
19
Lang hatte ich die restliche Nacht nach dem Albtraum nicht mehr geschlafen sondern war, als die Sonne ihre ersten morgendlichen Strahlen durch das große Fenster geschickt hatte, aufgewacht. Alejo hatte ich schlafen gelassen, er wirkte so ruhig und ausgeglichen wenn er schlief. Doch dies brachte ihm überhaupt nichts, da nur einige Minuten später ein lautes Pochen an unserer Zimmertür erklang.
»Guten Morgen!«, trällerte dann Gaels fröhliche Stimme hindurch, während mein Entführer die Augen öffnete und laut gähnte.
»Isst du noch mit Frühstück?«, hakte er durch die Tür hindurch.
Alejo grummelte müde, ehe er sich zusammen riss und ein freundlich klingendes: »Wenn es euch keine Umstände macht«, zurück brüllte.
»Natürlich nicht!« Damit ging Gael und seine Schritte wurden immer leiser, bis man sie gar nicht mehr hören konnte.
Ich schlug die Decke von meinen Beinen zurück, stand auf und suchte meine Anziehsachen. Als ich diese gefunden hatte, zog ich sie mir an und musterte Alejo abwartend.
»Ziehst du dich auch noch irgendwann an?«, fragte ich und bedachte ihn mit einem skeptischem Blick.
»Jaja«, entgegnete er und rappelte sich ebenfalls auf. Dann drehte ich mich schon ohne Bitte zur Wand um damit er sich umziehen konnte.
»Weißt du wie spät es ist?« Fragend sah ich die Wand an, da er sich noch umzog.
»Woher soll ich das denn bitte wissen?!«, stellte er eine Gegenfrage.
Ich seufzte auf. Dieser junge Mann brachte mich noch um meine Nerven. »Hinter dir hängt ne Uhr.«
Ich hörte wie Alejo sich umdrehte, dann beantwortete er mir endlich meine Frage: »Acht Uhr Fünfzehn.«
»Darfst dich übrigens wieder zu mir drehen«, ergänzte er.
Ich kam seiner Aufforderung nach und verwandelte mich dann wieder in meinen Hund. Von unten sah ich zu ihm hinauf, dann holte er das Seil aus seinem Rucksack und knotete es mir wieder um den Brustkorb.
»Können wir? Ich hab Hunger - zwar nicht auf dieses scheußliche Hundefutter, aber besser als nichts«, fragte ich.
Er nickte und schulterte seinen Rucksack, bevor sich ein Grinsen um seine Mundwinkel schlich. Dann schloss Alejo die Zimmertür auf und wir beide traten hindurch.
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Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns von der gastfreundlichen Familie und deren nervtötenden Hund. Dann packte Alejo die Leine fester an und wir traten hinaus ins freie. Die Temperatur war heute ziemlich mild und angenehm, perfektes Wetter für eine ›Wanderung‹. Ein sanfter Wind frischte auf und wehte uns um die Nase, beziehungsweise Schnauze.
»Wie weit ist es eigentlich noch bis zur Küste?«, fragte ich, als wir gerade los liefen.
Sein Gesicht verzog sich, als ob er überlegen würde. »Zu weit«, fasste er sich dann kurz, was ich mit einem Seufzer quittierte. Ich fragte nicht weiter nach, da ich wusste, dass ich sowieso keine bessere Antwort bekam - also gab ich mich damit zufrieden.
Nachdem wir an dem kleinen Dorf, in dem Gael wohnte, vorbei gelaufen waren, schlugen wir wieder den Pfad zwischen den Feldern ein, bloß wurden es immer weniger Felder und sie glichen einer üppigen, halb vertrocknete Wiese. Bald jedoch endete komischerweise der Pfad auf dem wir die ganze Zeit liefen und wir standen ohne Orientierung mitten auf der Wiese - ich hatte jedenfalls nicht den geringsten Schimmer wie wir jetzt weiter zur Küste kommen sollten.
Fragend schweifte mein Blick zu Alejo hoch, der sich suchend umsah. »Wo lang?« Waren die einzigen zwei Worte die meinen Mund verließen.
Doch er antwortete nicht und stand immer noch reglos an der Stelle herum. Nichts rührte sich an ihm, ja, er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ich wollte mich gerade hinlegen um eine Pause zu machen und der Stille zu lauschen, doch da bewegte sich mein Entführer plötzlich wieder und ging schnurstracks gerade aus weiter.
Geantwortet hatte er mir immer noch nicht, und so herrschte Schweigen zwischen uns. Da die Stille so langsam unangenehm wurde, beschloss ich, sie zu brechen, da er das wahrscheinlich nicht tun würde: »Bist du dir sicher dass wir hier richtig sind?« Mir war keine bessere Frage eingefallen.
Von oben hörte ich ein raues Lachen, bis seine Stimme erklang: »Ganz sicher, Bonita.«
»Okay.« Ich zuckte mit meinen Hundeschultern. »Können wir bitte mal ne Pause einlegen?!«
Er sah zu mir runter und betrachtete mich - zu lange. »Bald«, antwortete er dann und lief weiter.
Gemeinsam überquerten wir die Wiese und erreichten gegen Mittag einen schattig aussehenden Wald. Es war schon ewig her, dass ich das letzte mal einen Wald gesehen oder gar betreten hatte. Umso größer war meine Freude, endlich in ihn einzutauchen.
»Machen wir im Wald die Pause?« Meine Stimme klang leicht aufgedreht, was man mir aber nicht verübeln konnte.
»Wats jetzt mal ab«, gab er nur zurück und hatte einen leicht genervten Ton angenommen.
Als wir endlich das Ende der Wiese erreicht hatten, gingen wir an der Waldgrenze entlang, bis Alejo endlich das gefunden hatte, was er gesucht hatte: einen Trampelpfad.
»Hier entlang.«
Er betrat zuerst den Pfad, dicht gefolgt von mir. Die Schatten die die Bäume auf uns warfen, schützten uns von der Sonne und kühlten die Temperatur im Wald ein wenig ab. Hier war es echt schön! Man konnte die Vögel zwitschern hören und ab und zu raschelte es im Unterholz.
Bald erreichten wir eine Lichtung mit hohem grünen Gras, was noch nicht vertrocknet war. Hier und da wucherten vereinzelt weiße Blumen in die höhe und die schönen Düfte der Pflanzen strömten mir in die weit aufgeblähte Nase.
»Hier machen wir eine Pause«, sagte der junge Mann schließlich und setzte sich in die Wiese. Ich ließ mich neben ihn ins Gras fallen und legte meinen Kopf auf die Pfoten, dann genoss ich die schöne Umgebung und war mehr als zufrieden.
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