mädchen vor uns sahen aus, als würden sie auf irgendeinen Reaktion unsererseits warten. „Äm wenn ihr wissen wolltet, ob hier noch ein Platz frei ist, könnt ihr euch gerne zu uns setzen," sagte Taran höflich und deutete auf die freien Plätze im Abteil. Das Brünette Mädchen musterte uns kritisch, wobei ihr Blick auf Morgan hängen blieb, die nun komplett mit ihrem Energy Drink beschäftigt war und die beiden Mädchen komplett ignorierte. „Das ist der Zug zur Königsberg Akademie," sagte Amber und musterte uns kritisch. Ihr Blick schwankte zwischen Morgan und Taran hin und her, wobei sie vermutlich abwog, ob Tarans gutes Aussehen das schlechte Benehmen von Morgan wieder gut machen würde. „Deshalb sitzen wir hier," sagte ich unverständlich. „Ihr kommt neu auf die Königsberg?" fragte Amber überrascht mit hochgezogener Augenbraue „Ne. Wir sind auf einem Campingtrip und dachten uns, dass wir immer schon einmal im Garten eines Internats Zelten wollten," gab Morgana ironisch von sich und nahm einen Schluck aus ihrer Dose. Daraufhin entstand eine Pause, in der die beiden uns entgeistert anstarrten. Anscheinend verstanden sie Ironie nicht wirklich. „Wollt ihr jetzt hier sitzen?" fragte ich und lächelte die beiden freundlich an.
„Ehrlich gesagt kann ich den Geruch von diesen Dingern nicht ausstehen," sagte Josephine und mit diesen Worten flüchtete sie fast schon aus dem Abteil. Amber folgte ihr nachdem sie uns noch einen prüfenden Blick zuwarf. „Die war interessant," stellte ich fest. „Als sie ihre fünfzig Namen gesagt hat, habe ich mir vor Schreck mein Trinken über den Schoß gekippt," jammerte Morgan. „Ich wusste gar nicht, dass es wirklich Menschen gibt, die sich mit all ihren Namen vorstellen," sagte Taran und schaute verwirrt in die Richtung, in die die beiden Mädchen verschwunden waren. „Denkt ihr, die erwarten auch von einem, dass man sie mit allen Namen anspricht?" fragte ich. „Hoffentlich nicht," sagte Taran. „Ich gehe mir eine Toilette suchen, um mich umzuziehen," sagte Morgan und verließ das Abteil.
Eine Minute später öffneten sich erneut die Türen von unserem Abteil allerdings war es nur eine Frau in Uniform, die unsere Namen wissen wollte. „Taran, Starla und Morgana Lightwood," sagte Taran, woraufhin die Frau drei Namen auf einer Liste ankreuzte. „Darf ich fragen, wer von euch gerade fehlt?" fragte die Frau und schaute Taran fragend an „Morgana ist gerade auf der Toilette," erklärte Taran. „Ansonsten ist bei euch alles in Ordnung?" fragte die Frau und schaute dabei auch mich an. „Ja, bei uns ist alles in Ordnung," sagte ich und lächelte sie freundlich an.
Einige Zeit später kam Morgan wieder zurück. „Ich war noch bei so einer Infotafel und da stand dran, dass wir noch fünf Stunden unterwegs sind," sagte Morgan. „Wo genau ist diese Schule bitte, dass man da so weit fahren muss?" fragte sie weiter. „Die Schule ist irgendwo in den Bergen von Akomien," sagte ich schulterzuckend. Akomien lag nordöstlich von Barvella und war ein kleineres Nachbarland. Es wurde vom Fürst von Akomien regiert, mit dem wir ein relativ gutes Verhältnis hatten. Vor zwei Jahren war der Fürst von Akomien gemeinsam mit seiner Frau bei unseren Großeltern, während wir auch dort waren. Damals hatte ich die beiden kennen gelernt. Die Fürstin von Akomien war außerdem eine alte Schulfreundin von unserer Mutter.
„Entschuldigung, ist hier noch frei?" fragte ein Mädchen, das ihren kleinen Bruder hinter sich herzog. Die beiden waren vielleicht 12 und 14 Jahre alt. „Ja, ihr könnt euch gerne auf die freien Plätze setzen," sagte ich und deutete auf die freien Plätze. Als die beiden versuchten, ihr Gepäck zu verstauen und es ihnen fast auf die Köpfe fiel, mischte sich Morgan ein und lies die Taschen der beiden in die Ablage über unseren Köpfen fliegen. „Dankeschön," sagte das Mädchen daraufhin freundlich. „Ich bin übrigens Zoey und das ist mein Bruder Ben."
Ben hatte es sich mittlerweile neben Taran bequem gemacht.
„Seid ihr vorhin eingestiegen?" fragte Morgan. „Nö wir sind schon seid einer halben Stunde im Zug aber wir haben keinen Platz gefunden," sagte Zoey. „Aber es sind doch nicht so viele in den Herbstferien nach Hause gefahren, dass alle Plätze belegt sind," sagte ich verwirrt. „Nein aber es gibt hier an der Schule eine inoffizielle Rangordnung, die dadurch bestimmt wird, aus welcher Familie man kommt," erklärte Zoey. „Aus welcher Familie kommt ihr denn?" fragte Morgan neugierig. „Aus keiner adligen," sagte Ben und wirkt dabei ziemlich traurig. „Unser Vater ist James Johnson," fügte Zoey hinzu „Ist eure Mutter dann nicht Flavia Murray?" fragte ich. Obwohl wir nicht in der Öffentlichkeit aufgewachsen waren, hatten unsere Eltern Wert darauf gelegt, dass wir die meisten Familien und Verwandschaftsverhältnisse kannten. „Ist das nicht die Schwester von König Brayden?" fragte Morgan.
„Ja, unsere Mutter ist Flavia Murray, die Schwester von König Brayden aber weil unser Vater nicht adlig ist, werden wir auch nicht als adlig angesehen," sagte Zoey und versuchte die Niedergeschlagenheit in ihren Augen zu verstecken. „Soll ich euch ein Geheimnis verraten?" fragte Taran und schaute die beiden geheimnisvoll an. „Es ist egal ob ihr adlig seid oder nicht. Es kommt immer darauf an, was ihr mit den Möglichkeiten macht, die ihr habt. Nehmt euch ein Beispiel an eurem Vater; Er hatte eine gute Idee und hat damit mittlerweile ein ziemlich großes Unternehmen aufgebaut. So weit ich weiß hat er mittlerweile ein größeres Vermögen als die meisten adligen Familien," sagte Taran aufmunternd. „Du bist gut im Motivieren," antwortete Zoey daraufhin nur.
„Wieso kommt ihr eigentlich erst nach den Herbstferien auf die Königsberg Akademie?" fragte Zoey uns. „Es gab einen Zwischenfall weshalb unsere Eltern und vor allem unsere Großeltern wollten, dass wir auf eine andere Schule gehen," sagte Morgana. „Seid ihr auch von eurer alten Schule geflogen?" fragte Ben und schaute Taran neugierig an. „Nein. Wie kommst du denn da drauf?" „Unser Cousin ist von seiner Schule geflogen und kommt deshalb auch erst jetzt auf die Königsberg Akademie," erzählt Ben grinsend. In seinen Augen spiegelte sich die Bewunderung für seinen Cousin und die Freunde, dass er jetzt auch auf die Königsberg Akademie gehen würde.
Die nächste halbe Stunde war Zoey in ihr Buch versunken. Morgan schaute irgendeinen Film auf ihrem Tablett und Taran unterhielt sich mit Ben über verschiedene Kampftechniken. Ich schaute während dessen aus dem Fenster und beobachte die vorbeiziehende Landschaft.
Als sich die Türen des Abteils erneut öffneten, löste ich den Blick von der Landschaft. „Ben, Zoey. Ich habe euch schon im ganzen Zug gesucht." Vor uns stand wieder die Frau, die vorhin unsere Anwesenheit überprüft hat. „Ihr wisst doch, dass die Jüngeren Schüler gemeinsam reisen," sagte die Frau in der Uniform. „Die beiden können ruhig bei uns bleiben," sagte Taran. Die Frau musterte uns kritisch „könnt ihr dann schauen, dass die beiden nachher in den richtigen Bus steigen?" fragte die Frau uns. „Okay, wir schauen dann danach," sagte Morgan diesmal. Die Frau lies ihren Blick noch ein letztes Mal über uns schweifen und ging dann weiter. Aus irgend einem Grund wollten Zoey und Ben nicht bei den anderen jüngeren Schülern sitzen allerdings wollte ich nicht nach dem Grund fragen, da mich dieser nichts anging.
„Ich würde demnächst zum Bordrestaurant gehen. Will jemand mitkommen?" fragte Zoey uns. Morgana verneinte mit der Begründung, dass ihr Film gerade so spannend war. Wir anderen entscheiden, alle zusammen zum Restaurant zu gehen und etwas zu essen.
„Weißt du, wo das Restaurant ist?" fragte ich Zoey. „Ben und ich sind da vorhin vorbei gekommen. Es ist gleich da vorne," sagte Zoey und zeigte dabei in eine Richtung.
Das Restaurant war Bis auf eine Gruppe von Jugendlichen, nicht besonders voll. Wir setzten uns an einen Tisch für vier Personen und fingen an, die Speisekarte zu studieren. „Wieso gibt es auf dieser Karte keine Pommes?" fragte Ben und schaute traurig auf die Speisekarte. „Nimm doch den Burger," schlug Zoey vor. „Mit Ziegenkäse und Avocados?" fragte Ben kritisch. „Wir können ja fragen, ob es möglich ist, dir ein paar Kartoffeln zu frittieren," sagte Taran.
Als die Kellnerin kam, bestellte ich mir den Rindfleisch Burger mit Ziegenkäse und Avocado. Ben bekam tatsächlich frittierte Kartoffeln mit Ketchup.
„Ist hier die Kinderbetreuung für die Kinder, die sonst überall unwillkommen sind?" fragte jemand neben unserem Tisch spöttisch. Als ich aufschaute sah ich das Mädchen mit den vielen Namen. „Wieso meinst du?" fragte ich und ging dabei einfach nicht auf ihren stichelnden Tonfall ein. „Ich habe euch noch nie gesehen, was heißt das ihr nicht wichtig genug seid um euch zu kennen," sagte sie und schaute kritisch zwischen uns hin und her. In ihren Augen spiegelte sich die Verachtung aber auch eine Funken Neugierde. Was hatte sie gegen uns? „Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt," sagte ich und tat so, als ob ich erschrocken wäre. „Ich bin Starla Aislin Reyna Marylynn Lightwood und das ist mein Bruder Taran Winston Lucian Philipp Lightwood freut mich, dich kennen zu lernen," sagte ich und lächelte sie freundlich an. Bei meinen Worten trat ein bisschen Verunsicherung in ihre Augen. Anscheinend war sie es nicht gewohnt, so behandelt zu werden. Taran schien sich unter dessen das Lachen zu verkneifen. „Was sind denn eure Fähigkeiten?" fragte sie und schaute uns ein bisschen verunsichert an. Ihre Frage war ziemlich berechtigt, da der Name Lightwood bekannt dafür war, dass alle Besitzer dieses Namen sehr mächtige Fähigkeiten hatten. Die Leute mit den mächtigsten Fähigkeiten in der Vergangenheit stammten immer von den Lightwoods ab. Woran dies lag wusste niemand so genau. „Willst du das wirklich wissen?" fragte Taran sie mit hochgezogener Augenbraue. Bei einem Blick in seine Augen sah ich, was er vor hatte. Ich konzentrierter mich ein bisschen und nahm das Licht in diesem Zugabteil zum Teil in mich auf. Dadurch wurden es hier nicht stockdunkel allerdings merkten alle, dass es deutlich dunkler war, als gewöhnlich. Taran spielte noch ein bisschen mit der Elektrizität, dass die Lampen flimmerten. Josephine schaute sich ängstlich um und verschwand dann ohne einen Blick zurück zu werfen.
„Wie habt ihr das gemacht?" fragte Ben mit großen Augen. „Das ist unser Geheimnis," zwinkerte Taran ihm zu. Als Ben gerade etwas erwidern wollte, kam die Kellnerin mit unserem Essen.
Mein Burger schmeckte überraschend gut. Das Fleisch war genau richtig und der Käse war perfekt geschmolzen. Die anderen schienen auch zufrieden mit ihrem Essen zu sein.
Als wir fertig gegessen und gezahlt hatten, gingen wir wieder zu dem Abteil zurück. Morgan saß immer noch vor ihrem Laptop und schaute ihren Film. „Wie lange geht dein Film denn noch?" fragte Taran sie. „Das ist der zweite Teil," antwortete Morgan nur achselzuckend.
„Wie lange dauert es noch?" fragte Ben nun zum dritten Mal. „ Soll ich mit dir eine Runde durch den Zug laufen?" fragte Taran den 12 Jährigen. Die beiden hatten sich mittlerweile fast angefreundet, wobei Ben Taran die ganze Zeit bewundernde Blick zuwarf. Anscheinend gefiel ihm die Aufmerksamkeit, die er von Taran bekam. „Ihr könnt ja zu der Infotafel, an der steht, wie lange es noch dauert," schlug Morgan vor und schob sich einen Apfelschnitz in den Mund. „Ich würde auch mitkommen. So weit ich weiß ist dort in der Nähe nämlich eine Toilette," sagte Zoey. Taran nickte ihr daraufhin zu und verliess gemeinsam mit Ben und Zoey unser Abteil.
Taran
Ben redete fast ununterbrochen und still sitzen konnte er auch nicht. Wenn er seinen Bewegungsdrang zum Training verwendete, konnte aus ihm einmal ein guter Kämpfer werden. Zoey schien das komplette Gegenteil von ihrem Bruder zu sein. Ihre großen dunklen Augen schienen mehr wahrzunehmen, als das, was andere vielleicht gesehen hätten und ihr Blick wirkte als ob sie älter als 15 war. Dazu war sie sehr ruhig und beobachtete stets alles in ihrer Umgebung. „Schau! Da ist die Tafel." Ben zeigte begeistert auf die riesige Infotafel, auf der alle möglichen Informationen zum Zug und zu der Strecke angegeben waren. Während er mir von einem Film erzählte, in dem ein ganzer Zug explodiert war, ging Zoey weiter zu den Toiletten. „Taran. Du hörst mir gar nicht zu," beschwerte sich der Junge, der für sein Alter noch relativ klein war und schaute vorwurfsvoll zu mir hoch. „Ich habe dir die ganze Zeit zugehört," sagte ich und hoffte, dass er mir das glauben würde. „Das stimmt nicht," sagte Ben daraufhin allerdings so bestimmt, dass ich fragend die Stirn runzelte. „Du hast gelogen," sagte Ben als wollte er es mir genauer erklären. „Woher willst du das wissen?" fragte ich das Energiebündel vor mir. „Ich weiß es einfach," sagte er grinsend, als ob er etwas wusste, das ich nicht wusste. „Er kann es hören, wenn Leute lügen," sagte Zoey, die ohne das ich es bemerkt hatte, schräg hinter mir stand. „Bist du fertig im Bad? Dann kann ich jetzt," sagte ihr Bruder und machte sich auf den Weg zur Toilette. „Ben kann es hören, wenn Leute lügen. Er ist darin sogar ziemlich gut. Früher konnte er es nur erkennen, wenn Leute ihm ins Gesicht gelogen haben. Mittlerweile weiß er es schon, wenn ihm jemand etwas verschweigt," sagte Zoey, wobei ihre ruhigen braunen Augen meine musterten. „Und kannst du es auch hören, wenn Leute lügen?" fragte ich. Da Geschwister häufig ähnliche Fähigkeiten hatten, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass Zoey ähnliche Fähigkeiten hatte wie ihr Bruder. „Nein, ich kann die Vergangenheit von Leuten sehen, wenn ich mich mit Ihnen unterhalte. Je nach Vergangenheit sehe ich Teile davon auch wenn ich die Person nur anschaue." Während sie sprach wurde ihr Blick mitfühlend und etwas schuldbewusst. Sie hatte meine Vergangenheit gesehen. „Was genau hast du gesehen?" fragte ich. „Den Wachmann vor einigen Jahren und die Schuldgefühle diesbezüglich, die Angst, deine Schwestern nicht beschützen zu können und da war auch Verlust dabei, der gar nicht so lange her ist," sagte Zoey. Dabei wirkten ihre Augen sehr einfühlsam aber trotzdem noch beruhigend und fröhlich. In ihrem Blick lag kein Funken von Verurteilung und es war auch kein Vorwurf darin zu sehen. Das überraschte mich am meisten. Ich hatte mit niemandem über den Vorfall vor einigen Jahren geredet, da ich nicht wollte, dass jemand wusste, zu was ich mit meinen Fähigkeiten in der Lage war. „Wenn du irgendwann mal reden willst, bin ich für dich da." Noch während sie sprach, blitzte die Überraschung über ihre Worte in ihren Augen auf. Dies brachte mich zum Schmunzeln. Der Überraschte Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht war einfach einmalig. Von meinen eigenen Gedanken überrascht bekam ich nichts raus, außer zu nicken. Zoey lächelte mir noch kurz zu und wandte sich dann zum gehen ab.
Kurze Zeit später kam Ben auch schon von der Toilette zurück „Taran?" fragte mich der 12 Jährige „Ja was ist denn?" fragte ich und musterte ihn. Erst jetzt fiel mir auf, dass Ben genau wie seine Schwester, Sommersprossen um die Nase herum hatte. „Willst du mir das Kämpfen beibringen?" fragte er und schaute mich bittend an. „In der Schule hast du doch sicher Lehrer, die dir das Kämpfen beibringen," sagte ich während wir zurück gingen.
Starla
Ohne das ich es bemerkt hatte, war die Zeit wie im Fluge vergangen. Ich war so in mein Buch versunken, dass es mich überraschte, als ich sah, dass wir bereits in einer Stunde da sein würden.
Eine Stunde später standen wir an einem relativ abgelegenen Bahnhof. „Wo hin müssen wir jetzt?" fragte Morgan und schaute sich um. Um uns herum liefen Schüler mit ihrem Gepäck am Bahnsteig entlang, wodurch ein ziemliches Durcheinander herrsche. „Irgendwo müssten die Busse stehen, die uns zur Schule fahren," sagte Zoey und schaute sich suchend um. „Wie wäre es, wenn wir einfach den anderen Schülern folgen?" fragte Taran und lief in die Richtung, in die auch alle anderen Schüler liefen.
Nach einigen Metern standen wir vor zwei Reisebussen, auf die auch die anderen Schüler zugingen. Wir gingen auf einen Mann zu, der vor einem der Busse stand. „Entschuldigung?" fragte Morgana, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Mann drehte sich zu uns um „wie kann ich euch helfen?" fragte er. Er hatte eine Liste mit Namen in der Hand, die er wahrscheinlich kontrollieren sollte. „In welchen Bus sollen wir einsteigen?" fragte Morgana und deutete während dessen auf die zwei Busse. „Wie heißt ihr denn?" fragte der Mann „Wir sind Starla, Taran und Morgana Lightwood und das sind Zoey und Ben Johnson," sagte Morgan. „Ihr könnt alle gleich in diesen Bus einsteigen. Normalerweise fahren die jüngeren getrennt von den älteren allerdings sind diese Ferien sehr viel mehr jüngere nach Hause gefahren, als die älteren, weshalb wir ein bisschen umdisponieren mussten," fügte der Mann erklärend hinzu. „Und sollen wir unser Gepäck dort hin machen?" fragte Morgana weiter und deutete dabei auf das offene Fach am Bus, in dem man immer das Gepäck verstaute. „Ja, sind eure Namen drauf?" fragte er „Ja, ich glaube schon," sagte Morgan, wobei sie uns fragend anschaute.
Einige Minuten später saßen wir alle zusammen im Bus und waren dem gewöhnlichen Geräuschpegel ausgeliefert, der in diesen Reisebussen immer herrschte. „Wisst ihr, wie lange die Fahrt geht?" fragte Taran an Zoey und Ben gewandt. „Das letzte Mal hat es ungefähr eine Halbe Stunde gedauert, bis wir oben waren," sagte Zoey schulterzuckend.
Die Fahrt mit dem Bus war relativ angenehm abgesehen davon, dass die Straße in engen Serpentinen den Berg hinaufführte. Im Bus wurden Kaugummis und Tabletten gegen die Übelkeit verteilt, was allerdings nicht verhindern konnten, dass es einigen nicht gut zu gehen schien.
Irgendwer hatte weiter hinten Musik an gemacht und dort herrschte anscheinend eine relativ gute Stimmung, die den Rest des Busses allerdings nicht zu erreichen schien.
Da ich den Doppelplatz für mich alleine hatte und somit mit niemandem reden konnte, schaute ich zur Ablenkung aus dem Fenster.
Während die Serpentinen immer enger wurden, wurde es um uns herum auch immer nebliger. Allerdings konnte man trotzdem erkennen, dass dies eine relativ Bergige Gegend war.
Nach etwas mehr als einer halben Stunde passierten wir ein großes geöffnetes Tor hinter dem ein Weg durch ein Stück Wald führte. Am Ende des Wegs ragte die Königsberg Akademie in die Wolken.
7.1.2021
15.2.22
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