~ 35 ~
Starla
Das Training war anschließend ziemlich anstrengend, worüber ich im Grunde genommen auch ziemlich froh war. Somit musste ich mich nicht dem Durcheinander meiner Gedanken stellen. Seit dem Gespräch mit diesem Wesen schwebte diese Frage schon in meinem Kopf herum. Ob ich mich akzeptierte? Ob ich mich überhaupt akzeptieren wollte? Obwohl ich nicht einmal den Sinn dieser Frage verstand, lies sie mich doch nicht los. Was brachte es mir, zu wissen, dass ich mich selbst nicht mochte? Abgesehen von ein paar depressiven Verstimmungen nichts. Und wenn ich wusste, dass ich mich mochte oder akzeptierte, dann war das eben so. Etwas ändern konnte dieses Wissen schließlich auch nicht.
„Konzentration Starla!" rief der Trainer mir zu und katapultierte mich dadurch wieder zurück in den Sand. Wir waren wieder einmal eine gefühlte Ewigkeit gerannt und machten nun irgendwelche Gleichgewichtsübungen. Allerdings war dabei auch ziemliche Muskelarbeit gefragt, weshalb nicht nur das Gleichgewicht gefragt war.
Wenn ich so darüber nachdachte, viel mir auf, dass ich hier vor einiger Zeit schon längst im Sand liegen würde und mich in mein Bett wünschen würde.
Allerdings wollte ich meine Mission ausführen, Kaito besiegen und für den Tod meines Onkels verantwortlich machen aber dazu wollte ich auch eine Wüstentänzerin werden. Ich wollte genauso anmutig kämpfen wie die anderen hier und ich wollte die Abschlussprüfung hier bestehen. „Starla!" rief der Trainer erneut. Ich schaute erschrocken auf. Hatte ich etwas verpasst? „Du sollst deine Knie mehr strecken," sagte er auffordernd.
Als wir mit unserem Gleichgewichts- Muskeltraining fertig waren, machten wir uns wieder auf den Rückweg. Aus irgend einem Grund war dieser heute anstrengender als sonst und das letzte Stück lief ich schließlich auch langsamer, was ich zuvor noch nie machen musste.
Als ich die Treppe schließlich geschafft hatte, wartete mein Trainer oben auf mich. „Ist alles in Ordnung?" fragte er. „Ja wieso meinen Sie?" fragte ich als Antwort. „Du warst heute oft nicht bei der Sache und auch gerade beim Rückweg warst du langsamer als sonst," sagte er. „Ich möchte nur sicher gehen, dass alles in Ordnung ist und du nicht verletzt bist und irgendwann einfach umfällst," sagte er und schaute mir dabei in die Augen. Hätte ich jetzt meine Fähigkeiten, könnte ich seine Gefühle lesen. Dann wüsste ich, ob er wirklich besorgt war oder nur einem Pflichtgefühl nachging. „Ich bin nur ein bisschen müde aber sonst geht es mir gut," sagte ich, woraufhin er nickte und über den große Platz zu dem überdimensionalen Eingangstor ging.
Ich drehte mich noch einmal um, um die Wüste, die sich zu den Füßen dieses Berges erstreckte zu Bewundern. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, dass man von hier bis ans Ende der Welt schauen konnte.
Als ich ebenfalls den Platz überquerte, musste ich an die Leichen denken, die hier bis vor wenigen Tagen noch gelegen hatten. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich nur mit Glück überlebt. Hinter jeder Ecke hätte ein Gegner stehen können und mich töten können, noch bevor ich überhaupt gewusst hätte, was vor sich gegangen wäre. Dann hätte ich auch hier gelegen.
Mit dem Erreichen des Eingangstors lies ich auch meine Gedanken an den Angriff hinter mir und trat in die verhältnismäßig kühle Eingangshalle ein.
Da es Zeit fürs Abendessen war, ging ich direkt in den Speisesaal. Duschen könnte ich auch noch später.
Nachdem ich mir meinen Brei geholt hatte, setzte ich mich zu Seungli, Saori und Asami an den Tisch. „Na, beehrst du uns auch mal wieder mit deiner Anwesenheit?" fragte Seungli mich. Ich nickte daraufhin nur und begann meinen Brei zu essen. „Hast du eigentlich schon von den Gerüchten gehört, dass der König von Iskariot sich für einen Krieg bereit macht? Er hat Gerüchten zufolge vor, zuerst das Fürstentum Akomien und danach das Königreich Barvella einzunehmen," erzählte Seungli. „Kommst du nicht von dort?" fragte Asami mich. „Ja ich komme aus Barvella," sagte ich. „Und was hältst du von den Gerüchten?" fragte Asami mich. „Einerseits gibt es ziemlich viele Gerüchte über den König von Iskariot bei denen ich auch nicht weiß, ob alle davon stimmen. Andererseits haben sich Iskariot und Barvella noch nie gut verstanden und fast durchgehend um die Grenze gestritten, weshalb es gut sein kann, dass es wieder zum Krieg kommen kann," sagte ich. „Aber es gab doch sicher schon irgendwann einmal Herrscher, die den Frieden dem Krieg vorgezogen haben?" fragte Asami mich mit gerunzelter Stirn. Ich schüttelte den Kopf. „Mindestens einer von beiden hatte immer Hintergedanken. Deshalb gab es auch nie Ehen zwischen den beiden Herrschaftshäusern," sagte ich. „Gibt es für diese Konflikte irgendwelche Gründe?" fragte Saori an mich gerichtet.
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, ob es immer noch einen vernünftigen Grund gibt oder ob sich die Leute aus Barvella und Iskariot einfach nicht mögen, weil sie zu viele Vorurteile haben aber ursprünglich ging es um die Grenze zwischen den Ländern," sagte ich achselzuckend.
Nach dem Essen ging ich zu den Zielscheiben, um mein Messer auf die Zielscheiben zu werfen. Jedes Mal, wenn ich in die Rote Mitte der Zielscheibe traf, jagte ein Schub Adrenalin durch meinen Körper. Ich freute mich einfach und immer, wenn ich es schaffte, wollte ich noch einmal treffen.
„Na, noch ein Abendliches Wurftraining?" fragte jemand hinter mir. „Dafür, wie dunkel es ist, triffst du wirklich gut," sagte Sib und sein Blick glitt zu dem Ring an meinem Finger. „Ich finde mich im dunklen mittlerweile ziemlich gut zurecht," sagte ich.
Daraufhin herrschte erst einmal Schweigen zwischen uns. „Willst du einen kleinen Übungskampf machen?" fragte Sib mich. „Aber ohne Waffen. Nicht, dass jemand aus Versehen ein Messer ins Auge bekommt." Sib nickte daraufhin und legte die Waffen, die er bei sich trug, ab. Diese bestanden aus drei Messern, die meinem zum verwechseln ähnlich waren. Allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Länge.
„Ehrlich gesagt habe ich noch nie mit Artialis gegen jemanden gekämpft," sagte ich etwas zurückhaltend. „Es ist eigentlich ziemlich einfach. Du musst einfach immer die Gegenbewegungen zu meinen Bewegungen machen. Offiziell ist es eine Kampfsportart aber inoffiziell gelten die selben Regeln, die auch beim Paartanz gelten," sagte Sib.
Ich nickte daraufhin nur und dann ging es auch schon los. Sib griff schneller an, als ich sehen konnte und im nächsten Moment lag ich kampfunfähig auf dem harten Boden. „Okay, ich mache ein bisschen langsamer," sagte Sib und hielt mir seine Hand hin, um mir auf zu helfen.
Die nächsten Angriffe waren zwar etwas langsamer, allerdings lag ich immer auf dem Boden, bevor ich überhaupt überlegen konnte, was ich am besten machen sollte. „Du darfst nicht denken, sondern musst deinen Körper einfach machen lassen," sagte Sib.
Er wiederholte den Angriff immer wieder und irgendwann schaffte ich es, ihn abzuwehren. Allerdings gewann er dann doch wieder die Oberhand. Mit der Zeit wurde ich immer besser und irgendwie machte es auch Spaß, diese ganzen Übungen anzuwenden.
Als es nahezu komplett dunkel war, verabschiedeten wir uns voneinander und ich ging ins Bett. Sib meinte, er wolle noch ein bisschen Messerwerfen im Dunkeln üben. „Siehst du bei der Dunkelheit überhaupt etwas?" fragte ich ihn skeptisch. „Ich habe eine ziemlich gute Orientierung," sagte er und warf sein Messer ohne richtig in die Richtung zu schauen. Dem Geräusch entnahm ich, dass er zumindest die Zielscheibe getroffen hatte.
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5.5.2021
4.10.2022
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